Samstag, 11. April 2015

Aesthetics vs. Schleudertrauma

DJWWWW
U.S.M!
Flamebait
2015















Man muss das Artwork von U.S.M! nicht lange angucken, um über den Inhalt dieses Albums Bescheid zu wissen. Eine PSP, Schlechtes CGI, Anime-Referenzen: Das hier gezeigte Material kommt zweifelsohne aus der scheinbar nicht kleiner werdenden Vaporwave-Blase, die schon vor drei Jahren einmal zu oft totgesagt wurde. Dass sie auch 2015 noch leibt und lebt, damit muss man sich abfinden. Dass sie mit DJwwww einen doch ganz netten neuen Impuls erhält, ist allerdings doch erstaunlich. Die Existenz der Szene als virales Meme wurde nicht mehr angefochten, seit Blank Banshee 2013 dessen in Ansätzen vorhandene Ernsthaftigkeit mit Füßen traten. Jetzt scheint jedoch die Kunst-Community das abgehalfterte Pseudo-Genre für sich zu entdecken und daraus ein Museumsstück zu machen. Mit DJwwww ist hier ein echter Avantgardist am Werk, der keine Songs, sondern so genannte "Mikro-Collagen" schreibt und 26 davon auf diesem höchst seltsamen Album verpackt. Gedanklich ist das ganze nicht weit entfernt von den wüsten Cuts eines Amnesia Scanner, über den ich ja vor einigen Wochen schon schrieb. Nur dass hier keine Clubmusik, sondern eben dieser ganze PC Music-Avant-Pop-Müll verhackstückt wird. DJwwww, der übrigens wirklich Japaner ist und nicht nur so tut, rettet damit vielleicht niemandem die Ehre, besonders nicht Vaporwave, aber findet doch einen interessanten Weg, musikalische Massenkonsumware und unerbittlichen Alternativ-Geist zu verbinden. Und man führt sich mal dem kulturellen Wert Sample-basierter Musik vor Augen. Denn die Abstrakten Gebilde, die DJwwww hier aus Schnipseln von Grimes, Coldplay, Martial Arts-Filmen, Button-Geräuschen, Elektro-Beats und Glitzerstaub bastelt, sind nicht nur kulturpolitisch von Wert, sondern tragen auch eine gewisse (Achtung, böses Wort) Ästhetik in sich. Dadurch, dass wir es hier nicht mit Songs, sondern lediglich mit Song-Teilen (die wenigsten Tracks sind über eine Minute lang) zu tun haben, wirkt das Album in voller Länge streckenweise nur wie ein Tornado popkultureller Referenzen in Zeitlupe. Was nicht bedeutet, dass sich hier keine Gedanken gemacht wurden. Jedes Stück hat irgendwo einen persönlichen Charakter, der vielleicht nur nicht sofort zu erkennen ist. Großartig sind natürlich solche Spielereien wie die Schwertkampf-Geräusche in Ninja Sword oder das überraschende Yellow-Sample von Coldplay in, ähh...Yellow. Aber auch sonst ist dieses Album ein guter Beweis dafür, dass die ganze Vapor-Cyberpunk-Grütze auch noch ein paar echte Perlen zu bieten hat und ein Grund, auch mal einen avantgardistischen Ansatz cool zu finden. Und dass man das ganze auch ruhig mal ernst nehmen kann. Schließlich ist das komplette Internet voll damit.
9/11

Beste Songs: ザゼン子役グープ / Yellow ディアンジェロ

Nicht mein Fall: -

Weiterlesen:
Review zu Angels Rig Hook (Amnesia Scanner):
zum Review

Review zu I Want to Believe (Project Pablo):
zum Review

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