Mittwoch, 11. März 2020

Für die Schönheit der Idee

 [ instrumental | rockig | sportlich | harmonisch ]

Wisst ihr, was frustrierend ist? Dass es Solkyri im Jahr 2020 auf die Kette kriegen, ein ziemlich geiles energisches Postrock-Album aufzunehmen, das ästhetisch und musikalisch wirklich einen Unterschied zum großen Rest der Community macht und dem Ding dann so ein lahmes Artwork zu verpassen, das aussieht wie ein Inserat bei den städtischen Grundstücksauktionen. Da braucht man sich ja auch nicht zu wundern, dass diese Band nach wie vor kein Mensch so richtig ernst nimmt, wenn man direkt beim angucken des Covermotivs keinen Bock mehr hat. Ich sage das aus einem ganz bestimmten Grund, denn als ich vor mittlerweile fünf Jahren das erste Mal auf die Australier stieß, war es überhaupt erst das melancholische und extrem niedliche Artwork ihrer damalig aktuellen LP Sad Boys Club, das mich neugierig auf sie machte. Eine LP, die ich schlussendlich so sehr mochte, dass sie vor ein paar Monaten als eine meiner Lieblingsplatten der letzten Dekade Erwähnung fand. Der erste Eindruck ist also in diesem Fall kein Pappenstiel und wäre das hier mein Ausgangspunkt gewesen, hätte ich der Sache wahrscheinlich keine Chance gegeben. Zum Glück hat das Schicksal mich in meinem Leben aber an einen Punkt geführt, an dem ich weiß, was Solkyri für eine tolle Band sind und war durch jenen früheren, besseren Erstkontakt jetzt total gespannt, was diese neue Platte wohl zu bieten habe. Seit Sad Boys Club ist immerhin ein halbes Jahrzehnt ohne neue Musik der Australier vergangen und ich kann froh sein, dass sie vor so kurzer Zeit nochmal auf meinem Radar gelandet sind, denn andernfalls wäre mit Mount Pleasant sicherlich komplett durch die Lappen gegangen. Was schade gewesen wäre, denn wir erleben hier in vielen Eigenschaften den Nachfolger, den Sad Boys Club verdient. Solkyri spielen hier nach wie vor jene sehr energische und schmissige Ausrucksform von Postrock, die viele Stilmittel von Emo- und Indie- und manchmal auch Mathrock importiert und einfach ein bisschen mehr Tempo und Harmonie einbringt als die meisten anderen Gruppen, was sie auch hier in gewisser Weise zu einer Anomalie im Szene-Kosmos macht. Und gerade diese Faktoren stellt die neue LP noch einmal ganz besonders heraus. Noch mehr als auf ihrem Vorgänger drängen die Australier hier in Richtung Pop und klingen noch fluffiger und euphorischer als vor fünf Jahren. Was Mount Pleasant dabei toll gelingt ist, den Sound der Band abzurunden und früher bestehende Gegensätze näher zusammenzubringen. Wo rocksportige Tracks und sinfonische Interludes auf Sad Boys Club noch verschiedene Pole derselben Musik darstellten, verschmelzen diese hier zu einer gemeinsamen Idee, die in den besten Momenten ein paar herrliche Melodie-Feuerwerke wie Meet Me in the Meadow oder Time Away erzeugt. Auch das shoegazige Summer Sun, der krachige Opener Holding Pattern  oder das epochale Finale Furioso von Geueles Cassées haben ihre Qualitäten. So gut wie da läuft es aber auch nicht immer. Solkyri gelingen an vielen Stellen zwar ein paar geniale kompositorische Spitzen, doch entstehen an anderen dafür auch weite Zwischenräume, in denen das Songwriting eher etwas lahm und gewöhnlich daherkommt. In diesen Momenten klingen sie dann nicht selten wie das abgehangenste und älteste Klischee von Zwotausender-Postrock, das man sich vorstellen kann und kommen nicht so wirklich aus dem Leim. Ein Problem, an dem die Australier auf früheren Alben eben gerade deshalb vorbeischlidderten, weil ihre Kompositionsweise und ihr Albumflow sehr gegensätzlich war. Und dort, wo sich das jetzt fusioniert, entsteht folglich auch eine gewisse Monotonie. Da hilft es auch nichts, dass die instrumentalen Performances hier so genial wie nie zuvor klingen und vor allem am Schlagzeug durchweg Maßarbeit geleistet wird. Mount Pleasant ist insgesamt leider ein sehr viel durchwachseneres Projekt als sein Vorgänger. Das bedeutet allerdings keinesfalls, dass es Mist ist und ich muss ganz klar sagen, dass mir ein paar Verschnaufpausen dieser Band viel lieber sind als die komplett durchgekauten Sachen, die Leute wie Toundra oder Tides From Nebula in letzter Zeit veranstalten. Denn was sich hier trotz allen kleinen Schwächen bewahrt ist der eigenwillige und orignielle Sound der Australier, für den ich sie vor fünf Jahren lieben gelernt habe. Und der macht es auch 2020 noch wert, diese Musik für sich zu entdecken, weil sie als Idee spannend ist und dem abgeleierten Postrock-Standard wenigstens ein bisschen frische Energie abtrotzt. Auch dann, wenn Solkyri hier nicht so gut in Form sind und das langweiligste Albumcover des Jahres haben.



Hat was von
And So I Watch You From Afar
Heirs

Brontide
Artery

Persönliche Höhepunkte
Holding Pattern | Meet Me in the Meadow | Time Away | Summer Sun | Gueules Cassées

Nicht mein Fall
Potemkin


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen