Donnerstag, 30. Juni 2022

Even When Eyerything is Fine

SOCCER MOMMY
Sometimes, Forever
Loma Vista
2022

 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
[ adoleszent | melancholisch | cool ]

Es gibt ein nicht allzu fernes Paralleluniversum dieses Formats, in dem Color Theory, der zweite Longplayer von Sophie Allison aka Soccer Mommy, 2020 mein Album des Jahres wurde. Und auch in diesem hier brauchte es erst eine mittelgroße Umwälzung meiner Top 30 in den letzten paar Tagen vor Ende der Saison (die ich aus heutiger Sicht keine Sekunde bereue), um das letztendlich doch noch zu ändern. So oder so kann ich es mittlerweile aber als eine unumstößliche Tatsache ansehen, dass der Output dieser Künstlerin mich in den letzten drei Jahren absolut nachhaltig beeindruckt hat und ich sie Stand jetzt definitiv als eine der spannenderen Rockmusiker*innen der Stunde sehe. Mit den gerade Mal zwei Alben, die von der 25-jährigen an diesem Punkt (offiziell) existieren, hat diese ohne Frage persönliche Highlights der jüngeren Indierock-Welle um Leute wie Phoebe Bridgers, Snail Mail und Julien Baker geschaffen und dabei auch ein stetiges Wachstum gezeigt, das sie spätestens 2020 mit besagter zweiter LP zu jemandem machte, die mich nachhaltig beeindruckte. Was sie nun, zwei Jahre später, an den berüchtigten Punkt des dritten Albums bringt, das besonders für mich auch noch jede Menge zu beweisen hat. Wobei zwei Aussagen für mich grundsätzlich erstmal die wesentlichen sind, die ich über diese Platte machen kann. Erstens: Verhältnismäßig ist das hier schon irgendwie die bisher schwächste Leistung von Allison. Zweitens: Das liegt aber nicht daran, dass sie hier irgendetwas effektiv falsch macht. Und keine Panik: Sometimes, Forever ist im großen und ganzen noch immer ein echt gut gemachtes Stück Musik. Nur macht es in meinen Augen ein kleines bisschen zu wenig, um sich vom Sound seiner beiden Vorgänger abzusetzen und eine Ästhetik zu schaffen, die mich wirklich nochmal so beeindruckt wie die letzten Male. Um mein gutes Standing mit Soccer Mommy zu bestärken, reicht es aber mindestens. Und man kann auch definitiv nicht sagen, dass Allison hier grundsätzlich unkreativ wäre. Denn obwohl der Gesamtsound der elf Tracks hier durchaus noch von dem gleichen Mix aus Liz Phair-Indierock, Jangle- und Dreampop plus ein bisschen gut gemeinte Emo-Attitüde dominiert wird, gibt es eben auch Songs wie Darkness Forever, Following Eyes oder Unholy Affliction, die schon eine ganze Ecke grantiger und düsterer sind als zuletzt und durchaus auchmal stärker ihre Form verlieren. Ganz zu schweigen davon, dass als Produzent hier niemand geringeres als Daniel Lopatin aka Oneohtrix Point Never verpflichtet wurde, der ja von der Sache her nicht unbedingt eine naheliegende Wahl war. Zum Sound sowie zur Attitüde von Soccer Mommy passt das alles aber erstaunlich gut und gibt dem sehr emotionalen Songwriting an vielen Stellen nochmal eine ernstere Note, die vorher vielleicht immer ein bisschen von einer gefühlten Naivität überschmikt war. Auf der anderen Seite würde ich mir aber definitiv auch kein Album von Allison wünschen, dass nur als solchen Nummern besteht und auch wenn ich die Veränderungen hier stark und wichtig finde, sind meine persönlichen Highlights noch immer die klassischen Momente, die vor allem den Spirit der letzten Platte nochmal heraufbeschwören. Songs wie Shotgun, Don't Ask Me oder Fire in the Driveway, die eben auch wieder diese unsterblichen Hooks und Melodien haben, deretwegen ich Soccer Mommy so klasse finde. Und die sind für sich gesehen dann auch in vielen Momenten wieder ziemlich genial. Sowieso gibt es auf Sometimes, Forever mal wieder keinen einzigen schlechten Song und auch wenn hier auf den ersten Blick kein solcher Überhit wie Circle the Drain dabei ist, ist das Gesamtergebnis doch mehr als solide. Das von mir angesprochene "Schwächeln" dieses Albums bezieht sich also letztlich lediglich darauf, dass die ersten beiden Platten dieser Frau eben überdurchschnittloch genial waren und diese hier "nur" ziemlich gut. Und wer weiß, beim letzten Mal brauchte es ja auch erst ein paar Monate, bis Color Theory wirklich zu mir durchgedrungen war und wirklich seine ganze Kraft entfaltete. Das letzte Wort ist hier also definitiv noch nicht gesprochen.

