Sonntag, 25. November 2018

For Whom the Bells Toll





















Für eine ganze Weile lang hatte ich gedacht, dass Spencer Krug nun langsam zur Ruhe gekommen wäre. Als er Anfang der 2010er-Jahre bei Wolf Parade aufhörte, nach Finnland zog und sein Soloprojekt Moonface ins Leben rief, passierte das mit Ansage. "Set fire to my music / it wasn't much good anyway" besang er diesen Bruch in November 2011 und dass er nebenbei auch seine zig anderen Bands an den Nagel hing, war ebenfalls stringent. Und allein die Tatsache, dass er die darauf folgenden sieben Jahren auschließlich als Moonface veröffentlichte (ergänzt höchstens noch durch seine Begleitgruppe Siinai), zeigte mir, dass er sich wohl irgendwie gefunden haben musste. Trotzdem sollte es dabei nicht bleiben: 2017 veröffentlichten Wolf Parade ein Comeback-Album, kurze Zeit später kündigt Krug das Ende seiner Solo-Ausflüge an. Anscheinend geht es also wieder zurück in die ehemalige Hauptband. Und wo das für viele Zwotausender-Indiefans sicher eine großartige Nachricht ist, bin ich als großer Anhänger seiner Moonface-Arbeiten schon etwas geknickt. Spätestens seit dem fantastischen Julia With Blue Jeans On von 2013 bedeutete dieser Name für mich wesentlich mehr als nur ein weiteres Projekt eines guten Musikers. Spencer Krugs Material war im höchsten Maße analytisch, befasste sich auf penible Weise mit den Ausdrucksweisen einzelner, teils sehr nerdiger Instrumente und präsentierte tolles Songwriting dabei fast schon als Abfallprodukt. Nicht jede seiner Platten war dabei so genial wie Julia, aber spannend waren sie ausnahmslos. Und jetzt den Schwanengesang eines Acts zu hören, der wie wenige andere in den letzten Jahren für Leidenschaft beim Songschreiben steht, ist schon ein Verlust. Dass Krug uns mit This One's for the Dancer & This One's for the Dancer's Bouquet nochmal ein richtig fettes Album-Paket zusammengeschnürt hat, ist da nur ein kleiner Trost. Denn schon in der Promophase der Platte merkte man, dass wir es hier möglicherweise eher mit der Resterampe der letzten acht Jahre zu tun haben. In Interviews riet der Musiker selbst davon ab, die gut anderthalb Stunden der LP als geschlossenes Werk zu betrachten und sogar davon, sich überhaupt das ganze Ding anzuhören. Jemand, der wirklich Herzblut in dieses Album investiert hätte, würde sowas wohl eher nicht empfehlen. Zudem findet sich hier beispielsweise ein Track mit dem Namen Heartbreaking Bravery II, der in der Logik des Moonface-Kosmos eigentlich auf einem Siinai-Projekt hätte landen müssen. Das mit der großen Leidenschaft ist hier also erstmals nicht so wirklich der Fall. Was allerdings noch lange nicht heißt, dass This One's for the Dancer... eine miese LP ist. Denn auch wenn das Ergebnis eher eine Compilation geworden ist, im Prozess ist Spencer Krug dabei nicht minder kreativ gewesen. Und tatsächlich ist zumindest in den meisten Songs ein klanglicher roter Faden auszumachen. Wie meistens bei Spencer Krug schlängelt der sich sehr dicht an der Wahl des Instrumentariums entlang: Nachdem bereits die letzte Siinai-Platte the Nightclub Artiste sich in die Gefilde von allerlei Klimperkram hineinwagte, ist dieses Album nun endgültig zum Projekt der rhythmischen Orff-Sounds: Steel Drums, Marimbas, Glockenspiele, Xylophone und Vibraphone stellen die bestimmende Hardware von This One's For the Dancer... und werden hier vom Status des Begleitinstruments ins große Rampenlicht geschoben. Ich bin mir nicht sicher, aber es könnte auch