Montag, 29. Juni 2015

Retro-Review: Lass uns Rockmusik erfinden!

BOB DYLAN
Bringing It All Back Home
Columbia
1965















Das schöne an der Frühphase von Bob Dylan ist, dass man damals immer zwei Alben pro Jahr von ihm bekam. Das war in den Sechzigern so Gang und Gebe und in diesem besonderen Fall sind das meistens auch noch zwei Platten, die heute gemeinhin als Klassiker gelten. Ich als Reviewer habe dann jedoch immer die Qual der Wahl, wenn ich im Rahmen des Retro-Posts auf jeden Fall nur eines von denen besprechen will. Und in diesem Zusammenhang finden es einige vielleicht verwunderlich, dass die Entscheidung letztendlich nicht für das ebenfalls 1965 erschienene Highway 61 Revisited ausfiel, das vielleicht als eines der "klassischsten" Dylan-Alben gilt, stellt es doch seinen Umschwung vom rein akustischen Folk zum elektrisch verstärkten Classic-Rock-Prototypen dar. Und natürlich erkenne auch ich die musikhistorische Bedeutung dieses Longplayers, ganz zu schweigen von seiner eigentlichen Qualität. Doch wenn ich ganz ehrlich bin, ist mir das ein paar Monate vorher veröffentlichte, noch größtenteils Songwriter-zentrierte Bringing It All Back Home dann doch das liebere. Zum ersten, weil ich den Akustik-Dylan sowieso lieber mag, andererseits, weil hier haufenweise Lieblingslieder von mir drauf sind. Der politisch motivierte Opener Subterrean Homesick Blues, das introvertierte Liebeslied Love Minus Zero und die beste Version, die je von Mr. Tambourine Man eingespielt wurde. Was außerdem besonders an Bringing It All Back Home ist, ist dass man hier sehr schön den Übergang zwischen seinen Folk- und Blues-Wurzeln und der neuen, rockigeren Richtung hören kann. Tracks wie Outlaw Blues oder On the Road Again sind dabei schon sehr weit gedacht, auf dem Nachfolger hört man dann die Vollendung des ganzen. Was man heute gemeinhin als "Classic Rock" bezeichnet, war hier noch weit entfernt davon, in jedweder Form klassisch zu sein. Bringing It All Back Home ist eine der Platten, auf denen man zusehen kann, wie als Blues, Folk und Rock'n'Roll die rohe Form dafür gegossen wird. Was bei einem Genie wie Dylan natürlich kein bisschen nach Prototyp klingt, sondern so, als hätte das niemals irgendjemand anders gespielt. Was letztendlich auch der Grund ist, warum ich dieses Album so klasse finde: Nicht, weil es es die Popmusik des 20. Jahrhunderts entscheidend geprägt hat, sondern weil es das so verdammt endchillig tut. Am Ende ist es ja auch nur ein Typ, der ein bisschen Gitarre spielt und albern singt. Und gleichzeitig das Elexier des Rockmusikers. Eine Rolle, die vielleicht keiner so verkörpert hat wie Bob Dylan. Auf dieser Platte und vielen anderen.

Beste Songs: Subterrean Homesick Blues / Mr. Tambourine Man / Gates of Eden

Nicht mein Fall: Outlaw Blues

Weiterlesen:
Review zu Who Me? (Juan Wauters):
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Review zu Rubber Soul (the Beatles):
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Sonntag, 28. Juni 2015

Comfortably Numb

CITIZEN
Everybody is Going to Heaven
Run for Cover
2015















Es gab vor vier bis fünf Jahren zahlreiche Musikfans, unter denen auch ich mich befand, die sich nichts sehnlicher wünschten als ein Neunziger-Revival. Es wurde Bands wie the Pains of Being Pure at Heart oder Japanese Voyeurs hinterher geschmachtet und die Comeback-Platten von Alice in Chains und Jane's Addiction exorbitant gefeiert, obwohl sie bestenfalls durchschnittlich waren. Man musste das tun, weil es eben noch kein richtiges Revival gab. 2015 sieht die Situation anders aus. Mittlerweile schäme ich mich ein bisschen für mein damaliges Gehabe und belasse es beim Hören alter Klassiker. Die Neunziger ihrerseits sind im Moment so sehr zurück wie nur möglich und vorher verhasste Subgenres wie Emorock, Fun-Punk oder Post-Grunge werden wieder salonfähig. Ernsthafte Musikkenner feiern jetzt alte Live-Alben und ein Film wie Montage of Heck wird zu Sensation. Sogar die absolute No-Go-Zone namens Nickelback wird scheinbar langsam rehabilitiert. Im Fahrwasser dieser Bewegung haben auch einige Junge Bands ziemlichen Aufwind durch Musik bekommen, die dreist bei den alten Epigonen klaut. Superheaven, Drenge oder Middle Class Rut sind ihre Namen und seit neustem gehören auch Citizen dazu. Die schon vor zwei Jahren als Indie-Schrägstrich-Emo-Kapelle positiv aufgefallenen Jungs aus der amerikanischen Provinz haben für Everybody is Going to Heaven den krachig-verträumten Sound ihres Debüts Youth verworfen und dafür so ziemlich alles, was nach Emo, Grunge oder Alternative klingt, mit an Bord genommen. So hört man hier in den wildesten kompositorischen Zusammenstellungen Einflüsse von Pearl Jam, American Football, Elliott Smith, Nine Inch Nails und diversen anderen, zusammengestampft in zehn Songs, die langweiliger und ausgelutschter nicht sein könnten. In ihrem Versuch, die Null-Bock-Attitüde der Prä-Jahrtausendwende so korrekt wie möglich zu mimen, klingen Citizen tatsächlich so, als hätten sie dieses Album nie machen wollen. Komplett blutleer und emotionslos trottet ein Track nach dem anderen durch die Gehörgänge und verbreitet damit ungefähr die Spannung eines Nachmittagsprogramms auf einem Regionalsender. Eine so junge Rockband so total ohne Leidenschaft und Herzblut zu erleben, ist schon schockierend. Man sagt ja immer, dass der Wille da war, aber selbst der ist bei Citizen nicht zu erkennen. Was also die weitgehende Feierei dieses Longplayers soll, ist mir völlig unbegreiflich. So wie so ziemlich die ganze Sache mit dem Neunziger-Revival. Auch in der Hochphase des Retro-Wahns gilt für mich: Danke, dass ich mich für das Original entschieden habe. Gute Kopien müssen erst noch gemacht werden.
2/11

Beste Songs: -

Nicht mein Fall: Dive Into My Sun / My Favorite Color / Stain

Weiterlesen:
Review zu Ivy Tripp (Waxahatchee):
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Review zu Sprinter (Torres):
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Samstag, 27. Juni 2015

The Sound of Liberation

REFUSED
Freedom
Epitaph
2015















Auch wenn die bisher veröffentlichten Songs es nicht wirklich waren, das erste Album von Refused seit fast 20 Jahren ist zwangsläufig ein Highlight. Mit the Shape of Punk to Come, dem Quasi-Vorgänger dieser Platte, hatten die Schweden 1998 den Hardcore revolutioniert, da sind sich Fans und Experten einig. Und was seitdem nach zwei Trennungen, ewigem Fangespielen mit den Medien und diversen Sellout-Vorwürfen davon noch hängengeblieben ist, interessiert so ziemlich jeden in der Indie-Welt. In Interviews spucken Dennis Lyxzén und seine fast originalbesetzte Band noch immer ordentlich Gift und Galle, live hat die Energie hingegen um einiges nachgelassen und der Produzent der neuen Platte ist der gleicheTyp, der die meisten Hits von Taylor Swift schreibt. Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung von Freedom scheint eine zuverlässige Prognose so gut wie unmöglich. Also lasse ich hier einfach mal das Material selbst sprechen. Ein tiefer Blick in das große Comeback von Refused:

1. Elektra
Das neue Album beginnt mit dem Song, den viele schon zu Anfang als Opener gesehen haben wollen. Und mir bleibt hier nur zu sagen, dass Elektra diese Position ziemlich gut ausfüllt. Wer genaueres über den eigentlichen Track erfahren will: ich habe ihn bereits besprochen. Und zwar hier.

2. Old Friends/New War
Nachdem der Opener die Ästhetik zunächst ein ganzes Stück in Richtung Metal gerückt hat, folgt hier erstmal ein ziemlich straighter Punkrock-Song, der sogar über akustische Passagen verfügt. Das hindert Dennis Lyxzén zwar nicht daran, wie ein Besessener zu brüllen, doch alles in allem klingt Old Friends/New War ganz wie der erste Popsong auf diesem Album. Und auch wenn dadurch Assoziationen zu Liberation Frequency entstehen, das Niveau dieses Klassikers erreicht der Track bei weitem nicht.

3. Dawkins Christ
Von allen vorab veröffentlichten Tracks empfand ich Dawkins Christ als einzige wirklich starke Nummer. Das New Noise-artige Intro ist schnell vergessen, die orientalische Tonalität paart sich wunderbar mit dem fetten Hardcore-Sound und Lyxzén rastet hier zum ersten Mal richtig aus. Ein ganz besonderes Schmankerl sind allerdings die cleveren Bass-Fills im Mittelteil, die den Song garnieren und zu einem tollen Refused-Original machen. Ganz ehrlich, bei welcher anderen Band hätte diese Musik so geklungen?