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡🟡 08/11


Persönliche Höhepunkte
Bones | With U | Shotgun | Darkness Forever | Don't Ask Me | Fire in the Driveway | Following Eyes | Feel It All the Time | Still

Nicht mein Fall
-


Hat was von
Snail Mail
Valentine

the Beths
Jump Rope Gazers


1000kilosonar bei last.fm  

Mittwoch, 29. Juni 2022

Will Weile haben

Porcupine Tree - Closure / Continuation
PORCUPINE TREE
Closure/Continuation
Music for Nations
2022

 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
[ ahnbar | traditionsbewusst | ausführlich ]

Es dürfte auf diesem Format zumindest von meiner Seite aus inzwischen einigermaßen etabliert sein, dass ich kein besonders großer Fan der Musik von Steven Wilson bin und er mit seinem Schaffen für mich an vielen Stellen das schlimmste repräsentiert, was moderner Progrock sein kann. Und obwohl ich diese Kritik hier bisher vornehmlich auf seine Arbeit als Solokünstler bezogen habe, gilt das in den meisten Fällen auch für die zigtausend anderen Projekte, die er über die Jahre hinweg nebenher aufgesammelt hat. Mit einer entscheidenden Ausnahme: Seiner ursprünglichen Hauptband Porcupine Tree, durch die er in den Neunzigern und Zwotausendern eigentlich erst zu der musikalischen Koriphäe wurde, als die ihn viele Fans heutzutage sehen und bei der er historisch gesehen auch immer am wenigsten Chef war. Zwar heißt das für mich auch keinen Fall, dass es in deren Diskografie nicht auch den ein oder einen peinlichen stilistischen Fehltritt gibt, dennoch waren sie doch zumindest die meiste Zeit über die Version von Steven Wilson, die nicht nur halbwegs klar ging, sondern mit der ich mich stellenweise sogar echt anfreunden konnte. So sind Platten wie In Absentia, On the Sunday of Life oder Deadwing Teile ihres Katalogs, die ich tatsächlich ernsthaft mag und von denen ich letztere sogar als physisches Format besitze. Das blöde dabei war bisher nur, dass eben diese Band über die gesamten letzten 13 Jahre hinweg (dem Zeitraum also, in dem praktisch meine gesamte musikalische Sozialisation stattfand) quasi nicht existierte und von Wilson zugunsten seiner Solo- und Seitenprojekte lange auf Eis gelegt wurde. Offiziell wurde dabei zwar niemals bekannt gegeben, ob Porcupine Tree nun final aufgelöst wären oder einfach nur eine sehr lange Pause einlegten, für lange Zeit fühlte es sich aber doch so an, als ob ihr Abschied nach the Incident von 2009 ein ziemlich endgültiger wäre. Bis letzten Herbst dann entgegen aller Erwartungen doch noch die Ankündigung eines neuen Albums von den verbliebenen drei Mitgliedern kam, das tatsächlich auch nicht als große Rückkehr oder fulminantes Comeback geplant war, sondern laut Aussage der Band nur etwas länger gedauert hatte, um die neue Platte fertigzustellen. Zwölf Jahre, um genau zu sein. Und obwohl Porcupine Tree im Progrock-Olymp der letzten zwanzig Jahre ja anscheinend nicht die einzigen sind, die auch gerne mal solch umfangreiche Zeiträume für eine einzige LP aufwenden (*hust* Alle Bands von Maynard James Keenan *hust*), ist es doch schon sehr ungewöhnlich für jemanden wie Steven Wilson, der sonst gerne neues Material im Monatstakt veröffentlicht. Die Wahrheit scheint also