Sonntag, 11. November 2018

Second Best





















Wenn man in den letzten Jahren Fan von gut gemachtem Jazzrap war, gab es viele bekannte Künstler*innen, denen man in dieser Hinsicht vertrauen konnte: Allen voran natürlich Kendrick Lamar, aber auch Leute wie Injury Reserve, NoName, Busdriver oder die zahllosen Kollaborationen von Badbadnotgood. Einer meiner heimlichen Favoriten, wenn es um dieses Subgenre geht, ist seit einiger Zeit jedoch mit ziemlicher Sicherheit ein junger Südstaaten-MC aus Alabama namens Mick Jenkins. Schon seit vier Jahren brodelt er mehr oder weniger unter dem Radar des Mainstream, wird gerne von zahllosen Szene-Acts zu Features eingeladen und ist inzwischen auch schon ein bisschen zu lange in der Rolle des hoffnungsvollen Newcomers gefangen, als dass es tatsächlich noch was werden könnte. Tatsächlich wäre dieses Szenario aber auch nicht wünschenswert, da der Output dieses Typen absolut nicht für eine Laufkundschaft gemacht ist. Jenkins ist ein Conscious Rapper im klassischen Sinne, der auf seinen Platten regelmäßig pikante Themen wie Rassismus, Sterblichkeit, Armut und Religion anreißt und dabei mitunter ziemlich vernichtend sein kann. Bereits sein erstes Mixtape the Water[s] von 2014 verbaute all diese Dinge plus einer tief greifenden Vorliebe für organische Jazz-Samples in ein verhältnismäßig dichtes inhaltliches Konzept, das er seitdem nur noch ausgebaut hat. Sein kommerzielles Debüt the Healing Component nahm sich vor zwei Jahren nicht weniger vor, als das gesamte Wesen der menschlichen Liebe zu erforschen und war damit sogar ziemlich erfolgreich. Gemeinsam mit der Blank Face LP von Schoolboy Q und Untitled. Unmastered. von Kendrick Lamar setzte es für mich seinerzeit eine neue Ästhetik für intelligenten, Jazz-beeinflussten Hiphop fest. Ein unbeschriebenes Blatt ist Mick Jenkins also bei weitem nicht mehr. Was auch bedeutet, dass bei der Beschäftigung mit seiner neuesten Platte Pieces of A Man die Sache mit dem Welpenschutz eindeutig aufgehoben ist. Ich muss das erwähnen, da diese LP für jemanden, der Jenkins hier vielleicht zum ersten Mal hört, wahrscheinlich erstmal ziemlich gut klingt. Die Beats sind durchweg solide gepickt, ein starker Jazz-Einschlag kommt rüber, die Stücke sind clever und sozialkritisch und die Entscheidung, stilistisch unpassende Vorab-Singles wie Bruce Banner nicht um jeden Preis in die Tracklist zu packen, zeugt von Weitsicht. Es ist aber auch nicht so, dass Mick Jenkins das nicht alles schon mal vorher gemacht hätte. Noch dazu wesentlich besser, wenn man mich fragt. Denn wenn man sich ein kleines bisschen in seinem Backkatalog auskennt, könnte man erkennen, dass dieses Album in einigen Dingen schon ein kleiner kreativer Rückschritt ist. Und dafür kann man verschiedene Ansatzpunkte finden. Der wichtigste unter ihnen ist dabei definitiv das Fehlen eines stringenten Konzeptes. Zwar gibt es mit dem von Gil Scott-Heron geborgten Titel und den damit verbundenen Spoken-Word-Passagen auf den beiden Heron Flow-Songs so etwas wie einen groben Rahmen, doch ist dieser eher ziemlich schludrig gehalten und eigentlich eher eine schlechte Entschuldigung für eine echte inhaltliche Struktur. Denn innerhalb der Platte geht es dann doch eher um alles mögliche. Dabei sind die Texte nicht nur loser angeordnet, sondern gehen auch in sich nicht so sehr in die Tiefe wie die Sachen auf the Healing Component oder the Water[s]. Wo Jenkins dort zum Philosophen wurde, ist er das hier nur noch in abgeschwächter Form. Einzige wirklich auffallende Ausnahme ist mit Consensual Seduction der Versuch, eine Art bewusst antisexistischen Sex-Jam zu schreiben, was tatsächlich auch ziemlich gut funktioniert. Im Gegensatz zu den meisten Sachen hier sticht dieser Track tatsächlich irgendwie heraus, inhaltlich wie musikalisch. Und musikalisch ist dieses Album ebenfalls ein bisschen eine Baustelle: Obgleich das Produktionsteam in den meisten Fällen nach wie vor großes Fingerspitzengefühl beim Aussuchen der Beats beweist und die Dauergäste Badbadnotgood in Smoking Song mal wieder einen fantastischen Klangteppich basteln, gibt es auch Stellen, auf die man sich diesmal nicht so ganz verlassen kann. In den besten Fällen, wie in Plain Clothes oder Understood ist das Instrumental einfach nur langweilig, andere Stücke wie Padded Locks sind einfach nur ziemlich billig. Zu dumm, dass ausgerechnet in diesem Song niemand geringeres als Ghostface Killah einen Part beiträgt. Was außerdem nervt ist, wie komisch hier manchmal die Drums in den Vordergrund gemischt sind. Solcherlei unnötige Gimmicks sind mir bei diesem Künstler, der seit Beginn seiner Karriere auch großen Fokus auf die klangliche Umsetzung legt, eher fremd. Und sie sorgen dafür, dass sich Pieces of A Man nach einem ziemlich vollkommenen Gesamtkunstwerk wie the Healing Component ein bisschen zusammengeschustert anfühlt. Es ist trotz allem ein ziemlich gutes Rap-Album und auch von der Sound-Gestaltung und der Ästhetik dieser Platte können sich viele Hiphop-Acts noch eine Scheibe abschneiden, aus der kreativen Palette des Mick Jenkins ist es nur nicht unbedingt das Filetstück. Es ist ein gutes Rap-Projekt von einem Typen, bei dem außerordentliche Projekte der Normalfall sind. Und das ist nicht schlimm, man muss es aber auch nicht schöner reden, als es ist.






Persönliche Highlights: Heron Flow / Stress Fractures / Barcelona / Consensual Seduction / Smoking Song

Nicht mein Fall: Soft Porn / Padded Locks

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