Donnerstag, 23. April 2015

Das Ende der Eiszeit

MARCHING CHURCH
This World is Not Enough
Posh Isolation
2015















Diejenigen, denen der Name Elias Bender Rønnenfelt etwas sagt, werden sich vielleicht fragen, was dieser Typ denn auf einmal hier zu suchen hat. Der junge Däne ist nämlich hauptberuflich Sänger und Chefdenker der Postpunk-Jungspunde Iceage, die seit ihrem Debüt im Jahr 2011 zu den beliebtesten Vertretern ihres Fachs zählen dürften und von allen Bloggern geliebt und verehrt werden. Naja, bis auf mich. Seitdem ich damals New Brigade gehört habe, hat mir das Quartett mit jedem seiner Alben weniger gefallen. Für die zweite LP You're Nothing gab es von mir vernichtende zwei Punkte und Plowing Into the Field of Love vom letzten Jahr bekam sogar den Ehrenplatz in der da noch existierenden "Ignoriert"-Rubrik. Nachdem die Beziehung zwischen mir und Iceage schon immer ziemlich, nun ja, eisig war, warum widme ich der neuen Band ihres Sängers jetzt wieder ein Review? Zu meiner Verteidigung habe ich zu sagen: Auch mich hat das gewundert. Eigentlich hätte ich schon bei seinem Namen die Lauscher wieder einziehen sollen. Eigentlich sollte es mir ja mittlerweile reichen mit seinen Eskapaden. Aber ich muss auch sagen, dass ich selbst nach all den Jahren des Schmähens seiner Musik nie die Hoffnung aufgegeben habe, dass er noch mal eine wirklich coole Platte macht. Ganz abschreiben konnte ich ihn doch nie. Ein gutes Bauchgefühl, wie sich herausstellt. Denn so wie es aussieht, hat Rønnenfelt diese coole Platte, die ich immer wollte, jetzt gemacht. This World is Not Enough finde ich endlich mal nicht total furchtbar. Im Gegenteil, sie gefällt mir sogar sehr gut. Was komisch ist, denn sie unterscheidet sich nur unwesentlich vom letzten Iceage-Album. Avantgardistischer Postpunk und experimenteller Kunstkram wird hier mit teilweise loungigen und rock'n'rolligen Klängen kombiniert, was an sich ja schon ein explosives Rezept ist. Und von Marching Church umgesetzt, hätte sowas eigentlich nach hinten losgehen müssen. Doch ein tiefer Griff in die Trickkiste macht dieses Album zu einer richtig runden Sache. Zum einen ist diese völlig lose Art und Weise, wie die langen und intensiven Tracks hier angeordnet werden. Das Muster, wenn überhaupt eines existiert, ist wesentlich lockerer, wodurch sich einzelne Instrumente und Stimmungen richtig entfalten können. Dadurch gelingen Marching Church Details, die ich bei Iceage nie gehört habe. Das Bindeglied und größte Highlight dieser Band ist jedoch der Gesang, der ebenfalls von Rønnenfelt stammt. Mit seiner Leistung als Vokalist gelingt dem Dänen hier revolutionäres. Denn weil absolut nichts an seine Ausdrucksweise und seinen Texten gekünstelt ist, meint man, direkt in die schwarze Seele des Songwriters blicken zu können. Und die tobt auf This World is Not Enough wie ein Dämon durch die Songs. Hungry for Your Love ist dadurch vielleicht der verzweifelndste Lovesong, den ich dieses Jahr gehört habe und Up A Hill der lauteste Schrei nach Vergeltung seit langem. Dass all das auch noch instrumental fantastisch komponiert ist, ist dann fast nur noch Deko. Allerdings ist sie auch nötig, damit diese Platte zu dem wird, was sie im Endeffekt ist: Ein Highlight dieses Jahres. Dass sowas ausgerechnet von dem Musiker kommt, von dem ich noch vor einem halben Jahr nichts mehr wissen wollte, sollte man da nicht persönlich nehmen. Schließlich war ich ja derjenige, der hierauf gewartet hat.
9/11

Beste Songs: Hungry for Your Love / Up A Hill / the Dark End of the Street

Nicht mein Fall: -

Weiterlesen:
Review zu Hot Dreams (Timber Timbre):
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Review zu To Be Kind (Swans):
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