Donnerstag, 30. November 2017

Narkopop

Normalerweise ist es für mich immer eine schwierige Angelegenheit, in die Diskografie eines*r Künstler*in quer einzusteigen, die schon einiges an Output umfasst. Man ist konfrontiert mit einem bereits sehr ausgeprägten Stil, dessen Entwicklung man vom eigenen Ausgangspunkt nicht nachvollziehen kann, ohne sich zuvor den gesamten Katalog des Acts anzuhören. Und da ich in den meisten Fällen nicht wirklich die Zeit habe, das zu tun, bleibt mir häufig nur der brutal ehrliche Weg, gegenüber eingesessenen Fans zuzugeben, dass ich von ihrem*r Lieblingskünstler*in keinen blassen Schimmer habe. Wirklich optimal ist das logischerweise auch nicht. Deshalb ist es in diesem Fall schön festzustellen, dass ich mit dem britischen Produzenten Stephen Wilkinson aka Bibio dieses Problem nicht habe. Zwar macht dieser Typ mittlerweile auch schon seit locker fünfzehn Jahren Musik und hat in dieser Zeit ganze sieben Longplayer veröffentlicht, doch was sein jüngstes Werk Phantom Brickworks angeht, habe ich das Glück, zufällig im Augenblick seines größten Stilbruchs in sein Schaffen einzusteigen. Bisher war das, was Wilkinson machte, eine sehr harmonische Mischform aus elektronischer Musik und Indiepop, ähnlich den Sachen von Leuten wie Caribou, Bonobo oder Four Tet. Bibio war die Art von Elektropop, die in der Fernsehwerbung junger, hipper Mobilfunkunternehmen laufen könnte oder bei Starbucks an der Theke ausliegt. Das ganze war nicht wirklich uncool, aber auch nichts besonderes, weswegen sich auch kaum jemand mit ihm beschäftigte. Und vielleicht war genau das der Grund, warum Wilkinson eines Tages beschloss, jetzt ein Ambient-Album aufzunehmen. Ausgehend von der eh schon vorhandenen Geruhsamkeit in seiner Musik ist das vielleicht kein unglaublich überraschender Schritt, doch wer Phantom Brickworks hört, wird auch feststellen, dass es definitiv etwas anderes ist als vorher. Zumindest mit Easy Listening haben diese neun Songs relativ wenig zu tun. Bibio ist hier nicht der Typ Ambient-Produzent, der seine entschleunigte Chillmusik einfach noch mal um ein paar Stufen runterpegelt, um die Entspannungskurve so richtig zu pushen, er will durchaus anstrengende Musik machen. Und mit 73 Minuten Spielzeit, extrem minimalistischer Komposition und teilweise ziemlich düsteren Momenten hat er in meinen Augen sein Ziel erreicht. Was allerdings nicht bedeutet, dass diese Platte nur aus völlig unnahbarem, monotonem Klangkunst-Drone besteht. Im Gegenteil: Wilkinson schafft hier einen ziemlich beeindruckenden Balanceakt zwischen sehr kreativen und unterhaltsamen Songs, die aber dennoch mit einem Minimum an Input auskommen. Und wer sich ein bisschen im Kosmos ambienter Musik auskennt, dürfte wissen, dass sowas nicht unbedingt einfach ist (oder zumindest, dass sehr viele sehr gute Künstler*innen daran scheitern). Es gelingt hier meiner Meinung nach auch zu großen Teilen deshalb, weil Bibio dabei sehr stategisch vorgeht. Über die gesamte, sehr lange Dauer des Albums arbeitet er besonders viel mit wiederkehrenden Motiven, Abwandlungen von musikalischen Eindrücken und mehrteiligen Stücken. Gemeint ist in diesem Fall selbstverständlich der dreiteilige Titeltrack der LP, der über die komplette Spielzeit aufgeteilt gut eine halbe Stunde Musik abdeckt und dabei jedes Mal ein anfangs eingeführtes kompositorsiches Thema aufgreift und nach und nach aufbaut. Wo dieses klanglich stärker auf organische Instrumente wie Klavier, Gitarre und sogar Gesang gestützt ist, sind die Motive dazwischen deutlich elektronischer geprägt. Songs wie 09:13, Pantglas oder Cape Celyn sind schwere, homogene und dadurch manchmal auch etwas zähe Biester, die für Fans des alten Bibio schon eher problematisch sein dürften. Hier plätschert nichts und es gibt keinerlei Wiedererkennungswert, dafür aber umso mehr atmosphärische Dichte, die durchaus mal an die ganz harten Sachen von Brian Eno erinnert. Wenn es um konkrete Vergleiche geht, würde ich für die Gesamtheit des Albums jedoch eher Namen wie Boards of Canada oder Position Normal nennen, nur vielleicht in weniger aufregend. Denn dafür, dass Phantom Brickworks eine sehr minimalistische und gediegene LP ist, nutzt sie erstaunlich wenige typische Elemente klassischer Ambient-Musik. Wenn man genau hinhört, kann man auch hier noch ein bisschen erkennen, dass Bibio eigentlich mal ein Pop-Künstler war, zumindest in Bezug auf das, was er jetzt macht. Schaden tut ihm das allerdings nicht, es gibt dieser Platte sogar ziemlich viel an spannenden Momenten. Und wo ich ihn vorher möglicherweise ignoriert hätte, muss ich sagen, dass er hier vom Fleck weg eines der besten Genre-Alben dieses Jahres gemacht hat. Was für ein Glück also, dass ich ihn genau zu diesem Zeitpunkt für mich entdeckt habe.





Persönliche Highlights: 09:13 / Phantom Brickworks / Phantom Brickworks II / Ivy Charcoal / Branch Line / Capel Bethania

Nicht mein Fall: Capel Celyn

CWTE auf Facebook

Mittwoch, 29. November 2017

Die Relativitätstheorie der Liebe

Wenn man sich die Berichterstattung der Musikmedien im Vorfeld der Veröffentlichung von Utopia in den letzten Wochen ansieht, dann ist der Tenor der allermeisten Beiträge ein ziemlich eintöniger: Björk ist eine der größten Universalkünstler*innen der letzten 40 Jahre, mindestens auf einer Ebene mit Radiohead, und alles was sie macht, ist prinzipiell genial. Und an sich kann ich dem auch zustimmen. Gerade ihre frühen Alben sind für mich unglaubliche Goldgruben für fantastisches Songwriting und was die Isländerin für die Mode- und Videowelt getan hat, ist fast noch imposanter. Dennoch finde ich, dass in letzter Zeit die Art und Weise, wie man über ihren Output redet, die unangenehme Eigenschaft hat, endgültig sein zu wollen. Dass hier ein Genie bei der Arbeit ist, scheint reine Tatsache zu sein und wer dem widerspricht, hat es einfach nur nicht verstanden. Eine Diskussion darüber ist nicht notwendig, denn die Beweisführung ist abgeschlossen. Ergebnis: Björk kann man gar nicht doof finden. Und genau an diesem Punkt bin ich mir im Moment nicht mehr so sicher. Im Zuge des besagten Hypes um ihren Backkatalog in den letzten Wochen war auch ich hingerissen, mir einige ihrer angeblich besten Platten noch einmal anzuhören und obwohl ich dabei nach wie vor sagen muss, dass ich die ganze Angelegenheit insgesamt als sehr gut empfand, so gibt es für mich eben doch Punkte, die ich eben nur so okay finde. So ist zum Beispiel Homogenic, ihr angeblich bestes Album überhaupt, für mich eher eine lahme Version seines Vorgängers Post und auch ihren nun zweitjüngsten Longplayer Vulnicura von 2015 mag ich noch immer nicht so wirklich. Ich erwähne das deshalb, weil ich zeigen möchte, dass mein Setting im Vorfeld von Utopia sich möglicherweise ein wenig von dem der meisten anderen unterschied, die sich damit beschäftigt haben. Und insbesondere ist es auch deshalb wichtig, weil diese neue LP sozusagen das Schwesternalbum seines Vorgängers sein soll, den ich als das vielleicht schlechteste aller Björk-Werke empfinde. Vor diesem Hintergrund freue ich mich jedoch zu sagen, dass ich diesmal positiv überrascht war von dem, was die Isländerin macht. Nach dem Erscheinen der ersten beiden Singles the Gate und Blissing Me vor wenigen Wochen war ich erstmal wieder ziemlich niedergeschlagen und fand mich fast schon damit ab, dass Utopia mich als "Vulnicura 2" wohl auch wenig begeistern würde. Und auch jetzt muss ich sagen, dass die ganze Sache besser hätte sein können. Björks sehr abstrakte, verkopfte Kompositionsweise ist auch nach Jahren noch immer ein bisschen anstrengend und ihr hier zum ersten Mal eingesetzter Ansatz an Stream-of-Consciousness-Lyrik entbehrt sich manchmal nicht einem gewissen Cringe-Potenzial. Dennoch ist die Art, wie sie diese Dinge hier im Vergleich zum Vorgänger rüberbrinngt, schon wesentlich angenehmer. Um das zu verwirklichen, ersetzt sie die auf Vulnicura vorherrschende digitale Kälte durch den Einsatz organischer Instrumente, und weil wir hier von Björk reden, muss es natürlich so etwas skurriles wie ein Blockflöten-Chor sein. Das klingt vielleicht erstmal grauenvoll, aber es funktioniert erstaunlich gut und hat den pittoresken Nebeneffekt, dass die Isländerin damit zu den Wurzeln ihrer Musikkarriere zurückfindet. Zu den erneut von Arca produzierten elektronischen Beats bietet dies einen angenehmen Kontrast und schafft positive Energie, die durch diverse Field Recordings, Streicher und Harfen noch verstärkt wird. Der erwünschte Kontrast zum düsteren und aggressiven Vorgänger ist auf jeden Fall deutlich spürbar. Obwohl Utopia stilistisch eine ähnliche Linie fährt, ist es klanglich um Welten optimistischer und friedlicher, nicht zuletzt auch durch Björks einfühlsame, handwarme Texte. Was allerdings auch nicht bedeutet, dass es einfach zu hören ist. Im Gegenteil. Ich habe mich mittlerweile ja daran gewöhnt, dass es auf Platten dieser Künstlerin keinen besonders guten songwriterischen Flow gibt, das hat sie in über 20 Jahren nicht hinbekommen, was ihren Alben auch nicht wirklich schadete. Bei einem so zerfurchten und abstrakten Longplayer wie diesem wird es jedoch ein wenig zum Problem und die satten 71 Minuten Spielzeit helfen da auch nicht wirklich. Irgendwann ab der Hälfte, je nach Geduld des*r Hörenden, verliert Utopia mehr und mehr an Unterhaltungswert und wird langsam aber sicher steril. Und damit wären wir beim gleichen Problem, das schon Vulnicura hatte. Mit dem Unterschied, dass diese Platte noch etwas länger cool ist, bevor sie abstirbt. Das und einige andere, bereits genannte Sachen machen sie besser als die vorher, aber noch lange nicht genial. Und nach wie vor bin ich der Meinung, dass Björk sich im Moment in der vielleicht schwächsten Periode ihrer Karriere befindet. Stand 2017 macht die Isländerin, die einst so perfekt Popmusik und experimentelle, künstlerische Ansätze verband, unglaublich verkopfte, unnahbare Kunstmusik, die zwar wahnsinnig progressiv ist, aber auch nicht wirklich einladend. Und genau das würde ich von ihr gerne wieder mehr hören, gerade wenn es wie auf Utopia um Beziehungskram geht. Denn im gerade hört sich ihre Liebe ein bisschen zu sehr nach theoretischer Astrophysik an.





Persönliche Highlights: Arisen My Senses / Blissing Me / the Gate / Utopia / Courtship / Losss / Claimstaker / Saint / Future Forever

Nicht mein Fall: Sue Me / Tabula Rasa

CWTE auf Facebook

Dienstag, 28. November 2017

Ever Living Soul

Man kann es mir durchaus vorwerfen, dass ich mich für die Musik von Sharon Jones erst jetzt interssiere, wo sie letztes Jahr eines tragischen Krebstodes starb. Die plötzliche Aufmerksamkeit, die ihr erstes posthumes Album im Moment bekommt und auch Leute wie mich betrifft, die sich vorher nicht wirklich um sie geschert haben, ist schon auffällig, und ich will mich dabei weiß Gott nicht rausreden. Allerdings möchte ich an dieser Stelle betonen, dass ich zu Soul of A Woman nicht ausschließlich deshalb eine ausführliche Besprechung in Betracht gezogen habe. Es liegt zu einem großen Teil auch daran, dass das hier eine sehr gute Platte ist, die nach ihrem Ableben diese Künstlerin noch einmal von ihrer besten Seite zeigt. Und dabei so gar nicht auf die Tränendrüse drückt. Abgesehen davon, dass die LP einen Tag vor ihrem ersten Todestag erscheint, ist das hier einfach die schmucklose Veröffentlichung ihres letztes Albums mit den Dap-Kings, die ohne großen Zusatzmist auskommt und das ist auf jeden Fall sehr gut so. Denn Jones' Songs allein haben genügend Kraft und starke Botschaften, um aus sich selbst heraus groß zu sein. Ähnlich wie zeitgenössische Kolleg*innen wie Charles Bradley oder Amy Winehouse ist sie jemand, für die der Begriff Soul nicht nur ein musikalischer Stil ist, sondern eine Verantwortung. So gut wie alle der elf Stücke hier greifen sich die ganz großen Themen der Menschheit und vermitteln diese mit 120 Prozent Emotion, so wie das früher James Brown und Aretha Franklin gemacht haben. Der Opener Matter of Time ist ein optimistischer Appell für Frieden und Liebe, wie er in diesen Zeiten selten geworden ist, Call On God ist ein eindrucksvoller Beweis von Religiosität und Come And Be A Winner ein Plädoyer für die Schönheit im Leben. Das alles im Kontext von Jones' Tod zu hören, gibt dem ganzen natürlich eine völlig neue Bedeutungsebene, doch unterm Strich steht dabei nie wirklich Trauer, sondern immer Hoffnung. Und zumindest ich habe das Gefühl, dass man das in der aktuellen Musiklandschaft viel zu selten hört. Dass das ganze dann auch noch so wunderbar mit dem sehr rauhen und rockigen Soul-Sound der mittleren Sechzigerjahre aufbereitet ist, macht es natürlich noch schöner. Wenn es um die originalgetreue Aufarbeitung jener Periode geht, waren die Dap-Kings schon immer eine gute Adresse und hier übertreffen sie sich ein bisschen selbst. Mit einem extrem vielseitigen Instrumentarium, schmissiger Rhythmusgruppe und nicht zuletzt einer Produktion, die man den Großvätern des Genres damals gewünscht hätte, bastelt die Band hier eine Platte, die ein wenig Geschichtsunterricht für Soul-Nerds ist. Von dem wenigen, das ich bisher von ihnen gehört habe, ist es dabei mit Abstand das beste Material. Ich bin mir nicht ganz sicher, an wie vielem von hier Sharon Jones selbst noch beteiligt war, doch es ist eigentlich egal. Denn mit Soul of A Woman setzt die Band beziehungsweise sie selbst hier noch einmal ein imposantes Denkmal für ihre Arbeit, dass ganz am Ende noch einmal richtig strahlt. Künstlerisch kann sich jede*r Musiker*in nur wünschen, so abzutreten und man kann dieser hier definitiv nicht vorwerfen, halbe Sachen gemacht zu haben. Und auch wenn ich posthum bestimmt eher kein Fan mehr werde, kann ich diese LP doch durchaus sehr empfehlen. Vielleicht wird es ja jemand anderes.





Persönliche Highlights: Matter of Time / Sail On! / Pass Me By / These Tears / Girl! (You Got to Forgive Him) / Call On God

Nicht mein Fall: -

CWTE auf Facebook

Montag, 27. November 2017

What's My Name?

Dass die ehemals als Thee Oh Sees bekannte Band 2017 inmitten einer kleinen Identitätsumstrukturierung steckt, sollten diejenigen, die sie schon länger kennen, vielleicht mitbekommen haben. Dass sie im Sommer das "Thee" aus ihrem Namen strichen, war definitiv ein erster Hinweis, aber ganzheitlich auch erst der Anfang. Zumindest erkannte man da noch die Band von früher und auch musikalisch war ihr neues Album Orc den Sachen von vorher ziemlich ähnlich. Mit dessen Quasi-Nachfolger Memory of A Cut Off Head ist das ganze schon nicht mehr so einfach. Hätte ich nicht im Vorfeld dieser Veröffentlichung gewusst, wer hinter dieser ominösen Platte steckt, ich hätte wahrscheinlich nicht an Thee Oh Sees gedacht. Denn nicht nur ändert die Formation ihren Bandnamen hier bereits zum zweiten Mal innerhalb eines Jahres, auch stilistisch ist dieses Album hier ein ziemlicher U-Turn. Wer die Musik der Kalifornier bisher kannte, wird sicherlich schwerlich glauben, dass es von ihnen jemals etwas anderes geben würde als sehr guten, psychedelischen Kraut-Garagenrock mit dicken Jam-Eiern. Und entsprechend erstaunlich ist es auch, wie souverän und perfektioniert sie ihr Betätigungsfeld hier ausweiten. Memory of A Cut Off Head ist dominiert von jazzig getünchten, leichtfüßigen und größtenteils akustischen Hippie-Songs, die eine ungeahnt softe Seite der Band zeigen. Zwar ist das wichtigste Einflussgebiet hier noch immer die späten Sechziger bis frühen Siebziger, doch statt Neu! und Jefferson Airplane sind es hier Nico, die Rolling Stones, Donovan, der frühe David Bowie und vielleicht ein bisschen Leonard Cohen. In zeitgenössischen Begriffen stehen sie damit Schulter an Schulter mit Leuten wie Foxygen, Kurt Vile oder Cass McCombs, wobei sie ihr Handwerk mindestens ebenso gut beherrschen wie die. OCS' Ansatz an vorgegebenen Sound ist noch etwas mehr Chanson-orientiert als bei den meisten anderen und ist sich nicht zu Schade, auch Synths und Streicher in den Mix einzubauen, das wichtigste sind jedoch die fantastischen Melodien auf diesem Album. Bar von allen kaschierenden Effekten und fast immer mit zwei Vokalspuren erschaffen die Kalifornier hier ein großartiges Werkstück an hippiesker Folkmusik, das ihrem bisherigen Output in keinster Weise nachsteht. Es gibt jazzige Nummern wie den Titelsong und the Remote Viewer, meditativ-experimentelle Stücke wie Time Turner (das extrem an Velvet Underground erinnert), mit On and On Corridor einen kurzen Krautrock-Ausflug und mit the Chopping Block einen Song, der im Prinzip Space Oddity ist. Das alles ist zwar ein bisschen nachgemacht, aber es macht großen Spaß zu hören und billige Kopien sind diese Tracks auf keinen Fall. OCS sind hier mit viel Liebe dabei und das ist eine Sache, die ich bei ihnen schon toll fand, seit ich ihre Musik höre. Insbesondere für Fans der Ära, an der sich die Band hier bedient, dürfte diese LP eine wahre Freude sein, da hier wirklich fast alle Details stimmen. Und denjenigen, die sich die Oh Sees von früher zurückwünschen, kann ich zumindest gut zusprechen: Im Moment ist völlig unklar, was diese Leute als nächstes machen, also könnte es auch genauso gut wieder der alte Kram sein.





Persönliche Highlights: Memory of A Cut Off Head / Cannibal Planet / the Remote Viewer / On and On Corridor / Neighbour to None / the Chopping Block / Time Turner / Lift A Finger by the Garden Path

Nicht mein Fall: -

CWTE auf Facebook

Sonntag, 26. November 2017

Harmonie ist eine Strategie

Das Jahr 2017 muss für Will Wiesenfeld aka Baths aus der Außenperspektive ein ziemlich paradoxes gewesen sein: Auf der einen Seite wird sein Anfang der Dekade veröffentlichtes Debüt Cerulean bei den IDM-Nerds auf Reddit gerade zum heimlichen Klassiker geadelt und ist dort quasi schon sowas wie das beste Album aller Zeiten, auf der anderen interessierte sich in den vergangenen Wochen gefühlt keine Sau dafür, dass der Kalifornier mit Romaplasm gerade ein neues in den Startlöchern hat. Bei Leuten wie Incubus, die eine 25-jährige Karriere hinter sich haben und bei denen gerade ähnliches passiert, ist das vielleicht normal, aber mit einer Aufmerksamkeitsspanne von nicht mal einem Jahrzehnt und gerade mal drei Longplayern unter der Haube ist das schon eine ungewöhnliche Entwicklung. Zumal besagte neue LP seine bis dato vielleicht interessanteste sein dürfte. Oder zumindest eine, zu der ein Fan der ersten beiden Platten ganz sicher eine Meinung haben wird. Und damit meine ich nicht unbedingt eine positive, denn von allen Releases von Wiesenfeld ist Romaplasm geradezu dafür gemacht, diese Menschen zu polarisieren. Nach den sehr frickeligen und skelettalen Sounds auf Cerulean und Obsidian, die zu ihrer Zeit ein sehr modernes Verständnis von elektronischer Musik äußerten, bricht Baths hier sehr eindeutig mit dieser Ästhetik, was an sich nicht das Problem sein sollte. Nur ist das, was anstelle dieses Stils geschaffen wird, so ungefähr das Gegenteil von Fanservice. Statt kantiger, zerklüfteter und größtenteils instrumentaler Klangkaskaden setzt Wiesenfeld hier auf einen wesentlich runderen und sehr heiteren Sound, der eher Pop-orientiert ist, vor allem aber singt er auf diesem Album wesentlich mehr als vorher. Und eben in letzterem dürfte der springende Punkt der LP liegen. Die Texte, die der Kalifornier hier schreibt, sind sehr eigen, sehr expressiv und ihnen wohnt eine Poesie inne, die man möglicherweise als etwas plump empfinden könnte. Der Vorwurf, sie würden Baths' musikalische Integrität ruinieren, ist auf jeden Fall sehr leicht gemacht und liegt vor allem im Opener Yeoman unverkennbar in der Luft. Der tolle und geniale Künstler Will Wiesenfeld öffnet sich hier in eine Richtung, die Liebhaber der ersten beiden Alben durchaus problematisch finden könnten. Und dann gibt es Leute wie mich, die denken, dass seine Musik erst jetzt so richtig gut wird. Als jemand, der das Thema Baths in den Jahren zuvor immer eher peripher wahrgenommen hatte, erlebe ich Romaplasm als eine LP, die durch ihren dreisten Stilbruch meine Aufmerksamkeit um jeden Preis einfordert und es vom Fleck weg schafft, mich zu begeistern. Der Hauptakteur sprüht hier vor Energie und man merkt, dass diese musikalische Neuausrichtung alles andere ist als ein Schnellschuss. Mit den vielen bunten Klimpereien, den verhackstückten Beats, den harmonischen Streichern und Glöckchen und vor allem mit seiner eigenen Stimme schafft er hier etwas, das ich auf diese Art und Weise - Hand aufs Herz - noch nie zuvor gehört habe. Sicher, in einigen Vokalpassagen des Albums muss ich unwillkürlich an die früheren Sachen von Robyn denken und einige der Instrumentals erinnern ein wenig an Iglooghost oder auch PC Music, doch die Kombination aller dieser Elemente ist mir neu. Beeindruckend ist dabei, wie Wiesenfeld es gleichzeitig schafft, ein starkes, eingängiges Pop-Werkstück zu erschaffen, dabei aber auch sein IDM-Einmaleins nicht zu vergessen und sogar noch eine aufregende Prise Seltsamkeit einzubauen. Insgesamt bildet sich daraus ein unglaublich organisches, emotionales, positives, energisches und vor allem stilistisch frisches Projekt, dass nicht nur für Baths Diskografie eine Zäsur bedeutet, sondern ein Stückweit auch für meinen musikalischen Horizont. Und wenn ich das über eine Platte sagen kann, dann ist sie auf jeden Fall gut. Klar, man muss sich als Fan der ersten Stunde erstmal daran gewöhnen, aber mir persönlich ist es nicht mal schwer gefallen. Und auch wenn Cerulean für euch das beste Album aller Zeiten bleibt, ziemlich cool ist diese LP auf jeden Fall auch.





Persönliche Highlights: Yeoman / Extrasolar / Adam Copies / Out / Superstructure / Coitus

Nicht mein Fall: -

CWTE auf Facebook

Samstag, 25. November 2017

United by Noise

Wenn es in den letzten Jahren eine Band gibt, als deren Fan ich mich bezeichnen würde, obwohl ich ihre Platten ehrlich gesagt gar nicht mal sooo geil finde, dann sind das wahrscheinlich Full of Hell. Sicher, einen Großteil ihres bisherigen Materials habe ich schon eher positiv aufgenommen und ich finde ihren Output auch sehr kreativ, doch ist das bei ihnen irgendwie nicht der springende Punkt. Denn was mich an ihnen seit langem so fasziniert, ist die Art und Weise, wie sie mit anderen Künstler*innen zusammenarbeiten. Wenn man mich fragt, wird die Musik des Quartetts aus Pennsylvania erst so richtig interessant, wenn sie daran nicht allein beteiligt sind und zu meinem Glück ist dann auch so gut wie jede zweite ihrer LPs eine Kollaboration. Als ich sie 2014 für mich entdeckte, arbeiteten sie gerade mit der japanischen Noise-Legende Merzbow zusammen, bereits zwei Jahre vorher gab es eine Split mit Code Orange (bevor die cool waren) und letztes Jahr war mit Nails eine weitere Szene-Legende gemeinsam mit ihnen aktiv. Das bisher engste Verhältnis besteht bei ihnen jedoch seit 2016 mit der Avantgarde-Sludge-Band the Body. Mit den ebenfalls sehr kollaborationsfreudigen Portlandern entstand bereits im vergangenen Frühjahr ein gemeinsames Album und dass die beiden nun gerade mal zwei Jahre später schon wieder zusammen zu hören sind, zeugt definitv von einer sehr guten Chemie. Und in meinen Augen hört man das mittlerweile auch. Schon die erste LP der beiden, One Day You Will Ache Like I Ache, wurde damals zum Internet-Geheimtipp für die ganz harten edgy Teens und mit Ascending A Mountain of Heavy Light legen die beiden Bands in meinen Augen sogar noch einen drauf. Denn wo das "Debüt" der beiden sich noch damit zufrieden gab, mehr oder weniger die Stile beider Acts schick zu kombinieren, sind diese acht neuen Tracks definitiv ganz weit abseits jeglicher musikalischer Definitionsbereiche und größtenteils einfach nur noch Klangkunst. Zwar hält sich die Platte noch ein bisschen am Grashalm der Populärmusik fest, doch das auch nur, um ihre ungebündelte Kreativität wenigstens in irgendeinen Rahmen zu verpacken. Denn abgesehen davon gibt es hier keine Regeln: Synthetischer Noise trifft auf Slowmotion-Grindcore, Drone auf Death Grips und Industrial, und für die nötigen Farbspritzer sorgt eine Prise Free Jazz. Das allein sollte reichen um klarzustellen, dass das hier alles andere als ein einfaches Album ist. Nichtsdestotrotz ist das, was the Body und Full of Hell da machen, einigermaßen genial. Dylan Walkers und Lee Buffords Faible für programmierte Musik erlebt hier ganz neue Dimensionen und es ist schön mit anzusehen, wie sich beide auf ihrer vielleicht ersten primär elektronischen Platte austoben können. Von Surround-Frickeleien über Songs, die mit Rauschen arbeiten bis zu preparierten Drums ist hier sehr viel spannendes dabei, weshalb ich auch dringend empfehle, dieses Album mit den bestmöglichen Kopfhörern zu genießen. Denn erst wenn man das volle klangliche Spektrum dieser Musik erlebt, wird wirklich klar, warum ich Ascending A Mountain of Heavy Light zu den besten Arbeiten zähle, die beide Bands je veröffentlicht haben. Wobei man ab diesem Punkt fast schon von einer einzigen Band sprechen könnte, denn wie zwei verschiedene Partienen klingen the Body und Full of Hell spätestens hier nicht mehr. Man erlebt nicht häufig, dass zwei Acts stilistisch so symbiotisch ineinander fließen und nicht zuletzt deshalb hoffe ich, dass diese LP nicht die letzte Kollaboration der beiden war.





Persönliche Highlights: Light Penetrates / Didn't the Night End / Our Love Conducted With Shields Aloft / Master's Story

Nicht mein Fall: -

CWTE auf Facebook

Donnerstag, 23. November 2017

Back to Gizzness!

Ich bin ehrlich gesagt ein bisschen froh, dass King Gizzard mit ihrem inzwischen vierten Longplayer in diesem Jahr noch etwas gewartet haben. Wäre Polygondwanaland ein oder zwei Monate nach dem letzten Streich Sketches of Brunswick East erschienen, hätte ich vermutlich nicht den Hauch einer Chance gehabt, hier unvoreingenommen ranzugehen, sondern wäre einfach nur genervt gewesen. Es ist ja schon etwas cooles dabei, innerhalb einer Saison so viele Platten zu machen (wenn die Band ihr Versprechen hält, kommt sogar noch eins mehr), aber wenn die dann auch sehr oft so klingen, als wären sie einfach nur so hingerotzt, kann man sich das ganze auch sparen. Und zumindest bei den letzten beiden Releases der Australier hatte ich so ein bisschen den Eindruck, dass das der Fall ist. Wo King Gizzard für mich am Anfang des Jahres noch einer der hochwertigsten momentan aktiven Psychedelica-Acts überhaupt waren, hat durch lahmarschigen Jazzrock und avantgardistische SciFi-Epen meine Meinung von ihnen doch erheblich gelitten. Vielleicht ist es deshalb ganz gut, dass sie es hier erstmal ein bisschen konservativer angehen. Polygondwanaland ist in seiner Gesamtheit wieder ein bisschen mehr wie die "klassischen" Platten der Australier, zumindest in der Hinisicht, dass man hier den mittlerweile typischen Sound und Stil von bisher erstmal wiedererkennt. Wobei es damit auch schon aufhört. Im Vergleich zu LPs wie Nonagon Infinity oder Flying Microtonal Banana ist das hier wesentlich gediegener, meditativer und bezieht stärkere Bezüge aus Jazz, Folk, Retro-Prog und Synthpop mit ein, was für einige Fans vielleicht etwas enttäuschend sein mag. Mir persönlich zeigt es jedoch endlich mal, dass King Gizzard nicht nur durch acideskes Geballer und großartige Gitarrenriffs überzeugen können. Zwar geht der Opener Crumbling Castle doch noch sehr in diese Richtung, doch das meiste, was danach kommt, ist kompositorsich definitiv ziemliche neu für die Band. Was ein bisschen witzig ist, denn einige der songwriterischen Elemente hier erkennt man durchaus von den beiden doofen letzten Platten wieder, doch rekombiniert und anders gedacht funktioniert das ganze hier plötzlich. So ist es in Castle in the Air eigentlich ganz schön, die epische Erzählerin aus Murder of the Universe erneut zu hören und weil das ganze ordentlich dosiert ist, nervt es auch kein bisschen. Was aber vor allem cool ist, ist dass man hört, dass in dieses Album endlich wieder einiges an Arbeit geflossen ist. Jedes der zehn Stücke hier ist akribisch und clever durchkomponiert, es gibt wahnsinnig kreative Passagen für eine Vielzahl an Instrumenten und der insgesamte Flow ist ebenfalls vorzüglich. Und wenn das gewährleistet ist, machen auch die Experimente wieder Spaß. Insbesondere die vielen coolen Siebziger-Prog-Momente sind für mich ein großer Selling Point von Polygondwanaland, den ich King Gizzard so gar nicht zugetraut hätte. Auf einigen Tracks klingen sie fast ein bisschen wie Motorpsycho (was selbstverständlich geil ist!), auf anderen nach Jean-Michel Jarre, Animal Collective und Lee Scratch Perry gleichzeitig. Doch egal wie viele coole Instrumente und Tonspuren hier gleichzeitig spielen, mein persönlicher Held auf diesem Album ist doch ein weiteres Mal Drummer Mike Cavanagh. Nachdem er mir auf den ersten beiden Platten in diesem Jahr schon mit seinem energisch-maschinellen Kraut-Stomp positiv auffiel, entpuppt er sich hier plötzlich als Jazz-Teufel, der gefühlt jeden Takt mit zigtausend Fills garniert und einen wahnsinnigen Groove auf die LP bringt. Zwar ist es mitunter etwas auffällig, wie viele der Stücke mit einem Drum-Intro beginnen, doch wenigstens sind alle von ihnen die zehn Extrasekunden wert. Und spätestens beim Da Capo im Closer the Fourth Colour sollte jeder Fan sein. Ich bin es durch dieses Album wieder ein bisschen geworden. Polygondwanaland beweist meine These, dass King Gizzard eine der genialsten Rockbands dieser Zeit sind, wenn sie sich auch tatsächlich mal etwas Mühe mit ihrer Musik geben. Sicher, hier ist durchaus noch etwas Luft nach oben, aber es wird definitiv. Und wenn die letzte Platte in diesem Jahr vielleicht doch erst 2018 kommt und dafür wieder so genial ist wie das, was die Australier Anfang dieser Saison gemacht haben, kann ich ihnen all die Schmach vergeben. Denn es gibt nicht viel, was ich in diesem Moment mehr möchte.





Persönliche Highlights: Crumbling Castle / Polygondwanaland / Castle in the Air / Loyalty / Horology / Tetrachromancy / Searching... / the Fourth Colour

Nicht mein Fall: Deserted Dunes Welcome the Weary Feet

CWTE auf Facebook

Mittwoch, 22. November 2017

Hin zur Sonne

Ich muss ehrlich sein, Fjørt waren 2017 nicht gerade die Band, von denen ich große Taten erwartete. Nachdem vor drei Jahren ihr Debüt D'Accord noch unter meinen Lieblingsalben des Jahres landete, hatten mich die Aachener danach ein Stückweit verloren, was vor allem an ihrem Nachfolger Kontakt vom letzten Frühjahr lag. Mit dem Labelwechsel von This Charming Man zum Edel-Indie Grand Hotel van Cleef waren die Jungs, die ich am Anfang immer aufgrund ihres knallharten, intelligenten Ansatzes zum Thema Metalcore mochte, plötzlich sehr mild und indiepoppig. Das passte zwar schon irgendwie zu ihnen, aber es machte viele der Songs dort auch schwächer und verwässterte den krachigen Charakter der Band. Zwar hatte Kontakt mit dem Stück Paroli auch eine der bis heute definitiv besten, weil eindrücklichsten Anti-AfD-Hymnen parat, doch abgesehen davon waren Fjørt ein bisschen langweilig geworden. Und bei den meisten Acts, denen das schon bei der zweiten LP passiert, wird es danach nicht mehr besser. Umso überraschter war ich deshalb, als ich letztens das erste Mal in dieses neue Album reinhörte. Denn gleich in den ersten Sekunden wird hier klar, dass es mit Milde hier nicht besonders weit her ist. Die ersten Takte des Openers Südwärts fallen mit einem hammermäßigen Groove direkt mit der Tür ins Haus, das Schlagzeug poltert wie besengt und Sänger Chris Hell lässt sich mit seiner ersten Tirade nicht viel Zeit. Wenn ein guter Anfang reicht, um mich wieder optimisisch für diese Band zu machen, dann haben Fjørt das hier definitiv geschafft. Und um die ganze restliche Skepsis aus dem Weg zu räumen, nehmen sich die Aachener die folgenden 45 Minuten des Albums ausreichend Zeit. Dabei ist Couleur aber nicht nur gut, weil es die Intensität und Wut des Debüts zurückbringt, sondern weil es noch so viel mehr ist als alles davor. Erstmal ist da die Tatsache, dass die Platte trotz ihres Rückbezugs zu Hardcore und Metal gleichzeitig noch tiefer in die Wärme von Indierock-Gitarren und Pop-Gloria eintaucht als Kontakt, was aber diesmal wesentlich besser funktioniert. Fjørt wollen diesmal die großen Hymnen schreiben, denen sie sich beim letzten Mal verweigert haben und was daraus folgt, ist der zweite, noch viel tollere Faktor dieser LP. Schon auf dem Vorgänger beobachtete man an gewissen Songs die Tendenz, Botschaften zu vermitteln und diese auch direkter zu kommunizieren als bisher, zum Beispiel eben in Paroli. Auf Couleur ist diese nun so weit ausgewachsen, dass gerade Chris Hell hier über weite Strecken seine Hardcore-Wurzeln verlässt und in eine Mischform aus Rap und Gesang übergeht, die der Ästhetik dieser Band wahnsinnig zuträglich ist. Nicht nur, weil sie so sehr gut zum restlichen Sound der Platte passt, sondern weil man plötzlich mal mitkriegt, was er für ein genialer Texter ist. Seine Lyrics sind ebenso poetisch wie politisch, ebenso anklagend wie allegorisch und sie schleifen die Spitze aller elf Songs hier so perfekt, dass jeder einzelne davon ein Highlight ist. So entstehen berstige Metal-Brecher wie Mitnichten und Bastion, Indie-Momente wie Magnifique und mit Raison tatsächlich auch so etwas wie die Fortsetzung von Paroli, diesmal allerdings in wesentlich kaputter und resignierter. Dass man dabei manchmal an Casper denken muss, ist sicher ein bisschen lustig, aber in meinen Augen ist Chris Hell zumindest dieses Jahr der bessere Casper von beiden. Und es ändert nichts daran, dass Fjørt hier mit Sicherheit ihr bisher bestes Album gemacht haben. Nachdem ihr Debüt die Unsicherheit dieser Band mit reichlich Randale überschminkte und ihre zweite LP sie ein wenig offenlegte, ist Couleur nun die Platte, die sie beendet. Die Aachener wirken hier das erste Mal so, als hätten sie ihren Sound wirklich gefunden und wollten keine halben Sachen mehr machen. Diese Zuversicht brauchen sie auch, denn ihre Songs kennen ebenfalls keine Kompromisse und sind nur dann richtig gut, wenn ordentlich Bums dahinter steht. Fjørt können diesen inzwischen nicht nur liefern, sie beherrschen ihn auch. Und ich kann nur hoffen, dass das bis auf weiters so bleiben wird.





Persönliche Highlights: Südwärts / Couleur / Eden / Mitnichten / Raison / Windschief / Fingerbreit / Magnifique / Bastion / Zutage / Karat

Nicht mein Fall: -

CWTE auf Facebook

Dienstag, 21. November 2017

Okkult ist Kult!

Ich rede immer sehr gerne davon, wie vor gerade mal fünf Jahren oder so Bands wie Graveyard, Kadavar und Radio Moscow eine neue Ära des rustikalen, psychedelischen Doom-Metal eingeläutet haben und wie krass das doch alles verändert hat, aber wenn ich das sage, rede ich in Wahrheit nur über mich. Denn während ich im Sommer 2011 die angebliche Offenbarung des Hisingen Blues als die Auferstehung des Sounds von Black Sabbath, Saint Vitus und Candlemass feierte, gab es schon seit gut 20 Jahren eine Band namens Electric Wizard, die genau das schon ihre gesamte Karriere lang machte. Und eigentlich sollte das auch bekannt sein. Denn als einer der härtesten und dreckigsten Acts im Fachbereich Doom Metal haben die Briten schon lange einen gewissen Ruf, der sich leider viel zu häufig auf ihr 2000 veröffentlichtes Konsensalbum Dopethrone beschränkt. Wenn man mich fragt, ist der Output dieses Kollektivs einer der über lange Zeit stabilsten innerhalb der Szene, der auch nach nunmehr über zwei Dekaden nicht langweilig wird. Und gerade die letzten Jahre waren in dieser Hinsicht besonders spannend: Mit dem 2010 veröffentlichten Black Masses lockerte die Band ihren Sound erheblich auf und machte ihn offener, was Raum für vielfältige Veränderungen bot, von denen Electric Wizard seitdem mit jeder neuen LP ein paar ausprobieren. Mit Wizard Bloody Wizard toben sich die Briten diesmal ein wenig im Gebiet des psychedelischen Blues- und Acid-Rock der späten Sechziger aus, was schon in der Theorie eine ziemlich coole Sache war. Verschwurbelte Kiffmukke war schon immer eine der heimlichen Stärken der Band und dass sie diese Ecke der Pop-Historie jetzt offiziell erforschen wollten, machte große Hoffnungen. Und tatsächlich ist diese neue Platte unter Umständen eine ihrer bisher besten geworden. Wobei man sich nichts einzubilden braucht: Besonders waghalsig ist das Unterfangen hier nicht. In den grundsoliden Doom-Beton ihres üblichen Sound mischen Electric Wizard hier ein paar Flowerpower-Anspielungen, Hendrix-Riffs und trippige Orgeln und fertig ist der Lack. Das ist weder irgendwie experimentell noch irgendwie künstlerisch noch wirklich neu für diese Band. Aber es klingt verdammt nochmal fett und letztendlich ist das die einzige Prämisse, die ich mir beim hören hier gesetzt habe. Und was das angeht, macht Wizard Bloody Wizard auch von Anfang an keine Gefangenen. Das Eröffnungsriff des Openers See You in Hell ist direkt maximal Dampfwalze und dabei ist das noch einer der melodischeren Songs hier. Gefühlt driftet diese LP mit jeder vergangenen Minute ein Stückchen weiter in die doomige Versumpfung und verliert dabei auch gleich proportional an Tempo. Spätestens das elfminütige Abschlussstück Mourning of the Magicians ist dann ein Genre-Standard im besten Sinne, bei dem man schon vom bloßen Hören stoned wird. Auf dem Weg dorthin nehmen Electric Wizard aber immerhin allerhand schöne Momente mit. Sei es das fast an Led Zeppelin erinnernde, schmissige Necromania, das liebevoll mit Orgeln ausgestattete the Reaper oder das sehr retro-fixierte Wicked Caresses, so gut wie jede Sekunde dieses Albums macht extrem viel Spaß. Einen wirklich peinlichen Moment oder gar einen schlechten Song kann ich hier nirgends ausmachen und auch wenn die Band hier sehr risikoarm arbeitet, das muss man erstmal schaffen. Sicher, man könnte anprangern, wie wenig originell das, was Electric Wizard hier machen, am Ende ist. Aber ganz ehrlich: Wir reden hier über Doom Metal. Das letzte Mal, als hier was wirklich neues passiert ist, konnte Ozzy Osbourne noch selbstständig essen. Etwas besseres als gute Nostalgie ist erfahrungsgemäß bei den meisten nicht mehr drin. Und immerhin ist diese Band noch immer die beste darin.





Persönliche Highlights: See You in Hell / Necromania / the Reaper / Wicked Caresses / Mourning of the Magicians

Nicht mein Fall: -

CWTE auf Facebook

Montag, 20. November 2017

Die Zeiten sind vorbei

Ende 2017 ist eigentlich nicht unbedingt der richtige Zeitpunkt, um damit anzufangen, über Dillon zu schreiben. Selbst wenn die Sängerin in gewissen Kreisen einen Ruf als der kleine deutsche Indiedarling genießt, bei dem Kritiker*innen immer sagen können "Hey, wir haben auch eine Lykke Li!", ist diese Phase jetzt auch irgendwie vorbei. Der richtige Zeitpunkt, um über Dillon zu schreiben, wäre am ehesten der April 2014 gewesen, als ihr zweites Album the Unknown erschien. Mit dieser Platte hatte sie vor drei Jahren ihre sicherlich größte Phase, inklusive Ersteinstieg in die deutschen und österreichischen LP-Charts, umfassendem Kritiklob und exponentiellem Wachstum der Fanbase auch außerhalb ihrer hiesigen Wahlheimat. Mit einer Besprechung damals hätte ich sicher einige neue Leser*innen generiert und auch ein gewisses Feedback eingefahren, doch leider fand ich die Musik von Dillon auf diesem Album ziemlich uninteressant. Die Brasilianerin schrieb zwar auch dort schon ziemlich hitverdächtige Indiepop-Songs, doch waren diese wenig mehr als die Gerüste davon. Die Konzentration auf die wesentlichen Elemente des Songwritings in Zusammenspiel mit ihrer eh schon sehr elfenhaft-niedlichen Gesangsperformance waren nicht schlecht, aber man vermisste auch immer irgendwie etwas daran. Den Tracks fehlte häufig das klangliche Fleisch, das ein wenig mehr instrumentales Backing oder eine dickere Produktion sicherlich erzeugt hätten. Tatsächlich hörte ich schon immer lieber die Remixes von Dillon-Songs, da diese genau diese Atmosphäre zu schaffen vermochten. Man könnte also sagen, dass ich die Sängerin bisher mochte, ich aber auch mein Problem mit ihr hatte. Die gute Nachricht und gleichzeitig der Grund, warum ich erst jetzt über sie schreibe, ist aber: Kind macht es zum ersten Mal besser. Und das nicht etwa, indem es genau die Dinge tut, die ich soeben nannte, sondern indem es seinen Platz in der klanglichen Ödnis des Dillon-Kosmos findet. Heißt: Die zehn neuen Stücke sind im Vergleich zu denen ihrer beiden Vorgänger deutlich weniger Pop-orientiert und setzen nicht so stark auf Melodie, sondern eher auf genau die skelettale und trockene Wirkung, die für mich bisher eigentlich eine Schwäche dieser Künstlerin war. Folglich kann man Kind als ihr bisher vielleicht experimentellstes Werk bezeichnen. Was aber nichts wirklich schlimmes oder ungewöhnliches ist. Denn am Kern des dillonschen Stils ändert sich dabei wenig: Der unmittelbare Fokus der Songs liegt hier noch immer unverkennbar auf der Stimme der Sängerin, was ja auch einfach nur logisch ist und was den meisten Fans reichen sollte, um auch hier wieder bedingungslos alles zu feiern. Abgesehen davon ändert sich lediglich, dass das Instrumentarium des Albums nun endgültig mehrheitlich elektronisch ist und dass mit Nicholas Weiss und SSSS endlich mal ein paar vernünftige Produzenten mit dabei sind. Und wo wir schon bei Kollaborationen sind: Der Typ, der auf dem Titelsong den zweiten Part singt, ist übrigens niemand geringeres als Tocotronic-Kopf und Langzeitfanboy Dirk von Lowtzow. Das war es auch schon mit Neuerungen, doch die Wirkung dieser kleinen Modifikationen ist eine ganz neue: Insgesamt wirkt Dillon dadurch irgendwie in ihrem eigenen Sound angekommen und wesentlich erwachsener als vorher. Gleichzeitig schafft sie es, sich stilistisch weiterzuentwickeln und auch mal mehr zu sein als die eine Sängerin, die auch ein bisschen klingt wie Lykke Li. Ich bezweifle zwar, dass in ihr künstlerisch noch viel mehr steckt als das, was wir hier auch erleben und sie letztendlich mehr ist als ein kleiner Indiedarling, aber an sich ist das ja auch nicht verkehrt. Und zumindest wäre ein Hype-Faktor wie zuletzt bei the Unknown diesmal wirklich verdient gewesen. Aber hey, wer hört 2017 schon noch solche Instagram-Musik?





Persönliche Highlights: Kind / Regular Movements / Contact Us / Killing Time / 2. Kind

Nicht mein Fall: Lullaby / Te Procuro

CWTE auf Facebook

Sonntag, 19. November 2017

Hausverbot im Gucci Store

Dafür, wie unglaublich wichtig die Impulse von Yung Lean vor einigen Jahren für die komplette Bandbreite des modernen Traprap waren und dafür, wie sehr ihn damals alle feierten, war seine richtig fette Coolheits-Phase rückblickend erstaunlich kurz. Direkt nachdem der Rapper aus Stockholm 2013 sein Debüt Unknown Death 2002 veröffentlichte, fiel er in der Umfragekurve in Rekordtempo nach unten und für sein ein Jahr später erschienenes zweites Album Unknown Memory interessierte sich schon keine Sau mehr. Vielleicht liegt es daran, dass der Rapper sich abgesehen von seiner Musik öffentlich relativ rar macht oder dass er nicht das Szene-Backing hat wie viele Kolleg*innen in den USA, doch wirklich der Shit ist Yung Lean 2017 schon lange nicht mehr. Dabei hätten es in meinen Augen wenige so verdient wie er. Nicht nur gebührt ihm als wichtiger Einflussgeber eines musikalischen Stils mindestens so viel Respekt wie einem Gucci Mane oder Quavo, er ist langfristig auch einer der weniger Künstler*innen, die in diesem Genre wirklich nachhaltig arbeiten und deren Musik auch über Jahre hinweg spannend geblieben ist. Sicher, das bedeutet auch, dass es nicht alle vier Monate ein neues Tape gibt und große Banger zugunsten komplexerer Alben eher ausfallen, aber gerade diese Dinge sind im Kosmos Traprap äußerst selten und deshalb schon irgendwie wertvoll. Und wer diese Ansicht so ein bisschen mit mir teilt und/oder die Karriere des Schweden bis hierhin durchgehalten hat, wird auch mit LP Nummer vier ein weiteres Mal belohnt. Nachdem seine letzte Platte Warlord im letzten Frühjahr schon wesentlich poppiger war und Lean zwischendurch mit seiner (im Übrigen ganz fantastischen) Hardcore-Band Död Mark einige Wellen schlug, ist Stranger nun definitiv die absolute Hinwendung zum Synthpop, die stellenweise noch weitergeht als die der meisten amerikanischen Autotune-Crooner. Einige der Beats, die hier verwendet werden, erinnern ungemein an Achtziger-New Wave-Pop, alternativen R'n'B oder Techno-Trance (mit Agony ist sogar eine Klavierballade dabei), jedoch immer in Verbindung mit den schon bekannten, sehr melodischen und melancholischen Sadboy-Instrumentals, die ebenfalls noch immer funktionieren. Gemeinsam ergibt dieses Amalgam aus musikalischen Einflüssen einen Sound, der weniger an die klassischen Cloudrap-Geschichten erinnert als an Projekte wie Porches, the Weeknd oder Blank Banshee. Bezieht man jetzt noch die sehr polierte High-End-Produktion mit ein, wird klar, dass Stranger einen ganz neue Intensität an Geschmeidigkeit sucht. Und rein klanglich ist diese hier durchaus gelungen. Leider muss ich auf der anderen Seite sagen, dass das hier Yung Leans textlich bisher schwächstes Album ist. Nicht, dass dieser Typ je der größte Texter gewesen wäre und einer seiner größten Verdienste für Trap ist seine stark vernuschelte Dada-Sprache, aber auf den neuen Songs stört einen diese Tatsache das erste Mal. Auf der musikalischen Seite ist Stranger als Album wesentlich deeper und erwachsener, sodass man ihm seine postironisch-minimalistsche Art nicht mehr so unbedingt abnimmt, aber genau auf die besteht Yung Lean hier irgendwie. Die völlig unglaubwürdigen Horrorcore-Anspielungen, Gerede von "Gucci Stores", die aufgesetzte Depressivität: das alles sind Elemente, die mittlerweile nicht mal im Rap-Entwicklungsland Deutschland als cool gelten und sie werden hier nach wie vor großflächig ausgebreitet. Das ganze passt noch weniger, da der ganze Rest hier so wunderbar innovativ und HD ist. Yung Lean hängt also seinen eigenen Ansprüchen selbst etwas hinterher, zumindest inhaltlich. Und obwohl er eigentlich immer derjenige war, der es wirklich effektiv hinbekam, Inhalte im Rap zu überwinden und den vielbeschworenen Flow über allem stehen zu lassen, würde ich mir jetzt dann doch gerne etwas mehr Aussage wünschen. Denn ich denke, dieser Typ hat auch in dieser Hinsicht wesentlich mehr zu sagen.





Persönliche Highlights: Red Bottom Sky / Silver Arrows / Push/Lost Weekend / Drop It/Scooter / Iceman / Fallen Demon / Agony / Yellowman

Nicht mein Fall: Snakeskin/Bullets

CWTE auf Facebook

Donnerstag, 16. November 2017

Die seltsame Seele des Benjamin C.

Dass die Musik des britischen Sängers Benjamin Clementine endlich unter meinem Radar landet, hat einige Jahre und viele, viele Umwege gedauert, von denen nur die wenigsten hätten sein müssen und bei denen man sich am Ende fragt, warum man nicht einfach schon eher die Abkürzung genommen hat. Denn Optionen dazu hätte es weiß Gott oft genug gegeben. Blickt man in meine Beschäftigung als Musiknörgler zurück, kenne ich Clementine bereits seit Ende 2014. Damals teaserte dieser gerade sein kommerzielles Debütalbum, das Anfang 2015 auch erschien und das ich schon damals einigermaßen mochte. Warum ich es dennoch ignorierte, ist mit inzwischen unklar. Denn schon damals erkannte man bei diesem Künstler das Zeug, zu einer wirklich einzigartigen Figur des modernen Soul zu werden, die er zwei Jahre endgültig geworden ist. Mein erstes Wiedersehen mit ihm gab es im Januar dieser Saison durch sein Feature im Gorillaz-Song Hallelujah Money, für dessen großartige Dramatik Clementine in meinen Augen hauptverantwortlich war. Spätestens da wurde mir klar, dass man sich mit diesem Typen beschäftigen musste. Doch weil hinsichtlich dieser Sache auch der Teufel im Spiel ist, verpasste ich den nächsten Anschluss wieder. Das Album I Tell A Fly, über das ich hier schreibe, ist zu diesem Zeitpunkt schon fast zwei Monate alt, was heißt, dass ich es wieder einmal verpasst habe. Da es meiner Meinung nach aber mit Sicherheit einer der spektakulärsten und kreativsten Longplayer des Jahres ist, wollte ich es auf keinen Fall missen, darüber ein paar Worte zu verlieren. Was Benjamin Clementine hier veranstaltet, habe ich tatsächlich so noch nie zuvor gehört und obgleich das nicht heißt, dass ich es deshalb auch proportional gut finde, fasziniert es mich unendlich. Schon allein die stilistische Vielfalt, die der Sänger hier auffährt ist gewaltig. Hätte man mich im Vorfeld gefragt, so hätte ich schon da seine Art und Weise von Soul als experimentell bezeichnet, aber was er auf I Tell A Fly macht, spottet selbst dem. Der Brite bringt hier Einflüsse aus so unterschiedlichen Richtungen wie mitteleuropäischem Barock, beethovenscher Sonatenmusik, Tom Waits-artigem Vaudeville, Afrobeat und Captain Beefheart-Psychedelica zusammen und verwebt diese zu einem äußerst sonderbaren, aber dennoch sehr ansprechenden Teppich. Richtige Songs gibt es dabei wenige, sondern eher kleine klangliche Kapitel, die sich hier und dort wiederfinden, aber genau diese Art von Komposition braucht jemand wie er scheinbar, um sich so richtig auszutoben. Denn trotz der sehr wirren Thematik und Umsetzung fast jedes Tracks hier macht I Tell A Fly die meiste Zeit über mächtig Spaß und wirkt wie ein Album mit einer Idee. Motive finden überall einander wieder, klanglich bindet sich im großen und ganzen alles zusammen und Clementines schiere Kreativität lässt es in keiner Sekunde langweilig werden. Die Größe der instrumentalen Palette ist dabei ebenso atemberaubend wie die melodischen Hakenschläge, die der Sänger in Tracks wie By the Ports of Europe oder Better Sorry Than Asafe macht. Nicht zuletzt beweist er sich dadurch auch erneut als gesangliches Ausnahmetalent und in gewisser Weise auch als vollblütiger Soulman. Und für diejenigen, die es etwas konservativer mögen, hat er mit Quintessence und God Save the Jungle auch ein paar etwas bekömmlichere Nummern aufgenommen. Ich will um Gottes Willen nicht behaupten, dass I Tell A Fly eine LP ist, die allen gefallen wird, dazu ist sie einfach zu speziell. Nicht mal ich mag wirklich alles hier. Aber ich muss definitiv sagen, dass sie wahnsinnig viel zu bieten hat und neue Impulse setzt wie wenige Soul-Platten, die ich bis jetzt gehört habe. Benjamin Clementine hat sich damit spätestens jetzt auf jeden Fall in mein Gehirn eingemeißelt und so schnell werde ich ihn jetzt nicht mehr vergessen. Schade, dass das nicht schon viel eher passiert ist.





