Mittwoch, 29. April 2015

Polyphonie unterm Regenbogen

AND SO I WATCH YOU FROM AFAR
Heirs
Sargent House
2015














Sie sind schon ein drolliger Haufen, diese höchst eigenartige Band aus Nordirland, die bereits seit Jahren die Rockmusik revolutioniert, ohne dass es jemand merkt. Schön, dass sie wieder da sind. Ich kenne And So I Watch You From Afar ja nun bereits seit 2011, als sie gerade ihr Zweitwerk Gangs veröffentlicht hatten. In meinen Augen ist diese LP noch immer eine der besten Platten dieses Jahres und ein ganz persönliches Highlight auf der ewigen Tabelle des Mathrock. Heirs ist Album Nummer zwei seitdem und geht noch weiter den Weg, der die Band langsam aber sicher immer weiter in die offenen Arme der Popmusik treibt. Schon vor fünf Jahren, als ASIWYFA streng genommen noch Post-Metal machten, war die Dichte an Zuckerwatte-Riffs und quietschbunten Gitarren extrem hoch für diese Art von Musik, seitdem steigt die Kurve mit jedem Album weiter an. Bisheriger Höhepunkt war der letzte Longplayer All Hail Bright Futures von 2013, auf dem das Quartett stellenweise klang wie sein eigener Nightcore-Remix mit Gitarren. Dass Heirs nun doch wieder rockiger geworden ist, sagt aber keinesfalls aus, dass sich das hier relativiert. Sicherlich klingen die zehn neuen Kompositionen wieder dichter und die Synthesizer halten sich im Hintergrund, dafür haben ASIWYFA hier all ihre Poren für süße Melodien und den perfekten Pitch geöffnet, der sie nun doch fast wieder zu einer Pop-Angelegenheit macht. Dabei habe ich das wichtigste noch gar nicht erwähnt. Auf Heirs kultivieren die Iren zum ersten mal das, was man auf All Hail Bright Futures schon in Andeutungen hörte: Gesang. Und damit haben sie sich richtig Mühe gegeben: Es gibt zwar nur bedingt so etwas wie einen Text, doch dafür hat die Band auch gleich ganze Chorsätze geschrieben, die mit Vokalpolyphonie und Einzelstimmen ähnlich nerdig ausfallen wie ihre Instrumentals. Dass beides auch zusammen wunderbar funktioniert, beweist der Opener Run Home, in der sich die Instrumentalgruppe mit den Sängern ein imposantes Battle liefert, bei dem am Ende alle Beteiligten Regenbögen kotzen. Hat man das einmal überstanden, ist der Rest des Albums wie ein Besuch in Willy Wonkas Schokoladenfabrik: Man kann schwer glauben, was man da hört, aber es ist alles unglaublich faszinierend. Und wenn man am Ende angekommen ist, will man am liebsten nochmal. Ein Effekt, der ASIWYFA unter vielen Kollegen für mich immer noch auszeichnet und besonders macht. Was mit Heirs auch großartig untermauert wird, denn wo die letzte Platte vielleicht noch ein bisschen ungelenk war, kommt hier alles sehr souverän und wie aus einem Guss rüber. Da kann ich schon mal zugeben, dass ich die Iren für eine der besten Rockbands dieser Tage halte. Hier wieder genau so wie immer. Gute Arbeit!
9/11

Beste Songs: Run Home / Wasps / Fucking Lifer / Tryer, You

Nicht mein Fall: Redesigned A Million Times

Weiterlesen:
Review zu Gangs (ASIWYFA):
zum Review

Review zu Artery (Brontide):
zum Review

Single-Review: New Noise (feat. Geschichtstunde)

REFUSED
Elektra
Epitaph
2015















Um sich mit Refused im Jahr 2015 auseinanderzusetzen, muss man leider Gottes erstmal die 17 Jahre Revue passieren lassen, die zwischen the Shape of Punk to Come und Elektra passiert sind, muss also quasi beim Urschleim anfangen. Nachdem die Schweden 1998 mit besagter letzter Platte den Hardcore für immer verändert hatten, wurde ihnen schnell der Hype zu groß und die Trennung war eine Sache von Tagen. Vom einem Moment auf den anderen waren Refused aus der Musikwelt radiert und die Wahrscheinlichkeit einer Wiederkehr war verschwendend gering. Sänger und Chefdenker Dennis Lyxzén fand mit Invasionen und the (International) Noise Conspiracy schnell neue Beschäftigungen, die reichlich wenig mit Hardcore zu tun hatten und über lange Strecken auch eher Enttäuschungen waren. Vierzehn lange Jahre gingen so ins Land und nur die wenigsten trauerten noch Refused nach. Inzwischen hatten sich auch At the Drive-In, die zweite große Hardcore-Kraft der frühen Noughties, aufgelöst, und ihre Nachfolge-Projekte Sparta und the Mars Volta sollten ebenfalls bald Geschichte sein. Das war im Januar 2012, als plötzlich ein Raunen durch die Alternative-Welt ging. Fast zeitgleich kündigten nämlich sowohl At the Drive-In als auch Refused eine Reunion an, inklusive großer Konzerttermine vor Massenpublikum und der vagen Chance auf neues Material. Der Effekt war verheerend. Damit hatte nun wirklich keiner gerechnet. Viele Fans badeten in seliger Nostalgie. Nur diejenigen, die das Glück gehabt hatten, die Schweden vor ihrer Trennung mal live erlebt zu haben, waren skeptisch. Dass die Tour unter größtenteils finanziellen Gesichtspunkten stattfand, war ein offenes Geheimnis und Lyxzén und Co. wirkten vor fünfzigtausend Leuten bei Rock am Ring doch irgendwie fehl am Platz. Man war fast froh, als noch im Herbst des gleichen Jahres der erneute Split der Band angekündigt wurde. Refused waren wieder mal fucking dead. So zumindest die offizielle Verlautbarung, denn hinter den Kulissen war man durchaus noch aktiv. In sozialen Netzwerken postete teilweise Lyxzén selbst Neuigkeiten und die Promo-Abteilung brachte ein neues T-Shirt auf den Markt. Es war ein bisschen, als würde ein Geist durch die Ruinen dieser Band spuken. So oder so ähnlich verlief die ganze Sache dann bis vor einigen Monaten, als ohne jegliche Vorwarung plötzlich haufenweise Tourdaten auftauchten und die Band sich wieder zu Wort meldete. Offiziell gab es keine Reunion und die Vermutung, hier an einen Fake geraten zu sein, waren durchaus berechtigt. Man munkelte, aber keine wollte die Bombe platzen lassen. Am Ende taten es Refused selber, als sie vor ein paar Tagen das unmögliche verkündeten: Ein neues Album. Noch in diesem Sommer. Die erste Single packten sie dann auch gleich noch obendrauf. Womit wir bei Elektra, ihrem ersten neuen Song in 17 Jahren, wären.
Ich sagte zu vorderst, man müsse die Vergangenheit der Band kennen, um diesen Track zu verstehen. Damit meine ich. dass man hier auf keinen Fall die nahtlose Fortsetzung von the Shape of Punk to Come erwarten kann. Refused sind keine Untergrund-Band mehr, ihr Publikum hat sich seit 1998 ungefähr verzehnfacht und die Erwartungen sind groß. Ferner hat jedes Mitglied individuell auch Erfahrungen außerhalb des Hardcore-Kontextes gemacht, wodurch auch ganz neue Einflüsse in den Sound der neuen Platte einfließen. Nun sind vier Minuten Material keine sichere Bank, um den Klang des ganzen Albums voraus zu sagen, doch die Herangehensweise ist ziemlich logisch. Das Intro des Tracks wirkt überraschend Sludge-inspiriert, wobei man auch hier schon David Sandströms Trademark-Rides hört, die einem ein sehr heimeliges Gefühl vermitteln. Auch das starke Riffing im Anschluss ist absoluter Fan-Service, wobei man darauf dann schon gar nicht mehr achtet, weil man sich nur eines fragt: Wo bleibt der Gesang? Wo bleibt Dennis? Dennis lässt sich eine ganze Minute Zeit um in den Song einzusteigen und lässt den Hörer bis dahin auf Kohlen sitzen. Ein Trick, den er schon auf früheren Platten gerne anwendete, allerdings mit einem großen Unterschied. Als Lyxzén vor 17 Jahren das Schweigen von New Noise mit den legendären Worten "get ice cream" (trololol) brach, musste man diesem Typen einfach zuhören. Die Spannung, die seine Stimme aufbaute, nahm unsere blanken Nerven in die Hände und schleuderte sie umher. Der Dennis, der auf Elektra zu singen anfängt, hat nicht im Ansatz so viel Grip. Um ganz ehrlich zu sein, ist der Gesang eigentlich der größte Makel an diesem Song. Nicht nur ist er klanglich ziemlich bieder, auch in Sachen Message waren Refused schon mal besser. Zwar entbehrt es sich nicht einem gewissen Witz, nach fast 20 Jahren Pause die Worte "nothing has changed" zum Leitsatz des Tracks zu machen, doch textlich gesehen ist Elektra ein eher schwacher Song. Über die tollen Gitarrensoli und den fetten Sound freue ich mich da schon eher. Im großen und ganzen kann man das, was die Schweden hier anbieten, durchaus als solide bezeichnen. Es bietet einen Einblick, der mich auf die LP neugierig macht und kann sich nach so langer Zeit echt sehen lassen. Refused are fucking alive.