4. Françafrique
Mit diesem Song sind die bisherigen Singles der Platte schon in der Anfangsphase abgehakt und sorgen dafür, dass man aus Freedom noch immer nicht so richtig schlau wird. Auch dank Françafrique, einem der bisher eigenartigsten Tracks der Bandgeschichte. Der Kinderchor (!) zu Beginn geht über in eine ziemlich solide Punkrock-Nummer, die sich zum Refrain hin jedoch eher zum Funk hin bewegt und insgesamt eher an die frühen Red Hot Chili Peppers erinnert als an Refused selbst, inklusive Trompeten im Finale. Pendelt bei mir noch irgendwo zwischen erfrischend und peinlich, wobei Schlagzeuger Sandström Respekt für seine akzentuierten Drums gebührt.

5. Thought is Blood
Thought is Blood beginnt als finstere Industrial-Nummer im Stil von Trent Reznor, bevor der Bass den Song in einen ziemlich öden Strophenteil schleift, der wiederum durch einen Hardcore-Refrain (ist es ein Refrain?) abgelöst wird. Und das ist erst eine der viereinhalb Minuten hier. Der definitiv chaotischste Song auf Freedom schafft es damit gleichzeitig, ziemlich furchtbar und ziemlich gut zu sein. Alles in allem aber auch ziemlich unspektakulär.

6. War On the Palaces
Das satte Blues-Riff eröffnet diesen Song perfekt, aber was machen die Trompeten denn schon wieder hier? Scheißegal, eine solide Anti-Kapitalismus-Punkrock-Nummer wird aus War On the Palaces trotzdem noch. Die hat sogar einen ganz schön catchy Refrain, Sandströms treibende Drums und seit langem mal wieder eine halbwegs überschaubare Songstruktur. Was ihn irgendwie zu einem meiner Lieblingstracks hier macht, eben weil er nicht ganz so kompliziert ist wie die übrigen Tracks. Kontrastprogramm zum Kontrastprogramm sozusagen. Schöne Sache.

7. Destroy the Man
Apropos kompliziert: Destroy the Man hat den vertrackten Rhythmuswechsel gleich am Anfang und belässt es auch nicht bei dem einen. Klanglich der vielleicht düsterste Song auf Freedom, ist Destroy the Man ein Skelett von einem Track, das vor allem von Gesang, Schlagzeug und den schon wieder total genialen Bass-Fills lebt, die hier die kompletten dreieinhalb Minuten auskleiden. Zumindest bis im Finale dann doch noch die Gitarre übernimmt und zur Abwechslung auch mal wieder Hardcore spielt.

8. 366
Mit Hardcore geht es auch in 366 weiter, dessen erster Teil ist diesbezüglich vielleicht einer der wenigen Momente, die diesen Tenor auch mehr oder weniger durchziehen, auch wenn der Refrain schon wieder fast gesungen ist und fünfeinhalb Minuten jetzt nicht gerade Punkrock-Länge sind. Aber wenigstens erkennt man hier einmal mehr das eine große Talent von Refused: Einen Genre-Song mit vielen neuen Stilelementen auszuschmücken und trotzdem weiter am Kern der Sache zu bleiben. Hier noch einmal in der Oldschool-Variante.

9. Servants of Death
Für den vorletzten Song hier greifen Refused noch einmal tief in die Blues- und Funk-Trickkiste mit einem Song, der die zu Beginn angerissenen Einflüsse wieder zum Abschluss bringt und die Sache damit rund macht. Mit gesungener Strophe und Synth-Geplucker ist Servants of Death das exotische Stück, das vor dem Ende der Platte noch mal kommen musste. Der ultimative Beweis dafür, dass die Schweden noch immer groß denken und dass Freedom zwar nicht klingt wie sein Vorgänger, aber das Prinzip wieder mal verstanden hat. Dafür ist der am Ende eingesamplete Applaus schon mal berechtigt.

10. Useless Europeans
Ich hatte mir so sehr gewünscht, dass es am Ende wieder eine Ballade gibt und es gibt am Ende wieder eine Ballade. Useless Europeans klingt von Sound her nach Geisterstimmen, Wüstenidylle und Nancy Sinatra. Was natürlich nur die knallharte politische Message kaschieren soll, die schon im Songtitel lauert. Und auch wenn Dennis Lyxzén auch hier nochmal kurz schreien muss, an sich steht der Track damit in der Tradition des wunderbaren the Apollo Programme Was A Hoax von the Shape of Punk to Come. Denn so unterschiedlich sind die beiden Platten am Ende gar nicht. Stilistisch wie qualitativ.

9/11

Weiterlesen:
Review zu Loom (Frameworks):
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Review zu Fetch (Melt-Banana):
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Donnerstag, 25. Juni 2015

Zuckerbrot & Shoegaze

WHITE POPPY
Natural Phenomena
Not Not Fun
2015















Ich habe mich in letzter Zeit ziemlich intensiv mit altem Shoegaze-Kram beschäftigt, meine Kollektion an Jesus & Mary Chain-Platten sowie ziemlich viel Slowdive und Moscow Olympics gehört. Und weil das ganze so viel Spaß gemacht hat, habe ich mich direkt mal auf die Suche nach ein paar neuen Veröffentlichungen aus dieser Sparte gemacht, wobei ich auf White Poppy gestoßen bin. Die junge Band aus Vancouver veröffentlicht dieser Tage ihren dritten Longplayer, dessen erste Vorboten bereits äußerst vielversprechend klangen und das schon einige ziemlich gute Reviews abgefangen hat. In diesen wird die Musik der Kanadier als Dreampop mit zahlreichen elektronischen Einflüssen beschrieben, der auch gerne mal aus der Haut fährt. In einer der Besprechungen fiel sogar die Bezeichnung "Drone". Man kann sich hier also auf eine äußerst abwechslungsreiche Odyssee gefasst machen, die man letztendlich auch bekommt. In fast jedem Song auf Natural Phenomena kann man etwas neues entdecken und sich überraschen lassen. So hat beispielsweise Sublimity dieses wunderbare, asiatisch anmutende Glockenspiel, das sich auf halbem Weg mit der Gitarre umschlingt und Exotic Realms eine Gitarrenmelodie, die auch Baroness nicht verschmähen würden. All diese verschiedenen Auswüchse der Platte passen aber dennoch unter den Deckmantel der generellen Shoegazigkeit und Dreampoppigkeit. Wird ein Song zu lärmig, kühlt ihn die Band wieder auf lauwarme Zimmertemperatur herunter, wird er zu ätherisch, hat man schnell irgendein Sample oder eine catchy Melodie zur Hand. Sehr vorbildlich funktioniert hier auch der Gesang, der, wenn es überhaupt mal welchen gibt, eher als Instrument funktioniert statt als übergeordnetes Element. Zu gut verständliche Texte würden den Chill-Faktor dieser Platte erheblich mindern und White Poppy wissen das. Und so sind sie auch das Thema Vocals mit Bedacht angegangen und haben es perfekt gemeistert. Wenn es überhaupt irgendetwas an Natural Phenomena gibt, das noch zu wünschen übrig lässt, dann ist es die Kontinuität. Zwar haben alle Tracks hier eine relativ einheitliche Ästhetik, doch sie funktionieren dennoch irgendwie als einzelne Systeme. Und erfahrungsgemäß sind ätherische Dreampop-Platten immer dann am schönsten, wenn man statt vielen Einzelsongs einen durchgängigen Trip hört. Aber das als große Schmach anzukreiden, ist nicht nur pedantisch, sondern auch sinnlos. Denn fünf Minuten reichen White Poppy im Normalfall, um den Hörer in die psychedelische Versenkung zu befördern. Und alles in allem ist Natural Phenomena genau das, was ich gesucht habe, als mich letztens der Shoegaze-Wahn packte. Mich zu beschweren, wäre also das letzte, was mir in den Sinn käme. Ich bin eh noch völlig in Trance.
9/11

Beste Songs: Sublimity / Midnight Sun / Mermaids

Nicht mein Fall: Aurora

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Review zu Ceres & Calypso in the Deep Time (Candy Claws):
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Review Warpaint (Warpaint):
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Dienstag, 23. Juni 2015

