Samstag, 3. November 2018

Ihre Treue wird belohnt!


Eine der schönsten Sachen in der Metal-Szene, die ich in dieser Form nur selten irgendwo anders beobachtet habe ist, dass kein*e Künstler*in von der Fangemeinde so schnell abgeschrieben wird. Wo im Bereich der Popmusik, aber auch ganz besonders in der angeblich so viel besseren Indie-Gemeinde, jemand schon nach einem doofen Album kein Thema mehr sein kann und böse geschmäht wird, gibt es in der Welt des Metal ein schon immer großes Verlangen nach Treue, das nicht zuletzt dafür sorgt, dass Metallica heutzutage noch Geld verdienen. Wo überall sonst irgendwann akzeptiert wird, dass ein bestimmter Act eben kreativ nichts neues zu bieten hat oder sich stilistisch in eine etwas ungeile Richtung bewegt, hört man sich als richtiger Metalhead auch noch die zwölfte total beschissene Platte von Anthrax an, weil sie in den Achtzigern ja mal richtig gut waren. Und wo das in durchaus nicht wenigen Fällen dazu führt, das ziemlich miese Bands noch immer großes Ansehen genießen, habe ich gerade in den letzten Jahren viele Fälle erlebt, in denen dadurch echt gute Sachen von alten Held*innen nicht verloren gingen. Hätte es nicht Leute gegeben, die den Output von Gruppen wie Kreator oder Electric Wizard noch immer gefeiert hätten, wären ein paar großartige Comebacks vielleicht an uns vorbeigegangen. Und ich hätte nie gedacht, dass ich das mal sagen würde, aber auch für Soulfly ist das im Moment der Fall. Dabei sind die selbst für Szene-Verhältnisse eigentlich eine etwas verpönte Band, was auch definitiv seine Gründe hat. Als neues Projekt des Sepultura-Aussteigers Max Cavalera Ende der Neunziger gegründet, fielen die Brasilianer stilistisch einerseits direkt kopfüber in die schlimme Nu Metal-Krise, die viele Thrash-Acts damals durchmachten und erholten sie davon nie so richtig. Des weiteren haftet ihnen auch 20 Jahre nach ihrer Formation noch das ekelhafte Image der Verräter an, die die Dreistigkeit besaßen, sich mit der wichtigsten Metalband Südamerikas anzulegen. Ganz abgesehen davon war ihre Musik auch wirklich nie so gut und kreativ wie die ihrer großen Brüder, weshalb man auch 2018 nicht über sie schreiben kann, ohne den Namen Sepultura zu verwenden. Doch mit ihrem elften Album Ritual sehe ich diesbezüglich endlich so etwas wie einen Streif am Horizont. Zwar ist die neue Platte weder ein großer stilistischer Wandel noch ein elementarer Reifeprozess für die Band, sie machen eigentlich genau das, was sie vorher gemacht haben. Wenn man fies sein will, könnte man ihnen sogar unterstellen, sich hier ein bisschen zu sehr an einem gewissen Album namens Roots von einer gewissen Gruppe namens Sepultura zu orientieren. Der Unterschied, den Ritual macht, ist dass es einfach mal eine verdammt gute LP geworden ist. In dem Sinne, dass Soulfly zwar nichts wirklich neu, aber vieles besser machen. Ihre traditionelle Mischung aus Groove- und Thrash Metal ballert hier so derbe wie selten zuvor, absolut jeder Song hat mehr als einen spannenden Part oder ein gutes Riff, alle Instrumente sind wahnsinnig gut abgemischt, die Postproduktion ist klasse gemacht und sogar für ein paar stilistische Überraschungen sind die Brasilianer gut. So beginnt der eröffnende Titeltrack mit einem Ausflug in indigene südamerikanische Musik (*hust*), Feedback hat einen Gitarrenpart, der ziemlich an Motörhead erinnert, the Summoning endet mit leichten Industrial-Anklängen und das fast schon wie ein Bonustrack anmutende Soulfly XI ist ein astreines New Age-Jazz-Stück. All diese kleinen Einflüsschen sind cool, ändern jedoch wenig daran, dass hier im Grunde weiterhin derber, ledriger Groove Metal gespielt wird. Ähnlich wie letztes Jahr bei Gods of Violence von Kreator gibt es interessante Anspielungen, die wirkliche Überzeugungsarbeit leistet die Band aber mit einer verbesserten Version dessen, was sie eh schon immer spielt. Und dass das jetzt auf einmal hinhaut, ist lediglich das Ergebnis von besserem Songwriting, guter klanglicher Entscheidungen und einer Leidenschaft beim Spielen. Es ist schon ein bisschen schade, dass es bis hierhin über 20 Jahre gedauert hat, aber wenigstens ist es überhaupt passiert. Das Warten und viele mittelmäßige Alben haben sich also am Ende doch gelohnt. Also wenn man es sich einreden möchte.






Persönliche Highlights: Ritual / Dead Behind the Eyes / Evil Empowered / Blood On the Street / Bite the Bullet / Soulfly XI

Nicht mein Fall: -

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