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Dienstag, 28. April 2015

Das Traumpaar der Grauzone

COLIN STETSON & SARAH NEUFELD
Never Were the Way She Was
Constellation
2015














Man traut sich als verwöhnter U-Musik-Blogger manchmal nicht so richtig, das Thema Neo-Klassik anzureißen. Zu sehr fürchtet man doch die bösen Zungen elitärer Musikhörer, die einen dann dafür abstrafen, gerade noch über Young Thug und Rihanna geredet zu haben. Aus meiner Erfahrung heraus kann ich jedoch sagen, dass sich die Abstecher in diese Grauzone der modernen Musik sehr häufig gelohnt haben. Ich brauche nur Namen wie William Ryan Fritch oder Owen Pallett zu nennen, um dies zu untermauern. Auch für Colin Stetson und Sarah Neufeld habe ich eine große Sympathie übrig, auch wenn nur letztere bisher von mir Erwähnung gefunden hat. Beide Künstler stammen aus dem Dunstkreis von the Arcade Fire, wo sie Mitte der Nullerjahre bereits den Anspruch klassischer Musik in Popsongs einzuflößen wussten. Ferner haben auch beide bereits sehr überzeugende Soloprojekte vorgelegt, die jeweils noch weiter in die experimentelle Richtung abdrifteten. Als im Winter diesen Jahres also eine Kollaboration eben dieser Künstler angekündigt wurde, war ich durchaus gespannt. Für die richtige Gruppe von Musikhörern sind Stetson und Neufeld sowieso schon lange ein Traumpaar. Und man kann Never Were the Way She Was anhören, dass diese Leute nicht Unrecht hatten. Man muss ja bei diesem Album auch sehen, dass hier zwei Musiker zusammen arbeiten, die sich bereits aus früheren Tagen kennen. Entsprechend eingespielt klingen die Parteien dann auch auf Platte. Beide Künstler sind hier größtenteils mit ihren angestammten Instrumenten vertreten (Saxofon bei Stetson, Violine bei Neufeld) und wissen diese geschickt ineinander zu verweben. Wobei das Ergebnis überraschend entspannt daher kommt. Never Were... ist keine Musik, die nur von hochnäsigen Avantgardisten gehört werden kann. Jeder, der zumindest schon mal Postrock oder Jazz gut gefunden hat, wird sich auch hiermit zurechtfinden. Das kommt vor allem dadurch, dass die beiden Akteure ihre Kompositionen sehr unaufgeregt und nicht hochambitioniert angegangen sind. Die Songs sollten gut werden, aber kein allzu krasser Kunstkram. Auf Songs mit Überlänge und Impro-Passagen muss man sich trotzdem einstellen. Doch dafür, dass hier zwei echte Nerds am Werk sind, ist Never Were... ausgesprochen harmonisch. Kein Track hier ist unpassend, alles klingt wunderschön und Stetson und Neufeld stellen sich tatsächlich als Traumpaar heraus. Um es kurz zu sagen hat sich wieder mal ein Ausflug in die Neo-Klassik für mich gelohnt. Sollte ich vielleicht doch öfter machen.
9/11

Beste Songs: the Sun Roars Into View / And Still They Move / Never Were the Way She Was

Nicht mein Fall: -

Weiterlesen:
Review zu Revisionist (William Ryan Fritch):
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Review zu Policy (Will Butler):
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Acid!

MALCOLM
Giveitaway14
UNO! NYC
2015















Spätestens seit Anfang diesen Jahres ist das Acid House-Revival auch im Untergrund wieder angekommen und hat dort vor allem dank der Einflüsse von Aphex Twin einige ziemlich beachtliche Ergebnisse erzielt. Die Releases des kanadischen Labels 1080p sind hier zu vorderst zu nennen, aber auch ein John Frusciante hat sich zuletzt den Blubber-Beats verschrieben und damit eindeutig gezeigt, dass wieder Interesse an solcherlei Musik besteht. Aus diesem Grund freue ich mich, mit der neuen Platte von Malcolm das erste richtig große Highlight dieser Bewegung präsentieren zu dürfen. Neu! Balance und Project Pablo waren ja schon mehr als okay, aber einen Longplayer wie diesen brauchte ich noch als ultimativen Beweis, dass hier wieder was zu holen ist. Nun ist das Medium Album bei Produzenten dieser Sparte ein eher stiefmütterlich behandeltes Thema, wer ein guter Produzent ist, bastelt pausenlos an neuen Live-Sets und verschwendet keine Kraft an derart altmodische Publikationen. Malcolm jedoch ist da in gewisser Weise Nostalgiker. Er nutzt nicht nur das klassische LP-Format für Giveitaway14, sondern klingt dabei auch noch maximal vintage. Der Begriff Aphex Twin ist ja schon gefallen, man muss sich das ganze nur noch morgens um fünf in einem New Yorker Kellerclub, circa 1988, mit allerhand benebelten Gestalten vorstellen, um ungefähr die Ästhetik dieser Platte zu umschreiben. An Brutzel-Beats und psychedelischen Versatzstücken wird hier nicht gespart und auch die besten Lautsprecher kapitulieren bei den Bässen, die die fünf Tracks (Überlänge!) hier freisetzen. Das ganze geht dann von dancigen Kloppern wie Crushing bis zum ambienten Mittelteil Project Burma, bei dem man trotzdem nicht aufhört, sich zu bewegen. Ein bisschen schade ist es, dass Malcolm hier nicht besonders detailliert arbeitet, sondern eher auf die Dynamik seiner Songs baut. Auch die Länge von gerade Mal 30 Minuten lässt zu wünschen übrig. Aber in Sachen Feeling schlägt Giveitaway14 jede in diesem Jahr veröffentlichte Acid House-Platte mit großem Abstand. Und dass wir hier am Ende auch nur von Retro-Kram reden, kann man sich bei so einer gekonnten Replikation auch mal schenken. Denn wer kann schon von sich behaupten, die Chicago-House-Ära im nüchternen Zustand erlebt zu haben? Na also.
9/11

Beste Songs: Crushing / Reels of Ether

Nicht mein Fall: -

Weiterlesen:
Review zu Selected Ambient Works Vol. II (Aphex Twin):
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Review zu I Want to Believe (Project Pablo):
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Montag, 27. April 2015

Vom Hipster zum Hippie

TORO Y MOI
What For?
Carpark
2015















Dafür, dass Chaz Bundick alias Toro Y Moi hier zum ersten Mal auftaucht, ist seine Musik in den letzten Jahren ziemlich oft Thema für mich gewesen. Über einen befreundeten Fan, der mir einige seiner Songs vorspielte, entdeckte ich seine ersten beiden Platten für mich und wurde auch aufmerksam, als er Anfang diesen Jahres sein viertes Projekt ankündigte. Nun ist seit dem Debüt Causers of This bereits eine ganze Weile her und da Bundick im vor sich hin siechenden Chillwave-Konsens keinen grünen Zweig mehr fand, hat er sich seitdem auf eine Art erfrischenden Retro-Style eingelassen, in dem er den Leuten schwammige Sample-Kompositionen als echte Nostalgie verkauft und damit zum Superstar der Instagram-Poser und falschen Hippies geworden ist. Das macht seine Musik nicht unbedingt schlecht, gibt ihr nur einen etwas fahlen Beigeschmack, dass man es hier mit gepanschtem Vintage-Charme zu tun hat. Auf bisher keinem Toro-Y-Moi-Album wurde dies so deutlich wie auf What For?, welches konsequent die Psychedelic-Ära durch den Fleischwolf dreht. Man hat hier nämlich zum ersten Mal direktes Vergleichsmaterial, da es an dieser Art von Retro-Künstlern ja weiß Gott nicht mangelt. Wenn man die Songs auf dieser Platte hört, denkt man eben an Leute wie Tame Impala, Goat oder MGMT, merkt aber auch, wie viel besser die klingen. Wie viel voller und herzlicher ihre Tracks gemacht sind und wie wenig Aufmerksamkeit Bundick im Gegensatz dazu aufbringt. Seine Stücke funktionieren eher aus einer verklärt-entschlackten Sichtweise heraus, wegen der Leute auch jedes Jahr das Coachella mit Woodstock verwechseln. Toro Y Moi legen den bunten Farbfilter über die Musik der Sechziger und Siebziger und freuen sich, dass alles so viel harmonischer ist. Wie schon gesagt, das Ergebnis sind nicht zwingend schlechte Songs, nur eben viel zu stark gestylte. Man kann sie auch genießen, wenn man genug Jefferson Aiplane und Grateful Dead gehört hat, doch man merkt dann auch den Unterschied. Ein bisschen kann man das mit dem Effekt vergleichen, den Daft Punks Random Access Memories vor zwei Jahren auf viele hatte. Eine aufgepeppte Variante von Oldschool-Sound. Muss ja nicht immer verkehrt sein. Und ich habe großen Respekt davor, mit wie viel Stil Chaz Budnick so ein Autehtizitäts-Verbrechen begeht. Der Vintage-Hater in mir reibt sich bei sowas die Hände. Allerdings fehlen dem Vintage-Liebhaber in mir dann doch die satten Bässe und die kräftigen Farben ohne Filter. Das können dann doch andere besser.
8/11

Beste Songs: Empty Nesters / Spell it Out / Half Dome

Nicht mein Fall: the Flight

Weiterlesen:
Review zu Commune (Goat):
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Review zu MGMT (MGMT):
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Sonntag, 26. April 2015