Eitel Sonnenschein

GOD IS AN ASTRONAUT
Helios / Erebus
Revive
2015















Als bekennender Postrock-Superfan und selbsternannter Szene-Kenner kann man nicht über heiße Newcomer schreiben, wenn man nicht auch über God is An Astronaut schreibt. Die Iren spielen schon seit über zehn Jahren in der ersten Liga der internationalen Crescendo-Gemeinde und haben Platten wie All is Violent, All is Bright oder Age of the Fifth Sun gemacht, die mittlerweile zu kleinen Einmaleins des Genres zählen. Bei all dem Einfluss ist es der Band jedoch bisher nicht gelungen, meine Wenigkeit von sich zu überzeugen. Die viel zu cleanen Sounds und ziemlich vorhersehbaren Kompositionen lockten mich in all den Jahren noch nie hinter dem Ofen hervor. Eine Ansicht, die viele Fans nicht mit mir teilen. Als ich 2013 ihr letztes Album Origins nur im Schnelldurchlauf kurz besprach, hatte ich sogleich ein paar unwirsche Anhänger im Nacken, die meine Ignoranz gegenüber ihren Helden so gar nicht verstehen wollten. Um das ein weiteres Mal zu vermeiden und vielleicht, da muss ich ehrlich sein, auch aus einem gewissen Eigeninteresse heraus habe ich beschlossen, mir den neuen Longplayer doch mal genauer anzusehen. Denn God is An Astronaut sind hier vom sehr klassischen und sehr langweiligen Standard-Postrock tatsächlich ein Stück abgewichen und haben sich um eine möglichst umfassende Neuorientierung bemüht. Auf Helios / Erebus tun sie das mit einer wesentlich klareren Sound-Ästhetik und vorsichtigen elektronischen Andeutungen. Und tatsächlich: Auch ich kann dieser Platte wesentlich mehr abgewinnen als ihren Vorgängern. Der Opener Agneya ist dabei noch sehr stoisch, doch fast alles danach kann sich als solches eigentlich sehen lassen. Pig Powder überrascht mit einigen sehr cleveren Synth-Schnipseln und Vetus Memoria holt wenig später auch ein paar sonnige Gitarrenriffs hervor. Besonders cool finde ich diese Songs, weil hier endlich mal die Produktion zum Klang der Instrumente passt und die typische Postrock-Dramaturgie mal wirklich wieder interessant umgesetzt wird. Aber damit erstmal genug der Lobeshymnen. Denn Helios / Erebus mag zwar gewisse Fehler der Band nicht wiederholen, trotzdem ist es noch weit davon entfernt, irgendwie aufregend oder revolutionär zu sein. Für God is An Astronaut mag diese Platte endlich Veränderung bringen, im Genre-Gesamtkontext gehören die Iren aber noch immer nicht zu den wahren Visionären. An ihrem Lehrbuch-Crescendo-Rock bleiben sie größtenteils haften und die meisten ihrer kompositorischen Kniffe erkennt man schon aus kilometerweiter Distanz. Dass diese Band überschätzt wird bleibt meine Meinung, wenngleich dieses Album vielleicht das erste ist, welches wenigstens versucht, die Dinge anders anzupacken. Helios / Erebus ist ein Tropfen auf den heißen Stein. Tut mit Leid liebe Fanbase.
7/11

Beste Songs: Pig Powder / Vetus Memoria

Nicht mein Fall: Obscura Somnia / Centralia

Weiterlesen:
Review zu Another Language (This Will Destroy You):
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Review zu Eternal Movement (Tides From Nebula):
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Willkommen im Club

TEMPEL
the Moon Lit Our Path
Prosthetic
2015















Und schon wieder steht hier ein großartiges Metal-Album zur Disposition. Diesmal geht es mit den US-amerikanischen Hoffnungsträgern Tempel in Richtung Doom Metal und in unsägliche Tiefen was Ästhetik und Gitarrensound angeht. Schon mit ihrem letzten Longplayer On the Steps of the Temple hatte die Band aus Phoenix in der Szene für allerhand Aufsehen gesorgt, war mir persönlich jedoch noch etwas zu trocken, wenn auch potenziell entwicklungsfähig. Die neue Platte war für mich also ziemlich interessant, um zu sehen, ob sich jene Entwicklung tatsächlich vollzogen hatte. Die erste Single Carvings in the Door machte schon mal ganz den Eindruck, als ob dem so wäre. In achteinhalb Minuten wird hier ein loderndes Fegefeuer entfacht, welches den Definitionsbereich des Doom Metal schon nach den ersten Takten mit Anleihen aus Black- und Heavy Metal durchbricht. Wir haben es hier zweifelohne mit einem der besten Genre-Tracks des Jahres 2015 zu tun und so fand ich es umso schöner, diesen auch als Opener von the Moon Lit Our Path zu sehen. Blieb nur zu hoffen, dass der Rest des Albums diese Spannung auch halten könnte. Einfach haben es sich Tempel dabei auf keinen Fall gemacht. Keiner der fünf Songs hier ist kürzer als acht Minuten und auf das universelle Bindemittel Gesang wird flächendeckend verzichtet. Dafür beherrschen diese Jungs aber auch alle Tricks und Kniffe des effektgeladenen Gitarrenspiels. The Moon Lit Our Path ist auch auf voller Länge alles andere als ein puristisches Doom-Machwerk, sondern ackert in seiner knappen Stunde Spielzeit alles von Heavy Metal über Stonerrock bis zu klassischen Elementen ab. Einen ganz so fetzigen Song wie Carvings in the Door gibt es dabei zwar leider nicht mehr, doch auch die übrigen Stücke können sich absolut sehen lassen und weisen viel Highlight-Potenzial auf. Descending Into the Labyrinth hat diesen wunderbaren ruhigen Part ab Minute sieben, der genau an der richtigen Stelle auf Entschleunigung setzt und die klassische Gitarre am Anfang von Tomb of the Ancients ist einfach nur herrlich (der aufmerksame Leser sollte mittlerweile wissen, dass ich ein Faible für Renaissance-Klampferei habe). Alles in allem ist the Moon Lit Our Path damit nichts anderes als das nächste richtig coole Metal-Gesamtwerk in diesem Monat, womit es im oberen Teil der Auserwählten langsam eng werden dürfte. Aber ich will ja nicht so tun, als würde ich mich nicht darüber freuen. Liebe Tempel: Willkommen im Club!
9/11

Beste Songs: Carvings in the Door / Dawn Breaks Over the Ruins

Nicht mein Fall: -

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Review zu Tempest (Lycus):
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Review zu the Serpent & the Sphere (Agalloch):
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Sonntag, 21. Juni 2015

Heiß & Fettig

HIGH ON FIRE
Luminiferous
Century Records
2015















Eine der passendsten Bezeichnungen für die Songs von High On Fire ist das Wort badass, das vielleicht eher selten in Verbindung mit Musik auftaucht, sondern bei dem man eher an Danny Trejo oder Grand Theft Auto denkt. Der Sludge- und Stoner-Metal der Gruppe aus Oakland ist aber seit mittlerweile 15 Jahren eben genau das und hat sich damit auch außerhalb des üblichen Klientels einen Namen gemacht. Das 2012 veröffentlichte Album De Vermis Mysteriis setzte diesbezüglich schon jede Menge Maßstäbe und zählte definitiv zu den besten Genre-Platten jenes Jahres. Die alleinige Wucht dieses Werkes war für mich Grund genug für die Annahme, dass High On Fire das nicht noch einmal schaffen, geschweige denn toppen könnten. Auch mit einem Kurt Ballou, der ein weiteres mal hinter dem Mischpult sitzt. Dass Luminiferous seinen Vorgänger jedoch nicht nur in dieser Hinsicht weit hinter sich zurücklässt, kommt einer ziemlich Sensation gleich. Schon die ersten Takte des Openers the Black Plot pampen alle Kanäle mit rumpeligem Riffing und monstermäßigen Schlagzeug-Beats zu und hören damit erst auf, wenn Gitarrist Matt Pike zu einem epischen Sechssaiter-Solo anhebt. Und es bleibt auch nicht bei einem guten ersten Song, die zwei Folgetracks Carcosa und the Sunless Years sind ebenfalls echte Banger und legen in meinen Augen sogar noch einen Zacken zu. Mit Slave the Hive folgt danach ein fast punkiger Song, der aber ebenfalls keine Luft holen will. Und spätestens nach diesem ersten Einstand weiß man, dass Luminiferous seinen Vorgänger in Sachen Punch und Perfektion um Längen abgehängt hat. Man könnte hier weiter Erbsen zählen, doch die Verblüffung nimmt auch auf dem Rest des Albums kein Ende: High On Fire scheinen hier wirklich jeden Kniff hinzubekommen. Ein melodisches the Falconist klappt genau so gut wie zerstörerische Metzel-Drums und Stacatto-Soli in Dark Side of the Compass. Fast nebenbei vereinen die Künstler dabei jede Menge Spielarten ihres Genres, klingen mal nach Iron Maiden, mal nach Death und natürlich auch immer wieder nach dem großen Bruder Sleep. Allerdings zerstampft die Band diese Einflüsse so gekonnt in einem ansteckenden Mix, dass man am Ende doch einwandfrei High On Fire raushört. Und das bedeutet hier eine Metal-Band, die absolut alles kann. Luminiferous ist eines der rundesten Alben, die ich dieses Jahr gehört habe und zählt definitiv zu den besten in der Diskografie der Akteure. Der Metal-Sommer 2015 kommt mit dieser Platte so richtig in Fahrt und wird hiermit sicher nicht sein letztes Highlight erleben. Hoffen wir auf ein paar richtig harte Monate!
10/11

Beste Songs: Carcosa / the Falconist / the Cave

Nicht mein Fall: -

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Review zu Bloodstone & Diamonds (Machine Head):
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Review zu the Great White Dope (Sun & Sail Club):
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Samstag, 20. Juni 2015

