Montag, 5. November 2018

Scary Movie





















Ich weiß nicht, wie das bei euch normalen Leuten ist, wenn ihr einen Film findet, für den ihr euch interessiert. Wahrscheinlich schaut ihr vorher irgendwo einen Trailer an oder lest im Internet davon oder so. So, wie sich das eben gehört. Bei mir hingegen ist es seit geraumer Zeit nicht selten so, dass ich nur aufgrund die Information darüber, wer an einer bestimmten Filmmusik beteiligt ist, Lust auf das eigentliche Produkt bekomme. Tolle Streifen wie Prince Avalance (Soundtrack von Explosions in the Sky) oder Zidane: A 21st Century Portrait (Soundtrack von Mogwai) habe ich über die Jahre so kennengelernt und dass sich geschmackvolle Regisseur*innen geschmackvolle Musik aussuchen, scheint der Wahrheit zu entsprechen. Eines der besten Beispiele dafür ist seit mindestens einer Dekade Radiohead-Gitarrist Jonny Greenwood, der einige großartige Scores komponiert hat und das ausschließlich für wirklich tolle Projekte. Wenn er irgendetwas anpackt, kann man eigentlich per se davon ausgehen, dass auch das zugehörige visuelle Material ziemlich erlesen ist. Umso logischer, dass er mit diesem Faible in seiner Band nicht der einzige ist. Erst letztes Jahr arbeitete Drummer Phil Selway an einer Musik für den Film Let Me Go und auch Thom Yorke, um den es hier ja gehen soll, war bereits an Soundtrack-Kompositionen beteiligt. 2015 schrieb er mit Robert Del Naja von Massive Attack einige Stücke für die Dokumentation the UK Gold. Dass Suspiria jetzt trotzdem als sein "Cineastisches Debüt" gilt, hat dennoch seine Berechtigung. Denn nicht nur ist der Brite hier als alleiniger Songwriter und Arrangeur erstmals wirklich federführend, auch das Projekt, an dem er arbeitet, ist ein ganzes Stück größer. Luca Guadagninos Remake des Szene-Horrorklassikers aus den Siebzigern wurde exklusiv von Amazon veröffentlicht, verschlang 20 Millionen Euro Produktionsbudget und gönnt sich eine Besetzung von Hollywood-Stars wie Tilda Swinton, Dakota Johnson und Chloë Moretz. Ein musikalischer Querkopf wie Yorke passt da auf den ersten Blick gar nicht so gut rein. Obwohl ich aber den Film noch nicht gesehen habe (was ich schleunigst nachholen muss!), könnte seine Verpflichtung in meinen Augen passender nicht sein. Suspiria wirkt in den Ausschnitten, die ich bisher gesehen habe, wie ein bedrückender, psychotischer Thriller mit vielen surrealen Elementen und einer düsteren Grundstimmung. Genau das Material also, mit dem sich Yorke in seinen Songs schon seit Jahr und Tag beschäftigt. Und wenn man auf der anderen Seite mal rein von der Musik ausgeht, die man letztendlich auf diesem Album findet, könnte man für einen Horror-Streifen keine bessere finden. Wem von den Vorab-Singles wie mir vor allem das melancholische Titelstück in Erinnerung geblieben ist, wird sich hier sehr schnell in einer wesentlich beklemmenderen Klangkulisse wiederfinden, die man durchaus als krass bezeichnen kann. Die "Songs" hier sind mehr abstrakte Fetzen, die nicht von ungefähr an die Werke von Alfred Hitchcock oder Lars von Trier erinnern. Und obgleich das meiste darunter sich im Bereich ein- bis zweiminütiger Fragmente bewegt, gibt es auch Tracks wie Volk oder the Hooks, die den Grusel-Faktor groß aufziehen. Yorke tritt dabei nur selten als Singender oder Spielender auf, viel mehr kuratiert er eine ganze Reihe von Instrumenten. Da gibt es spitze, grauslige Streicher, dumpfe Synthesizer, brutal anmutende Field Recordings und mitunter sogar einen ganzen Chor, der hier für die passende Atmosphäre sorgt. Suspiria ist damit stilistisch komplett neues Terrain für den Briten und in seiner Diskografie bis hierhin eine erfrischende Anomalie. Und es ist beachtlich, wie Yorke trotz des außerordentlichen Charakters dieses Projekts hier die Wirkung eines geschlossenen Albums erzeugt. Sicher, bei einem so experimentell angelegten Soundtrack wie diesem gibt es auch Durststrecken, die allein auf Platte nicht das Maximum an Spannung hergeben, zumal das ganze Ding hier nicht weniger als achtzig Minuten in Anspruch nimmt. Aber auch im Kontext dieser Arbeit gibt es hier einen beständigen klanglichen Fluss, eine abwechslungsreiche Struktur und in Ansätzen sogar eine übergreifende Dynamik. Wobei letzteres definitv ein Luxus ist, den sich nur die wenigsten Soundtracks gönnen. Dass dieses Album am Ende trotzdem nicht die alleinstehende Qualität eines Tomorrow's Modern Boxes oder the Eraser hat, sollte dennoch klar sein. Wer sich hier das neue, vollwertige Soloprojekt von Thom Yorke erhofft hat, wird um eine kleine Enttäuschung sicher nicht herumkommen, im Sinne einer gesonderten Auftragsarbeit ist das hier aber ein besseres Stück Musik, als ich erwartet hätte. Nicht zuletzt, weil es der stilistischen Palette des Briten ein ganzes Spektrum weiterer Ausdrucksformen hinzufügt, was nur die wenigsten Scores schaffen. Somit hat nicht nur Luca Guadagnino ein gutes Händchen bei der Auswahl dieses Komponisten bewiesen, sondern letztlich auch Yorke, der hier seinerseits eine neue Herausforderung findet. Bei jemandem wie ihm ist das mittlerweile gar nicht mal so einfach.






Persönliche Highlights: A Storm Took Everything / the Hooks / Suspirium / the Inevitable Pull / the Conjuring of Anke / Unmade / Volk / the Universe is Indifferent / the Balance of Things / Suspirium Finale / A Choir of One / Synthesizer Speaks / An Audition

Nicht mein Fall: Sabbath Incantation

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