Careful What You Wish For

BLUR
the Magic Whip
Parlophone
2015















Es war dann doch irgendwie alles zu schnell und zu viel in den letzten Monaten. Man hätte gedacht, wenn Blur nach zwölf Jahren, von denen sie die Hälfte schon als wiedervereinigte Band verbrachten, ein neues Album machen, steht die Zeit still. Dann wird etwas unvorhergesehenes passieren. Dann umarmen sich wildfremde Menschen auf den Straßen. So oder so ähnlich. Alle, die Musiker selbst zu vorderst, hatten so lange vom Mythos des neuen Longplayers gesprochen, bis er kein Mythos mehr war. Bis sie es das erste Mal in den letzten Jahren wirklich ernst meinten. Von da an übernahm die Realität. Und die sah wie immer weniger glamourös aus als all die Vorstellungen, die man sich gemacht hatte. Der eigentlich obligatorische Hype blieb aus und die Vorboten des Albums hätten das auch nicht gerechtfertigt. Vier Singles gab es im Vorfeld von the Magic Whip, und keine von ihnen war wirklich gut. In einem Review zu Go Out hatte ich noch gesagt, dass es sicherlich Hits geben würde. Wir reden hier schließlich von Blur. Es kamen aber keine Hits. Verdammt. Ein bisschen Verständnis lieferte dann doch ein Interview mit Graham Coxon, in dem dieser erklärte, dass die Platte in lediglich fünf Tagen und unter wenig Druck entstanden sei. Nach klassischen Business-Maßstäben nicht gerade die Attitüde, mit der man ein Comeback angeht. Aber Erwartungen zu crashen gehört ja zu den Meisterstücken der Briten und ich hatte bis zum Schluss nicht die Hoffnung aufgegeben, hier an eine Mogelpackung geraten zu sein. Aber auch diesmal sollte ich enttäuscht werden. Blur im Jahr 2015 sind tatsächlich vorhersehbar und langweilig geworden. Und The Magic Whip ist tatsächlich großer Blödsinn. Es ist das schlechteste Album, das ich je von ihnen gehört habe. Ja, es ist schlechter als the Great Escape. So hart muss ich das leider sagen. Denn die Enttäuschung über so ein Ergebnis ist schon sehr groß. Eine so kreative und geniale Band hört man hier durch zwölf Songs dümpeln, die eher mittelmäßig alte Ideen recycelt, geschweige denn dass sie neue bringt. Ein Song wie I Broadcast hätte genau so schon auf Parklife gepasst und There Are Too Many of Us versucht das Rezept, das schon bei Under the Westway nicht aufging, einfach nochmal. Solche Momente sind einfach nur peinlich für Blur, denn sie lassen die Band so wirken, als hätte sie nur eine Platte gemacht, weil die Fans eine wollten. Nicht jedoch die Akteure selbst. Es gibt einige klägliche Versuche, ansprechende Songs zu schreiben, wie in Ice Cream Man oder My Terracotta Heart. Aber diese sind so wenig entwickelt, dass man eher von Skizzen sprechen sollte als von fertigen Tracks. Das ganze als Minimalismus zu verkaufen klappt aber auch nicht, weil das Orchester ja nun einmal gebucht war. Und unterm Strich hat man mit the Magic Whip dann zwölf Stücke, an denen es jede Menge zu nörgeln gibt. Für Pop-Legenden wie Blur finde ich es vernichtend, dass ich hier keinen einzigen Song ohne Kritik abnicken kann. Alles hier ist unfertig, faul geschrieben und irgendwie schwachbrüstig. Bei so einem Reinfall fragt man sich dann schon, ob man sich da all die Jahre nicht doch das falsche gewünscht hat. Think Tank war doch als Vermächtnis gar nicht so übel. Und Blur live waren auch nicht verkeht. Zumindest um Welten besser als das hier. Das hier ist einfach nur ein Schandfleck. Mit freundlichen Grüßen, ein besorgter Fan.
5/11

Bester Song: Mirrorball

Nicht mein Fall: New World Towers / There Are Too Many of Us

Weiterlesen:
Single-Review zu Parklife (Blur):
zum Review

Review zu Go Out (Blur):
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Donnerstag, 23. April 2015

Das Ende der Eiszeit

MARCHING CHURCH
This World is Not Enough
Posh Isolation
2015















Diejenigen, denen der Name Elias Bender Rønnenfelt etwas sagt, werden sich vielleicht fragen, was dieser Typ denn auf einmal hier zu suchen hat. Der junge Däne ist nämlich hauptberuflich Sänger und Chefdenker der Postpunk-Jungspunde Iceage, die seit ihrem Debüt im Jahr 2011 zu den beliebtesten Vertretern ihres Fachs zählen dürften und von allen Bloggern geliebt und verehrt werden. Naja, bis auf mich. Seitdem ich damals New Brigade gehört habe, hat mir das Quartett mit jedem seiner Alben weniger gefallen. Für die zweite LP You're Nothing gab es von mir vernichtende zwei Punkte und Plowing Into the Field of Love vom letzten Jahr bekam sogar den Ehrenplatz in der da noch existierenden "Ignoriert"-Rubrik. Nachdem die Beziehung zwischen mir und Iceage schon immer ziemlich, nun ja, eisig war, warum widme ich der neuen Band ihres Sängers jetzt wieder ein Review? Zu meiner Verteidigung habe ich zu sagen: Auch mich hat das gewundert. Eigentlich hätte ich schon bei seinem Namen die Lauscher wieder einziehen sollen. Eigentlich sollte es mir ja mittlerweile reichen mit seinen Eskapaden. Aber ich muss auch sagen, dass ich selbst nach all den Jahren des Schmähens seiner Musik nie die Hoffnung aufgegeben habe, dass er noch mal eine wirklich coole Platte macht. Ganz abschreiben konnte ich ihn doch nie. Ein gutes Bauchgefühl, wie sich herausstellt. Denn so wie es aussieht, hat Rønnenfelt diese coole Platte, die ich immer wollte, jetzt gemacht. This World is Not Enough finde ich endlich mal nicht total furchtbar. Im Gegenteil, sie gefällt mir sogar sehr gut. Was komisch ist, denn sie unterscheidet sich nur unwesentlich vom letzten Iceage-Album. Avantgardistischer Postpunk und experimenteller Kunstkram wird hier mit teilweise loungigen und rock'n'rolligen Klängen kombiniert, was an sich ja schon ein explosives Rezept ist. Und von Marching Church umgesetzt, hätte sowas eigentlich nach hinten losgehen müssen. Doch ein tiefer Griff in die Trickkiste macht dieses Album zu einer richtig runden Sache. Zum einen ist diese völlig lose Art und Weise, wie die langen und intensiven Tracks hier angeordnet werden. Das Muster, wenn überhaupt eines existiert, ist wesentlich lockerer, wodurch sich einzelne Instrumente und Stimmungen richtig entfalten können. Dadurch gelingen Marching Church Details, die ich bei Iceage nie gehört habe. Das Bindeglied und größte Highlight dieser Band ist jedoch der Gesang, der ebenfalls von Rønnenfelt stammt. Mit seiner Leistung als Vokalist gelingt dem Dänen hier revolutionäres. Denn weil absolut nichts an seine Ausdrucksweise und seinen Texten gekünstelt ist, meint man, direkt in die schwarze Seele des Songwriters blicken zu können. Und die tobt auf This World is Not Enough wie ein Dämon durch die Songs. Hungry for Your Love ist dadurch vielleicht der verzweifelndste Lovesong, den ich dieses Jahr gehört habe und Up A Hill der lauteste Schrei nach Vergeltung seit langem. Dass all das auch noch instrumental fantastisch komponiert ist, ist dann fast nur noch Deko. Allerdings ist sie auch nötig, damit diese Platte zu dem wird, was sie im Endeffekt ist: Ein Highlight dieses Jahres. Dass sowas ausgerechnet von dem Musiker kommt, von dem ich noch vor einem halben Jahr nichts mehr wissen wollte, sollte man da nicht persönlich nehmen. Schließlich war ich ja derjenige, der hierauf gewartet hat.
9/11

Beste Songs: Hungry for Your Love / Up A Hill / the Dark End of the Street

Nicht mein Fall: -

Weiterlesen:
Review zu Hot Dreams (Timber Timbre):
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Review zu To Be Kind (Swans):
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Der kleine König