Conor und die Verschwundenen

DESAPARECIDOS
Payola
Epitaph
2015















Als Conor Oberst Anfang der Nullerjahre seine Emorock-Band Desaparecidos gründete, war das Genre gerade in seiner absoluten Hochphase. Mit der Reunion hat er danach so lange gewartet, bis das Revival schon wieder durch war. Die Erkenntnis: Seine Musik ist genau dann da, wenn man sie braucht. Als es vor ein paar Jahren hieß, dass es nach mindestens einem Jahrzehnt wieder neues Material unter diesem Namen geben würde, freute mich das vielleicht noch ein Stück mehr als die meisten anderen. Ich bin nie großer Fan der Bright Eyes oder der Solo-Platten von Oberst gewesen, doch Desaparecidos waren schon seit langem eine Schwäche von mir. Ihr bisher einziges Album Read Music/Speak Spanish von 2002 ist für mich ein Highlight der damaligen Emo-Strömung und war während der späteren No-Go-Phase des Genres eine der wenigen Sachen, die man trotzdem guten Gewissens hören konnte. Ein neues Album dieser Band wäre also durchaus wünschenswert gewesen, war aber für die meiste Zeit ein Ding der Unmöglichkeit. Jetzt ist es doch auf einmal passiert und mein Emo-Herz schlägt schon höher, seitdem Payola angekündigt wurde. Die vielleicht schönste Sache dabei ist, dass Desaparecidos eigentlich gar nichts falsch machen können. Emorock ist seit einigen Jahren wieder salonfähig, ein Deal bei Epitaph schafft viel Spielraum für die Musiker und Oberst ist als Texter der beste, den man bekommen kann. Der bekommt dann auch den wieder mal sehr politischen Tenor der Platte wunderbar hin, singt über Geheimdienste, Migration und den Ku-Klux-Klan. Dazu pfeffert seine Band gute bis sehr gute, melodiöse Punk-Bretter darunter und arbeitet auch wieder vorbildlich mit Samples. Kenner der Desaparecidos könnten jetzt befürchten, Payola klinge zu sehr nach seinem Vorgänger, aber auch hier kann ich beschwichtigen: Durch eine wesentlich breitere Produktion und insgesamt etwas poppigeres Songwriting (Manche Stellen klingen sogar nach den frühen Arcade Fire) wird man hier zwar an die "alten Zeiten" erinnert, merkt aber auch, dass hier ein neues Kapitel geschrieben wird. Dass man sich für dieses Album keine Gedanken gemacht hat, kann also keiner sagen. Es war ja auch lange genug Zeit dafür. Dass Payola am Ende doch nicht das neue Read Music/Speak Spanish ist, kann man dabei total verkraften. Denn wenn man das erwartet, legt man die Messlatte sowieso zu hoch und man bekommt meiner Meinung nach immerhin das beste Projekt, an dem Conor Oberst seit Jahren beteiligt war. Alleine dafür hat sich das hier gelohnt.
9/11

Beste Songs: the Left is Right / Ralphy's Cut / Backsell / 10 Steps Behind

Nicht mein Fall: -

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Review zu Upside Down Mountain (Conor Oberst):
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Review zu Transgender Dysphoria Blues (Against Me!):
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Album Not Album

HUDSON MOHAWKE
Lantern
Warp
2015















Lantern ist vielleicht ganz offiziell erst das zweite Album von Hudson Mohawke, doch dass wir es hier mit einem erfahrenen Mann zu tun haben, ist ebenfalls nicht abzustreiten. Die meisten kennen seinen Namen von seiner Kollaboration mit Lunice unter dem Namen TNGHT vor ein paar Jahren, daneben hat der Brite aber auch schon einen ganzen Sack voll mit EPs am Start, die allesamt für qualitativ hochwertigen Electronica stehen. Sein Sound, der zu den härtesten Knüppeln in EDM und Indietronic gehören dürfte, ist mittlerweile berühmt-berüchtigt, weswegen Lantern auch direkt nach seinem Release in aller Munde war. Und nun wollte auch ich mal einen Blick auf dieses Album werfen, wobei meine erste Erkenntnis ist, dass Mohawke hier mehr oder weniger erfolgreich versucht, eine Pop-Platte zu machen. Und zwar im ungeschminkten Mainstream-Sinne. Einen Gesamtkontext gibt es hier so gut wie gar nicht, alle vierzehn Songs hier sind nicht mehr als potenzielle Singles, die einfach nur durchnummeriert wurden. Im Gegenzug dazu gibt es hier hochkarätige Featured Artists wie Miguel oder Antony (der von Antony & the Johnsons), die den Beats von Mohawke ab und zu mal ihre goldige Stimme leihen. David Guetta würde es nicht anders machen. Natürlich bewahrt sich die Platte einen gewissen, grundlegenden Stil, der das hier doch noch vom Rest der Radiopop-Mischpoke abhebt, aber diese Pufferzone wird hier nicht selten ziemlich schmal. Das wäre eigentlich auch kein Problem, wenn man in diesen Momenten nicht ernsthaft um die Identität der Mohawke'schen Kompositionen fürchten müsste. Denn dass diese existiert, wird ebenfalls beeindruckend unter Beweis gestellt. Im Mittelteil des Albums packt der Produzent den Doppelschlag Kettles und Scud Books aus, der ein absoluter Geniestreich ist und Lantern kurz auch wie ein richtiges Gesamtkonstrukt wirken lässt. Oder wie wäre es mit dem Retro-Schinken Ryderz, der auf halber Strecke mit einen fetten Trap-Beat kollidiert und alleine schon für diese Breitseite Gold wert ist. Was man am Ende des Albums hat, ist eine Anzahl von schlechten, von mittelmäßigen und von guten Songs, die man einfach nur nun gegeneinander abwägen muss, um zu sehen, dass diese Platte aus dem oberen Mittelfeld bei aller Mühe nicht raus kommt und sie eben vor allem daran scheitert, dass sie nur eine Akkumulation von Tracks ist. Lantern ist letztendlich eines von den Alben, von denen man sich die Singles anhört. Für einen kleinen Hype reicht das ja auch schon aus. Für ein bedachteres Arbeiten wahrscheinlich eher nicht.
6/11

Beste Songs: Kettles / Scud Books / Indian Steps

Nicht mein Fall: Portrait of Luci

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Review zu Distant Present (Ozy):
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Review zu Tremors (Sohn):
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Mittwoch, 17. Juni 2015

Schrei nach Liebe (feat. Entschuldigung für spätes Erscheinen)

BJÖRK
Vulnicura
Embassy of Music
2015















Hopalla, was haben wir denn hier? Sieht ganz so aus, als ob es nach fast sechs Monaten endlich auch von mir ein Review zu Björks Vulnicura gibt, einem der wichtigsten Alben des bisherigen Jahres, welches von mir schändlicherweise bisher noch verschmäht wurde. Der Grund, warum dies passiert ist, war die unglaublich hartnäckige Art, wie die Isländerin ihre neue Platte unter Verschluss hielt, die man nur entweder über iTunes oder als ziemlich aufwendige Analog-Version bekam, was ich beides aus vielerlei gründen ablehne. Vor allem aber bin ich ein geistiges Kind der digitalen Ära, weshalb ich nicht jede Menge Geld für ein Stück Musik bezahlen wollte, das ich unter Umständen gar nicht gut gefunden hätte. Deshalb wartete ich erstmal auf eine Streaming-Version von Vulnicura, die für ein Review ja gereicht hätte. Dass die mit der ersten, geleakten Veröffentlichung im Januar nicht kam, war auch irgendwie klar. Also setzte ich alles auf das physische Release im März, das als Ausrede für die späte Besprechung auch gerade noch so getaugt hätte. Allerdings kam auch zu dieser Zeit nichts von Björk und wenig später war das Interesse für die Platte auch schon erloschen, weshalb ich selbst auch die Suche aufgab. Kritiken dazu gab es genügend und früher oder später würde ich mir vielleicht mal einen Download gönnen. Das Thema war durch. Oder auch nicht. Denn seit einigen Jahren existiert tatsächlich ein Stream des Albums, und ich rede hier nicht von irgendwelchen finsteren Schmuggler-Websites. Vulnicura ist öffentlich abrufbar und damit für mich reviewbar. Ich habe eine Weile gezögert, ob ein halbes Jahr später noch irgendjemand eine Besprechung dieses alten Zopfes braucht und ob ich mir das auch sparen könnte. Letztendlich war die Antwort ein klares Ja, weil ohne diese Platte eine ziemliche Lücke in diesem Blog bleiben würde und ich das Jahr so nicht hätte beenden können. Vor allem aber mache ich das hier für mich selbst. Es ist mir ein Bedürfnis, dieses Album persönlich zu reflektieren und dabei ist es egal, wie lange dieses schon draußen ist. Hier also mit sechs Monaten Verspätung mein eigenes Review zu Björks Vulnicura:

Björk hat in den letzten Jahren mit mannigfaltigen musikalischen Konzepten gearbeitet, die an Innovation und Kreativität nur untereinander übertroffen wurden. Ich war deshalb ziemlich überrascht, dass Vulnicura wieder ein "ganz normales" Album zu sein schien. Natürlich überschattet die Thematik der Trennungsplatte das komplette Songwriting und natürlich hat die Isländerin auch diesmal nicht mit Ambitionen gespart. Doch im Herzen ist dieses Projekt eigentlich ein Popalbum mit Liebesliedern. Nur eben in Björk-Style. Und dieser Ansatz hat uns in den vergangenen zwei Jahrzehnten, vor allem in den frühen Jahren ihrer Karriere, schon das ein oder andere großartige Album beschert. Wenn die Sängerin hier über Herzschmerz singt, tut sie das jedoch nicht mehr so freimütig wie damals, eine bleierne Schwere liegt auf ihrer Stimme und die Musik dazu ist wehmütig bis apokalyptisch. Wo die ersten zwei bis drei Songs noch relativ nachvollziehbar klingen, wird die Musik hier mit jeder Minute unangenehmer. Große Melodien wie im Opener Stonemilker gibt es im Verlauf der Platte kaum noch, alles überzieht nach und nach ein dünner Avantgarde-Schleier. Spätestens in Family, dem fünften Song hier, sollte man nicht mehr den Eindruck haben, es hier mit lieblichem Elfengesang zu tun zu haben. Vulnicura ist vielleicht das emotionalste und dadurch heftigste Album von Björk seit Vespertine und das merkt man zusehends. Das gesamte Instrumentarium erlebt den Schmerz und die Einsamkeit der Sängerin mit, die in ihren Texten ebenfalls kein Blatt vor den Mund nimmt. Man muss diese Dramaturgie anerkennen, da sie wahrscheinlich die größte Qualität dieser Platte ist. Denn abgesehen davon denke ich beim Hören dieser Stücke vor allem an eines: Wie viel besser das früher geklungen hat. Wenn uns die Zeit von Debut und Post eines gezeigt hat, dann dass jemand wie Björk kein Orchester braucht, um Gefühlen Ausdruck zu verleihen, sondern dass ihr größtes Kapital in ihrem Gesang selbst liegt. Er ist der unglaublich überzeugende Hauptdarsteller in ihren Geschichten und schaffte es sogar, ein ganzes Album fast alleine zu meistern. Auf Vulnicura jedoch ist er ziemlich zweitrangig und geht zwischen den ganzen Streichern und Breakbeats vollkommen unter. Es ist zwar auch schön, Björk mal für etwas anderes zu loben als immer nur für ihre Stimme, doch für mich ist diese Neuorientierung leider eine Schwäche dieses Albums. Zwar keine, die den guten Eindruck hier komplett versaut, aber eine beachtliche. Und ich muss ganz ehrlich sagen, dass ich Vulnicura auch ein bisschen schwächer finde als die letzten Platten. Den großen Hype kann ich zumindest nicht so richtig nachvollziehen. Da helfen auch sechs Monate Wartezeit nichts.
8/11

