Montag, 28. Februar 2022

Failing at Being an Adult

Metronomy - Small World
METRONOMY
Small World
Because Music
2022

 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
[ entschleunigt | minimalistisch | erwachsen ]

Es wäre schon nicht unbedingt eine komplett falsche Aussage, wenn ich behaupten würde, dass meine Faszination mit the English Riviera mich erfolgreich über die letzten zehn Jahre mit Metronomy gebracht hat und in vielen Momenten zumindest dafür gesorgt hat, dass ich an ihrem Output nicht schon eher das Interesse verloren habe. Bereits seit einer ganzen Weile sind die Briten nicht mehr die aufregendste Indieband der Welt und auch wenn sie sich in ihrer Generation Indiepop seit deren Hochzeiten in den frühen Zwotausendzehnern relativ gut behauptet haben, waren sie doch nie wieder so gut wie damals. Dass sie irgendwann mal eine schlechte Platte gemacht hätten, würde ich bei alledem trotzdem nicht sagen und zumindest einige echte Highlights gab es immer. Love Letters war 2014 der coolstmögliche Nachfolger zu English Riviera mit vielen nach wie vor starken Hits, Summer 08 von 2016 führte in seinen besten Momenten zurück zu den Dancepop-Wurzeln der Band und auch wenn Metronomy Forever 2019 an manchen Stellen echt seltsam war, schuf es mit seinem stärkeren Fokus auf rockige Motive doch einen spannenden Kontrast zu seinen Vorgängern. Was alle diese Platten dabei gemeinsam hatten, war eine grundsätzlich sehr freudvolle Herangehensweise an das Thema Songwriting, das an manchen Stellen auch durchaus mal naiv werden konnte. Und selbst wenn es dabei oft ruhigere Passagen und experimentelle Ernsthaftigkeit gab, waren Metronomy doch nie eine Band, die in ihren Songs große Themen verhandeln wollte und ihre Haltung zu ernst nahm. Sie waren die Sorte guter MusikerInnen, die ihr respektables Talent auch gerne Mal hinter verschnickter Albernheit versteckten und tausendmal lieber einen cleveren Popsong schrieben als eine zu erwachsene Nummer, die man ihnen ohnehin nicht abgenommen hätte. Also zumindest bis hierhin. Denn wenn ich ihren inzwischen siebten Longplyer Small World richtig verstehe, versucht dieser genau das zum ersten Mal: Eine reifere und inhaltlich tiefere Version von Metronomy, die auch mal größere Gedanken wälzen kann und nicht immer nur ein Unterhaltungskonzept sein muss. Pop ist dafür grundsätzlich immer noch das Mittel zum Zweck und einprägsam will man dabei immer noch sein, die klangliche Palette hierfür ist aber erstmals merklich schmaler und quasi keiner dieser neun Songs versucht aktiv, ein Hit zu sein. Dass einige ohrwurmige Momente hier trotzdem passieren, fühlt sich an vielen Punkten eher an wie ein peinliches Versehen, das Metronomy aus Gewohnheit passiert, weil sie eben nicht anders können. Dass die Gedankenwelt von Small World ernster ist, merkt man aber schon direkt am Anfang, wenn ausgerechnet das deprimierende Life & Death die LP eröffnet, in dem ein melancholischer Joseph Mount bedeutungsschwer über das Ende seines Lebens lamentiert und dabei klingt wie ein etwas grünohriger Damon Albarn auf dessen erster Soloplatte. Und obwohl das dann auch erstmal der emotional gesehen tiefste Punkt des Albums ist und die Band danach langsam wieder in ihren üblichen Modus kommt, ist die Energie von Metronomy schon hier spürbar ausgebremst und auch wenn es später Songs wie Love Factory oder It's Good to Be Back gibt, die ein bisschen mehr Pfeffer haben, sind auch die in keinem Moment so peppig und unkompliziert wie ein Salted Caramel Ice Cream oder ein Old Skool in den Jahren zuvor. Ich will damit keineswegs sagen, dass die Briten sich an diesem Sound verheben, an vielen Stellen brauchte ich allerdings ein bisschen, um mich darin einzuhören. Metronomy sind hier hier ohne Frage an einer spannenden neuen Sorte ihres Songwritings dran und nutzen dieses auch dafür, um Qualitäten auszubauen. So bringen sie viele der gitarrenlastigen Experimente von Metronomy Forever nochmal deutlich besser in Form und nutzen die Verkleinerung ihres Sounds effektiv, indem sie Elemente wie ihre tollen Vokalharmonien oder ihr Talent für Klaviermelodien deutlicher herausstellen. Und wieder muss ich an dieser Stelle trotz einer gewissen anfänglichen Enttäuschung mit dem Ergebnis sagen, dass sie mich zu großen Teilen überzeugt haben. Dennoch steht es für mich persönlich auch außer Frage, dass Small World in der jüngeren Diskografie der Briten (das heißt von allem nach the English Riviera) das schwächste Album ist und sie mit der ganzen inhaltliche-Reife-Sache am Ende vielleicht doch ein bisschen aufs falsche Pferd setzen. Denn dass sie ihren Sound hier verkleinern und weniger eindeutige Hits schreiben ist das eine, dass sie noch nie eine besonders lyrische Band waren und ich Joseph Mount bei aller klanglichen Ähnlichkeit mit Damon Albarn eben doch keiner ist, eine völlig andere Sache. Zudem verschlimmert Small World an vielen Stellen das Problem seines Vorgängers, bei der Metronomy hier über die ganze Experimentiererei ein bisschen die klangliche Richtung verlieren und am Ende eher eine Sammlung von Songs machen als ein stringentes Album. Was mich zum Schluss zu der Überzeugung bringt, dass diese Band vielleicht doch noch nicht erwachsen genug ist, um diese Art von erwachsener Popmusik zu machen, sondern vielleicht besser weiter ihrem Spieltrieb nachgeht. Denn auch wenn sowas irgendwann vielleicht peinlich wird und man ja auch nicht immer niedlichen Elektropop für eine eh nicht mehr existierende Indie-Zielgruppe machen kann, im Moment ist das trotzdem noch glaubwürdiger als was auch immer sie hier machen.

