Sonntag, 27. Februar 2022

Novocain und Himbeereis

Beach House - Once Twice Melody
BEACH HOUSE
Once Twice Melody
Bella Union
2022
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
[ einförmig | sanft | verträumt ]
 
Es ist inzwischen ganze zehn Jahre her, dass Beach House mit Bloom das erste Album veröffentlichten, bei dem ich sowohl einen großen Teil des gesamten Promo-Rollouts mitbekam als auch viele Stimmen der öffentlichen Debatte darum, wobei ich mich aus dieser Zeit vor allem an diejenigen erinnere, die die Musik darauf grundsätzlich sehr gut fanden. Genauso gab es aber auch damals schon einige, die in Bezug auf Beach House hier erstmals die Kritik äußerten, das Duo hätte seit dem letzten Longplayer (dem in Indiekreisen noch immer manisch verehrten Teen Dream von 2010) zu wenig verändert und würde langsam ideenlos werden. Und in all den Jahren, die ich die Band seitdem verfolgt und zunehmend auch selbst gehört habe, ist es vor allem letzterer Vorwurf gewesen, der ihren Output anscheinend ständig begleitet und den sie auch nach einer Dekade immer noch nicht so richtig loswerden. Wobei ich in meiner Auseinandersetzung mit der Musik auch mehr und mehr jemand geworden bin, der diese Überzeugung teilt. Die drei Alben der Band aus Baltimore, die seit Bloom erschienen sind und die alle ungefähr die gleichen traumwandlerisch-fluffige Sorte von Dreampop spielten, fand ich für meinen Teil zwar alle nicht schlecht und vor allem ihre letzte Platte 7 von 2018 machte sehr viel richtig, eine stilistisch vielfältige und kreativ flexible Angelegenheit waren Beach House seit ich sie kenne allerdings nie. Dass ein kompositorischer Ansatz wie der ihre für so lange Zeit so gut funktionierte, hatte in meinen Augen auch mehr mit der Stärke individueller Songs oder mit der geschickten Auswahl guter Produzenten zu tun als mit ihrem tatsächlichen Talent als SongwriterInnen und die Gefahr, in die totale Monotonie umzukippen war zu jedem Zeitpunkt ihrer Karriere nicht weit. Weshalb ein Album wie Once Twice Melody, auf dem genau das passiert, auch alles andere als eine Überraschung ist. Schon die Konzeption der Platte, verschiedene Teile der Tracklist über mehrere Monate als EPs zu veröffentlichen und damit den Anschein einer irgendwie gearteten klanglichen Diversität zu erzeugen, war von Anfang an nicht mehr als eine ulkige Schnapsidee und dass das fertige Album durch diese Staffelung nun auf knapp neunzig Minuten Spieldauer kommt, ist für die Musik darauf letztlich kein Vorteil. Beach House hatten zuletzt schon auf Platten um die 40 Minuten ihre Probleme, das Momentum ihres Songwritings aufrecht zu erhalten, weshalb die doppelte Länge hierfür definitiv eine ziemlich furchtbare Strategie ist. Doch selbst wenn man hier nochmal auf das Staffelungsmodell von 2015 zurückgekommen wäre und stattdessen zwei separate Longplayer veröffentlicht hätte, wären diese nur marginal besser gewesen. Denn mehr als Länge von Once Twice Melody ist das Problem von Beach House, dass sie einfach keine guten Songs schreiben. Oder zumindest nur sehr wenige. So ist die Links-Rechts-Kombi aus dem Titelsong und Superstar ganz zu Anfang der Platte eigentlich echt gelungen und auch im weiteren Verlauf der Tracklist finden sich einzelne Highlights wie the Bells oder Runaway, die für sich gar nicht übel sind. Nur ist das Album drumherum leider zum Bersten voll mit haufenweise unnötigem Füllmaterial, das an vielen Stellen selbst für Dreampop-Verhältnisse extrem dröge und lasch daherkommt und Once Twice Melody über weite Strecken zu einer ziemlich unerträglichen Angelegenheit macht. Und wo ich dabei anfangs noch ein bisschen gehofft hatte, dass diese Ästhetik wenigstens auf eine subtil-hintergrundige Streamrolling-Art und Weise funktionieren würde wie eines dieser furchtbar langen Rap-Alben aus den letzten Jahren, schaffen Beach House am Ende nicht mal das. Wo man im ersten und letzten Teil der LP vielleicht noch auf einzelne Songs achten kann und wenigstens aus gutem Willen nach verwertbaren Momenten sucht, verschwimmt vor allem im Mittelteil der Platte alles zu einer Art sonnenscheinigem Zuckerwatte-Blob, der sich träge und behäbig noch über eine Dreiviertelstunde des Albums zieht, gefühlt aber mindestens doppelt so lange geht. An seinen besten Stellen fühlen sich die Songs dabei an wie das Ausharren im Zahnarztwartezimmer nach einer guten Lokalanästhesie, in den schlechtesten wie das gleiche in nüchtern. Zu Ende des letzten Viertels wird die LP mit Stücken wie Hurts to Love, Finale und the Bells dann zwar nochmal etwas spannender, froh ist man am Ende aber trotzdem, wenn das ganze Elend vorbei ist. Ganz einfach deshalb, weil man sich schon gar nicht mehr sicher ist, wie Geräusche ohne tausend Tonnen Reverb eigentlich klingen und ob man die Hälfte des ganzen zwischendurch vielleicht einfach nur geträumt hat. Bei aller Frustration, die ich über Once Twice Melody empfinde ist die Platte also in keinem Fall eine Überraschung und der tiefe Fall des Sounds von Beach House hier auch nur das Schicksal, dem sie seit Jahren irgendwie entkommen sind. Dass so ein Album von ihnen irgendwann kommen würde, war eigentlich eine Frage der Zeit und wirklich blöd ist es letztendlich nur, dass es davon dann gleich anderthalb Stunden sind. Dass sie als Institution deswegen meinen guten Willen verloren haben bedeutet das aber letztlich genausowenig wie ihre guten letzten Platten bedeuteten, dass ich das hier nicht kommen sah. Beach House sind eben einfach eine Band mit einem einzigen Trumpf, den sie immer wieder auf die eine oder andere Art ausspielen. Und nur weil er diesmal nicht so gut eingesetzt war heißt das nicht, dass es nicht trotzdem noch ein Trumpf ist. Sie müssen eben nur wieder die richtige Strategie finden.

🔴🔴🔴🟠🟠⚫⚫⚫⚫⚫⚫ 05/11

Persönliche Höhepunkte
Once Twice Melody | Superstar | Runaway | Sunset | Finale | the Bells | Hurts to Love
 
Nicht mein Fall
Through Me | ESP | Over & Over | Another Go Around | Illusion of Forever
 
 
Hat was von
Air
Moon Safari
 
Slowdive
Slowdive
 
 

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen