Sonntag, 1. März 2020

Puberty 2

[ emotional | lässig | jugendlich ]

Sophie Allison, seit ein paar Jahren wesentlich besser bekannt unter ihrem Pseudonym Soccer Mommy, ist in der modernen Rocklandschaft eigentlich nichts besonderes. Wie viele junge Künstler*innen, vor allem Frauen, spielt sie jene softe, songwriterisch angehauchte Sorte von emorockigem Post-Grunge, den zu Ende der letzten Dekade Leute wie Courtney Barnett, Hop Along, Snail Mail und Frankie Cosmos etablierten und die inzwischen zu dem geworden ist, was jangliger Shoegaze-Pop zehn Jahre vorher war. Wie wir an diesem Beispiel aber erfahren haben, handelt es sich auch hierbei um eine Art von Musik, die vom Prinzip her sehr schwer schlecht zu machen ist und die nicht madig wird, nur weil viele Leute sie spielen. Und gerade Soccer Mommy gehörte zuletzt zu denjenigen, die dieses Konzept eher noch perfektionieren konnten, statt es abzunutzen. Ihr Debütalbum Clean, das gerade mal vor anderthalb Jahren erschien, war auf eine Weise zwar das Dokument eines unsteten Teenagers, der seine Songs eher als Ventil komplexer Emotionsgeflechte nutzt als zur künstlerischen Beitragsgestalung, aber trotzdem, oder gerade deswegen, war die Platte im Endeffekt auch so spannend. Wie bei vielen solcher Erstlinge hatte man da nur leider schon den Haken im Hinterkopf, dass sowas als Idee zwar erstmal ganz interessant sei, es aber kreativ nur in den seltensten Fällen für die konsequente Fortführung einer Karriere reicht. Was bedeutete, dass Soccer Mommy sich etwas überlegen musste, um dem abverlangten Reifungsprozess nicht anheim zu fallen und irgendwann langweilig zu werden. Und sicher ist das auch ein Faktor, der auf ihrem zweiten Album eine Rolle spielt, doch kann ich auch mit Freude sagen, dass das auch auf Color Theory weiterhin kein unmittelbares Problem ist. Im Gegenteil: Allison macht hier eine Platte, die nochmal ein ganzes Stück besser ist als ihr Vorgänger. Was vor allem dadurch passiert, dass sie den darauf etablierten Sound im Rahmen ihrer Möglichkeiten optimiert. Die 10 neuen Tracks, die sie hier vorstellt, sind im ihrer Gesamtheit etwas sauberer, klarer formuliert und stimmiger umgesetzt, was auch damit zutun hat, dass sie klanglich hier etwas die Politur ansetzt. Die Gitarren sind weniger grantig und gehen schon fast in Richtung Dreampop oder Americana, das Songwriting ist gelassener und geradliniger und auch wenn sie kaum auffallen, gibt es im Hintergrund hier immer wieder atmosphärische Synth-Passagen, die viele Stücke sehr viel runder klingen lassen als die vorigen von Soccer Mommy. Vieles hier hat dabei extreme Ähnlichkeit mit dem letzten Album von Snail Mail, von der Produktion bishin zu Allisons Gesangsparts. Gemessen daran, wie cool ich dieses Projekt finde ist das aber nichts grundlegend schlechtes, sondern sogar ein Qualitätsmerkmal. Wie gesagt, die Formel an sich ist nicht das Problem und wenn sie so gut umgesetzt wird, bin ich absolut dafür. Und wem Eigenanteil wichtig ist, der findet den immer noch am leichtesten in den Texten dieser Platte. Wobei ich ganz deutlich sagen muss, dass sich die Songwriterin auch hier gesteigert hat. Zwar geht es im wesentlichen immer noch um die vielschichtigen Unsicherheiten und Seltsamkeiten der eigenen Jugend (die Künstlerin ist mit 22 Jahren ja immer noch davon befangen), doch sind die einzelnen Metaphern dabei schärfer, die Punchlines treffender und die Tragweite der behandelten Themen greifbarer. Wenn in Songs wie Royal Screw Up eine Zeile wie "And you save pretty girls like me / but I'm not so pretty when I'm naked" fällt oder Circle the Drain von emotionalen Zusammenbrüchen spricht, fühlt sich das irgendwie wichtig an und trifft eine bestimmten Gemütszustand in mir. Sicher ist Allison hier noch nicht an einem Punkt, wo sie die nächste Mitski oder PJ Harvey ist, aber sie gehört spätestens hier schon zu den Songwriter*innen, bei der ich auch trotz Sprachbarriere nicht anders kann als auf die Inhalte der Stücke zu hören. Ob das letztendlich ihr größtes Kapital ist oder der Vibe der LP, ist eigentlich egal, denn Soccer Mommy macht auf Color Theory in fast jeder Hinsicht einen Satz nach vorne und etabliert sich als eine Künstlerin ihrer Sparte, die auf jeden Fall ernst zu nehmen ist. Die Frage, wie sie diese Art von stilistischer Ausrichtung über die Zeit bringen will bleibt zwar, doch habe ich mit diesem Album noch mehr das Vertrauen gewonnen, dass das schon irgendwie klappt. Und beschweren kann ich mich auch immer noch, wenn es überhaupt erstmal soweit kommt.



Klingt ein bisschen wie
Snail Mail
Lush

Stella Donelly
Beware of the Dog

Persönliche Höhepunkte
Bloodstream | Circle the Drain | Royal Screw Up | Night Swimming | Crawling in My Skin | Yellow is the Color of Her Eyes | Up the Walls | Stain

Nicht mein Fall
-


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