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡⚫⚫⚫ 07/11

Persönliche Höhepunkte
It's Good to Be Back | Loneliness On the Run | Love Factory | Right On Time | Hold Me Tonight

Nicht mein Fall
Things Will Be Fine


Hat was von
Vampire Weekend
Father of the Bride

Damon Albarn
Everyday Robots


Sonntag, 27. Februar 2022

Novocain und Himbeereis

Beach House - Once Twice Melody
BEACH HOUSE
Once Twice Melody
Bella Union
2022
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
[ einförmig | sanft | verträumt ]
 
Es ist inzwischen ganze zehn Jahre her, dass Beach House mit Bloom das erste Album veröffentlichten, bei dem ich sowohl einen großen Teil des gesamten Promo-Rollouts mitbekam als auch viele Stimmen der öffentlichen Debatte darum, wobei ich mich aus dieser Zeit vor allem an diejenigen erinnere, die die Musik darauf grundsätzlich sehr gut fanden. Genauso gab es aber auch damals schon einige, die in Bezug auf Beach House hier erstmals die Kritik äußerten, das Duo hätte seit dem letzten Longplayer (dem in Indiekreisen noch immer manisch verehrten Teen Dream von 2010) zu wenig verändert und würde langsam ideenlos werden. Und in all den Jahren, die ich die Band seitdem verfolgt und zunehmend auch selbst gehört habe, ist es vor allem letzterer Vorwurf gewesen, der ihren Output anscheinend ständig begleitet und den sie auch nach einer Dekade immer noch nicht so richtig loswerden. Wobei ich in meiner Auseinandersetzung mit der Musik auch mehr und mehr jemand geworden bin, der diese Überzeugung teilt. Die drei Alben der Band aus Baltimore, die seit Bloom erschienen sind und die alle ungefähr die gleichen traumwandlerisch-fluffige Sorte von Dreampop spielten, fand ich für meinen Teil zwar alle nicht schlecht und vor allem ihre letzte Platte 7 von 2018 machte sehr viel richtig, eine stilistisch vielfältige und kreativ flexible Angelegenheit waren Beach House seit ich sie kenne allerdings nie. Dass ein kompositorischer Ansatz wie der ihre für so lange Zeit so gut funktionierte, hatte in meinen Augen auch mehr mit der Stärke individueller Songs oder mit der geschickten Auswahl guter Produzenten zu tun als mit ihrem tatsächlichen Talent als SongwriterInnen und die Gefahr, in die totale Monotonie umzukippen war zu jedem Zeitpunkt ihrer Karriere nicht weit. Weshalb ein Album wie Once Twice Melody, auf dem genau das passiert, auch alles andere als eine Überraschung ist. Schon die Konzeption der Platte, verschiedene Teile der Tracklist über mehrere Monate als EPs zu veröffentlichen und damit den Anschein einer irgendwie gearteten klanglichen Diversität zu erzeugen, war von Anfang an nicht mehr als eine ulkige Schnapsidee und dass das fertige Album durch diese Staffelung nun auf knapp neunzig Minuten Spieldauer kommt, ist für die Musik darauf letztlich kein Vorteil. Beach House hatten zuletzt schon auf Platten um die 40 Minuten ihre Probleme, das Momentum ihres Songwritings aufrecht zu erhalten, weshalb die doppelte Länge hierfür definitiv eine ziemlich furchtbare Strategie ist. Doch selbst wenn man hier nochmal auf das Staffelungsmodell von 2015 zurückgekommen wäre und stattdessen zwei separate Longplayer veröffentlicht hätte, wären diese nur marginal besser gewesen. Denn mehr als Länge von Once Twice Melody ist das Problem von Beach