YOUNG THUG
Barter 6
300 Entertainment
2015















Für diejenigen, die nichts mit dem Namen Young Thug anzufangen wissen: Er ist der Typ, wegen dem Lil Wayne von seinem Label gedumpt wurde und der deswegen gerade ganz offiziell die Zukunft des Pop-Rap sein soll. Sein Mentor Birdman, der sich durch den angesprochenen Schachzug nun definitiv als Massenpublikums-Opportunist und Geldschneider geoutet hat, hat für den jungen Rapper aus Louisiana eine gigantische PR-Kampagne aufgefahren, auf die die meisten Kollegen mittlerweile aus gutem Grund verzichten und das Debütalbum von Young Thug ganz kackdreist Barter 6, in Anlehnung an Lil Waynes Carter-Alben, genannt. Zusammen mit einem brummenden Instagram-Account und einigen bereits sehr erfolgreichen Mixtapes ist das Anfangsaufgebot des gerade mal 22-jährigen enorm. Und auch an originellen musikalischen Ideen bringt der Junge einiges mit. Sein nasaler, Soul-inspirierter Flow hat ihn in der Szene zum Star gemacht, er ist die Stärkste Waffe des MCs, um die großen Gewichte zu heben, die sein Vorgänger ihm da gelassen hat. Und Barter 6 will definitiv hoch hinaus. Die kompletten fünfzig Minuten hier sind mit dem feinsten dekoriert, was die Trap-Produzenten Atlantas kreiert haben und als Gäste hat sich Young Thug all seine Homies (inklusive Birdman selbst) eingeladen. Das textlich die gleiche Themenvielfalt aufgefahren wird wie auf 90 Prozent der Southern-Platten ist nur konsequent, schließlich ist das hier eher ein Produkt als Kunst. Wer Lil Wayne vom Thron schubsen soll, bei dem müssen die Zahlen stimmen. Doch es ist auch bemerkenswert, wie es Young Thug hier mithilfe seiner Produzenten gelingt, Barter 6 nicht komplett zur Rap-Machine zu degradieren. Der Opener Constantly Hating beispielsweise wäre auf jedem anderen Album ein absoluter Banger gewesen, hier jedoch wird die LP durch einen eher entspannten Slacker-Track eingeleitet. Ein beruhigendes Zeichen, wenn man bedenkt, wie deftig das ganze in voller Länge noch wird. Dort drücken sich die Stars der Trap-Szene die Klinke in die Hand und haben alle Zusammen so dicke Hosen, dass sie eigentlich unmöglich in einen Raum passen dürften. Inhaltliche Tiefe sieht anders aus. Dennoch wird Barter 6 in keinem Moment zum absoluten Albtraum, was hauptsächlich an der Maßarbeit der Produzenten liegt. Die haben neben den sich stapelnden Hits auch ein paar eher chillige Nummern auf die Platte gemogelt, die zu deren Highlight zählen dürfen. Neben dem bereits angesprochenen ersten Song muss man hier vor allem Check nennen, welches Young Thug auch ohne Gäste von seiner Schokoladenseite zeigt. Und wenn die Sache als Ganzes dann nicht doch ziemlich platt wäre, könnte ich mich dazu hinreißen lassen, das hier ein gutes Album zu nennen. So ist es das nur fast. Was schon mehr ist, als ich vom nächsten Lil Wayne erwartet habe. Vielleicht doch keine so blöde Idee, diesen Typen das machen zu lassen.
7/11

Bester Song: Check

Nicht mein Fall: -

Weiterlesen:
Review zu Ferg Forever (A$ap Ferg):
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Review zu B4.DA.$$ (Joey Bada$$):
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Dienstag, 21. April 2015

Top 5: Archetyp

Es ist eine furchtbar schwierige Sache mit diesem Album. The Ark Work, die dritte Platte der New Yorker Metal-Freigeister Liturgy, ist vielleicht das am schwierigsten Konumierbare Dokument an Musik, das in diesem Jahr bisher erschienen ist. Ich selbst finde das Album großartig, allerdings habe ich auch sehr lange mit mir gerungen und jeden Song wieder und wieder anhören müssen. Auch nachdem ich bereits die ziemlich hohe Punktzahl vergeben hatte, die ich trotz der eher mäßigen Resonanz in anderen Blogs noch immer verteidige. Allerdings habe ich mich gefragt, was dieses Album tatsächlich auch für mich ausmacht und habe infolgedessen eine Liste erstellt, die dem ein oder anderen vielleicht hilft, die Platte mal aus einem anderen Blickwinkel zu sehen und meinen Standpunkt besser nachvollziehen zu können. Hier ist "How to enjoy the Ark Work. Bitteschön:

1. Man darf Liturgy nicht länger als Metalband verstehen
Wenn es etwas gibt, was Liturgy auf diesem neuen Album meisterlich verstehen, dann ist es das Zusammenfügen verschiedenster Musikrichtungen. Es ist keine Neuigkeit, dass die New Yorker in der traditionellen Black-Metal-Szene seit langem mit Verachtung gestraft werden. Es war also nur eine Frage der Zeit, bis sie sich komplett davon emanzipieren. Natürlich war auch ich am Anfang skeptisch, als es hieß, dass HipHop und Electronica ganz wesentlich in die Kompositionen hier eingeflossen wären. Und vor dem Hintergrund der ersten beiden Alben ist es sicherlich schwierig, ein etwas fluffigeres neues Werk mit offenen Armen anzunehmen. Aber Liturgy haben mich nicht enttäuscht. Gitarren und Synthesizer gehen hier eine funktionierende Symbiose ein, die Band ist in allem unglaublich kreativ und an Hunter Hunt-Hendrix ist doch tatsächlich ein MC verloren gegangen. Wer dennoch Einstiegshilfe braucht, sollte sich vorher vielleicht mal ein paar andere Stilrichtungen anhören. Death Grips, Vaporwave oder Glitch-Step sind heiße Tips, aber auch Alte Musik oder Johann Sebastian Bach sind nicht der falsche Ansatz. Nur von bloßem Metal sollte man hier nicht ausgehen.

2. Erwarte das Unerwartete
Man muss nicht viel über Liturgy wissen, um zu dem Schluss zu kommen, dass hier ziemlich elitärer Kram gemacht wird. Und das liegt nur in der Natur der Dinge. Alle Mitglieder der Formation sind in der New Yorker Kunst-Szene zu Hause und ein gewisser Hang zur Avantgarde gehört dort nun mal zum guten Ton. Sänger Hendrix ist Hobby-Philiosoph und Musiktheoretiker, Drummer Greg Fox spielt in der experimentellen Rockband Zs. Infolge dessen ist the Ark Work eine der experimentellsten und quirligsten Rock-Platten der letzten Jahre geworden. Wer einfach nur ein paar gute Songs hören will und nach Easy Listening sucht, dem wird das hier zu viel sein. Liturgy haben extrem viel Arbeit in diesen Logplayer gesteckt und entsprechend ambitioniert klingt er dann auch. Außerdem testet die Band hier wieder mal ihre Grenzen aus: Mantra-artiges Riffing, Glitch-Cuts, der extrem dichte und hyperaktive Schlagzeug-Sound, das alles sind Anzeichen für Musik, die unter keinen Umständen den einfachen Weg geht. Andererseits beweist solches Vorgehen auch immensen Weitblick. Liturgy sind Künstler und jeder soll es wissen.

3. Das Konzept verstehen
Das, was die meisten Leute am Vorgänger Aesthetica aufregte, war sein theoretischer Überbau und der Status, den sich die Band selbst zuschrieb. Was in Hendrix' theoretischer Abhandlung Transcendental Black Metal geschrieben stand, ist sicherlich höchst diskutabel. Allerdings braucht es auch ein Grundverständnis dieser Gedankengänge, um the Ark Work richtig auf sich wirken zu lassen. Denn hier ziehen sich die Musiker klanglich wie textlich noch weiter in diese Welt zurück und dem Laien fällt es mitunter schwer, dieser kruden Fantasie zu folgen. Als jemand, der Hendrix' Philosophie mit Interesse verfolgt hat, kann ich sagen, dass die Platte mit Insider-Wissen mehr Spaß macht. Die Wiederkehr des Burst-Beat oder die Inhalte der Raps sind Fan-Service für Hardcore-Nerds, die das große Ganze verstehen wollen. Und so wie es aussieht, bin ich spätestens jetzt einer davon. No regrets.

4. #Aesthetica
Es ist schwierig nachzuvollziehen, wie die Idee des Sounds auf the Ark Work funktioniert, ganz einfach weil dieser Sound vorher so nie existiert hat. Liturgy finden auf diesem Album ein völlig neues Konzept, welches in Hinblick auf die Ästhetik für manche schwer zu verdauen sein wird. Hendrix wollte mit seinem klanglichen Bild verschiedene musikalische Epochen verknüpfen, was beispielsweise erklärt, warum das Intro Fanfare komplett von Synthesizern getragen wird oder der Sänger rappt wie ein gregorianischer Mönch. Das einige diese absichtlich eingefügten Elemente mit billigen Effekten oder mangelnden Fähigkeiten verwechseln, ist aber ebenfalls verständlich. Und auch für mich hat es gedauert, sich an alles zu gewöhnen. Wie gesagt, in dieser Kombination hat es das klanglich noch nie gegeben. Doch sobald sich die Normalität wieder eingestellt hat, ist der Sound eine der größten Stärken auf diesem Album. Ich würde mich freuen, wenn Liturgy diesen auch weiterhin verfolgen, auch wenn ich glaube, dass er nur bei ihnen nicht total beschissen klingt.

5. Liturgy gehen den nächsten Schritt
Es gibt wahrscheinlich viele Leute, die the Ark Work sehr gerne als direkten Nachfolger zu Aesthetica gehört hätten. Dieses Album ist es aber nicht geworden. Die Band dahinter hat sich in den Jahren zwischen den Platten so stark entwickelt, dass man ihr jetziges Schaffen komplett unabhängig von dem der Frühphase betrachten muss. Liturgy haben keinen einheitlichen Stil, der sich über mehrere Longplayer zieht, sondern erschaffen sich jedes Mal selbst neu. Und dass sie jetzt komplett anders klingen als noch 2011, daran muss man sich erst gewöhnen. Das hat auch bei mir eine Weile gedauert. Aber wenn man the Ark Work als souveränes Einzelwerk sieht, kann das viel ausmachen. Dass ich Aesthetica noch immer einen Ticken besser finde, hat es allerdings nicht geändert.

