Sonntag, 12. Juni 2022

Technik die begeistert

070 Shake - You Can’t Kill Me
070 SHAKE
You Can't Kill Me
G.O.O.D. Music
2022
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
[ zerstreut | kanyeesk | introvertiert ]
 
Es ist inzwischen schon wieder zweieinhalb Jahre her, dass Danielle Balbuena aka 070 Shake im Januar 2020 ihr Debütalbum Modus Vivendi auf die Welt losließ und damit die musikalische Dekade der Zwotausendzwanziger für meine Begriffe quasi inoffiziell eröffnete. Denn was klanglich und kompositorisch auf dieser LP passierte, kann ich an diesem Punkt getrost als eine der wirklich großen Offenbarungen bezeichnen, die in dieser Saison stattfand und die in den Jahren seitdem darüber hinaus gealtert ist wie ein guter Rotwein. Dass Balbuena selbst seitdem kein größeres Gesprächsthema geworden ist, kann dabei durchaus daran liegen, dass besagte Platte an vielen Stellen doch etwas unzugänglich war. Vielleicht hat es aber auch damit zu un, dass man sie seit ihrem Durchbruch im wesentlichen als wichtigen Protegée eines gewissen Künstlers Kanye West kennt, einem Künstler dessen Stern in den vergangenen drei Jahren ja bekanntermaßen etwas im Sinken begriffen ist. Dass 2022 gewisse Berührungsängste mit 070 Shake bestehen, kann ich also verstehen, auch wenn ich persönlich sehr dafür plädieren würde, dass diese im Endeffekt Quatsch sind. Denn gerade im Angesicht der Entwicklungen um ihren künstlerischen Mentor, die es zunehmend schwieriger erscheinen lassen, dessen Musik ohne Hintergedanken als hochwertig zu befinden, bietet sich diese junge Frau hier als ziemlich gute Alternative zum verrückten Großkotz an. Nicht nur deshalb, weil ihre klangliche Stilistik die Parameter der aktuelleren Kanye-Schöpfungen technisch wie künstlerisch durchstiegen hat und effektiv weiterdenkt, sondern auch deshalb, weil sie inzwischen vielleicht sogar die hochwertigeren Platten macht. Schon aus jetziger Perspektive würde ich ein kompositorisch verschnicktes und wahnsinnig aufregend produziertes Modus Vivendi jeder Zeit einem bei aller Kreativität ja doch ziemlich verhackstückten und halbgaren Donda vorziehen und obwohl ihre hier vorliegende zweite LP vielleicht nicht ganz so ein Einschlag ist wie es ihr Debüt war, zeigt sich auch auf diesem wieder das unabstreitbare Talent der New Yorkerin. Zumindest dann, wenn man bereit ist, auch ein bisschen danach zu suchen. Ich will an dieser Stelle keine falschen Fährten legen, You Can't Kill Me ist definitiv an vielen Stellen ein bisschen unzugänglicher und zerstreuter als sein Vorgänger und verfügt über noch weniger klare Songstrukturen oder eindeutige Hooks. Und wo Modus Vivendi ein Album war, das unter dieser Freiförmigkeit wenig litt, ist das hier schon manchmal eine etwas andere Geschichte. Songs wie Skin & Bones oder Cocoon würde ich definitiv als unnötige Filler bezeichnen und an vielen Stellen geht Balbuena kompositorisch auch nicht so sehr aufs ganze wie zuletzt. Zu einer schlechten Platte macht das You Can't Kill Me am Ende aber trotzdem nicht. Höchstens zu einer, die wirklich nur für Liebhaber*innen technischer Details und Produktionsnerds funktioniert. Denn anhand der Dinge, die hier in Sachen Sounddesign, Instrumentierung, Mixing und Mastering passieren, kann man schon erkennen, bei wem 070 Shake sich die letzten Jahre über ihre Sporen verdient hat. Da gibt es überall fantastisch geflippte Sample-Mikrokosmen gepaart mit toll aufgenommenen Liveeinspielungen, dick aufgetragene Synth-Flächen, die durch Mark und Bein gehen, klasse gemachte Stereophonie-Momente und wundervoll abgestimmte Bässe, die eben vor allem dann begeistern, wenn man die Platte erstmal mit richtig guten Kopfhörern gehört hat. Und obwohl das sicher nicht reicht, um über 48 Minuten voller eher durchwachsener Kompositorik spannend zu bleiben, ist es an ausgewählten Stellen doch ohne Frage faszinierend und überzeugt mich weiterhin davon, dass diese Künstlerin etwas besonderes ist. Ihr bestes Album ist das hier also sicherlich nicht, aber am Ende trotzdem eines, aus dem mich sehr positiven Gefühlen herausgehe. Und mit der Hoffnung, dass es nächstes Mal wieder richtig geil wird.

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡 07/11

Persönliche Höhepunkte
Invited | History | Body | Vibration | Stay

Nicht mein Fall
-


Hat was von
Kanye West
Donda

Tirzah
Colourgrade


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