Sonntag, 13. Februar 2022

Billie Eilish im Überschallflugzeug

Black Country, New Road - Ants From Up There
BLACK COUNTRY, NEW ROAD
Ants From Up There
Ninja Tune
2022
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
[ sinfonisch | lyrisch | ambitioniert ]
 
Als einer der gefühlt sehr wenigen, die letztes Jahr noch mit großer Skepsis auf das allseits gefeierte Debütalbum von Black Country, New Road blickte und seit dessen Release im Februar keine Gelegenheit ausließ, es als überbewertetes Mittelmaß zu verunglimpfen, war ich zu Anfang des neuen Jahres doch nicht wenig verwundert, mich plötzlich auf der anderen Seite der Debatte wiederzufinden und ungeduldig die Tage zu zählen, bis endlich dessen Nachfolger das Licht der Welt erblicken würde. Schuld daran war im wesentlichen Concorde, die ganz zu Anfang 2022 gedroppte, fantastische Leadsingle des Projekts, die in meinen Augen nicht nur ein spannender Schritt in eine neue Richtung war, sondern vor allem auch Lösungsansätze für die Probleme lieferte, die ich an vielen Stellen noch mit der Musik der Briten hatte. Denn effektiv scheußlich fand ich diese auf For the First Time ja nun auch wieder nicht, nur eben in vielen Punkten ausbaufähig. Wenn Ants From Up There es also schaffen würde, in seiner Gesamtheit das weiterzudenken, was jener erste Happen der LP schonmal versprach, hätte die Band in meinen Augen einen gehörigen Schritt nach vorne gemacht und letztlich auch für mich ihr momentanes Standing in der Indiebubble gerechtfertigt. Und wie ich mir das fertige Ergebnis nun so ansehe, kann ich zumindest eines mit Sicherheit sagen: Vom trockenen und rauhbeinigen Sound ihres Debüts haben Black Country, New Road sich hier bereits ein ganzes Stück entfernt, was vor allem hinsichtlich der kurzen Zeit beeindruckend ist, die seitdem vergangen ist. Wobei diese Veränderung meiner Meinung nach auch durchweg eine Veränderung zum positiven ist, mit der viele Kompetenzen und Stärken der Band hier mehr Raum bekommen. So wurde die instrumentale Palette der Gruppe seit letztem Jahr um einiges erweitert und im Songwriting stärker auf Bläser- und Streicherkompositionen gesetzt, die Black Country, New Road klanglich nicht nur stärker in den Bereich von Indiefolk und Postrock zu Gruppen wie Arcade Fire, Yndi Halda und The World is A Beautiful Place... rücken, sondern vor allem viel effizienter die personelle Stärke der immerhin sieben(oder mittlerweile sechs-)köpfigen Formation nutzen. Das macht Ants klanglich zwar etwas sanfter als seinen Vorgänger, den viele ja auch gerade wegen seiner fetzigen Klezmer-Riffs und kantigen Melodien mochten, ihre kompositorische Kraft verliert die Band dadurch aber in keinem Moment. Im Gegenteil, gerade in längeren Stücken zeigen die Briten durch den fehlenden Ballast der Instrumentierung eine kreative Beweglichkeit, die For the First Time nie hatte und stauben damit in vielen Momenten auch die größeren Euphoriemomente ab. Und wenn es um Eindringlichkeit geht, ist die stärkste Waffe der Band sowieso nach wie vor Sänger Isaac Wood, der mit seiner pathetischen Performance und den brutalpoetischen Lyrics ein weiteres Mal einen Großteil der Aufmerksamkeit auf sich zieht. Obwohl wir dabei mittlerweile wissen, dass dieses hier sein letztes Album mit der Gruppe sein wird und mit ihm ohne Frage ein wichtiger Teil der künstlerischen Identität von Black Country, New Road scheidet, hat er mich hier auf den letzten Metern doch noch ziemlich begeistert. Vor allem dadurch, dass er hier häufiger singt als rezitiert und auch seine Texte an vielen Punkten weniger freiförmig geworden sind (zumindest ein bisschen), trägt er hier seinen Teil zur allgemeinen Harmonisierung des Bandsounds bei und ist dadurch wesentlich mitverantwortlich für viele Highlight-Momente der Platte. Sei das sein subtil-melancholischer Sprechgesang in Bread Song, sein leidenschaftliches Duell mit den kakophonischen Schlagzeugeskapaden auf Snow Globes oder so gut wie jeder Moment von Concorde, er ist nach wie vor der eindeutige Blickfang dieser Band und leistet hier einen beeindruckenden letzten Beitrag für selbige. Dass Ants From Up There im Vergleich zu seinem Vorgänger so viel besser macht, heißt aber keinesfalls, dass ich daran überhaupt nichts zu meckern hätte und auch wenn meine Kritikpunkte letztlich eher Details sind, hindern diese mich in ihrer Summe oft noch immer daran, Black Country, New Road wirklich so sehr wertzuschätzen wie ich es gerne würde. So ist beispielsweise der Übergang zwischen dem eröffnenden Intro und Chaos Space Marine unfassbar awkward gemacht und auch der Song selbst an vielen Stellen leider ein bisschen albern, auch mag ich den Refrain von Good Will Hunting mit seiner pretenziösen Billie Eilish-Referenz (die fairerweise eine von vielen auf dieser LP ist) nicht unbedingt und dass Basketball Shoes vor seinem (zugegebenermaßen fantastischen) Finale Furioso so lange sinnlos im experimentellen Postrock herumdümpelt, ist schon ein wenig schade. Und wenn es um meine anfänglichen Erwartungen geht, ist auch keiner der Songs hier letztlich auf dem Level von Genialität, das Concorde ursprünglich angeteasert hatte und auf das ich mich irgendwie gefreut hatte. Nichtsdestotrotz ist diese LP aber ein großer Schritt für Black Country, New Road und im Vergleich zu ihrem Debüt, mit dem ich teilweise noch arge Probleme hatte, ein weitaus besseres Gesamtprojekt. Für mich persönlich haben die Briten hier wichtige Überzeugungsarbeit geleistet und aus meiner Skepsis ihnen gegenüber ist nach diesem Album Befriedigung und Neugierde geworden. Mit dem Weggang von Isaac Wood ist diese Platte zwar vorerst das Ende eines Kapitels für die Band, der künstlerisch sicherlich vieles neu definiert und wer von hier aus auf den Sound eines eventuellen Nachfolgers herleiten will, fischt zu diesem Zeitpunkt leider eher im Trüben. Trotzdem würde ich mir wünschen, dass Black Country, New Road die Ideen und Neuerungen dieser Platte in die Zukunft mitnehmen und auch ohne Wood daran weiterarbeiten. Denn Potenzial haben diese auf jeden Fall gezeigt und selbst wenn im Moment nicht unbedingt klar ist wie dieser aussehen soll, zweifle ich gerade doch nicht daran, dass diese Band noch einen Weg zu gehen hat. Wäre ja auch blöd jetzt aufzuhören, wo ich gerade erst so richtig auf den Geschmack gekommen bin.

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡🟡 08/11

Persönliche Höhepunkte
Concorde | Bread Song | Mark's Theme | The Place Where He Inserted the Blade | Snow Globes

Nicht mein Fall
Chaos Space Marine


Hat was von
Arcade Fire
Funeral

The World is A Beautiful Place & I Am No Longer Afraid to Die
Harmlessness


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