ein bisschen zu sein, dass Porcupine Tree sich seit 2010 mehr oder weniger durch dieses Album hindurchprokrastiniert haben, was meine Erwartungen für das Ergebnis schon mächtig dämpfte. Denn wie gut konnte schon eine LP sein, die von sämtlichen Mitgliedern der Band möglicherweise nur als lästige Fleißarbeit empfunden wurde? Wie sich herausstellt sogar ganz in Ordnung. Zumindest dann, wenn man den bei mir üblichen Maßstab für ein Projekt ansetzt, das wesentlich von Steven Wilson realisiert wurde. Wobei man in erster Linie sagen muss, wie sehr Porcupine Tree auch 2022 noch nach Porcupine Tree klingen und Closure/Continuation klanglich und kompositorisch ziemlich genau das ist, was man als Nachfolger von the Incident erwartet hätte: Ein grundsätzlich moderner und technisch versierter Progrock-Sound mit starken Altrock-Bezügen, hinter dem sich jedoch eine tiefe Verehrung für die Klassiker des Genres, insbesondere King Crimson, Pink Floyd und Genesis, verbirgt. Und obgleich das als solches ziemlich ahnbar ist, funktioniert es als Rezept für große Teile der Platte mal wieder äußerst zufriedenstellend. Da ist der imposante achtminütige Opener Harridan, in dem direkt mal auf alle erdenklichen Arten mit den Muskeln gespielt, dabei aber nie das gute Songwriting vergessen wird oder das wärmend-balladige Of the New Day, das im Anschluss daran genau auf die richtige Weise das Tempo rausnimmt. An anderer Stelle gibt es einen Song wie Chimera's Wreck, das als sehr softer Slowburner anfängt, sich dann aber in ein flamboyantes Gniedelmonster wandelt oder das sehr ruppige und verklausulierte Rats Return, das Wilsons Verehrung für das Gitarrenspiel von Robert Fripp ein weiteres mal sehr beeindruckend illustriert. Ganz besonders angetan bin ich dabei hier auch durchweg von Gavin Harrisons fantastischer Performance am Schlagzeug, die für jeden Hakenschlag des Sounds die perfekte Nuance findet und noch dazu durchweg formvollendet abgemischt ist. Und obwohl es dabei - vor allem auch in Sachen Sound - mal wieder Momente wie Dignity oder Never Have gibt, in denen Porcupine Tree ordentlich den theatralen Schmalz rauslassen oder einfach mittelmäßige Füllertracks schreiben, sind diese doch eher die Ausnahmen und beschränken sich größtenteils auch auf die Deep Cuts der Platte. Was für Steven-Wilson-Verhältnisse in meinen Augen schon eine echt gute Bilanz ist. Ich kann zwar nicht unbedint behaupten, dass ich von Closure/Continuation an diesem Punkt positiv überrascht bin, denn meine Erwartungshaltung zuvor war eher ziemlich diffus, doch bin ich auf jeden Fall froh, dass es hier so gut ausgegangen ist. Unter den vielen Progbands, die in den letzten Jahren ein Comeback gewagt haben, sind ausgerechnet Porcupine Tree gerade diejenigen, die eine verhältnismäßig saubere Landung hingelegt haben, was ich schon ein bisschen witzig finde. Mit diesem Album als Ergebnis will ich ihnen das aber nicht missgönnen und freue mich stattdessen, endlich auch mal wieder etwas positives über eine Band von Wilson zu schreiben. Und sollte es tatsächlich ihre letzte Unternehmung werden, haben sie die ganze Nummer wenigstens ordentlich abgeschlossen. Was sie dann im Endeffekt sogar Pink Floyd voraus hätten.