Weiterlesen:
Review zu the Ark Work:
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Sonntag, 19. April 2015

Perfect Storm

OISEAUX-TEMPÊTE
Ütopiya?
Sub Rosa
2015















Auch ohne Ütopiya wären Oiseaux-Tempête schon eine sehr gute Postrock-Band gewesen, doch mit Ütopiya sind sie jetzt definitiv etwas besonderes. Dabei reden wir hier gerade mal von der zweiten Platte der Pariser, die schon vor zwei Jahren mit sehr ambitionierten instrumentalen Kompositionen aufwarten konnten, sodass vorsichtige Vergleiche mit Godspeed You! Black Emperor nicht übertrieben waren. Die Franzosen mochten ihre Gitarrenwände düster, verließen sich dabei nicht immer auf das Reißbrett-Konzept des Genre-Konsens und fügten auch visuelle Elemente als festen Teil der Bühnenshow ein. Das selbstbetitelte Debüt von Oiseaux-Tempête war damit schon ziemlich deftig, verstand sich aber auch noch immer als klassisches Postrock-Werk und hatte am Ende doch zu wenige Alleinstellungsmerkmale, um wirklich mehr zu sein als das. Mit Ütopiya wird das wahrscheinlich keiner mehr über die Jungs sagen können, denn hier steckt definitiv eine größere Vision dahinter. Schon die Länge von insgesamt 76 Minuten ist für so eine junge Band ziemlich imposant und auch die Instrumentierung hier kann sich echt sehen lassen. Mit Violine, Mellotron, Saxofon und Klarinette im Gepäck erweitern Oiseaux-Tempête ihr klangliches Spektrum um ein Vielfaches und zeigen auch eine bisher nie gehörte Virtuosität in ihren Songs. Mit G.W. Sok (der klingt wie Lou Reed) als Gastsänger auf dem Titeltrack und Living On wagt sich die LP sogar in die Tabuzone des Genres. Und obwohl auch diese Platte mit beiden Füßen im Postrock stehen bleibt, kann man als Marschrichtung hier doch eindeutig Jazz erkennen. Unten brummt in den meisten Tracks noch der Bass und baut die Raketenbasis für den nächsten Breakdown auf, während oben in wilder Disharmonie ein Saxofon seine Impros in den Klangraum gniedelt. Ebenfalls nicht unerwähnt bleiben darf hier der meisterhafte Umgang mit diversen Sampling-Techniken. Mit dieser Kombination gelingt es Oiseaux-Tempête hier, eben das Alleinstellungsmerkmal zu kreieren, welches ihnen auf dem Debüt fehlte. Natürlich erinnern die Franzosen auch hier noch an andere, größere Bands. Doch diese Vergleiche beim Namen zu nennen, zeichnet ein Album wie dieses eigentlich nur noch mehr aus. Wenn ich sage, dass mich Ütopiya an Levez Vous Skinny Fists Comme Antennas to Heaven von Godspeed, diverse Platten von Swans und besonders the Death Defying Unicorn von Motorpsycho erinnert hat, dann meine ich das als großes Lob. Wenige Künstler schaffen es, solch imposante Platten zu kreieren. Vor allem so junge Künstler. Auf so ein Ding können die echt stolz sein. Das hier ist nämlich genau nicht der alltägliche Kram, den dieses Genre am Fließband produziert. Das hier ist ein kleines Meisterwerk. Track für Track. Moment für Moment. Detail für Detail. Es ist vielleicht nicht die Zukunft des Postrock, aber auch ein deutlicher Beweis dafür, dass hier noch was geht. Dass wahre Größe in dieser Bewegung noch möglich ist. Und natürlich ein Riesenhallo für die Musiker selbst. Oiseaux-Tempête faszinieren hier auf ganzer Linie und leisten sich nicht einen noch so kleinen Fauxpas. Und die Ambitionen, die sich auf dem Debüt noch schüchtern in den Hintergrund drängten, strahlen hier über alles hinaus. Ütopiya ist also in allen Dingen ein großes Album. Und die Band dahinter kann sich von nun an zu meinen neuen Genre-Favoriten zählen. Und ihrem Namen machen sie hiermit auch endlich alle Ehre.
9/11

Beste Songs: Fortune Teller / Soudain le Ciel / Palindrome Series

Nicht mein Fall: -

Weiterlesen:
Review zu Asunder, Sweet and Other Distress (Godspeed You! Black Emperor):
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Review zu To Be Kind (Swans):
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Freitag, 17. April 2015

Eigentlich

VIERKANTTRETLAGER
Krieg & Krieg
Buback
2015















Als ich Anfang 2013 in Retrospektive über Die Natur greift an, das Debüt von Vierkanttretlager schrieb, war ich nicht verlegen, die Husumer Band mit Tocotronic zu vergleichen. Ich fand das zu dieser Zeit sehr berechtigt, da auf ihrer Platte gediegener Deutschrock sehr schön mit Indie-Poesie vereint wurde. Ich kann noch immer meine Empfehlungen dafür aussprechen. Aber natürlich kommen einem bei so einer gewagten These irgendwann gewisse Zweifel auf, ob man sich da nicht ein bisschen weit aus dem Fenster gelehnt hat. Ganz besonders, wenn man den Titeltrack ihres neuen Albums Krieg & Krieg hört und sich fragt, ob man damals nicht lieber "die neuen Toten Hosen" hätte schreiben sollen. Ja genau, so schlimm ist es um Vierkanttretlager im Jahr 2015 bestellt. Zumindest auf den ersten Blick. Der besagte Song, der auch der Opener des zweiten Longplayers ist, schockt einen als Fürsprecher dieser Band schon immens. Das danach folgende Lass uns den Verstand verlieren ist nicht viel besser. Was haben wir denn falsch gemacht, um so einen tollen Newcomer an den Stadion-Rock zu verlieren? Und ist es etwa schon zu spät, die Jungs zurückzuholen? Die Antwort auf die letzte Frage ist zum Glück ein eindeutiges Nein. Krieg & Krieg (das Album) ist kein Totalschaden, hat sich nur am Anfang etwas vergriffen. Man kann darüber debattieren, ob die zwei ersten Tracks wirklich nur Ausrutscher sind. Doch angesichts des tollen Rests der Platte kann man davon ausgehen. Sobald mit Blumenkränze & Applaus der dritte Song beginnt, wird man mit jeder Minute hier optimistischer. Von denen gibt es zwar nur 32, doch die 25 davon, die nicht die ersten beiden Songs sind, finde ich ohne Ausnahme fantastisch. Da gibt es das rauhbeinigen Trennungs-Stück Kaktusblüte, das verkrachte Wer tot ist oder die akustisch gehaltene Abschluss-Ballade Schweigen. Max Leßmanns kratzbürstige Texte stehen dabei nicht selten im Kontrast mit der sehr ambitionierten Melodieführung, die hier noch besser geworden ist als auf Die Natur greift an. Und auch wenn Vierkanttretlager dadurch um einiges zahmer klingen als dort, kann man ihnen das niemals ankreiden. Das alles wäre total wunderbar, wenn es nicht nur achtzig Prozent des Albums wären, die so wunderbar funktionieren. Das besagte erste fünftel der Platte ist für mich ein grober Makel, wegen dem ich Krieg & Krieg auch einen Punkt abziehe, den ich gerne gegeben hätte. Denn die Husumer haben hier ja gezeigt, dass sie es besser können und dass sie eben doch eher Tocotronic als die Hosen sind. Nur hier eben nicht konsequent genug. Schade drum. Aber das kann ja später noch was werden.
8/11

Beste Songs: Blumenkränze & Applaus / Kaktusblüte / Schweigen

Nicht mein Fall: Krieg & Krieg / Lass uns den Verstand verlieren

Weiterlesen:
Review zu Die Natur greift an (Vierkanttretlager):
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Review zu Ich glaube dir gar nichts und irgendwie doch alles (Clickclickdecker):
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Bedroom Dancing

LAPALUX
Lustmore
Brainfeeder
2015















Dass Howard Stuart alias Lapalux erst jetzt als größerer Künstler auffällt, könnte daran liegen, dass er bis vor einigen Jahren noch zu den Typen gehörte, für die mal der Begriff "Bedroom Producer" erfunden wurde. Schon seit 2008 veröffentlicht der Brite Musik, doch die ersten diesig verschwurbelten Mixtapes unter Eigenregie will sich heute echt keiner mehr antun. Und damit das auch keiner mehr muss, gibt es jetzt Lustmore, das Album, mit dem Stuart vorerst den kleinen Durchbruch geschafft hat. Dieser wurde in den letzten Monaten durch die beiden großartigen Singles Puzzle und Don't Mean A Thing angeschoben, die beweisen, dass der Name Lapalux nicht mehr für schwummrige Blubber-Sound steht, sondern für extrem eleganten, leicht nostalgischen Elektro-Jazz. Dieser klingt genau so, wie das Cover der Platte aussieht und sorgte bei mir für mächtig Juckreiz unter den Fingernägeln. Denn da das Album in Deutschland erst relativ spät erschien, konnte man sich schon vorher ausgiebig über die äußerst ergiebige Resonanz belesen, die Lustmore im Ausland fand. Dort wurde nämlich mit Superlativen nicht gerade gespart und Stuart gleich mal mit Leuten wie Flying Lotus verglichen. Nicht der schlechteste Start für einen Quasi-Newcomer. Und nun, wo auch hierzulande endlich nachgezogen wurde, wollte ich mich selbst davon überzeugen. Allerdings wurde meine Vorfreude hier gleich in den ersten Sekunden absorbiert. Der Opener U Never Know ist für mich nicht gerade das, was man einen gelungenen Einstieg nennt. Ähnlich verhält es sich mit den beiden folgenden Tracks. Fürs erste eine ziemliche Enttäuschung, wenn es doch so viele Vorschusslorbeeren gab. Ich wusste von den Singles, dass die Stücke von Lapalux einige Minuten brauchen, um ihre komplette Wirkung zu entfalten, doch der Anfang dieses Albums kommt gleich mal gar nicht auf die Idee. Erst der vierte Song Push & Spun kann wirklich mit dem mithalten, was an Erwartungen bei mir da war. Im Ausgleich für den doofen Einstieg bekommt man hier dann auch gleich einen Track, der absolut großartig ist. Das gleiche gilt für die bereits angesprochenen Singles, die sich hier wie erwartet gut in das Gesamtkonzept einfügen. Daneben gibt es noch zehn andere Stücke, gegenüber denen es unfair wäre, sie als Füllmaterial zu bezeichnen, die aber auch nicht an die Qualität dieser drei Hits heranreichen. Lustmore als ganzes ist im Endeffekt also trotzdem ein ziemlich gutes Album und auch der etwas sperrige Anfang macht mir das nicht kaputt. Dass die Platte hinter meinen Erwartungen zurückgeblieben ist, liegt wahrscheinlich hauptsächlich daran, dass diese ziemlich hoch waren. Mit Flying Lotus kann man das hier nicht vergleichen, mehr als okay ist es dennoch. Und für den Künstler an sich schon ein Riesenschritt. Vielleicht nicht der letzte.
8/11

