Donnerstag, 9. Juni 2022

This is How It Works

Angel Olsen - Big Time
ANGEL OLSEN
Big Time
Jagjaguwar
2022

 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
[ amerikanisch | selbstbewusst | unangestrengt ]

Eigentlich hatte ich zu Ende der letzten Dekade ja gedacht, dass Angel Olsen vielleicht doch noch ein Popstar werden könnte. Und ganz ehrlich: Ein bisschen habe ich es mir vielleicht sogar gewünscht. Nachdem bereits ihr pompöses Albumstatement auf All Mirrors 2019 für eine angenehme Überraschung sorgte und sie kurz darauf sogar auf der neuen Discoplatte von Mark Ronson zu hören war, hätte sie in meinen Augen durchaus das Zeug dazu gehabt, über kurz oder lang den Weg von Liz Phair oder Sia zu gehen und in ein paar mit knapp 40 tatsächlich doch noch das eine Album zu machen, mit dem sie nochmal volle Granate die Charts stürmt. Und prinzipiell hat sie dafür ja auch immer noch genügend Zeit. Nur sieht es in Anbetracht ihrer letzten musikalischen Unternehmungen gerade nicht so aus, als würde sie diesen Weg in der Realität nochmal einschlagen. Denn wenn Big Time dieser Tage eines ist, dann der vorerst letzte Nagel im Sarg der Popkünstlerin Angel Olsen, der nach dem garagigen Pandemie-Alternate-Take-Zwischending Whole New Mess von 2020 hier doch wieder sehr deutlich dem gediegenen Gitarrenpop die Treue schwört. Was in diesem Fall auch explizit heißt, dass sie sechs Jahre nach My Woman wieder in den Gefilden des Country und Americana angekommen ist, in denen sie sich ja schon immer am allerwohlsten fühlt. Und obwohl ich ob dieser Aussicht im Vorfeld nicht wirklich mit großer Aufregung auf das Release von Big Time blickte, kann ich doch sagen, dass die Künstlerin den qualitativen Lauf ihrer letzten paar Platten hier konsequent weiterführt. Auch wenn dieser klanglich und strukturell natürlich ganz anders funktioniert als dort und auch in seiner Attitüde viele Unterschiede findet. Wesentlichster dabei: Angel hat mittlerweile eindeutig die Ruhe weg. Nicht nur in dem Sinne, dass die meisten Songs hier eher langsamere Nummern sind und auch die Produktion sich durchweg sehr zurücknimmt, sondern auch in dem, dass diese kompositorisch wie inhaltlich sehr in sich selbst zu ruhen scheinen. Zwar waren auch schon viele Passagen auf My Woman und All Mirrors irgendwie getragen und großzügig, doch fand darauf noch deutlich mehr Drama statt als hier, wo direkt der erste Song mit den Worten "I can't say that I'm sorry / When I don't feel so wrong anymore" beginnt und damit signalisiert, dass die inneren Dämonen, die diese Vorgänger noch irgendwie bewohnten, inzwischen ausgerottet zu sein scheinen. Die Unsicherheiten, über die Angel Olsen in der Vergangenheit so oft schrieb, scheint sie auf diesem Album größtenteils abgelegt zu haben und auch wenn es nach wie vor Probleme gibt, mit denen sie zu kämpfen hat, so haben diese fast immer mit Anderen Leuten zu tun und sind eher äußere als innere Kämpfe. Und das alles dann in so formvollendeten Powerballaden wie Right Now, This is How it Works oder All the Flowers verpackt zu hören, die durchaus auch empowernd wirken können, finde ich irgendwie sehr befriedigend. Zwar kommt auch dieses Album dabei wieder nicht umhin, ein paar ziemlich unnötige Fillertracks zu produzieren, die es mal wieder daran hindern, ein wirklich stringentes Erfolgserlebnis zu sein, doch habe ich aus der Vergangenheit gelernt, Angel Olsens Platten nicht mehr an solchen Fehlern zu messen. Denn das was bisher unterm Strich immer geblieben ist, waren die starken Highlights der Marke Shut Up, Kiss Me oder All Mirrors, die noch Jahre später in mir arbeiten. Und obwohl ich bei diesem Album im Moment noch nicht sagen kann, welche genau das diesmal sein könnten, bin ich mir doch sicher, dass es da ein paar ziemlich starke Kandidaten gibt. Denn eines kann man über das Modell Angel Olsen 2022 definitiv sagen: Auf seine Weise funktioniert es. Hier vielleicht so smooth wie seit einer ganzen Weile nicht mehr.

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡🟡 08/11

Persönliche Höhepunkte
Big Time | All the Flowers | Right Now | This is How it Works | Go Home | Through the Fires | Chasing the Sun

Nicht mein Fall
-


Hat was von
Courtney Marie Andrews
Old Flowers

Mitski
Puberty 2

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