 
🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡 07/11


Persönliche Höhepunkte
Harridan | Of the New Day | Walk the Plank | Chimera's Wreck | Love in the Past Tense

Nicht mein Fall
Dignity


Hat was von
A Perfect Circle
Eat the Elephant

Radiohead
OK Computer


Montag, 27. Juni 2022

Don't Go Be Forgotten

Krallice - Psychagogue
KRALLICE
Psychagogue
Die-Ai-Wei
2022

 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
[ atmosphärisch | träumerisch | märchenhaft ]

Ich weiß nicht genau, wie es eigentlich so richtig passiert ist, aber dass ich die Musik von Krallice die letzten Jahre über so aus den Augen verloren hatte, ist eigentlich keine schöne Sache. Schließlich waren die New Yorker dereinst eine der Bands, die in meiner Sozialistionsphase mit (atmosphärischem) Black Metal Anfang der Zwotausendzehner eine ungemein wichtige Rolle spielten und haben mit Colin Marston darüber hinaus eine der wesentlichen Schlüsselfiguren der modernen amerikanischen Szene (der auch immer wieder geniale Platten für Liturgy, Imperial Triumphant, Panopticon, Gorguts, Chepang und Artificial Brain produziert hat) als kreativen Kopf. Dass meine letzte richtige Besprechung zu einem ihrer Alben nun aber inzwischen schon sieben Jahre her ist, hat diverse Gründe. Zum einen den, dass es in der jüngeren Vergangenheit immer wieder schwierig war, des Materials der Band wirklich habhaft zu werden und einige Releases lediglich auf Vinyl erschienen oder man gar nicht so richtig über sie bescheid wusste, andererseits waren die Sachen, die ich von ihnen in dieser Zeit hörte, auch schlichtweg nicht mehr so stark wie das alte Zeug und verfielen durchaus in einen gewissen kreativen Trott. Weshalb ich irgendwann auch einen Punkt erreichte, an dem ich nicht mehr unbedingt bereit dafür war, für ein bestenfalls mittelmäßiges neues Album das halbe Internet auf den Kopf zu stellen. Eine Einstellung, die mir auch diese Saison bereits durch das bestenfalls durchschnittliche Crystalline Exhaustion bestätigt wurde, das Ende Januar erschien. Mit Psychagogue, ihrem mittlerweile zweiten Longplayer in 2022, haben Krallice es dann aber doch noch geschafft, mich zumindest wieder ein bisschen für ihren neueren Output zu erwärmen und eine Platte aufzunehmen, die mich in vielen Momenten so mitnimmt, wie es zuletzt vor gut einer Dekade der Fall war. Und zwar in Form eines Albums, das vor allem die klanglichen Aspekte ihres Sounds entscheidend hervorhebt. Heißt im Klartext: Psychagogue ist ein fast instrumentales Stück Musik mit nur wenigen Gesangsparts, dafür aber mit unglaublich viel Platz für atmosphärische Mäanderei und flamboyantes Songwriting, das dann auch sämtliche Register im Handbuch des Black Metal zieht: Ausgefeilte Soli, große dynamische Changierungen, haufenweise coole Gitarreneffekte und auch zahlreiche Einflüsse aus anderen Genres. Vor allem beeindruckt mich an vielen Stellen hier aber was Krallice hier mit Keyboards anstellen, für die natürlich Mastermind Marston verantwortlich war. Insbesondere in den beiden zentralen, sehr atmosphärischen Mittelteil-Stücken Deliberate Fog und Arrokoth Trireme, die sich viel Zeit und Ruhe für klangliche Exkurse nehmen, ensteht dabei viel spannendes, das in Summe sicherlich einen der interessanteren Black Metal-Momente der laufenden Saison bildet. Gerahmt werden diese Stücke hier von den beiden etwas grantigeren klassisch-kaskadischen Tracks Reprisals of Destiny und dem Titelsong, die an sich auch alles andere als schlecht gemacht sind, im direkten Vergleich zum Kern der Platte aber leider doch etwas hölzern wirken. Auch ist es ein weiteres Mal eine frustrierende Tatsache, dass Krallice in Sachen Produktion sehr traditionell unterwegs sind und gerade ihre ballerigen Bombast-Momente oft im schnodderigen LoFi-Sumpf des sehr dumpfen Sounds versacken lassen, was definitiv von ihrem guten Songwriting abträgt. Es ist schon ein bisschen seltsam, hier ein Black Metal-Album zu haben, das auf einer herkömmlichen Bluetoothbox besser klingt als mit guten Kopfhörern und bei dem die klangliche Qualität ob diesem Faktor entscheidend variiert. Nimmt man das alles aber mal beiseite und sieht das ganze mit einer Prise Optimismus, ist das hier schon irgendwie das beste Album, das Krallice 2022 hätten machen können. Gemessen an der Unstetigkeit, die ihre Diskografie nachweislich hat und der Art und Weise, wie diese Band mittlerweile Musik veröffentlicht, sehe ich das zwar nicht als Signal für ein nachhaltiges Erstarken, doch ist es als singuläres Ereignis doch schon echt was wert. Und wäre dem nicht so, hätte ich sicherlich gar nicht erst so viel darüber geschrieben.