Beste Songs: Push n' Spun / Puzzle / Don't Mean A Thing

Nicht mein Fall: We Lost

Weiterlesen:
Review zu You're Dead (Flying Lotus):
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Review zu Protection (Massive Attack):
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Dienstag, 14. April 2015

Man lebt nur zweimal

TYLER, THE CREATOR
Cherry Bomb
Odd Future
2015















Noch vor einigen Wochen hatte ich im Bezug auf das neue Album von Earl Sweatshirt ziemlich eindeutig den Eindruck verneint, dass Odd Future wieder Gesprächsthema werden würden. Die Bestrafung dafür folgte vor drei Tagen auf dem Fuß. Gang-Chef Tyler, the Creator kündigte ganz plötzlich und gerade Mal fünf Tage vor dem eigentlichen Release ein neues Album an, obwohl er eigentlich angekündigt hatte, sich von der Musik zurückzuziehen. Zusammen mit dem schon ziemlich überraschenden Earl-Longplayer Ende März war das die ultimative Message: Odd Future wollen es noch mal wissen. Und diesmal so richtig. Nachdem die erste große Hype-Welle nach eher mäßigen Ergebnissen ziemlich schnell wieder abebbte, hat der Hauptact des Labels sich ein ganzes Stück weit neu erfunden und versucht hier erstmals, ein bisschen ernst zu machen. Als die so ziemlich einzige Person, die noch immer findet, dass Goblin damals ein Meisterwerk war, klangen diese Neuigkeiten für mich gleichzeitig verheißungsvoll und beunruhigend. Zum einen freute ich mich, da es vielleicht diesmal was werden würde mit dem richtig guten Nachfolger und Odd Future wieder an Fahrwasser gewinnen würden. Andererseits war ein professioneller Ansatz für mich nicht unbedingt das Mittel, um das zu erreichen. Kanye West, Lil Wayne oder Schoolboy Q gehörten meiner Meinung nach genauso wenig auf eine Platte von Tyler wie Soul-Samples und auf Hochglanz geschliffene Produktion. Als die ersten beiden Singles Deathcamp und Fucking Young veröffentlicht wurden, fand ich diese logischerweise auch erstmal ziemlich furchtbar. Seine arrogant-charmante Vollassel-Attitüde mischte der Kalifornier hier mit wahnsinnig tighter Produktion und Diabetes-Hooks. Zudem war das Gitarren-Sample in Deathcamp echt unter aller Sau. Wäre mein Glaube in Tyler nicht so stark gewesen, hätte ich von Cherry Bomb vermutlich gleich die Finger gelassen. Im Nachhinein bin ich froh, dass ich doch reingehört habe. Denn obwohl es auch danach noch einige Durchgänge brauchte, ehe diese Platte für mich funktionierte, war ich doch mehr und mehr von dem angefixt, was der Creator hier tut.
Seine Texte sind immer noch die gleichen, deprimiert schleichenden First-World-Problems-Ekelpakete, die man auch schon auf Goblin hörte, nur hat Tyler diesmal mindestens zehn Mal größere Eier (ob er nun will oder nicht). "I'm rapping about diamonds and cars and money now / what the fuck has gotten into me?" hört man ihn in Keep Da O's fragen. Und wenn ihn so eine Zeile nicht sympathisch macht, dann sollte man mit dem Rest lieber gar nicht anfangen. Denn da geht es wie immer ordentlich zur Sache: Tyler spuckt hier Gift und Galle wie lange nicht mehr, pranzt ohne Ende und schert sich noch immer nicht um Regeln oder moralische Werte. Die Beats dazu muss man sich in diesem Zusammenhang schon eher schön hören. Glücklicherweise sind sie doch nicht ganz so geleckt wie zunächst gedacht, etwas gewöhnungsbedürftig ist das ganze trotzdem. Zwischen an Frank Ocean erinnernden und ziemlich deutlich von den Death Grips abgekupferten Instrumentals ist Cherry Bomb reichlich gefüllt mit kuriosen Dingen. Erst nach häufigem Hören findet man das einigermaßen normal. Allerdings erkennt man dann auch ganz plötzlich, dass es keinen einzigen schlechten Track hier gibt und im Kontext alles, sogar das schlimme Deathcamp-Sample, ganz gut passt. Sogar einige Highlights kristallisieren sich mit der Zeit heraus. So ist der Closer Ogaka, CA Tylers bisher vielleicht beste Ballade, Kanye West ist auf Smuckers gar nicht so übel, mit Kali Uchis wird hier ein unentdecktes Talent gefeatured und Blow My Load, der erste Song über Cara Delevigne, war ja mal sowas von überfällig. Über kurz oder lang ist dadurch ein Album, von dem ich entschlossen war, es zu hassen, zu einem großartigen Dokument einer stilistischen Neuorientierung. Cherry Bomb ist Odd Future 2.0, und Odd Future 2.0 ist verdammt cool. Aus der Asche der miesen letzten Jahre steigt mit diesem Album der Phoenix Tyler, the Creator. Und der hat allem Anschein nach wieder großen Hunger. Ich weiß nicht, ob es schon wieder so weit ist, dass ich diesem Typen absolut alles zutraue. Aber er ist definitiv wieder gefährlich.
9/11

Beste Songs: Find Your Wings / Fucking Young / Smuckers / Ogaka, CA

Nicht mein Fall: -

Weiterlesen:
Review zu I Don't Like Shit, I Don't Go Outside (Earl Sweatshirt):
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Review zu Madvillainy (Madvillain):
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Montag, 13. April 2015

Top 5: Elektrisches Gefühl

Es ist mal wieder Zeit für ein kleines Ranking. Aus aktuellem Anlass des neuen Albums von John Frusciante habe ich mir in den letzten Tagen darüber den Kopf zermartert, wo denn die großen Vorbilder liegen, wenn es darum geht, als Rockmusiker eine elektronische Platte zu machen. Frusciante selbst ist jetzt nicht wirklich ein leuchtendes Beispiel, so etwas wurde schon besser gemacht. Allerdings musste ich, um nicht den Überblick zu verlieren, wieder klare Grenzen stecken. Der Interpret oder die Band muss mit diesem Album einen Stilbruch vollzogen haben oder zumindest viele neue Elemente integriert haben. Zudem muss sein vorheriges schaffen klar dem Feld Rock zuzuordnen sein und zumindest dieses eine Album eine stark elektronische Prägung haben. Das heißt im Klartext, dass Brian Eno beispielsweise nicht zählt, weil er vorher schon Keyboarder war. Und noch was: Ich bewerte die Platten hier nur bedingt nach persönlichem Gutdünken, es geht mir eher darum, wie wichtig diese Musik für ihre Interpreten oder gar für ganze Genres war. Alles klar? Dann kann's ja los gehen:

1. RADIOHEAD 
Kid A (2000)
Nachdem Radiohead Ende der Neunziger damit fertig waren, die Rockmusik grundlegend zu verändern, knöpften sie sich zu Beginn des neuen Jahrtausends auf einmal Beats und Synthesizer vor. Fünfzehn Jahre später kann man festhalten, dass die Briten mit diesem Schritt auch die elektronische Musik entscheidend geprägt haben. Ohne die Einflüsse von Kid A wären Leute wie James Blake oder SBTRKT heute vielleicht gar nicht denkbar. Ein Jahrhunderthalbum? Bis jetzt auf jeden Fall.

2. THE POSTAL SERVICE
Give Up (2003)
Dass mit Ben Gibbard ausgerechnet ein gefeierter Emo-Songwriter (bekannt aus der Band Death Cab for Cutie) die große Elektro-Welle der Nuller starten würde, konnte wohl keiner ahnen. Doch zusammen mit Beat-Bastler Joe Tamborello kreierte dieser 2003 ein Album, welches noch heute für viele der Ausgangspunkt der Indietronic-Bewegung ist. Nicht schlecht für einen Typen, den viele erstmal gar nicht als Laptop-Nerd eingeschätzt hatten.


3. THE NOTWIST
Shrink (1998)
Lange, lange ist es her, da waren the Notwist eine Metal-Crossover-Band mit ordentlich Punch und dicken Dreadlocks. Spätestens mit dem Einstieg des Sound-Tüftlers Martin Gretschmann im Jahr 1997 war das aber vorbei. Shrink war der eindeutige Stilbruch hin zum elektronisch geprägten Indiepop, den die Bayern seither sehr erfolgreich pflegen. Nicht nur der Beginn eines neuen Stils, sondern auch einer Erfolgsgeschichte.