Bester Song: Stonemilker

Nicht mein Fall: Lionsong / Mouth Mantra

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Review zu Medùlla (Björk):
zum Review

Review zu LP1 (FKA Twigs):
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Dienstag, 16. Juni 2015

Alles im grünen Bereich

MARSIMOTO
Ring der Nebelungen
Green Berlin
2015















Marsimoto ist schon lange eine viel größere Sache als die zweite, verkrachte Stimme von Marten Lanciny aka Marteria, die ab und zu mal ein paar wirre, bekiffte Tracks abwirft und die wichtige Arbeit den großen Bruder machen lässt. Seine Konzerte besuchen mittlerweile genau so viele Leute, um ihn hat sich eine beachtliche, unabhängige Szene gebildet und Ring der Nebelungen ist sein erstes Album, welches auch als solches systematisch vorgeht. Ich persönlich mochte den Ansatz von Marsimoto in den letzten Jahren bereits sehr. Hier wurden Tracks über Dinge geschrieben, über die kein Künstler und erst recht kein Rapper sonst schreiben würde und das große Game auch mal außen vor gelassen. Songs über eine Freundschaft mit einem Basketball oder die unspektakuläre, kleine Festivalbühne standen im krassen Kontrast zu den konzeptuellen Radschlägen von Marteria und zeigten einmal mehr, wie cool dieser Typ einfach mal ist. Allerdings fühlte sich das ganze bei genauerem Hinsehen schon ein bisschen an wie das Abfallprodukt von Lancinys Hauptprojekt, das für das alter Ego mit Maske und Helium-Stimme noch gut genug war. Das Publikum besteht eh nur aus lethargischen Kiffern und einen Flop kann man riskieren, wenn Zum Glück in die Zukunft trotzdem gut wird. Mit diesem Prozedere soll jetzt aber Schluss sein "Wenn du dich fragst, warum geht es in diesem Song, dann hast du HipHop nicht verstanden" singt Marsi hier in An der Tischtennisplatte und macht damit gleich klar, dass auf der neuen Platte ein anderer Wind weht. Ring der Nebelungen ist Marsimoto, der sich den Verhältnissen anpasst. Und die sehen nun mal so aus, dass er selbst mittlerweile zur Marke geworden ist. Sein Label Green Berlin ist zum Slogan geworden, das Cover der neuen Scheibe ziert das offizielle Logo des Marsianers und eine konsequent gepitchte Stimme sowie das Standard-Outfit des Rappers haben nun auch mal einen Wiedererkennungswert, der ihn von vielen Kollegen abhebt. Nach dieser Marke muss jetzt gefälligst auch seine Musik klingen. Auf der neuen Platte wird zumindest versucht, genau das zu etablieren. Marsis Texte sind nicht im entferntesten so abstrakt wie auf den Vorgängern, selbst auf den ersten Blick ziemlich zerstreute Songs wie Tijuana Flow oder 7 Leben kann man auf ein grobes Konzept festnageln, mit dem Otto Normalverbraucher auch etwas anfangen kann. Ganz zu schweigen von einem Illegalize It, das sogar eine richtige Message beinhaltet. An sich ist das total professionell und überhaupt nicht problematisch. Lanciny ist erfahrungsgemäß ein guter Songwriter und was die Auswahl von Produzenten angeht so was wie der Marktführer in Deutschland (Ist das ein Radiohead-Sample im Titelsong?). Allerdings machte die offensichtliche Sinnlosigkeit der Marsi-Platten bisher auch auf gewisse Weise deren Charme aus, der jetzt natürlich Hops gegangen ist. Ich frage mich, was außer der nervigen Cartoon-Stimme Ring der Nebelungen noch von einem Marteria-Album unterscheidet. Mehr als Details sind es eigentlich nicht. Mit der Etablierung der Marke Marsimoto ist ein beträchtliches Stück ihrer eigentlichen Identität futsch und das ist schon ein kleiner Wermutstropfen in diesem sonst wie üblich total grundsoliden Gesamtwerk. Es gibt keine wirklich ernsten Probleme in der Welt von Marten Lanciny und das wissen wir schon seit vielen Jahren. Aber wenn man die Fliege sucht, kann man sich die Suppe auch irgendwie verderben. Alle anderen sehen sich dann bestimmt vor einer mit grünem Nebel umwehten Bühne, von der ein Typ mit Doom-Maske Geschichten vom Kiffen erzählt. Und da klingen die neuen genau so gut wie die alten.
9/11

Beste Songs: La Saga / Illegalize It / Flywithme / Zecken Raus

Nicht mein Fall: Ring der Nebelungen

Weiterlesen:
Review zu Zum Glück in die Zukunft II (Marteria):
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Review zu Donker Mag (Die Antwoord):
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Samstag, 13. Juni 2015

Aus Tradition gut

GORGOROTH
Instinctus Bestialis
Gorgoroth
2015















Wer meinen Geschmack ein bisschen kennt, der weiß, dass ich immer etwas für guten Black Metal übrig habe. Nicht, dass ich nicht auch andere Spielarten düsterer Gitarrenmusik höre und gut finde, doch ich muss zugeben, für das besonders finstere und besonders lärmige Subgenre habe ich schon eine gewisse Vorliebe. Schuld daran könnten durchaus Gorgoroth sein, mit denen ich vor gut fünf Jahren meinen Erstkontakt zu dieser seltsamen Szene hatte, die mich auf irgendeine Art faszinierte. Ich liebte den brachialen Sound und die vertrackte Rhythmik der Norweger und war von Anfang an Baff. Natürlich habe ich auch die berüchtigten Videos mit den Schafsköpfen bei Live-Shows gesehen, die mich auch nicht gerade kalt ließen, doch langfristig hat die Musik der Band mich wesentlich stärker beeinflusst. Und nun hat eben diese Band zum ersten Mal seit sechs Jahren ein neues Album am Start, welches schon beim ersten Hören absolut fantastisch klang. Instinctus Bestialis, dieser Name ist auf dem mittlerweile neunten Longplayer von Gorgoroth Programm und die Platte fräst sich mit vereinten Kräften hier durch acht Songs in etwas über 30 Minuten. Das klingt jetzt nach wenig, doch bei dem immensen Gemetzel, welches die Norweger dabei veranstalten, reicht diese Spieldauer voll und ganz. Vor allem, weil trotzdem nirgendwo an Highlights gespart wird. Das knüppelharte Ad Omnipotens Aeterne Diabolus beispielsweise nimmt in fast sechs Minuten nicht einmal den Fuß vom Gas und lässt beim Hörer damit nur Staunen übrig. Burn in His Light überzeugt mit einem mordsmäßigen Groove und dem sicherlich besten Solo des Albums, und das ist hier nur die Spitze des Eisberges. In der kurzen Laufzeit von Instinctus Bestialis schaffen Gorgoroth einen so detaillierten Sound, dass man eigentlich heillos überfordert sein müsste. Aber das macht eben die Magie dieser Band aus: Nie wird das ganze hier zu anstrengend, zu progressiv oder zu überzogen. Kein Moment auf dieser Platte ist ekelhaft pathetisch (obwohl das Keyboard in Come Night kurz davor ist) und trotzdem strahlt alles hier diese fabelhafte Epicness aus, die das Filetstück eines jeden Heavy-Metal-Albums ist. Überraschend ist das nicht, diese Leute hier machen seit mehr als zwanzig Jahren nichts anderes. Als ich vor fünf Jahren das erste Mal Gorgoroth hörte, scheine ich einen guten Istinkt bewiesen zu haben, denn auch nach einer halben Dekade Pause kann man sich auf die hier noch verlassen. Und dafür sind Lieblingsbands doch gut.
9/11

Beste Songs: Ad Omnipotens Aeterne Diabolus / Burn in His Light / Awakening

Nicht mein Fall: -

Weiterlesen:
Review zu the Satanist (Behemoth):
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Review zu Sacred White Noise (Thantifaxath):
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Donnerstag, 11. Juni 2015

Top 5: I Feel Heavy Metal

Es ist wieder Zeit für ein kleines Ranking. Diesmal eines, welches sich mit der Zukunft befasst. Denn so wie es aussieht, wird der Sommer des Jahres 2015 von ein paar hochkarätigen Releases im Bereich Heavy Metal bestimmt sein. Ich habe rein für mich eine Auswahl meiner persönlichen Favoriten getroffen, auf die ich mich am meisten freue. Bisher sind hier nur Platten dabei, von denen Veröffentlichungsdatum und Titel bereits bekannt sind, was beispielsweise Deafheaven oder Kreator gerade aushecken, kann ich noch nicht sagen. Aber ich kann unter diesen Kandidaten ein paar echte Highlights versprechen. Vielleicht findet ja auch ihr einen Act, der euch mit etwas Vorfreude erfüllt oder euer Interesse weckt.

