Samstag, 12. Februar 2022

Zufriedenheit ist unerreichbar

Mitski - Laurel Hell
MITSKI
Laurel Hell
Dead Oceans
2022
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
[ synthetisch | kryptisch | ahnbar ]

Ein Album wie Be the Cowboy war für Mitsuki Francis Laycock im Sommer 2018 in erster Linie das beste, was hätte passieren können und für Mitski als künstlerische Marke auch spätestens der Durchbruch in die Welt der großen Indiedarlings, der sich schon Jahre zuvor deutlich angekündigt hatte. Nicht nur in meinen Augen war die New Yorkerin zu diesem Zeitpunkt schon eine ganze Weile eine Musikerin, die mit ihren Songs ein potenzielles Sprachrohr ihrer eigenen Generation war, wobei sie vor allem mit ihren auf brutale Weise empathischen Texten über Einsamkeit, Sexismus und Das ewige Elend der Stagnation einen besonderen Nerv traf, den so niemand anderes in ihrer Sparte triggerte. Dass sie schwermütige Generation Z-Teens großflächig ansprach und dafür auch die entsprechenden Lorbeeren erntete, war mit Be the Cowboy also fast schon ein bisschen überfällig, wobei besagtes Album auch die bis dato musikalisch rundeste und maximal ausgefeilte Formel ihres Songwritings beinhaltete und den kleinen Hype damit noch besser rechtfertigte. Der Nachteil daran:  Mit dem Erfolg von Mitski kamen im Schlepptau von Be the Cowboy plötzlich auch unrealistisch hohe Erwartungen auf sie zu, die jenes sehr besondere und emotional packende Album, das noch dazu mit erstaunlich vielen unverhofften Hits gesegtet war, zur standartisierten Messlatte an sie machten und für einen kommenden Nachfolger nicht weniger akzeptabel machten als ein ebenso definierendes Stück Musik. Wobei gerade nach zwei Jahren Pandemie die Verwertbarkeit für den isolierten Schmerz der New Yorkerin auch nochmal deutlich gestiegen ist und eine Platte wie Laurel Hell zu einem Zeitpunkt wie diesem einen emotionalen Sweet Spot vieler Hörer*innen treffen dürfte. Wenn dieser jedoch stilistisch nicht exakt sitzen würde, wäre das Geschrei vieler Fans (inklusive mir) groß und mit so vielen Parametern, die den Erfolg dieser LP bestimmen sollten, war eine Enttäuschung für mich im Vorfeld sogar das wahrscheinlichere Szenario. Und dass es das schlussendlich nicht ist, finde ich in dieser Hinsicht schonmal ganz schön beeindruckend. Wie konsequent die meisten der oben genannten Boxen von Laurel Hell abgecheckt werden und wie wenig Probleme Mitski damit hat, die an sie gestellten Bedürfnisse grundlegend zu bedienen, zeugt von der künstlerischen Stärke dieser Musikerin und davon, dass ihr Stil inzwischen nicht nur einzigartig, sondern auch kreativ gefestigt ist. Nach einem so wichtigen und coolen Album wie Be the Cowboy ist das definitiv nicht selbstverständlich und in Hinblick auf einige noch folgende Kritikpunkte ein Qualitätsmerkmal, der die meisten Schwächen der LP spielend auskontert. Die klangliche Ästhetik des Vorgängers ist dabei noch etwas gefestigter geworden und nicht selten sogar ein bisschen ansprechender umgesetzt als auf dem Vorgänger. Und auch wenn es diesmal so gut wie keine deutlichen Hitmomente gibt, sind die Tracks selbst trotzdem alles andere als mies gemacht und profitieren mitunter auch von einer gewissen Zurückhaltung. Gerade die etwas atmosphärischen Stücke wie Heat Lightning oder Valentine, Texas sind für mich hier die eigentlichen Highlights, in denen auch das klangliche Design am tiefsten geht und Mitskis wie immer theatralische Vocals am meisten zum Strahlen kommen. Schade finde ich dabei zwar ein bisschen, dass sie ihre Chops als Songwriterin nicht wirklich weiterentwickelt und Laurel Hell ihre erste Platte ist, die stilistisch ein bisschen stillsteht, bei einem so gut ausgetüftelten Sound kann ich ihr das aber auch nur bedingt übel nehmen. Viel eher enttäuscht bin ich dann schon von der vergleichsweise schwachen lyrischen Leistung der LP, die an vielen Stellen leider ein bisschen das aufgibt, was bisher die gesamte Karriere der Künstlerin so besonders machte, indem es seine Texte nicht mehr so explizit mit dem Finger in der Wunde formuliert, sondern eher kryptisch und diffus melancholisch ist. Fragmente der 'alten' Textarbeit gibt es zwar nach wie vor, vor allem in Songs wie Working for the Knife oder Stay Soft, viele davon sind aber nicht so eindrücklich wie ich das gerne hätte und verstecken sich hinter der Musik, statt sie wie sonst üblich aus dem Windschatten zu zertrümmern. Nicht selten habe ich auch das Gefühl, dass Mitski hier lyrische Ideen von früher recycelt, wie beispielsweise in Everyone, das textlich doch auffällige Ähnlichkeit zu einem Stück namens Happy von ihrer vorletzten Platte Puberty 2 von 2016 hat. Das alles soll zwar nicht heißen, dass es hier überhaupt keine guten Texte gibt und wäre das hier das Werk einer anderen Künstlerin, wäre ich sogar ziemlich beeindruckend, eine Mitski Miyawaki jedoch hat das definitiv schon mal besser gemacht und muss sich vorwerfen lassen, dass sie sich hier zum Teil unter Wert verkauft. Wobei sich mit dieser letzten Feststellung vielleicht auch das gesamte Album ganz gut zusammenfassen lässt, denn gut ist es auf jeden Fall und erfüllt viele Erwartungen, die ich nach dem letzten Mal hatte. In den gut acht Jahren, in denen ich diese Künstlerin nun schon höre ist es aber auch ihre erste Platte, die es nicht mehr schafft, mich substanziell zu überraschen und auf der es nur einige wenige Momente gibt, die mich wirklich nachhaltig beschäftigen könnten. Wobei die Frage ja letztendlich ist, was mir lieber ist: Ein gutes und stilsicheres Album, das Stabilität vermittelt und mir als Fan das gibt, was ich erwarte oder eines, das wie ihre früheren Sachen vielleicht ein bisschen grobschlächtig und durchwachsen ist, mich in den entscheidenden Momenten aber völlig von der Platine haut? Ich für meinen Teil kann es gerade nicht wirklich beantworten und letztendlich ist es wahrscheinlich auch egal, weil Mitski so oder so als eine extrem talentierte Künstlerin verbleibt, über die ich vielleicht gerne ein bisschen nörgelig bin, die mich aber auch immer noch mehr fasziniert als sie mich enttäuscht. Und solange das so bleibt, hat der Rest eigentlich wenig zu bedeuten.

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡🟡 08/11

Persönliche Höhepunkte
Valentine, Texas | Working for the Knife | Heat Lightning | Love Me More | There's Nothing Left for You

Nicht mein Fall
the Only Heartbreaker | Sould've Been Me | I Guess


Hat was von
Kate Bush
Hounds of Love

St. Vincent
St. Vincent


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