Donnerstag, 2. Juni 2022

Das Stiefkind

THE SMILE
A Light for Attraction Attention
XL Recordings
2022
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
[ grantig | lauernd | routiniert ]

Es ist aus meiner Perspektive heraus eigentlich Quatsch, dass ich von allen Releases des 13. Mai 2022, die ich hier besprochen habe, dieses als letztes angegangen bin. Denn wenn es nach dem Hype-Faktor geht, den ich persönlich damit verbinde, dann ist A Light for Attracting Attention, das Debütalbum der Gruppe the Smile, schon seit einer ganzen Weile ein Riesenthema für mich. Eigentlich sogar schon lange bevor dieses überhaupt angekündigt wurde und ich in den ersten Tagen dieser Saison in Form von You Will Never Work in Television Again, das erste Lebenszeichen der zu diesem Zeitpunkt noch reichlich mysteriösen Band zu hören bekam. Wobei meine Vorfreunde natürlich auch dann noch groß gewesen wäre, wäre das alles völlig an mir vorbeigegangen und ich das ganze erst mitbekommen hätte, als die Katze vor ein paar Wochen dann endültig aus dem Sack war. Und ich habe mich in den Monaten seit besagter Initialzündung tatsächlich auch ein bisschen bemüht, den ganzen medialen Zirkus, der um die Band herum in einschlägigen Plattformen stattfand, ein bisschen links liegen zu lassen, um mich jetzt noch einigermaßen unvoreingenommen dieser LP widmen zu können. Denn dass sich hinter dem unbescholtenen Moniker the Smile nicht irgendjemand verbirgt, sollte man inzwischen zumindest dann mitgekriegt haben, wenn man die entsprechenden Personen aus ihren jeweils anderen Kontexten vielleicht schon kennt. Der wesentlichste dabei: Die Beteiligung der zwei (vermutlich) wichtigsten Hauptsongwriter der Gruppe Radiohead, Thom Yorke und Jonny Greenwood. Ergänzt wird diese musikalische Doppelspitze durch deren ebenfalls einschlägig bekannte Hausmannschaft aus Nigel Godrich als Produzent und Stanley Donwood als Artwork-Verantwortlicher, die hier zusammen eine Art eingespieltes Team bilden, das man fast schon als B-Auswahl der Rocklegenden aus Oxford bezeichnen könnte. Als einziger prominenter Nicht-Radiohead-assoziierter Musiker kommt dazu schließlich noch Drummer Tom Skinner, den man möglicherweise von seiner Mitgliedschaft bei Jazzbands wie Melt Yourself Down von Sons of Kemet kennt und der mich hier - so sehr ich auch betonen muss, dass ich ihn dort auch als sehr originellen und kreativen Musiker schätze - ein bisschen an Phil Selway erinnert. Wenn man so will, könnte man das hier also durchaus als eine Art inoffizielles Radiohead-Spinoff betrachten, das einfach nur ohne ein paar der eigentlichen Hauptmitglieder auskommt und sich vor allem auch dadurch offenbart, wie sehr es am Ende nach deren Musik klingt. Zwar nicht so sehr in der von mir erhofften Hinsicht, dass the Smile hier den von der Hauptband lange verschmähten rockigen Sound ihrer Neunziger-Platten wiederbeleben würden (danach klang es auf You Will Never Work in Television Again nämlich zunächst sehr), allerdings schon in einer deutlichen klanglichen Ähnlichkeit, vordergründig zu Alben wie A Moon Shaped Pool, In Rainbows und Hail to the Thief. Wäre A Light for Attracting Attention also tatsächlich ein Radiohead-Album, wäre es nach jetzigen Stand immerhin ein ziemlich gutes. Wobei dieser Vergleich auch nicht unendlich strapaziert werden muss und es durchaus auch andere Tendenzen gibt, die den Sound von the Smile zumindest mit anderen Einflüssen abschmecken. So fühle ich mich an vielen Stellen, gerade in den rockigen Parts von Television und Speech Bubbles, ein bisschen an das Debüt von Black Midi erinnert, Songs wie Pana-vision oder Skrting On the Surface teilen viele Eigenschaften, die schon Thom Yorkes Suspiria-Soundtrack vor vier Jahren hatte und in nicht wenigen Momenten hat A Light tatsächlich auch einen sehr jazzigen Touch, den ich nicht nur auf die Betiligung von Tom Skinner schieben kann. Mehr als Details sind das am Ende trotzdem nie und ich würde mich nicht wundern, wenn diese LP als das seltsame und bewundernswerte Stiefkind der Diskografie von Radiohead in die Geschichte eingeht, das viele Fans eigentlich lieber dort sehen wollen. Und wenn man micht fragt, dann bin ich vielleicht sogar einer von ihnen. Der Ansatz von the Smile und von diesem Album ist zwar vielleicht keine künstlerische Neuformulierung von irgendwas, sondern schleift viel eher noch ein bisschen weiter an Sachen herum, die all diese Leute in der Vergangenheit eh schon gut konnten. Vielleicht ist aber genau das ja auch ein bisschen die Sache, die sich die Anhänger von Thom Yorke und Jonny Greenwood manchmal wünschen: Noch ein paar Songs wie damals auf In Rainbows, als die Band einmal ein bisschen Optimismus zuließ, mal wieder ein so unabstrakt sozialkritisches Statement wie Free in the Knowledge, nochmal ein bisschen schrabbelige Gitarren wie in den Neunzigern und nochmal ein Thom Yorke, der mehr schreit als flasettiert säuselt. Weniger als Nostalgie würde ich das, was the Smile mit diesem Album bei mir damit auslösen ein Fangefühl nennen, das hier bedient wird. Und dass sich zwar eigentlich auf eine ganz andere Band bezieht, am Ende aber auch auf einen Sound und eine künstlerische Idee. Und wenn die gut gemacht ist, ist die genaue Personalkonstellation dahinter mir persönlich ziemlich egal.

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡🟡🟡 09/11

Persönliche Höhepunkte
the Same | You Will Never Work in Television Again | Pana-vision | Speech Bubbles | Open the Floodgates | A Hairdryer

Nicht mein Fall
-


Hat was von
Radiohead
A Moon Shaped Pool

Black Midi
Schlagenheim


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen