Donnerstag, 11. Juni 2015

Retro-Review: Lebensrettende Maßnahmen

BLOC PARTY
Silent Alarm
Wichita
2005















Der Begriff "retro" ist vielleicht etwas überspitzt bei einem Album, das gerade Mal zehn Jahre auf dem Buckel hat, aber dennoch passt Silent Alarm sehr gut in die Rubrik großer Platten, die in diesem Jahr Jubiläen feiern. Denn wenn man vom heutigen Standpunkt aus das letzte Jahrzehnt Revue passieren lässt, ist der britische Indierock zu dieser Zeit als großes Kapitel nicht von der Hand zu weisen. Und innerhalb dieses Kapitels geht nichts ohne das Debüt von Bloc Party. Gerade im Nachhinein ist es eines der besten Arbeiten dieser Periode, die sich meiner Meinung nach eher wenig um das Echo der folgenden Generationen scherten und deswegen auch viele Alben aufgenommen haben, die schnell gealtert sind. Franz Ferdinand waren nichts weiter als eine Partyband, die Arctic Monkeys werden hoffentlich nie wieder so wie damals klingen und die Libertines gelten nur deshalb als Halbgötter des Nuller-Indierocks, weil sie daran gescheitert sind. Und dann gibt es Bloc Party. Die tauchen 2004 aus der Londoner Club-Szene mit einem Song namens So Here We Are auf und sind binnen kürzester Zeit der neue Shit im Business. Dabei machen sie neben den eben genannten Kollegen erstmal keine besonders gute Figur. Zu ihren Tracks kann man zwar hervorragend tanzen, doch singt Frontmann Kele Okereke lieber über Trennungsschmerz, das Erwachsenwerden, die Benzinpreise und Lügengeflechte, statt übers feiern und ficken. Nicht gerade leichte Kost für die Besucher der Indiediskos, trotzdem machen die kantigen Songs der Band schon bei Erstkontakt süchtig. Als Silent Alarm am 14. Februar 2005 erscheint, landet es blitzschnell auf den Favoritenlisten der Fanzines, die Konzerte werden immer größer und die Singles Banquet und Helicopter sind bis heute die größten Hits von Bloc Party. Die Zeit damals beschreibt Okereke heute als die schlimmste Phase seines bisherigen Lebens. Er und seine Band standen voll im Saft, sahen sich aber schnell vom immensen Erfolg ihres Projektes überfordert. Eine Erfahrung, die sie zukünftig dazu veranlasste sehr viel reifer damit umzugehen und die hauptverantwortlich dafür ist, dass es mit ihrer Musik noch sehr lange gut ging und sie eben nicht die nächsten Libertines wurden. Aber was ist aus der großen ersten Platte geworden? Wenn man mich fragt, ist Silent Alarm gerade dadurch, dass es sich von seiner eigenen Generation abhebt, auch heute noch ein wertvolles musikalisches Dokument. Keles Texte haben an Bedeutung nichts verloren und auch klanglich ist die ganze Sache wesentlich besser gealtert als viele verwandte Alben. Ich persönlich mag es um einiges lieber als beispielsweise Franz Ferdinand oder Whatever People Say I Am, That's What I'm Not. Weswegen es auch für mich ein Wunschkandidat war, als es um die Auswahl der Reviews von 2005 ging. Weil es zeigt, dass nicht alles am Nuller-Indierock für die Katz war, sondern es tatsächlich das ein oder andere Projekt gab, welches zum echten Klassiker taugt. Silent Alarm ist ein Highlight der Zweitausender und Bloc Party für mich unter anderem deswegen eine der besten modernen Rockbands. Sicherlich ist das nur meine bescheidene Meinung, aber die wolltet ihr laut der Umfrageergebnisse ja auch hören. Und das freut mich. Denn auch ich finde es toll, dass diese Platte nach zehn Jahren immer noch so fresh und knallhart klingt wie am ersten Tag. Vielleicht sogar noch besser.

Beste Songs: Like Eating Glass / Banquet / Blue Light / Plans

Nicht mein Fall: -

Weiterlesen:
Review zu the Nextwave Sessions (Bloc Party):
zum Review

Retro-Review zu Franz Ferdinand (Franz Ferdinand):
zum Review

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