Sonntag, 7. Juni 2015

Riot-Grrrl für Anfänger

TORRES
Sprinter
Partisan
2015















Na gut, es soll ja nicht anders sein. Mit gut drei Wochen Verspätung schreibe auch ich über das neue Album von Torres. Nur zu gerne hätte ich der Platte den Laufpass gegeben, aber mittlerweile kann man Sprinter leider nicht mehr ignorieren. Und da ich zu Beginn des Jahres die "Schnelldurchlauf"-Rubrik, in die ich solche Sachen in den letzten Jahren abgeschoben habe, abgeschafft habe, muss ich das hier wohl in aller Ausführlichkeit durchdeklinieren. Na bitteschön. Torres ist eine junge Sängerin aus Nashville, Tennessee, das vorliegende Material ihr zweiter Longplayer und die neue große Hoffnung der ganzen Soft-Neo-Post-Grunge-Mischpoke. Der Fairness halber muss ich sagen, dass alle irrwitzigen Attribute, die man mit diesem Sub-Subgenre verbindet, tatsächlich auf Sprinter passen (zumindest besser als auf Marina & the Diamonds oder Lana del Rey). Man hört ein paar Einflüsse von PJ Harvey, Sleater-Kinney, Hole und dergleichen heraus und dass Torres gehörig rumlärmen kann, zeigt sie bereits im Opener Strange Hellos. Dennoch finde ich die neun Songs hier größtenteils ziemlich uninteressant und habe den Hype bis vor kurzem so gar nicht verstanden. Na toll, da singt eine junge Frau laute Rocksongs. Und? Was ist daran jetzt so speziell? Mittlerweile glaube ich, es herausgefunden zu haben. Sprinter hat als Rockalbum deshalb so einen großen Effekt, weil es Leute hören, die normalerweise nicht auf solche Musik stehen. Oder das zumindest denken. Torres wurde von der Klientel entdeckt, die daran glaubt, dass Gitarrenmusik im 21. Jahrhundert verloren ist und es nach dem Tod von Kurt Cobain nur noch bergab ging. Dementsprechend überrascht sind sie, hier mal einen Act zu bekommen, der frischen, unbarmherzigen Knüppel-Dresch-Pseudo-Grunge spielt und nicht nur stromlinienförmigen Shoegaze, Neo-Blues oder Dreampop. Dabei gibt es auch tausend Bands, die so klingen wie Torres, zumeist sogar besser. Nur dass man sich bei denen durch klumpige Produktion, ungemütliche Vocals und wüste Live-Shows kämpfen muss. Viel zu anstrengend, wenn man den fast gleichen Sound auch ein bisschen poliert und maßgerecht auf dem Silbertablett serviert bekommen kann. In Form dieses Albums. Ich will nicht sagen, dass Sprinter ein reines Produkt ist oder musikalisch schlecht, nur dass sie falsch interpretiert wird. Sprinter ist absolut nichts besonderes, es ist die durchschnittlichste Rock-Platte, die ich in diesem Jahr gehört habe. Nur glauben alle, hier die Rettung eines Genres gefunden zu haben. Von mir aus sollen sie das. Ich für meinen Teil lasse mir keine wesentlich spannenderen Bands wegen dieses Albums entgehen.
6/11

Bester Song: Strange Hellos

Nicht mein Fall: A Proper Polish Welcome

Weiterlesen:
Review zu No Cities to Love (Sleater-Kinney):
zum Review

Review zu Painted Shut (Hop Along):
zum Review

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