sein, dass man auf dem gesamten Album nicht ein einziges richtiges Schlagzeug hört, sondern stets nur ein Sammelsorium aus komischen Percussion-Teilen, was die LP auf analytischer Seite mal wieder zu einem dieser typischen Moonface-Projekte macht. Vor allem, weil Krug trotz dieser Arbeitsweise hier nicht automatisch ein Latin-Jazz-Album macht. Stilistisch hört man hier den gleichen rotweinschweren New Wave-Indiepop wie auf bisher allen seinen Soloplatten. Und in diese Ästhetik passen dann genauso gut Saxofonsoli, Vocoder-Strophen und Autotune. Dass This One's for the Dancer... ideenlos, unkreativ oder gar langweilig werde, kann man also getrost vergessen. Wenn man mich fragt, ist es zu gewissen Teilen sogar sein bestes Projekt seit Julia With Blue Jeans On. Und dass es so umfangreich ist, ermöglicht es, viele songwriterische Ecken von Krugs Repertoire noch einmal auszuleuchten. Gerade darin liegt aber auch seine größte Schwäche: Was fehlt, ist ganz einfach gesagt der Tiefgang. Die 16 Songs schneiden vieles an, präsentieren unterschiedliche Ansätze und führen diese mitunter auch bis zu acht Minuten lang aus, doch bei keinem von ihnen verharrt man wirklich und fühlt sich zu einer intensiveren Auseinandersetzung mit seinen Inhalten eingeladen. Klar, man bestaunt für einen Moment, wie cool die Marimbas hier Klangflächen erzeugen können und sinniert über das verkannte Goth-Potenzial von Bongos, aber es gibt keine großen Stücke, die als ganzheitliche Instanz beeindrucken. Nichts, was einen emotional beschäftigt. Keine geschlossenen Song-Systeme, die begeistern. Und dabei war das eigentlich immer ein sehr großer Trumpf von Spencer Krug. Wenn man mich fragt, hat dieser Typ in den letzten Jahren so einige meiner Lieblingssongs verfasst, vordergründig die sakralen Hymnen auf Julia With Blue Jeans On wie Barbarian oder November 2011. Songs, die vor allem anderen durch ihre Emotionalität bestechen. Auch das vielleicht ein bisschen unterschätzte the Nightclub Artiste von 2016 hatte diese Qualitäten. Die neue Platte hingegen ist in ihrer Komposition fast schon wieder ein bisschen wissenschaftlich. Was auch total okay ist und diese Musik von anderen Sachen abhebt, aber niemals so beeindruckend sein wird. Und was mich vielleicht am meisten daran stört ist, dass ausgerechnet das nun das letzte Moonface-Projekt sein soll. Ausgerechnet das mit den wenigsten Emotionen. Ausgerechnet das, was einem vielleicht ein bisschen egal ist. Sicher, man jammert dabei auf hohem Niveau und Spencer Krugs Solo-Arbeiten waren nie ein ähnliches Phänomen wie Wolf Parade, aber einen etwas klangvolleren Abgang hätte das Ganze schon verdient. Mein Unbehagen mit This One's for the Dancer... ist also weniger musikalischer als viel mehr sentimentaler Natur. Wie sehr gute Freunde, die sich zum Abschied die Hand schütteln. Es ist nicht Nichts und man weiß es eigentlich besser, aber eine kleine Enttäuschung bleibt trotzdem. Wobei Spencer Krug ja noch lange nicht aus der Welt ist. Im Gegenteil: Das Ende von Moonface bedeutet viel mehr, dass er vielleicht wieder etwas umtriebiger wird. Was wiederum heißt, dass wir in Zukunft vielleicht sogar noch häufiger über ihn sprechen....






Persönliche Highlights: Minotaur Forgiving Pasiphae / Heartbreaking Bravery II / Minotaur Forgiving Minos / Aidan's Ear / Minotaur Forgiving Theseus / Okay to Do This / Dreamsong / Minotaur Forgiving the White Bull

Nicht mein Fall: Minotaur Forgiving Knossos 

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