4. WOLVES IN THE THRONE ROOM
Celestite (2014)
Das durchschnittliche Klientel des Genres sprachen Wolves in the Throne Room schon nicht so richtig an, als sie noch Black Metal spielten, wieso es dann also nicht gleich ganz sein lassen? Was der Vorgänger Celestial Lineage schon zaghaft andeutete, wird hier zur Geburt einer Vision: Heavy Metal ohne Gitarren. Ein waghalsiges Unternehmen, welches nur durch das offene Ohr der Weaver-Brüder, die Einflüsse des Drone und die Ideen des Proto-Elektro so realisierbar war.

5. MOGWAI
Hardcore Will Never Die But You Will (2011)
Schon seit über zehn Jahren flirten Mogwai mit elektronischen Elementen, doch erst 2011 trauten sie sich, den großen Schritt ins unbekannte zu machen. Die Folge: Eine wilde Postrock-Romanze, die nicht nur auf diesem Album für außergewöhnliche Momente sorgt, sondern auch die Nachfolger bestimmen sollte und gerade ein ganzes Genre in Synthesizer-Wahn versetzt. Eine kleine Sensation, nicht nur für die Band selbst.



Weiterlesen:
Review zu Celestite (Wolves in the Throne Room):

Review zu Rave Tapes (Mogwai):

Sonntag, 12. April 2015

Wieder auf Acid?

JOHN FRUSCIANTE
Trickfinger
Acid Test
2015















Man sollte sich als Musikfreund immer freuen, wenn Künstler es schaffen, dich zu überraschen. Besonders, wenn man schon meint, diese Künstler gut zu kennen und denkt, ihnen als Hörer einen Schritt voraus zu sein. Nur um just in jenem Moment eine völlig veränderte Version derselben Person vor die Füße geknallt zu bekommen. Wenn man dann als alteingesessener Kenner immer noch ins Staunen kommt, hat man es mit einem Künstler zu tun, der sich tatsächlich Gedanken macht. John Frusciante macht sich schon seit langem viele Gedanken über seine Musik. Schon seit seinen ersten Soloplatten kann man bei ihm den Drang beobachten, sich an Erwartungen und Einschränkungen vorbeimogeln zu wollen, nur um weiterhin kreativ zu bleiben. Oft genug sind diese Versuche mächtig schief gegangen, gerade seine Veröffentlichungen der letzten Jahre machten ein bisschen den Eindruck, dass hier ein verlorener Weirdo am Werk sei, der mit seinem eigenen Schaffen in Konflikt steht. Die beiden Alben PBX Funicular Intaglio Zone und Enclosure waren künstlerische Flops, ein Großteil der Stimmen ist sich darin einig. Außerdem war da noch diese katastrophale Supergroup, die Frusciante mit Omar Rodriguez-Lopez vor ein paar Jahren gründete, was viele Leute nun endgültig zu der Meinung brachte, dass bei ihm nicht mehr viel zu holen war. So weit so schlecht. Mit der Ankündigung eines neuen Albums im Februar platzte dann jedoch das große Knallbonbon: Trickfinger, so der Titel des selbigen. sollte ein Acid House-Projekt werden. Heureka!? Dass die Mischung aus Frusciante und Neunziger-Elektro mich als Idee interessierte, will ich nicht leugnen. Nur war ich ob der letzten Veröffentlichungen des Künstlers natürlich nicht wirklich optimistisch, was so ein erneuter waghalsiger Stilbruch mit sich bringen würde. Eine Offenbarung war ebenso möglich wie ein absoluter Horror-Trip. Jetzt, wo das Ergebnis da ist, wird wieder mal klar, dass ich zu starken Dramatisierungen neige. Trickfinger ist ein durch und durch annehmbares Album. Mehr nicht. Es zeigt seinen Interpreten vielleicht nicht als den nächsten Aphex Twin, ist aber auch wesentlich besser als alles, was dieser in den letzten fünf Jahren gemacht hat. Und hier liegt für mich der Hauptreiz an dieser Platte: Ein (ehemaliger) Rockmusiker, der in der Vergangenheit noch dazu überall für seinen frevelhaften Umgang mit Synthesizern gerügt wurde, hat tatsächlich ein passables Acid-House-Album aufgenommen. Für mich Grund genug, das ganze hier als Erfolg zu verzeichnen. Auch wenn immer noch nicht ganz klar ist, was ihm das nun eigentlich bringt. Kommerzielle Gesichtspunkte kann man auf jeden Fall schon mal ausschließen. Aber immerhin hat sich Frusciante hiermit für mich als glaubhafter Künstler saniert, und das ist mir mehr als Recht. Denn dass er ein großer Musiker ist, daran habe ich nie ernsthafte Zweifel gehabt.
7/11

Beste Songs: Before Above / 100 MC 4

Nicht mein Fall: 4:30

Weiterlesen:
Review zu Enclosure (John Frusciante):
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Review zu Syro (Aphex Twin):
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Samstag, 11. April 2015

Aesthetics vs. Schleudertrauma

DJWWWW
U.S.M!
Flamebait
2015















Man muss das Artwork von U.S.M! nicht lange angucken, um über den Inhalt dieses Albums Bescheid zu wissen. Eine PSP, Schlechtes CGI, Anime-Referenzen: Das hier gezeigte Material kommt zweifelsohne aus der scheinbar nicht kleiner werdenden Vaporwave-Blase, die schon vor drei Jahren einmal zu oft totgesagt wurde. Dass sie auch 2015 noch leibt und lebt, damit muss man sich abfinden. Dass sie mit DJwwww einen doch ganz netten neuen Impuls erhält, ist allerdings doch erstaunlich. Die Existenz der Szene als virales Meme wurde nicht mehr angefochten, seit Blank Banshee 2013 dessen in Ansätzen vorhandene Ernsthaftigkeit mit Füßen traten. Jetzt scheint jedoch die Kunst-Community das abgehalfterte Pseudo-Genre für sich zu entdecken und daraus ein Museumsstück zu machen. Mit DJwwww ist hier ein echter Avantgardist am Werk, der keine Songs, sondern so genannte "Mikro-Collagen" schreibt und 26 davon auf diesem höchst seltsamen Album verpackt. Gedanklich ist das ganze nicht weit entfernt von den wüsten Cuts eines Amnesia Scanner, über den ich ja vor einigen Wochen schon schrieb. Nur dass hier keine Clubmusik, sondern eben dieser ganze PC Music-Avant-Pop-Müll verhackstückt wird. DJwwww, der übrigens wirklich Japaner ist und nicht nur so tut, rettet damit vielleicht niemandem die Ehre, besonders nicht Vaporwave, aber findet doch einen interessanten Weg, musikalische Massenkonsumware und unerbittlichen Alternativ-Geist zu verbinden. Und man führt sich mal dem kulturellen Wert Sample-basierter Musik vor Augen. Denn die Abstrakten Gebilde, die DJwwww hier aus Schnipseln von Grimes, Coldplay, Martial Arts-Filmen, Button-Geräuschen, Elektro-Beats und Glitzerstaub bastelt, sind nicht nur kulturpolitisch von Wert, sondern tragen auch eine gewisse (Achtung, böses Wort) Ästhetik in sich. Dadurch, dass wir es hier nicht mit Songs, sondern lediglich mit Song-Teilen (die wenigsten Tracks sind über eine Minute lang) zu tun haben, wirkt das Album in voller Länge streckenweise nur wie ein Tornado popkultureller Referenzen in Zeitlupe. Was nicht bedeutet, dass sich hier keine Gedanken gemacht wurden. Jedes Stück hat irgendwo einen persönlichen Charakter, der vielleicht nur nicht sofort zu erkennen ist. Großartig sind natürlich solche Spielereien wie die Schwertkampf-Geräusche in Ninja Sword oder das überraschende Yellow-Sample von Coldplay in, ähh...Yellow. Aber auch sonst ist dieses Album ein guter Beweis dafür, dass die ganze Vapor-Cyberpunk-Grütze auch noch ein paar echte Perlen zu bieten hat und ein Grund, auch mal einen avantgardistischen Ansatz cool zu finden. Und dass man das ganze auch ruhig mal ernst nehmen kann. Schließlich ist das komplette Internet voll damit.
9/11

Beste Songs: ザゼン子役グープ / Yellow ディアンジェロ

Nicht mein Fall: -

Weiterlesen:
Review zu Angels Rig Hook (Amnesia Scanner):
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Review zu I Want to Believe (Project Pablo):
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Freitag, 10. April 2015

