Donnerstag, 24. Februar 2022

Das kleine schwarze für jeden Anlass

Black Dresses - Forget Your Own Face
BLACK DRESSES
Forget Your Own Face
Die-Ai-Wei
2022
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
[ nervtötend | krachig | aberwitzig ]
 
Als ich vor etwa einem Jahr das letzte Mal über die Black Dresses schrieb, erzählte ich in meinem Text vor allem davon, wie wichtig diese Band gerade als Ideengeber*innen für die amerikanische Hyperpop-Bewegung ist und wie sie aus dieser Motivation heraus gerade dabei sind, eine Art Szene zu kreieren, die eine gewisse klangliche Identität sehr klar vertritt. Dass die Bezeichnung des Hyperpop bei ihnen nach wie vor eher lose sitzt und viele Fans ihre Musik eher in die Bereiche des Industrial und Noise zuordnen, war mir dabei durchaus bewusst und die Debatte über die Stilistik des Duos hat auch definitiv ihre Berechtigung. Eine so dermaßen verkratzte und experimentelle künstlerische Herangehensweise wie die der Black Dresses als Pop zu benennen, passt in jeder Deutung des Begriffes nicht wirklich zusammen und obwohl ich hinter dieser Zuordnung grundsätzlich noch immer stehe, sollte ich dazu vielleicht ergänzen, dass diese für mich eher in einer kreativen Haltung besteht als in einer tatsächlichen musikalischen Ausprägung. Soll heißen, dasss die Black Dresses für mich in der Hinsicht eine Hyperpop-Band sind, wie Rage Against the Machine eine Punkband sind und tragen ihren Teil zur Szenebildung vor allem dadurch bei, dass diese künstlerisch vordenken und auch personell viele Verbindungen zu musikalisch stiltreueren Acts wie 100 Gecs oder Food House haben. Und gerade wenn man sich ihr neuestes Release Forget Your Own Face ansieht, zeigt sich auch mehr und mehr, wie sie musikalisch ihr eigenes Territorium suchen und ihre nach wie vor stattfindenden Metamorphosen sich in andere Richtungen entwickeln als die der meisten aktuellen Digicore-Acts. Schon ihre letzte Platte Forever in Your Heart schaffte das in Ansätzen ganz erfolgreich und setzte vor allem technisch Ausrufezeichen, hier werden diese nun wieder zu neuen Experimenten verbaut und dienen vor allem aus Ausgangsmaterial für weiteren klanglichen Fortschritt. Dass Forget Your Own Face dabei nicht die gleiche Bedeutungsebene hat wie die letzten beiden Platten und eher als zusammengeschusterter Testballon funktioniert, merkt man allein schon an der vergleichsweise kurzen Spieldauer von gerade mal 20 Minuten, übergreifend fehlen darüber hinaus auch die großen konzeptuellen Ideen, die Forever in Your Heart und Peaceful as Hell zuletzt nochmal extra spannend machen. Dass das neue Projekt austauschbar oder gar mittelmäßig wäre, kann man dabei trotzdem in keinem Fall sagen. Viel eher gibt es Fans der Band einen sehr detaillierten Einblick in die Arbeitsprozesse der Band, die auch hier nach wie vor das interessanteste an der ganzen Sache sind. Nach dem extrem bratzigen und erbarmungslosen Vorgänger sind viele Tracks der neuen LP dabei wieder verhältnismäßig melodisch und abgekühlt, auch wenn letztendlich keiner ohne ein paar verglitchte Ausraster jene döligen Sprachmemo-Vocals kann, die mittlerweile zu einer Art Markenzeichen für das Duo geworden sind. Die Inspirationspalette der meisten Stücke ist dabei stärker im EDM der späten Zwotausender verwurzelt, was Songs wie doomspiral oder NO NORMAL wesentlich näher an landläufige Hyperpop-Entwürfe heranführt und an nicht wenigen Stellen auch eingängiger macht. Wobei letztere Eigenschaft für mich sicherlich der größte Selling Point von Forget Your Own Face ist: Dass Black Dresses hier wieder Banger schreiben. Zwar gehen die besten davon hier selten über drei Minuten und wirkliche Ohrwürmer sind letztendlich auch eher selten dabei, im Vergleich zum doch sehr avantgardistisch motivierten Forever in Your Heart wird es hier aber wenigstens ein paar Motive geben, die mir eher durch ihre Catchiness in Erinnerung bleiben als durch ihre Verweigerung selbiger. Welche Version dieser Band ich am Ende lieber mag, kann ich dabei noch nicht sagen, doch denke ich auch nicht, dass ein direkter Vergleich in dieser Beziehung die Sache wirklich weiterbringt. Denn das schöne ist ja eigentlich, dass es hier wieder beides gibt: Auf der einen Seite die kunstig-konzeptuellen Black Dresses, die große Alben mit Bedeutung herausbringen, auf der anderen Seite aber auch die ungezwungenen Internettrolle, die 20 Minuten rumalbern können und dabei trotzdem richtig gut sind. Und die damit mal wieder zeigen, was für ein Gewinn sie für die zeitgenössische Popmusik sind. Ob nun Hyperpop oder nicht.

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡🟡🟡 09/11

Persönliche Höhepunkte
Let's Be | earth worm | NO NORMAL | doomspiral | MONEY MAKES YOU STUPID | GAY UGLY AND HARD TO UNDERSTAND

Nicht mein Fall
-


Hat was von
Anarchy99
Rockstar Super Heat

100 Gecs
1000 Gecs


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