Sonntag, 15. März 2020

Let the Bodies Hit the Floor

[ edgy | groovy | deftig ]

 Es ist sicher nicht übertrieben zu sagen, dass Code Orange zumindest im Fachbereich des Hardcore und Metal eine der Bands sind, die sich in den letzten zehn Jahren am krassesten verändert haben. Als jemand, der sie und ihre Musik noch von ihrem ihrem Debüt aus dem Jahr 2012 kennt, ist es faszinierend, heute festzustellen, wie aus den einstigen Posthardcore-Kids aus Pittsburgh praktisch eine völlig andere Mutation ihrer selbst geworden ist, die Stand 2020 auch schon mehrere Entwicklungsstufen durchlaufen hat. Natürlich war diese Metamorphose in den vergangenen Jahren nicht ganz reibungslos und kostete Ausstieg und Neubesetzung diverser Mitglieder, doch beschreibt sie dennoch einen stabilen Aufwärtstrend. Ohne großen Hype und viel Trara sind Code Orange dabei von einem unbedeutenden Ableger der Nordost-Wave-Szene zu einem international erfolgreichen Metal-Act geworden, der 2018 immerhin für einen Grammy nominiert war. Eine großartige Entwicklung, über die ich mich an dieser Stelle einfach nochmal ganz offiziell freuen möchte, weil ich finde, dass diese Leute es verdient haben. Und das, obwohl ich das Quintett zu keinem Zeitpunkt in der letzten Dekade als eine meiner Lieblingsbands bezeichnet hätte. Viel eher ist das Verhältnis zwischen Code Orange und mir seit jeher eines der knappen Kisten, schwierigen Fälle und verpassten Chancen. Denn so lange ich die Gruppe jetzt schon kenne, setze ich zwar immer wieder große Hoffungen in ihren kreativen Output, war aber bisher von keiner ihrer Platten so wirklich überzeugt. Sowohl I Am King von 2014 als auch das von der Szene immens gefeierte Forever drei Jahre später sind in meinen Augen Beispiele für Platten, die zwar kompositorisch und technisch extrem cool angedacht sind, denen aber auch komplett die künstlerische Richtung fehlt und die am Ende eher verwirrend als wegweisend sind. Platten, die ich von Songwriting her unglaublich gerne mehr mögen würde, die aber auch völlig unrund laufen und mich deshalb bis heute nicht mit letzter Überzeugung kriegen. Wobei das frustrierende ja immer ist, dass Code Orange für so ein Album eigentlich nicht zu blöd sind. Und so hoffe ich bei ihnen eben immer wieder, dass diesmal der Umschwung vielleicht doch noch kommen könnte, so auch auch bei Underneath, ihrem nunmehr vierten offiziellen Longplayer. Anlass dafür gaben diesmal zwei sehr verschiedene Dinge: Zum einen natürlich ein paar großartige Vorab-Singles, in denen die Band eine erneute musikalische Veränderung in Richtung Groove Metal und Industrial andeutete, zum anderen ihre 2018 veröffentlichte EP the Hurt Will Go On, auf der sie genau diese Tendenzen schon einmal im kleineren praktiziert hatten und auf denen genau die Probleme, die ich mit ihren früheren Alben immer hatte, behoben wurden. Dass Underneath anders funktionieren würde als seine Vorgänger und damit vielleicht besser werden könnte, war also wahrscheinlich. Und tatsächlich muss ich sagen, dass die Platte in dieser Hinsicht zum ersten Mal nicht enttäuscht. Code Orange klingen auf den 14 Songs hier insgesamt runder, das Gesamtgeschehen flowt wesentlich besser als früher und die Tracks sind zwar abwechslungsreich, finden aber auch nicht völlig in separaten Welten statt, was zum ersten Mal für eine einheitliche LP-Ästhetik bei dieser Band führt. Und so offen muss ich sein: Diese Faktoren machen Underneath zu ihrer bisher besten Platte bisher. Dass die klangliche Ausrichtung dabei ein ganzes Stück melodischer und grooviger ist und vieles hier tatsächlich an die alten Sachen von Marylin Manson, Trent Reznor oder manchmal sogar Limp Bizkit erinnert, passiert ebenfalls zu ihrem Vorteil. Gleichzeitig bauen Code Orange ihr Repertoire auch in Richtung Metalcore aus und bedienen sich an teilweise üblen Crabcore-Klischees. Das macht Songs wie In Fear oder Autumn & Carbine zu ziemlich fetten Angelegenheiten mit Gitarrenriffs wie Ziegelmauern und bombastischen Breakdowns, die auf jeden Fall Spaß machen. Wenn dazu noch so clevere Produktions-Knipsereien wie in Swallowing the Rabbit Whole kommen, führt das zu durchaus genialen Bangern, die auch technisch nicht von schlechten Eltern sind. Und ein paar solcher Highlights finden sich hier auf jeden Fall. Die schlechte Nachricht ist aber: Nicht auf dem kompletten Album hat das alles so fantastisch hin. Fast im kompletten Mittelteil von Underneath verkalkuliert sich die Band leider etwas mit melodischerem und weniger klar definiertem Songwriting, was zwar zur Vielfalt des Gesamteindrucks beiträgt, aber kompositorisch auch schlichtweg schwächer ist. Hinzu kommt, dass viele der edgy Tricks und Kniffe, die hier ausprobiert werden irgendwann nicht mehr den gewünschten Effekt erzielen. In den schlimmsten Momenten wirken solche Stilmittel dann sogar etwas albern und gimmickhaft. Im Vergleich zu früheren Alben von Code Orange sind das aber eher kleine Kritikpunkte, die wenig vom generellen Spaßfaktor diese LP abtragen. Klar könnte Underneath noch besser sein und wirklich leidenschaftlich werde ich hier noch immer nicht, aber es ist zumindest erstmal eine Platte, die zeigt, dass diese Band ein überzeugendes Gesamtwerk schaffen und sich gleichzeitig kreativ weiterentwickeln kann. Der Aufwärtstrend ist also weiterhin da. Und ja, ich sage dass in der Hoffnung, dass Code Orange von hier ab noch besser werden.



Hat was von
Enter Shikari
A Flash Flood of Colour

Soulfly
Ritual

Persönliche Höhepunkte
Swallowing the Rabbit Whole | In Fear | Autumn & Carbine | Back Inside the Glass | A Sliver | Underneath

Nicht mein Fall
-


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