1. LOCRIAN
Infinite Dissolution (24.7.)
Die amerikanische Dark Ambient- und Drone-Metal-Band hat in ihrer über zehnjährigen Karriere bereits einige äußerst interessante Projekte veröffentlicht und ist eigentlich immer wieder aufregend. Ganz besonders diesmal, denn ihre letzte Platte Return to Annihilation von 2013 war ziemlich grandios. Zwar kann man darauf noch lange keinen Schluss auf dieses neue Album ziehen, aber Vorfreude gibt es bei mir trotzdem reichlich.


2. SLAYER
Repentless (11.9.)
Es ist immer ein Ereignis von großer Aufregung, wenn die Thrash-Legenden Slayer ein neues Album in Aussicht stellen. Nach dem Tod von Gitarrist Jeff Hannemann im Jahr 2012 und diversen anderen kleinen und großen Hürden ist Repentless jedoch nochmal eine ganz andere Herausforderung. Obwohl die bitterböse Promo inklusive Release am elften September sehr dafür spricht, dass Slayer immer noch Slayer sind.



3. KADAVAR
Berlin (21.8.)
Auch wenn das letzte Album von Kadavar eher so la la war, haben wir es doch immer noch mit einer der besten Proto-Metal-Bands Europas zu tun, deren neue Platte auf jeden Fall verspricht, aufregend zu werfen. Schon ein Blick auf das Cover genügt für wilde Spekulationen und die bisherigen Aussagen der Akteure machen das nicht besser. Die Messlatte liegt also schon gut zwei Monate vorher ziemlich hoch.



4. HIGH ON FIRE
Luminiferous (19.6.)
Die letzte Platte der kalifornischen Sludge-Helden, De Vermis Mysteriis von 2012, war der Oberhammer und ich hoffe einfach nur, dass drei Jahre später ein weiterer solcher folgen wird. Bei der grobschlächtigen Art der Band kann man darauf zwar nicht unbedingt vertrauen, aber gesunder Optimismus schadet in diesem Fall ja nichts.




5. GORGOROTH
Instinctus Bestialis (12.6.)
Das wenige, was ich schon vom neuen Album der norwegischen Black-Metal-Institution gehört habe, klingt äußerst vielversprechend und macht Lust auf mehr. Da wir das ja schon bald bekommen werden, ist Instinctus Bestialis der letzte Punkt auf meiner Liste und ein Review wird bestenfalls noch am Wochenende folgen. Bis dahin ist die Vorfreude aber noch ziemlich groß.

Retro-Review: Lebensrettende Maßnahmen

BLOC PARTY
Silent Alarm
Wichita
2005















Der Begriff "retro" ist vielleicht etwas überspitzt bei einem Album, das gerade Mal zehn Jahre auf dem Buckel hat, aber dennoch passt Silent Alarm sehr gut in die Rubrik großer Platten, die in diesem Jahr Jubiläen feiern. Denn wenn man vom heutigen Standpunkt aus das letzte Jahrzehnt Revue passieren lässt, ist der britische Indierock zu dieser Zeit als großes Kapitel nicht von der Hand zu weisen. Und innerhalb dieses Kapitels geht nichts ohne das Debüt von Bloc Party. Gerade im Nachhinein ist es eines der besten Arbeiten dieser Periode, die sich meiner Meinung nach eher wenig um das Echo der folgenden Generationen scherten und deswegen auch viele Alben aufgenommen haben, die schnell gealtert sind. Franz Ferdinand waren nichts weiter als eine Partyband, die Arctic Monkeys werden hoffentlich nie wieder so wie damals klingen und die Libertines gelten nur deshalb als Halbgötter des Nuller-Indierocks, weil sie daran gescheitert sind. Und dann gibt es Bloc Party. Die tauchen 2004 aus der Londoner Club-Szene mit einem Song namens So Here We Are auf und sind binnen kürzester Zeit der neue Shit im Business. Dabei machen sie neben den eben genannten Kollegen erstmal keine besonders gute Figur. Zu ihren Tracks kann man zwar hervorragend tanzen, doch singt Frontmann Kele Okereke lieber über Trennungsschmerz, das Erwachsenwerden, die Benzinpreise und Lügengeflechte, statt übers feiern und ficken. Nicht gerade leichte Kost für die Besucher der Indiediskos, trotzdem machen die kantigen Songs der Band schon bei Erstkontakt süchtig. Als Silent Alarm am 14. Februar 2005 erscheint, landet es blitzschnell auf den Favoritenlisten der Fanzines, die Konzerte werden immer größer und die Singles Banquet und Helicopter sind bis heute die größten Hits von Bloc Party. Die Zeit damals beschreibt Okereke heute als die schlimmste Phase seines bisherigen Lebens. Er und seine Band standen voll im Saft, sahen sich aber schnell vom immensen Erfolg ihres Projektes überfordert. Eine Erfahrung, die sie zukünftig dazu veranlasste sehr viel reifer damit umzugehen und die hauptverantwortlich dafür ist, dass es mit ihrer Musik noch sehr lange gut ging und sie eben nicht die nächsten Libertines wurden. Aber was ist aus der großen ersten Platte geworden? Wenn man mich fragt, ist Silent Alarm gerade dadurch, dass es sich von seiner eigenen Generation abhebt, auch heute noch ein wertvolles musikalisches Dokument. Keles Texte haben an Bedeutung nichts verloren und auch klanglich ist die ganze Sache wesentlich besser gealtert als viele verwandte Alben. Ich persönlich mag es um einiges lieber als beispielsweise Franz Ferdinand oder Whatever People Say I Am, That's What I'm Not. Weswegen es auch für mich ein Wunschkandidat war, als es um die Auswahl der Reviews von 2005 ging. Weil es zeigt, dass nicht alles am Nuller-Indierock für die Katz war, sondern es tatsächlich das ein oder andere Projekt gab, welches zum echten Klassiker taugt. Silent Alarm ist ein Highlight der Zweitausender und Bloc Party für mich unter anderem deswegen eine der besten modernen Rockbands. Sicherlich ist das nur meine bescheidene Meinung, aber die wolltet ihr laut der Umfrageergebnisse ja auch hören. Und das freut mich. Denn auch ich finde es toll, dass diese Platte nach zehn Jahren immer noch so fresh und knallhart klingt wie am ersten Tag. Vielleicht sogar noch besser.

Beste Songs: Like Eating Glass / Banquet / Blue Light / Plans

Nicht mein Fall: -

Weiterlesen:
Review zu the Nextwave Sessions (Bloc Party):
zum Review

Retro-Review zu Franz Ferdinand (Franz Ferdinand):
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Mittwoch, 10. Juni 2015

Harfen aus Stahl

OBSEQUIAE
Aria of Vernal Tombs
20 Buck Spin
2015















Mit diesem Review passiert gerade etwas zum ersten Mal, von dem ich nicht geglaubt hätte, dass es irgendwann mal stattfinden würde: Ich bespreche eine Mittelalter-Rock-Platte. Tatsächlich. Ich selbst finde das meiste, was aus dieser seltsamen Sparte der Post-Gothic-Bewegung kommt, ziemlich albern, kann mich aber auch nicht der Meinung erwähren, dass man diese nicht aus Prinzip verlachen sollte und bekunde seit einiger Zeit ein gewisses Interesse an ihrer Entstehung. Näheres werde ich vielleicht mal in einem gesonderten Post erläutern, denn dieses Album ist davon komplett unabhängig. Obsequiae sind eigentlich eine Black Metal-Band aus Minneapolis, die bereits auf ihrem Debüt im Jahr 2011 durch den Einsatz von mittelalterlichen Klangelementen für einiges Aufsehen sorgte. Denn Sunspended in the Brume of Eos, so der Name der Platte, war eben kein aus der Zeit gefallener Goth-Zirkus mit dämlichen Verkleidungen und Schalk im Nacken, sondern ernst gemeinte Untergrund-Musik, die den alten Meistern tatsächlich genau auf die Finger schaute und ein tiefgehendes Interesse für Kompositionen zeigte, die vor 500 Jahren trendy waren. Gleichzeitig jedoch waren Obsequiae auch eine Band, die sehr modernen Black Metal spielte und zeitlich im hier und jetzt verankert war. Eine seltene Erscheinung, die zur Veröffentlichung des Nachfolgers Aria of Vernal Tombs nun jede Menge Interessenten angelockt hat. Pitchfork gab der Platte ein überraschend gutes Review und das Echo in den Blogs war groß. So groß, dass auch ich mich dem Tross anschließen wollte und -zugegeben reichlich spät- meine eigene Meinung zur Mittelalter-Metal-Sensation 2015 bilden wollte. Zum ersten muss ich dabei zustimmen, dass es sich hier wirklich nicht um irgendwelche Clowns handelt, die traditionelle Musik für ein modernes Massenpublikum aufbereiten. Diese Leute verstehen ihr Handwerk und wissen, dass so altes Kulturgut kunstfertig umgesetzt gehört. Vieles hier erinnert mich an die großartigen Songs, die Arch Garrison im letzten Jahr auf I Will Be A Pilgrim schrieb. Nur eben mit Black Metal. Und wenn wir darüber sprechen, sehe ich das einzige große Problem, das dieses Album hat. Obsequiae bekommen es wunderbar hin, alte Instrumente und Kompositionsstrukturen in frische Rockmusik einzubauen, aber als Metal-Band an sich sind sie eher mittelmäßig. Wäre Aria of Vernal Tombs ein reines Genre-Projekt, würde es wahrscheinlich zu den langweiligsten gehören, die ich seit langem gehört habe. Die Gitarren sind nur halb so laut, wie sie es sein könnten, fingerfertige Super-Soli hört man kaum und die pampige Produktion mit Reverb-Schlafrock macht auch den letzten Punch hier zunichte. Die ganzen Harfen, Flöten und Mandolinen sind da fast wie eine Rettung für die meisten Songs, um sie wenigstens noch irgendwie interessant zu machen. Ein interessantes Gesamtwerk ist Aria of Vernal Tombs am Ende, allerdings hätte ich mir auch an vielen Stellen noch mehr gewünscht. Denn was die Aufarbeitung mittelalterlicher Klänge durch Popmusik angeht, hat diese Band hier etwas von echtem Wert geschaffen. Jetzt muss nur noch ein bisschen Heavy Metal folgen. Dann wäre diese Sparte der Retro-Kultur in diesem Blog auch keine No-Go-Area mehr.
7/11