Persönliche Highlights: Farewell Sonata / God Save the Jungle / Paris Cor Blimey / One Awkward Fish / By the Ports of Europe / Quintessence / Ave Dreamer

Nicht mein Fall: Jupiter / Ode From Joyce

CWTE auf Facebook

Mittwoch, 15. November 2017

Tanzenkotzen

Leute, ich will ehrlich zu euch sein: Dass ich heute eine ausführliche Besprechung über das musikalische Debüt von Julia Engelmann schreibe, geschieht nicht aus etwaigem Interesse an ihrer Lyrik, nicht aus Neugier darüber, wie sie diese hier in ein professionelles Popsong-Gewand umgewandelt wird und auch nicht, weil es Menschen unter meinen Leser*innen gibt, die diese Songs vermutlich sehr gerne hören. Es geschieht aus reiner Schadenfreude. Als jemand, der ziemlich offenkundig Musik im großen und ganzen und ganz allgemein mag, konnte ich das, was Deutschlands nervigste Slammerin damit seit ungefähr einem Jahr anstellt, noch nie so richtig ernst nehmen. Und dass es jetzt ein ganzes Album davon gibt, ist für mich ein Anlass zur Freude. Nicht, weil ich denke, dass mit ihr frischer Wind in die deutschsprachige Popmusik-Landschaft hereingespült wird oder sonstwas, sondern weil ich es dermaßen dämlich finde. Ernsthaft jetzt: Als ich diesen Winter das erste Mal die mittlerweile zum ekelhaften Viralhit verkommene erste LP-Auskopplung Grapefruit hörte, musste ich lachen. Laut lachen. Dass jemand so etwas offensichtlich dämliches tut und sich dabei so ernst nehmen kann, ist im inzwischen sehr distinguierten Pop-Mainstream sehr selten geworden und schlechte Slam-Poetry mit schlechter Musik zu verbinden, ist in dieser Hinsicht der absolute Supergau. Und natürlich kommt der von Julia Engelmann. Weil sie schon mit Eines Tages...Baby....werden wir alt sein vor drei Jahren zur neuen deutschen Meisterin im Schmalzgerede wurde. Jetzt ist sie eben Meisterin im Schmalzgesang. Wobei das schon maximal kitschig Poesiealbum betitelte Ding dabei auch so richtig in die Vollen geht, inhaltlich wie klanglich. Schon der erste Track Grüner wird's nicht überzeugt voll und ganz mit Songwriting, für das sich mittlerweile sogar Silbermond zu cool sind und Engelmanns Signature-"du kannst es schaffen!"-Gequatsche, die unangenehm an eine Mischung aus Personal Trainerin, Spruchkalender und Shia LaBoeuf. Und gehaltvoller wird es ab da auch nicht mehr. Überhaupt kennt die selbsternannte Lyrikerin auf dem gesamten Album nur so etwa drei Themen, nämlich das schon besagte "du kannst es schaffen", und darüber hinaus noch "das Leben ist schön" und "Ich bin verliebt". Man kann sich vorstellen, wie vielseitig das ganze am Ende ausgeht. Vor allem bei der unglaublichen musikalischen Tiefe, die die 14 Tracks hier bieten. Konkret passt das ganze sehr gut in das bemitleidenswerte Menschen Leben Tanzen Welt-Mittelmaß deutschsprachiger Popsongs, nur dass es die Produzent*innen dieser LP irgendwie hingekriegt haben, das ganze noch glatter und stromlinienförmiger zu polieren als man das sonst gewohnt ist. Ich muss dabei dann tatsächlich auch an das mindestens ebenso erfolgreich verlaufene Musikdebüt von Bibis Beauty Palace denken, die damit einen sehr ähnlichen Sound anpeilt. Und ich finde, da ist Julia Engelmann stilistisch auch in guter Gesellschaft. Zwar würde ich es mir ja niiiiie erlauben, eine intelligente Poetin wie sie in einen Topf mit einer inhaltlosen Beauty-Vloggerin zu werfen, aber beide Künstlerinnen sprechen sehr wahrscheinlich die glaiche Zielgruppe an. Womit wir zu dem Punkt kommen, wo das Poesiealbum für mich echt hässlich wird. Denn dass Frau Engelmann tatsächlich Talent haben könnte, spreche ich ihr gar nicht mal ab. Mit So was wie Magie und Jetzt sind hier quasi aus versehen zwei ganz gute Songs gelandet, die das in meinen Augen zeigen. Doch ich vermute, dass diese Künstlerin eigentlich gar nicht so spannend und intelligent sein möchte, wie sie wirklich ist. Schon seitdem sie bekannt wurde, versteht sie es nämlich wie die wenigsten anderen Slammer*innen, sich gewinnbringend zu vermarkten und ordentlich Cash aus dieser ulkigen Studierenden-Kunstsparte rauszuholen. Nachdem seit 2014 nun schon diverse Bücher erschienen sind und sie einige Filmrollen bekam, ist dieses Album jetzt das nächste Zuckerstück. Und so wie es aussieht, findet dieses pünktlich zum Weihnachtsgeschäft den Weg unter den Christbaum vieler Zwölf- bis Fünfzehnjähriger mit kaufkräftigen Eltern. Wenn das nicht Bibi-Niveau ist, dann weiß ich auch nicht mehr. Aber zumindest sorgt es dafür, dass ich Julia Engelmanns drollig-peinliches Debüt plötzlich gar nicht mehr so drollig finde, sondern einfach nur noch ekelhaft. Sellout ist für mich absolut kein Problem, solange man nicht absichtlich miesere Musik macht, als man eigentlich könnte. Und ich glaube, dass das hier der Fall ist. Denn so einen Mist kann schließlich kein erwachsener Mensch ernsthaft glaubwürdig finden. Aber eigentlich ist es auch egal, ob man wegen der furchtbaren Musik kotzen muss oder wegen dem ganzen Reibach, den Engelmann damit macht. Denn eines Tages Baby, wird sich keiner mehr um diese Platte scheren. Höchstens darum, wie man dieses peinliche Weihnachtsgeschenk, das einem Mama damals mit 13 besorgt hat, wieder los wird.