House, dass sie einfach keine guten Songs schreiben. Oder zumindest nur sehr wenige. So ist die Links-Rechts-Kombi aus dem Titelsong und Superstar ganz zu Anfang der Platte eigentlich echt gelungen und auch im weiteren Verlauf der Tracklist finden sich einzelne Highlights wie the Bells oder Runaway, die für sich gar nicht übel sind. Nur ist das Album drumherum leider zum Bersten voll mit haufenweise unnötigem Füllmaterial, das an vielen Stellen selbst für Dreampop-Verhältnisse extrem dröge und lasch daherkommt und Once Twice Melody über weite Strecken zu einer ziemlich unerträglichen Angelegenheit macht. Und wo ich dabei anfangs noch ein bisschen gehofft hatte, dass diese Ästhetik wenigstens auf eine subtil-hintergrundige Streamrolling-Art und Weise funktionieren würde wie eines dieser furchtbar langen Rap-Alben aus den letzten Jahren, schaffen Beach House am Ende nicht mal das. Wo man im ersten und letzten Teil der LP vielleicht noch auf einzelne Songs achten kann und wenigstens aus gutem Willen nach verwertbaren Momenten sucht, verschwimmt vor allem im Mittelteil der Platte alles zu einer Art sonnenscheinigem Zuckerwatte-Blob, der sich träge und behäbig noch über eine Dreiviertelstunde des Albums zieht, gefühlt aber mindestens doppelt so lange geht. An seinen besten Stellen fühlen sich die Songs dabei an wie das Ausharren im Zahnarztwartezimmer nach einer guten Lokalanästhesie, in den schlechtesten wie das gleiche in nüchtern. Zu Ende des letzten Viertels wird die LP mit Stücken wie Hurts to Love, Finale und the Bells dann zwar nochmal etwas spannender, froh ist man am Ende aber trotzdem, wenn das ganze Elend vorbei ist. Ganz einfach deshalb, weil man sich schon gar nicht mehr sicher ist, wie Geräusche ohne tausend Tonnen Reverb eigentlich klingen und ob man die Hälfte des ganzen zwischendurch vielleicht einfach nur geträumt hat. Bei aller Frustration, die ich über Once Twice Melody empfinde ist die Platte also in keinem Fall eine Überraschung und der tiefe Fall des Sounds von Beach House hier auch nur das Schicksal, dem sie seit Jahren irgendwie entkommen sind. Dass so ein Album von ihnen irgendwann kommen würde, war eigentlich eine Frage der Zeit und wirklich blöd ist es letztendlich nur, dass es davon dann gleich anderthalb Stunden sind. Dass sie als Institution deswegen meinen guten Willen verloren haben bedeutet das aber letztlich genausowenig wie ihre guten letzten Platten bedeuteten, dass ich das hier nicht kommen sah. Beach House sind eben einfach eine Band mit einem einzigen Trumpf, den sie immer wieder auf die eine oder andere Art ausspielen. Und nur weil er diesmal nicht so gut eingesetzt war heißt das nicht, dass es nicht trotzdem noch ein Trumpf ist. Sie müssen eben nur wieder die richtige Strategie finden.

🔴🔴🔴🟠🟠⚫⚫⚫⚫⚫⚫ 05/11

Persönliche Höhepunkte
Once Twice Melody | Superstar | Runaway | Sunset | Finale | the Bells | Hurts to Love
 
Nicht mein Fall
Through Me | ESP | Over & Over | Another Go Around | Illusion of Forever
 
 
Hat was von
Air
Moon Safari
 
Slowdive
Slowdive
 
 

Donnerstag, 24. Februar 2022

Das kleine schwarze für jeden Anlass

Black Dresses - Forget Your Own Face
BLACK DRESSES
Forget Your Own Face
Die-Ai-Wei
2022
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
[ nervtötend | krachig | aberwitzig ]
 