Beste Songs: Ay Que Por Muy Gran Fremosura / L'Amour Dont Suis Espris

Nicht mein Fall: Until All Ages Fall

Weiterlesen:
Review zu the Ark Work (Liturgy):
zum Review

Review zu I Will Be A Pilgrim (Arch Garrison):
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Machine Against the Machine

MUSE
Drones
Warner
2015















Ich hatte zu hoffen gewagt. Ich hätte gewollt, das Muse sich hier wieder aufrappeln und wieder eine der besten Rockbands Europas werden, und das nicht nur bei ihren Konzerten. Ich hätte mir eine einfache, klare, menschliche Platte gewünscht, was eigentlich nicht zu viel verlangt ist. Wer hier allerdings zu viel verlangt sind Muse, und zwar von sich selbst. Drones ist die konsequente Fortführung des sachten Falls dieser Band in die Fegefeuer des HiFi-Progressive. Yes, Genesis und Rush richten ihre Grüße aus. Aber jetzt mal im Ernst: Wer kann die Briten denn hier bitte noch für voll nehmen? Der komplette Sound, der dieses Trio mal zu der fantastischen Institution gemacht hat, die sie jetzt sind, ist hier zu einem Gimmick verkommen. Das monumentale Falsett des Matthew Bellamy, die krawalligen Sechssaiter-Drops, die Backing-Vocals, das alles wird hier maximal zerfahren und in ein Korsett gequetscht, das den Hörer von jedem Zweifel befreit: Muse klingen wie Muse klingen wie Muse. Eine einfache Rechung. Das Problem dabei ist nur, dass sich die ganze Maschine der Komposition hier total festfährt und jede Möglichkeit, mal einen Schritt aus diesem Korsett auszubrechen, im Kein erstickt. Das hat zur Konsequenz, dass der Sound der Band im Endeffekt von ihr selbst geschändet wird. Ein Tiefpunkt in der Karriere dieser drei Musiker. Schon ihre letzten beiden Alben waren Problemfälle, standen zwischen der Anpassung an den immensen Erfolg von Muse und der Suche nach einer neuen Progressivität. Auf the 2nd Law glaubte man, diese im Dubstep und Funk gefunden zu haben, was teilweise gehörig schief ging. Aber wenigstens versuchte die Band da noch, offen für neues zu sein. Auf Drones igelt sie sich nunmehr ein, was eigentlich so gar nicht zu ihr passt. Manche Leute freut es, dass die Briten hier wieder eine Rockplatte gemacht haben und sie bewundern das Konzept, welches Bellamy in seine Texte einbaut. Man kann in diversen Zeitschriften große Artikel darüber lesen. Ich hingegen habe an diesem Album null Interesse. Schon die Ankündigung weckte in mir nur mäßige Reaktionen, die Singles waren schwach, aber ich wollte ja kein Spielverderber sein. Vielleicht war ja doch was dran an Drones. Doch auch jetzt, wo ich die Platte in voller Länge hören kann, lässt sie mich einfach nur absolut kalt. Die vielen überladenen Sounds, die vorhersehbare Komposition und eine Band, die selbst nach blutleeren Drohnen klingt, lassen keinen Platz für Songs, die Emotionen vermitteln. Und wenn das der Fall ist, kann man in meinen Augen schon vom Scheitern des musikalischen Grundauftrags sprechen. Ein Armutszeugnis für diese Musiker. Jetzt erst recht.
3/11

Beste Songs: Psycho / Defector

Nicht mein Fall: Dead Inside / Revolt / Aftermath

Weiterlesen:
Review zu Hand.Cannot.Erase (Steven Wilson):
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Review(s) zu Juggernaut Alpha & Omega (Periphery):
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Dienstag, 9. Juni 2015

Es ist egal, aber...

THE I.L.Y.S
I've Always Been Good At True Love
Thirdworlds
2015















Manchmal muss man einfach nur Glück haben. Da ist man eine völlig unbekannte Newcomer-Gruppe mit keinerlei Internetpräsenz und einem kleinen, 28-minütigen Mini-Album und plötzlich voll Null auf Hundert das Gesprächsthema der Blogosphere. Ganz einfach, weil man die neue Lieblingsband der Death Grips ist und die eben jenes Album auf ihrer Seite zum Download zur Verfügung stellt. Ganz geil, oder? Leider ist das nur die offizielle Version davon, was es mit den I.L.Y.s auf sich hat. Denn wie alles, was irgendwie mit dem Namen Death Grips in Verbindung gebracht wird, ist die ganze Sache eigentlich ein großes Rätsel. So richtig will die Sache mit der Talentförderung keiner glauben, was mannigfaltige Gründe hat. Zum einen hat von einer Band diesen Namens noch nie jemand etwas gehört und dass im Jahre 2015 das Internet komplett über einen Künstler schweigt, ist eigentlich ein Ding der Unmöglichkeit. Ferner trug Grips-Frontmann MC Ride bereits 2012 in einem Video ein Shirt mit der Aufschrift the Sickest Fuck of Them All, was zufällig der Titel des Openers von I've Always Been Good At True Love ist. Und wenn man dann mal in die Platte reinhört, sind die drei Drahtzieher des Betrugs eindeutig überführt, weil einfach niemand so Schlagzeug spielt wie Zach Hill, den man hier definitiv auch am Rhythmusgerät hört. Die Theorie des Internets sieht zum jetzigen Zeitpunkt ungefähr so aus: The I.L.Y.s sind ein Nebenprojekt der Death Grips, in dem Hill höchstwahrscheinlich Drums spielt und singt. Der Rest ist nach wie vor Schweigen. Und damit eigentlich auch schon das spannendste an dieser Platte. Denn in Sachen musikalischer Raffinesse kann sich I've Always Been Good at True Love nicht mal ansatzweise mit dem Output der Hauptband messen. Die gute halbe Stunde Musik hier besteht aus ein paar ganz akzeptablen Punkrock-Dreschern, die ein kleines bisschen elektronisch verstärkt werden (vielleicht ja von Herrn Flatlander?) und damit insgesamt zur Ästhetik eines Grips-Nebenprojektes passen. Die Songs hier klingen ein bisschen wie das Zeug, was auf den letzten Platten der Hauptband manchmal gesampelt wurde. Allerdings klingen the I.L.Y.s trotzdem wie viele andere Künstler ihrer Sparte und wenig originell. Das vielleicht spannendste an diesem Album ist die Schlagzeug-Tobsucht von Zach Hill, die wir ja schon aus anderen Projekten kennen. Doch auch die wirkt hier irgendwie verloren. Und es muss ja auch gar nicht großartig sein. Death Grips hatten sicherlich einfach nur mal Bock, etwas außerhalb des üblichen Kontextes zu machen und sich mal nicht den überhöhten Ansprüchen ihrer eigenen Fangemeinde hinzugeben. Was ich damit sagen will: Diese Band ist den Terz eigentlich nicht wert, der um sie gemacht wird und will es wahrscheinlich auch gar nicht sein. Dieses Album wird man genauso schnell wieder vergessen, wie es da war und es wird wahrscheinlich nicht Teil des jetzt schon immensen Vermächtnisses der Death Grips werden. Und das ist auch gut so.
6/11

Bester Song: the Whole Thing

Nicht mein Fall: My Career

Weiterlesen:
Review zu Jenny Death (Death Grips):
zum Review

Review zu This World is Not Enough (Marching Church):
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Psychedelic '00