 
🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡 07/11


Persönliche Höhepunkte
Deliberate Fog | Arrokoth Trireme

Nicht mein Fall
-


Hat was von
Wolves in the Throne Room
Primordial Arcana

Grima
Rotten Garden


Sonntag, 26. Juni 2022

Burning Down the House

Foals - Life Is Yours
FOALS
Life is Yours
Warner
2022

 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
[ synthetisch | energisch | erfrischend ]

Wahrscheinlich bin ich einfach immer ein ganz kleines bisschen zu jung gewesen, um die Foals gut zu finden, als sie auf dem Zenit ihres Schaffens waren. Beziehungsweise auch zu jung, um mich überhaupt so richtig für sie zu interessieren. Denn als mit Antidotes 2009 ihr - wie ich finde - bis heute einziges wirklich interessantes Album erschien, war ich selbst in meiner musikalischen Entwicklung noch nicht weit genug, um mich ernsthaft für diese Art von Indiemusik zu interessieren. Und vier Jahre später, als ich dann endlich auch für sie bereit war, fingen sie schon langsam an, langweilig zu werden. Was mich 2022, etwa zehn Jahre nach meinen ernüchternden ersten Berührungspunkten mit ihrem Output und drei Jahre nach einem ebenfalls sehr ungelenken Comeback in Form des zweiteiligen Everything Not Saved Will Be Lost-Albums an einen Punkt bringt, an dem ich an eine Band wie die eigentlich Foals keine echten Erwartungen mehr stelle. Nach jetzigem Stand sind sie für mich eine der vielen schlecht gealterten Indiebands der späten Zwotausendzehner, die mehr oder weniger erfolgreich einem verlorenen Ideal hinterhereifern und einen kreativ erlahmte Version ihres einzigen Sounds für eine kontinuierlich schrumpfende Fanbase reproduzieren. So zumindest war meine bisherige Auffassung der Band. Umso schöner ist es also also, dass sie es mit Life is Yours, ihrem inzwischen siebten Longplayer, nun doch geschafft haben, noch einmal ein wirklich reichhaltiges und erfrischendes Stück Musik aufzunehmen, das an diesem Moment ihrer Karriere tatsächlich nicht weniger als ein Schock ist und mich tatsächlich eines besseren belehrt. In dem Sinne, dass es - zumindest in meiner bescheidenen Auffassung - das interessanteste Album der Briten seit ihrem Debüt geworden ist. Und das ist nun inzwischen fast 15 Jahre später alles andere als eine logische Konsequenz. Ob es dabei ein Stilbruch ist? Zumindest in gewissen Punkten. Denn obwohl man sagen kann, dass sowohl Antidotes als auch die erste der beiden Everything Not Saved-Platten diese Art von spritzigem New Wave-Dancepunk-Sound schon irgendwie andeutete, wird das ganze erst hier wirkungsvoll und konsequent umgesetzt und mit den jeweiligen neuen Bestandteilen der Alben dazwischen so verbunden, dass es einen größeren und poppigeren Sound als den der ganz früheren Foals ergibt, der aber auch wieder deutlich jugendlicher und tanzbarer als die meisten Sachen der Band während der Zwotausendzehner ist. So klingen die ersten beiden (und ganz klar auch stärksten) Tracks der Platte extrem nach einer frischeren und neueren Variante der späteren Talking Heads (circa Burning Down the House), angereichert mit dem Synthpop der besten Zeiten von Two Door Cinema Club, Alt-J und Metronomy. Und auch wenn einige Deep Cuts der Platte anschließend doch noch zahmer werden und gerade im letzten Teil auch wieder die eher sanften Klänge der direkten Vorgänger ausgepackt werden, findet all das doch in einem Rahmen von ansprechendem Songwriting und einer peppigen Produktion statt, die durchweg Spaß macht. Was im großen und ganzen also bedeutet, dass Life is Yours klingt wie das große, clevere Pop-Album, das die Foals 2011 eigentlich hätten machen können, wären sie damals schon clever genug gewesen. Und dass es jetzt gut eine Dekade später kommt, heißt ja nicht, dass es deswegen irgendwie schlechter ist. Im Gegenteil: An diesem Punkt ihrer Karriere zeigt es mir, dass diese Band eben doch noch nicht komplett eingeschlafen ist und hier mit so viel Patina auf ihrem Werdegang nochmal ihre größten Hits schreibt. Der Nachteil: Wo solche Nummern vor zehn Jahren dazu geführt hätten, dass sie richtige Popstars geworden wären, freuen sich 2022 nur noch ein verbliebene alte Fans darüber, dass es jetzt doch nochmal ein fetziges Album von den Foals gibt. Und ich als verirrter Skeptiker, der irgendwie dazugestolpert ist.

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡🟡 08/11

Persönliche Höhepunkte
Life is Yours | Wake Me Up | 2am | 2001 | Under the Radar

Nicht mein Fall
-


Hat was von
Talking Heads
Speaking in Tongues

Two Door Cinema Club
Gameshow