Als ich vor etwa einem Jahr das letzte Mal über die Black Dresses schrieb, erzählte ich in meinem Text vor allem davon, wie wichtig diese Band gerade als Ideengeber*innen für die amerikanische Hyperpop-Bewegung ist und wie sie aus dieser Motivation heraus gerade dabei sind, eine Art Szene zu kreieren, die eine gewisse klangliche Identität sehr klar vertritt. Dass die Bezeichnung des Hyperpop bei ihnen nach wie vor eher lose sitzt und viele Fans ihre Musik eher in die Bereiche des Industrial und Noise zuordnen, war mir dabei durchaus bewusst und die Debatte über die Stilistik des Duos hat auch definitiv ihre Berechtigung. Eine so dermaßen verkratzte und experimentelle künstlerische Herangehensweise wie die der Black Dresses als Pop zu benennen, passt in jeder Deutung des Begriffes nicht wirklich zusammen und obwohl ich hinter dieser Zuordnung grundsätzlich noch immer stehe, sollte ich dazu vielleicht ergänzen, dass diese für mich eher in einer kreativen Haltung besteht als in einer tatsächlichen musikalischen Ausprägung. Soll heißen, dasss die Black Dresses für mich in der Hinsicht eine Hyperpop-Band sind, wie Rage Against the Machine eine Punkband sind und tragen ihren Teil zur Szenebildung vor allem dadurch bei, dass diese künstlerisch vordenken und auch personell viele Verbindungen zu musikalisch stiltreueren Acts wie 100 Gecs oder Food House haben. Und gerade wenn man sich ihr neuestes Release Forget Your Own Face ansieht, zeigt sich auch mehr und mehr, wie sie musikalisch ihr eigenes Territorium suchen und ihre nach wie vor stattfindenden Metamorphosen sich in andere Richtungen entwickeln als die der meisten aktuellen Digicore-Acts. Schon ihre letzte Platte Forever in Your Heart schaffte das in Ansätzen ganz erfolgreich und setzte vor allem technisch Ausrufezeichen, hier werden diese nun wieder zu neuen Experimenten verbaut und dienen vor allem aus Ausgangsmaterial für weiteren klanglichen Fortschritt. Dass Forget Your Own Face dabei nicht die gleiche Bedeutungsebene hat wie die letzten beiden Platten und eher als zusammengeschusterter Testballon funktioniert, merkt man allein schon an der vergleichsweise kurzen Spieldauer von gerade mal 20 Minuten, übergreifend fehlen darüber hinaus auch die großen konzeptuellen Ideen, die Forever in Your Heart und Peaceful as Hell zuletzt nochmal extra spannend machen. Dass das neue Projekt austauschbar oder gar mittelmäßig wäre, kann man dabei trotzdem in keinem Fall sagen. Viel eher gibt es Fans der Band einen sehr detaillierten Einblick in die Arbeitsprozesse der Band, die auch hier nach wie vor das interessanteste an der ganzen Sache sind. Nach dem extrem bratzigen und erbarmungslosen Vorgänger sind viele Tracks der neuen LP dabei wieder verhältnismäßig melodisch und abgekühlt, auch wenn letztendlich keiner ohne ein paar verglitchte Ausraster jene döligen Sprachmemo-Vocals kann, die mittlerweile zu einer Art Markenzeichen für das Duo geworden sind. Die Inspirationspalette der meisten Stücke ist dabei stärker im EDM der späten Zwotausender verwurzelt, was Songs wie doomspiral oder NO NORMAL wesentlich näher an landläufige Hyperpop-Entwürfe heranführt und an nicht wenigen Stellen auch eingängiger macht. Wobei letztere Eigenschaft für mich sicherlich der größte Selling Point von Forget Your Own Face ist: Dass Black Dresses hier wieder Banger schreiben. Zwar gehen die besten davon hier selten über drei Minuten und wirkliche Ohrwürmer sind letztendlich auch eher selten dabei, im Vergleich zum doch sehr avantgardistisch motivierten Forever in Your Heart wird es hier aber wenigstens ein paar Motive geben, die mir eher durch ihre Catchiness in Erinnerung bleiben als durch ihre Verweigerung selbiger. Welche Version dieser Band ich am Ende lieber mag, kann ich dabei noch nicht sagen, doch denke ich auch nicht, dass ein direkter Vergleich in dieser Beziehung die Sache wirklich weiterbringt. Denn das schöne ist ja eigentlich, dass es hier wieder beides gibt: Auf der einen Seite die kunstig-konzeptuellen Black Dresses, die große Alben mit Bedeutung herausbringen, auf der anderen Seite aber auch die ungezwungenen Internettrolle, die 20 Minuten rumalbern können und dabei trotzdem richtig gut sind. Und die damit mal wieder zeigen, was für ein Gewinn sie für die zeitgenössische Popmusik sind. Ob nun Hyperpop oder nicht.

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡🟡🟡 09/11

Persönliche Höhepunkte
Let's Be | earth worm | NO NORMAL | doomspiral | MONEY MAKES YOU STUPID | GAY UGLY AND HARD TO UNDERSTAND

Nicht mein Fall
-


Hat was von
Anarchy99
Rockstar Super Heat

100 Gecs
1000 Gecs