THEE OH SEES
Mutilator Defeated At Last
Castle Face
2015















Es stößt manchen Lesern sicherlich des öfteren übel auf, dass ich ein sehr eigenartiges Verhältnis zur Musik der Zweitausender habe. Als Teil einer Generation, die mit dem Beginn des neuen Jahrzehnts dahin gehendes Interesse entwickelt hat, habe ich zu den Noughties keinen persönlichen Bezug mehr und mag eben gerade die Sachen, die eben genau anders sein sollten als Nuller-Rock. Viele zu dieser Zeit sehr beliebte Indie-Bands sind mir ein absolutes Rätsel und nicht selten ignoriere ich deshalb auch mal eines ihrer Alben. Wer in diesem Jahr Reviews über Built to Spill, Death Cab for Cutie oder Funeral for A Friend lesen wollte, musste sich auf anderen Blogs umschauen, mir waren diese Platten nämlich irgendwie herzlich egal. Einen Act, den ich mir jedoch nicht durch die Lappen gehen lassen wollte, waren die Kalifornier von Thee Oh Sees. Auch sie haben den Großteil ihrer beachtlichen Diskografie in den Nullern veröffentlicht, unter denen sich auch einige "große" Werke wie Help oder the Master's Bedroom is Worth Spending A Night In befinden. Und zu diesen habe ich tatsächlich einen indirekten Bezug. Denn der psychedelische Garagen-Sound der Band auf diesen Alben zählt zu den wichtigsten Einflüssen der neueren Slacker-Bewegung, zu der mit Ty Segall und White Fence auch einige meiner Lieblingskünstler zählen. Als kleine Vertiefung sind Thee Oh Sees also durchaus interessant. Und man erkennt auch auf Mutilator Defeated At Last wieder sehr gut diese Beeinflussung, obwohl dieses eigentlich das erste etwas poppigere Projekt der Band seit mindestens fünf Jahren ist. Auf den 33 Minuten hier folgt ein ansteckendes Garagen-Riff das nächste und tränkt sich selbst mit psychedelischen Aufputschmitteln. Die ersten 17 Minuten leiert die Platte dabei in einem schwindelerregenden Tempo runter und schaltet erst mit Sticky Hulks und dessen chilligem Keyboard einen Gang runter. Das ganze geht so schnell, dass viele der Highlights an einem vorüber gehen. Der goldige Refrain von Web oder die Hardcore-Versatzstücke in Withered Hand zum Beispiel. Man muss das mehrmals hören, um zu merken, wie clever das alles gemacht ist. Die sehr tighte Produktion tut dabei auch einiges zur Sache. Nach einiger Zeit im Jam-Sumpf haben sich Thee Oh Sees auf Mutilator Defeated At Last wieder als äußerst talentierte Hit-Schreiber erwiesen und vielleicht ihr bestes Album im neuen Jahrzehnt gemacht. Oder zumindest eines, zu dem ich auch mal einen direkten Bezug habe. Sollte man nicht unterschätzen.
9/11

Beste Songs: Web / Lupine Ossuary / Rogue Planet

Nicht mein Fall: -

Weiterlesen:
Review zu Manipulator (Ty Segall):
zum Review

Review zu the Great White Dope (Sun & Sail Club):
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Montag, 8. Juni 2015

Chance the Teppich

DONNIE TRUMPET & THE SOCIAL EXPERIMENT
Surf
-
2015













Eigentlich müsste man sich wundern, warum Donnie Trumpet & the Social Experiment gerade das HipHop-Projekt der Stunde sind. Die Formation um den relativ unbekannten Frontmann hat nicht nur einen total bescheuerten Namen, sondern darüber hinaus weder ein Label, auf dem sie veröffentlicht noch irgendeine signifikante Vorgeschichte. Die große Stärke hier ist ein Detail, das auf den ersten Blick überhaupt nicht auffällt: Teil des ominösen Social Experiment ist der aus Chicago stammende MC Chance the Rapper, der seit einigen Jahren die Projektionsfläche eines großen Hypes ist, welcher von seinem 2013 veröffentlichten Mixtape Acid Rap herrührt. Das hat mit Surf an sich reichlich wenig zu tun, aber diesem Umstand ist es geschuldet, dass die meisten Leute im Zusammenhang damit von Chance reden. Und als tragende Säule dieses seltsamen Jazz-Rap-Kollektivs ist er hier auch unentbehrlich. Schon allein seine eröffnende Strophe im Opener Miracle zeigt das sehr eindrucksvoll. Und zunächst denkt man auch, dass er hier einen Großteil der Inhalte liefert. Aber eigentlich reicht auch schon ein Blick auf die Liste der vielen anderen beteiligten Künstler, um festzustellen, dass dem nicht wirklich so ist. Auf der Gästeliste stehen unter anderem Schwergewichte wie Busta Rhymes, Erykah Badu, J. Cole oder Janelle Monàe, ganz zu schweigen von haufenweise Indie-Talenten wie Raury, BJ the Chicago Kid oder Jamilia Woods. Wenn dieses Album also eines nicht ist, dann die Solo-Show irgendeines Künstlers hier, auch nicht von Chance the Rapper. Wenn jemand sich solch eine Alleinstellung anmaßen könnte, dann sicherlich am ehesten der Namensgeber Donnie Trumpet. Seine Auftritte funktionieren als roter Faden der Platte und sind vielleicht der einzige wirklich kontinuierliche Bestandteil hier. Leider, muss man sagen. Denn obwohl sich auch musikalisch eine durchgängig jazzige Note durch dieses Album zieht, ist diese doch etwas zu lose und zu allgemein, um übergreifend zu wirken. Ist ja auch logisch, wenn ein ganzes Heer von Produzenten hier mitgearbeitet hat. Ferner sind einige der genutzten Samples und Live-Instrumente auch ziemlich albern, wie in Just Wait. Vom furchtbaren Autotune in Familiar will ich gar nicht erst anfangen. Das klingt jetzt ein bisschen so, als gäbe es auf Surf keine Highlights, was totaler Quatsch ist. Tracks wie Slip Side oder Windows sind absolut fantastisch, doch eben auch nur als Tracks. Um wirklich als kontinuierlich tolles Album zu wirken, webt das Social Experiment hier einen zu großen Flickenteppich, auf dem kein richtiger Gesamteindruck herrscht. Und da sowas für mich ein wichtiges Kriterium ist, kann ich Surf keine Bestnoten für fünfzig Prozent Hits geben. Alles in Allem ist das hier gebotene nicht schlecht, aber in einem Zeitalter, in dem man sich die Perlen beim downloaden herauspicken kann, wäre es Blödsinn, das ganze Album als Kaufempfehlung auszusprechen. Verstanden? Hier unten stehen die Wahlmöglichkeiten:
7/11

Beste Songs: Slip Side / Windows / Go

Nicht mein Fall: Just Wait / Familiar

Weiterlesen:
Review zu Strange Journey Vol. III (CunninLynguists):
zum Review

Review zu Pinata (Freddie Gibbs & Madlib):
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Sonntag, 7. Juni 2015

Riot-Grrrl für Anfänger

TORRES
Sprinter
Partisan
2015















Na gut, es soll ja nicht anders sein. Mit gut drei Wochen Verspätung schreibe auch ich über das neue Album von Torres. Nur zu gerne hätte ich der Platte den Laufpass gegeben, aber mittlerweile kann man Sprinter leider nicht mehr ignorieren. Und da ich zu Beginn des Jahres die "Schnelldurchlauf"-Rubrik, in die ich solche Sachen in den letzten Jahren abgeschoben habe, abgeschafft habe, muss ich das hier wohl in aller Ausführlichkeit durchdeklinieren. Na bitteschön. Torres ist eine junge Sängerin aus Nashville, Tennessee, das vorliegende Material ihr zweiter Longplayer und die neue große Hoffnung der ganzen Soft-Neo-Post-Grunge-Mischpoke. Der Fairness halber muss ich sagen, dass alle irrwitzigen Attribute, die man mit diesem Sub-Subgenre verbindet, tatsächlich auf Sprinter passen (zumindest besser als auf Marina & the Diamonds oder Lana del Rey). Man hört ein paar Einflüsse von PJ Harvey, Sleater-Kinney, Hole und dergleichen heraus und dass Torres gehörig rumlärmen kann, zeigt sie bereits im Opener Strange Hellos. Dennoch finde ich die neun Songs hier größtenteils ziemlich uninteressant und habe den Hype bis vor kurzem so gar nicht verstanden. Na toll, da singt eine junge Frau laute Rocksongs. Und? Was ist daran jetzt so speziell? Mittlerweile glaube ich, es herausgefunden zu haben. Sprinter hat als Rockalbum deshalb so einen großen Effekt, weil es Leute hören, die normalerweise nicht auf solche Musik stehen. Oder das zumindest denken. Torres wurde von der Klientel entdeckt, die daran glaubt, dass Gitarrenmusik im 21. Jahrhundert verloren ist und es nach dem Tod von Kurt Cobain nur noch bergab ging. Dementsprechend überrascht sind sie, hier mal einen Act zu bekommen, der frischen, unbarmherzigen Knüppel-Dresch-Pseudo-Grunge spielt und nicht nur stromlinienförmigen Shoegaze, Neo-Blues oder Dreampop. Dabei gibt es auch tausend Bands, die so klingen wie Torres, zumeist sogar besser. Nur dass man sich bei denen durch klumpige Produktion, ungemütliche Vocals und wüste Live-Shows kämpfen muss. Viel zu anstrengend, wenn man den fast gleichen Sound auch ein bisschen poliert und maßgerecht auf dem Silbertablett serviert bekommen kann. In Form dieses Albums. Ich will nicht sagen, dass Sprinter ein reines Produkt ist oder musikalisch schlecht, nur dass sie falsch interpretiert wird. Sprinter ist absolut nichts besonderes, es ist die durchschnittlichste Rock-Platte, die ich in diesem Jahr gehört habe. Nur glauben alle, hier die Rettung eines Genres gefunden zu haben. Von mir aus sollen sie das. Ich für meinen Teil lasse mir keine wesentlich spannenderen Bands wegen dieses Albums entgehen.
6/11

Bester Song: Strange Hellos

Nicht mein Fall: A Proper Polish Welcome

Weiterlesen:
Review zu No Cities to Love (Sleater-Kinney):
zum Review

Review zu Painted Shut (Hop Along):
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