Mittwoch, 18. März 2020

Es muss weitergehen

 [ gediegen | hippiesk | psychedelisch ]

Man kann das sicherlich auf sehr verschiedene Weisen sehen, aber wenn es nach mir geht, haben Colour Haze spätestens während der letzten Dekade das Handwerk des Psychedelic Rock auf eine gewisse Weise perfektioniert. Von den vielfältigen Ansätzen einer Spielart, die seit inzwischen über 50 Jahren durch alle möglichen Äther strudeln, haben sie in meinen Augen irgendwann während der letzten zehn Jahre die Variante dieses Sounds gefunden, die vor allem in technischer und klanglicher Hinsicht mein persönliches Geschmacks-Optimum beschreibt. Die Art und Weise, wie sie mit üblichen Stil-Parametern wie Gitarreneffekten, Schlagzeug-Abmischung, Analogen Synths und Postproduktion umgehen, ist für mich nirgends so gut wie bei ihnen und für eine gewisse Zeit wurde das gleich von mehreren fantastischen Platten belegt. Eine besondere Rolle kommt dabei ihrer 2012 veröffentlichten LP She Said zu, die ich als ihr bisherigen Opus Magnum zu meinen absoluten Highlights der letzten Dekade zähle, aber auch ihr Nachfolger To the Highest Gods We Know von 2015 sollte an dieser Stelle nicht unerwähnt bleiben. Beide Alben die zeigen, wie faszinierend und schlafwandelnd sicher die drei Münchner sich in ihrem musikalischen Kosmos bewegen können und wie arschcool und locker sie diese fabelhaften Jams spielen. Die Frage ist nur, was man tut, wenn man genau diese optimale klangliche Ästhetik nicht nur gefunden, sondern inzwischen auch bis zur Ermüdung durchgezockt hat? Ein Problem, das Colour Haze auch nicht erst seit gestern haben. Bereits ihr letztes offizielles Album In Her Garden von 2017 nagte etwas daran, dass es zwar noch immer recht gut gemacht war, bekannte Stilmittel aber nur noch wiederholte und sich ein ganzes Stück weniger spannend anfühlte als seine Vorgänger. Denn auch der geniale Klang einer Band wie dieser nutzt sich irgendwann ab und bleibt nur dann beständig, wenn er neue Ideen entwickelt. Und genau dafür ist drei Jahre später jetzt We Are da. Als inzwischen dreizehnter Longplayer der Münchner unternimmt es zumindest den Versuch, sich stilistisch ein bisschen auszuprobieren und originelle Perspektiven in der Ästhetik der Bayern zu finden, was man oberflächlich vor allem daran merkt, dass es sehr viel gediegener ist. Zwar drückt der eröffnende Titeltrack zu Beginn in gewohnter Stoner-Manier nochmal ordentlich auf die Tube und bricht das Eis mit etwas mehr Bums uns Tempo, danach schaltet die Band aber rapide zurück. Die typisch jammigen und organischen Riff-Strukturen bleiben dabei größtenteils erhalten, finden sich jedoch eher in meditativeren Song-Konzepten wieder, die leichter und flockiger sind. Ein bisschen geht die Gruppe damit klanglich zurück in ihre Zwotausender-Phase, findet aber auch völlig neue Ausdrucksformen. So ist Freude III mit seiner hookigen Querflöte an der Spitze fast retroproggig unterwegs, Material Drive setzt wesentlich stärker auf Synthesizer-Arbeit und I'm With You geht schon fast in Richtung Akustikballade. Durchweg ist dabei zu beobachten, dass Colour Haze den Faktor Gesang, der in ihrer Musik bisher eine sehr untergeordnete Rolle spielte, diesmal wesentlich prominenter positionieren und lyrisch dabei sogar eine Art Konzept zwischen verschiedenen Songs aufbauen. Und anhand solcher Verfahren versuchen sie hier, ihren ureigenen Stiefel in diverse verschiedene Richtungen zu lenken, ohne sich dabei stilistisch selbst zu verlieren. Mit dem Ergebnis, dass sie zwar noch immer unverwechselbar Colour Haze sind,  doch zum ersten Mal, seit ich sie aktiv höre, wirklich übarrschend klingen. Wobei das nicht heißen muss, dass sie das gleich sehr gut machen. Über weite Teile dieser 45 Minuten Musik haftet We Are schon irgendwie die Wirkung einer Ausprobierplatte an, die sich noch nicht richtig wohl in ihrer eigenen Haut fühlt. Jene  traumwandlerische Sicherheit, die die Bayern auf ihren besten Alben hatten, gibt es hier zum größten Teil nicht mehr. Und mit dem Risiko der klanglichen Neuerungen kommen eben auch ein paar Faktoren, die etwas unvorteilhaft für die Band sind. So ist Stefan Koglek erfahrungsgemäß nun mal nicht der beste Sänger, was bisher aber nicht so das Problem war, weil er von der instrumentalen Wucht seiner Tracks meist eh verschluckt wurde. Hier hört man ihn zum ersten Mal in voller Pracht, was den meisten Tracks leider nicht sehr zuträglich ist. Auch viele Synth-lastige Nummern hier sind zwar an sich kein Beinbruch, dennoch verblassen sie gegenüber den gitarrendominierten Momenten stark und lassen einen gewissen Groove mitunter vermissen. Generell entstehen durch das Zurücksetzen einiger Elemente oft klangliche Lücken, die Colour Haze nur selten durch entsprechend coole neue Ideen auffüllen können. Das hat letztlich wenig damit zu tun, dass sie hier weniger rockig daherkommen, sondern hat eher damit, dass sie nicht wissen, was sie stattdessen machen sollen. Klar kann man sich am Ende immer noch auf die kompositorische Basis einigen und zumindest die sorgt dafür, dass We Are grundsätzlich ganz solide ist (und immer noch fantastisch produziert und aufgenommen), der große Wurf ist das hier für die Münchner allerdings nicht geworden. Und vielleicht ist das ja auch ganz okay so. Denn nachdem sie zuletzt sehr formelhafte und repetetive Musik spielten, ist diese LP immerhin ein Schritt in die richtige Richtung. Er sorgt dafür, dass sich Colour Haze wieder aus ihrem Kokon bewegen und schauen, wie sich ihr Sound von hier aus entwickeln kann, statt auf der Stelle zu verharren. Dass das beim ersten Mal noch nicht richtig klappt, ist da total verständlich. Allerdings bin ich mir bei so einer Band absolut sicher, dass sie einen Weg finden werden und dann auch wieder richtig gut sind. Ganz einfach weil ich weiß, dass sie ihr Handwerk beherrschen.



Hat was von
Motorpsycho
the Crucible

Kyuss
...And the Circus Left Town

Persönliche Höhepunkte
I'm With You | Be With Me | Freude III

Nicht mein Fall
Material Drive


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