Take It Easy

VILLAGERS
Darling Arithmetic
Domino
2015















Hätte man vor fünf Jahren denken können, dass die Villagers irgendwann mal nur noch eine Band von vielen sein würden? Damals, als alles gerade wegen ihrem Debüt Becoming A Jackal ausflippte und man die Iren zur nächsten Folk-Sensation erhob? Allem Anschein nach sind sie das nicht geworden, denn bereits beim dritten Album haben sich Conor O'Brien und seine Jungs den Status einer Oh-Ja-die-waren-mal-cool-Band erarbeitet, der wahrscheinlich so ziemlich der blödeste Status ist, den man als Musiker haben kann. Was jedoch nicht heißt, dass Villagers deswegen schlechtere Musik machen. Ihr Zweitwerk Awayland war vor 2013 sogar ein ziemlich großer Schritt, da die Formation erstmals mit elektronischen Elementen spielte und sich in klanglichen Feldversuchen weiter ausprobierte, als man das für möglich gehalten hätte. Die Platte wurde deshalb nicht umsonst einer meiner Favoriten dieses Jahres. Und ich war gespannt, wie die Band von hier aus weitermachen würde. Mit Darling Arithmetic liegen nun, gut zwei Jahre später, die Karten auf dem Tisch und machen auf den ersten Blick keinen guten Eindruck. Mit nur neun Tracks und einer Länge von gerade Mal 36 Minuten ist der neue Longplayer nicht gerade eine große Nummer. Und auch in Sachen Songwriting verkriechen sich Villagers nach dem abenteuerlichen Vorgänger wieder zusehends. Electronica ist hier nur noch ein Thema für den Background, instrumental dominiert die Gitarre und gesanglich wie immer Conor O'Briens Stimme. Wenn man Little Bigot, den fettesten Titel hier mit the Bell von Awayland vergleicht, wird klar, wie sehr die Iren abgespeckt haben. Was man aber erst später merkt, ist dass Darling Arithmetic nicht umsonst so knapp gehalten ist. Dass die minimale Art und Weise überhaupt kein Problem ist. Denn wo die Band vorher gerne versuchte, ungeschicktes Songwriting mit dickerer Sound-Schichtung zu kaschieren, hat sie das hier nicht mehr nötig. Durchweg allen Stücken hier merkt man an, wie viel mehr Sorgfalt hier in den eigentlichen Schreibprozess gelegt wurde. Wie viel Persönlichkeit hier drin steckt. Wie hier alles ineinander greift. Wie Villagers auf einmal auch ganz schmucklos schön klingen. Das ist wirklich eine Leistung, die man der Band hoch anrechnen muss. Hier hört man eine erkennbare Entwicklung der Musiker und das, obwohl diese hier kleinere Brötchen backen. Eine beachtliche Leistung. Zumal Darling Arithmetic nach mehreren Hördurchgängen auch keinen Deut schlechter klingt als sein Vorgänger. Nur eben anders. Also auch wenn Villagers jetzt nur noch ein Folk-Act unter vielen ist: richtig toll klingen sie noch immer.
9/11

Beste Songs: Everything I Am is Yours / Darling Arithmetic / Little Bigot

Nicht mein Fall: -

Weiterlesen:
Review zu I Will Be A Pilgrim (Arch Garrison):
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Review zu Club Meds (Dan Mangan & Blacksmith):
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Donnerstag, 9. April 2015

Hart aber herzlich

NY IN 64
NY64
Magic Bullet
2015















Dass es manchmal echt arrogant und unfair von den New Yorkern ist, sich über die Nachbarn aus New Jersey lustig zu machen, merkt man immer wieder an der Konkurrenzfähigkeit der beiden regionalen Musikszenen. Nur ein Beispiel: Wo New York die Brooklyner Black Music-Szene hat, hat New Jersey mit Dälek, Funkadelic und den Fugees kreativ ebenfalls jede Menge aufzuweisen. Es gibt also keinen Grund, diese in der Tradition eines Frank Sinatra so zu verraten wie es NY IN 64 schon mit ihrem Bandnamen tun. Schließlich hat die dortige Fanbase erst zur Gründung dieser Formation beigetragen. Die vier Mitglieder der seit einigen Jahren existenten Gruppe sind ursprünglich in der Ostküsten-Emo- und Hardcore-Szene ansässig, in der sie seit 15 Jahren für haufenweise verschiedene Projekte spielen. Und auch wenn sie jetzt zusammen lieber Postrock machen: ganz ohne den Schatten der Vergangenheit kommen sie hier nicht aus. Die sieben Tracks des quasi selbstbetitelten ersten Albums sind zwar instrumental gehalten, beinhalten Einflüsse aus Shoegaze und Mathrock und man kann ihnen einen gewissen epischen Charakter nicht absprechen. Dennoch würden Genre-Hardliner (wenn es im Postrock so etwas gäbe) mit Schmackes auf die Kompositionen von NY IN 64 spucken, da sie eben doch nicht dem stilistischen Standard entsprechen. Und hier wird der Hintergrund der Musiker in dieser Band wichtig: So ziemlich alle Akteure in dieser Formation kommen vom Punk und bringen deshalb auch andere Voraussetzungen für das Songwriting mit. Für Fans der filigranen Klang-Salti von Godspeed You! Black Emperor oder Sigur Rós sind diese Tracks viel zu grobmotorisch, die instrumentalen Motive werden hier noch mit der Kettensäge geschnitzt. Da gibt es dann schon mal einen harten Break oder eine treibende Gitarre im Mittelteil. Ferner schleichen sich die relativ kurzen Songs hier nicht erst durch minutenlange Crescendi, sondern kommen gleich zur Sache. In durchschnittlich vier Minuten pro Track ist eben auch nicht viel mit ambitionierten Arrangements. Ausgeschmückt wird diese rabiate Art des Postrock hier durch jede Menge Feedback, Staccato-Riffing und sonstige Effekte, die Musik noch lauter und dreckiger klingen lassen. Dass NY IN 64 dabei nicht wie brunftige Höhlenmenschen klingen, dafür sorgt einerseits eine extrem tighte Produktion und zum anderen die nicht zu unterschätzenden Songwriting-Skills des Quartetts. Die vier hätten auch eine gute Mathcore-Band abgegeben, hätten sie das gewollt. Stattdessen sorgen sie hier dafür, dass sich Postrock auch mal von seiner rauhen und harten Seite zeigt. Und die ist bei genauerem Hinsehen gar nicht mal so unattraktiv. Gerade jetzt, wo dieses Genre dringend Veränderung braucht, kommen NI IN 64 damit wie gerufen. Und die Punk-Szene in New Jersey wird darüber auch nicht zu erbost sein. Wild tanzen kann man hierzu nämlich auch.
8/11

Bester Song: A Towering Relic

Nicht mein Fall: -

Weiterlesen:
Review zu Kirtland (Glacier):
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Review zu Artery (Brontide):
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Dienstag, 7. April 2015

Friss das, Kendrick Lamar!

YOUNG FATHERS
White Men Are Black Men, Too
Big Dada
2015















Ich wusste diesmal von Anfang an, dass das hier nicht leicht wird. Young Fathers haben uns mit ihrem zweiten Album einen ganz schönen Happen vorgesetzt. Nicht nur musste in einem Disclaimer erst der Plattentitel auseinander genommen werden (wodurch mal wieder klar wurde, wie politisch versiert diese Band eigentlich ist), auch die Musik auf White Men Are Black Men, Too ist eine Herausforderung mit Understatement. Wo die Schotten letztes Jahr noch poppige Hooks mit Weltmusik-Noise und Rebellen-Image unterfütterten, steht diesmal der totale Kollaps auf dem Programm. Auf Longplayer Nummer 2 gibt es keine Hits mehr. Young Fathers erobern mit jeder Mange Krawall den R'n'B und Soul. Das vielleicht auffälligste an White Men... ist, dass kaum noch richtig gerappt wird. Würde ich die Platte nicht mit meinem Hintergrundwissen hören, dächte ich, hier würde sich eine Popband an ein wenig HipHop versuchen und nicht andersherum. Die Einflüsse hier sind noch da, doch wird hier so weit über den Tellerrand hinaus geblickt, dass man den Teller kaum noch sieht. Die Lyrics hier sind extrem zusammengekürzt, weil eigentlich sowieso nur noch Hooks gesungen werden, die deftigen Ansagen bleiben aber im Stil eines MCs. Diese Symbiose macht White Men... zum musikalischen Sonderling. Auch musikalisch geht hier vieles anders zu als auf dem Debüt Dead: Das Songwriting ist weniger komprimiert und catchy, manche Tracks ähneln sogar fast Sound-Collagen. Stilistisch sind diese nicht selten eine wahre Schatzkiste: HipHop- und Pop-Elemente treffen hier auf afrikanische Rhythmik, Elektro-Gefrickel und Punk-Energie, teilweise nimmt das ganze auch einen Abstecher in Richtung Avantgarde. Spielereien wie das Chris-Mount-Keyboard in Rain Or Shine oder die Glöckchen in Sirens machen das Erlebnis besonders besonders. Der komplette erste Teil dieser LP klingt absolut fantastisch. Es darf jedoch auch nicht verschwiegen werden, dass einige der vielen Experimente ziemlich schief gehen. Wenn in Liberated beispielsweise sakraler Gospel-Gesang auf das LoFi-Piano trifft oder in Nest doch etwas zu viel Zucker auf die Produktion gestreut wird, will man lieber schnell etwas anderes hören. Dass hier peinliche Momente entstehen, ist bei einer Platte, die so viele Risiken eingeht, aber auch nur logisch. Und im großen und ganzen profitiert White Men... vom Mut seiner Macher. Am Anfang fehlten mir hier die groß angelegten Hooks und der Pop-Appeal des Vorgängers, doch Young Fathers füllen diese Lücke hier mit so vielen Dingen, dass man absolut nicht meckern kann. Und mittlerweile stellt es sich als Vorteil heraus, dass diese Band sich unabhängig vom Rest der HipHop-Welt in ihrer eigenen Kreativzelle in Schottland reifen konnten. Denn sonst hätte sich ihr unglaublich originärer, frischer Sound vielleicht gar nicht entwickelt und wir hätten nur einen weiteren Black-Music-Act unter vielen. Stattdessen finden wir auf diesem Album eine originelle Form afroeuropäischer Popkultur wieder, die auch den Klang dieser Band politisch wertvoll macht. Wer es noch immer nicht versteht, wirft einfach noch mal einen Blick auf den Titel. Jetzt kapiert? Alles Klar.
9/11

Beste Songs: Shame / 27 / Rain Or Shine / Sirens / Dare Me

Nicht mein Fall: Nest / Liberated

Weiterlesen:
Review zu To Pimp A Butterfly (Kendrick Lamar):
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Review zum (immer noch ein Stück besseren) Dead (Young Fathers):
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