Persönliche Highlights: So was wie Magie / Jetzt

Nicht mein Fall: Grüner wird's nicht / Das Lied / Stille Poeten / Keine Modelmädchen / Bestandsaufnahme / Cliffhanger / Kleiner Walzer / Grapefruit

CWTE auf Facebook

Dienstag, 14. November 2017

Hell's Bells

Wenn es darum geht, wer in dieser Welt die Rapper*innen mit den thematisch komplexesten Lyrics und den meisten Anspielungen auf irgendwelche obskuren Kunst-, Literatur- und Geschichtsnerdismen sind, dann sind die beiden New Yorker MCs Elucid und Billy Woods seit einigen Jahren auf jeden Fall sehr weit vorne. Die Platten beider Künstler sind quasi traditionell voll mit Zeilen, deren Sinn sich gefühlt nur mit diversen Masterabschlüssen auf fast allen möglichen Gebieten verstehen lässt und deren Aggressivität sich stets unter diversen doppelten Böden versteckt. Diese Tatsache macht ihre Musik für einige sicher ein wenig unzugänglich, aber obwohl ich bei ihnen auch meistens nur Bahnhof verstehe, sind sie gerade dadurch so etwas wie meine Lieblingsrapper geworden. Und was die beiden schon auf ihren Soloalben sehr gut machen, wird bei ihrem gemeinsamen Projekt Armand Hammer regelmäßig zum Gipfeltreffen der düsteren und skurrilen Conscious Rap-Intelligenzija. Zwar beinhaltet deren Diskografie bisher nur ein Mixtape, ein großartiges Debüt und eine noch großartigere EP, doch damit haben sie bei mir schon einen fetten Stein im Brett. Meine Erwartungen für ihre zweite LP Rome waren folglich ziemlich hoch und man könnte sagen, dass ich mich auf wenige Platten 2017 so gefreut habe wie auf diese. Und das nicht nur, weil hier zwei sehr gute Rapper zu hören sind. Schon auf ihrem ersten Album Race Music von 2013 beschäftigten sich Elucid und Woods sehr umfangreich mit politischen Texten, die ein sehr finsteres Bild unserer Gesellschaft malten und trotz ihrer lyrischen Komplexität sehr direkt wurden, wenn es darum ging, Ungerechtigkeit aufzuzeigen. Rome ist nun das erste Release des Duos in der Amtszeit des Donald Trump, dem Aufstieg der Alt-Right-Bewegung und einer erneuten nuklearen Bedrohung. Ich hatte also gehofft, dass es auf dieser LP ein paar intelligente Kommentare dazu geben würde, die man vielleicht von anderen Zeitgenoss*innen so nicht hört. Und mein Gott, was bin ich in dieser Hinsicht nicht enttäuscht worden. Armand Hammer kommentieren hier nicht nur, sie machen Stimmung, und zwar so krass pessimistische und tiefdüstere, dass die neue Zugezogen Maskulin dagegen klingt wie Comedy-Rap. Rome ist apokalyptisch und bösartig, eine fast biblische Erklärung des Scheiterns und ein dicker Mittelfinger an die Gesellschaft des 21. Jahrhunderts. Es ist nicht nur politische Musik, es ist Musik für eine Zeit, in der es keine Politik mehr gibt. Und so unrealistisch scheint das ganze nach diesen 43 Minuten gar nicht mehr. Dabei ist die Differenzierung die gleiche wie immer: Es wird sicher Leute geben, denen diese Alles-kaputt-Haltung ein bisschen zu krass ist, aber ich finde, dass genau das der Selling Point dieser Songs ist. Denn alles passt so schön zusammen: Die melancholischen Jazz-Samples, die Stimmen und Flows der beiden MCs, das sehr experimentelle, zerklüftete Editing der Tracks und sogar der Camp-Faktor einiger Hooks auf dem Album. Ich finde nicht, dass Armand Hammer hier gutes Material machen, weil sie politisch gut argumentieren, sondern weil sie ihre Attitüde stilistisch einfangen können. Und leider ist das etwas, auf das viel zu wenige Acts im Hiphop achten. Rome ist nicht nur ein Album mit einer Idee, es zieht diese auch konsequent durch. Trotzdem muss ich sagen, dass es dabei ein winziges bisschen hinter meinen Erwartungen zurückbleibt. Nach dem letzten Longplayer von Billy Woods, der für mich gerade eine der ganz großen Dinger dieses Jahres ist, hatte ich zumindest in Sachen klanglicher Abwechslung und Produktion hier etwas mehr erwartet. So wie es ist, ist das ganze leider doch etwas sehr textlastig geworden. Ferner finde ich, dass die beiden das Konzept, dass es einen Producer für alle Tracks gibt, weiterführen sollten. Die vielen Handschriften von so unterschiedlichen Beatmastern wie Jpegmafia, August Fanon oder Kenny Segal fallen schon ein bisschen auf. Solche Kleinigkeiten führen dazu, dass ich dieses Album am Ende "nur" sehr gut finde. Im Vergleich zu den meisten anderen Rapper*innen ist das hier große Kunst, für Elucid und Woods selbst aber nur unterer Durchschnitt. Ja, so verwöhnt bin ich mittlerweile von diesen beiden. Und ich hoffe, das bleibt auch so.





Persönliche Highlights: Pakistani Brain / Dead Money / Dry Ice / Shammgod / Stole / It Was Written / Pergamum / Overseas (Epilogue)

Nicht mein Fall: Dianetics

CWTE auf Facebook

Montag, 13. November 2017

Losing My Edge

Als ich vor fast sechs Jahren den (in meinen Augen noch immer großartigen) Beschluss fasste, einen Musikblog schreiben zu wollen, war es für das musikalische Klientel, in dem ich mich befand, quasi Pflicht, Converge supergeil zu finden. Gerade zu dieser Zeit war die letzte Welle des amerikanischen Posthardcore total angesagt, in der sich Bands wie La Dispute, Touché Amoré und Defeater ziemlich großzügig an den Einflüssen von Platten wie Axe to Fall, No Heroes und natürlich vor allem Jane Doe bedienten. Das Original selbst stand deshalb natürlich hoch im Kurs und als Ende 2012 ihr bis dato letztes Album All We Love We Leave Behind erschien, war der Trubel natürlich groß. Auch ich machte damals ordentlich mit und führte die LP im selben Jahr als eine meiner Favoriten der Saison auf. Aber seitdem ist selbstverständlich viel passiert. Die kurze Hardcore-Welle von damals flaute ziemlich schnell wieder ab, Converge verschwanden erstmal wieder in der Versenkung und ich musste mir eingestehen, dass ich ein bisschen einem Hype anheim gefallen war. So geil, wie ich viele Sachen der Band kennenlernte, war das meiste am Ende nicht mehr und inzwischen bewerte ich das meiste von ihnen als ganz okay. Zum Zeitpunkt, als mit the Dusk in Us ihre erste Studioplatte in fünf Jahren angekündigt wurde, war meine Reaktion zumindest ziemlich verhalten. Diese Musik repräsentierte für mich eine Art von Hardcore, die mit ihren zahlreichen, teilweise noch aus der ersten Emocore-Welle geretteten klanglichen und lyrischen Bestandteilen so gar nicht ins Jahr 2017 passt. Converge sind in meiner Welt ein bisschen eine Band von früher, die sich zwar große Mühe gibt, relevant zu bleiben (und darin nicht mal schlecht ist), aber die Zeit eben auch nicht aufhalten kann. Und so ist eben auch the Dusk in Us prinzipiell ein sehr solides, aber eben auch ein wenig altmodisches Album. Die finsteren, ruppigen Gitarrenkaskaden, die damals auf dem Vorgänger noch so cool waren, verkommen hier ein bisschen zur pathetischen Geste, Kurt Ballous sehr rockiger Signature-Produktionsstil wirkt ein bisschen angegammelt und insbesondere Jacob Bannons melancholische und schmerzerfüllte Texte sind mitunter ein bisschen cringy. Und das ist eigentlich unfair zu sagen, denn konkret falsch machen Converge hier sehr wenig. Sie spielen weiter eine sehr energische Form ihres an sich nach wie vor überzeugenden Stils und geben sich sogar Mühe, ihn ein wenig aufzupeppen, aber irgendwie packt mich das ganze nicht mehr so wie vor fünf Jahren. Vielleicht liegt das daran, dass meine Emo-Phase vorbei ist, diese Musiker alt geworden sind oder daran, dass ich gefühlvolle Momente in meiner Musik mittlerweile lieber bei the Weeknd suche, Fakt ist nur, dass mich Converge hier nicht mehr berühren. Sie sind nur noch eine gute Hardcore-Band, die ihr bestes gibt, um nicht den Weg von Boysetsfire oder Hot Water Music zu gehen. Sie sind jetzt sozusagen die Deftones des Emocore. Was immerhin eine sehr respektable Art und Weise ist, nicht mehr der coolste Hecht im Teich zu sein.





Persönliche Highlights: Under Duress / I Can Tell You About Pain / the Dusk in Us / Wildlife / Murk & Marrow

Nicht mein Fall: Thousands of Miles Between Us

CWTE auf Facebook

Sonntag, 12. November 2017

Is mir egal...

In der ersten Hälfte der Saison 2017 habe ich mich in meinen Besprechungen sehr oft darüber echauffiert, dass die Trap-Bewegung mittlerweile eine ziemlich langweilige Angelegenheit geworden sei. So sehr ich die Musikrichtung in den vergangenen Jahren auch mochte und fast alles daran feierte, so extrem war in meinen Augen seit Ende 2016 ihr Verfall. Dabbende YouTuber*innen, Fernsehwerbung mit Adidas-Jacken und Anglerhüten und Ballermann-Hits von Fruchtmax machten es zuletzt sehr schwer, noch Bock auf diese Musik zu haben und grauenvolle Veröffentlichungen wichtiger Künstler machten die Sache nicht wirklich einfacher. Die gute Nachricht ist jedoch, dass das schlimmste wahrscheinlich überstanden ist. Seit einigen Monaten höre ich neue Trap-Releases wieder ganz gerne, mit Leuten wie Bhad Bhabie, XXXtentacion oder Lil Pump sind zurzeit ein paar sehr überzeugende Newcomer am Start und die Platten von Drake, A$ap Ferg, Future und Young Thug sind unter meinen Favoriten der aktuellen Saison. Ein Album wie Without Warning kommt also für mich zu einem guten Zeitpunkt. Mit einer LP-füllenden Kollaboration von gleich drei sehr wichtigen Parteien der aktuellen Rap-Szene ist das Ding sicherlich ein krasser Hype-Faktor und eine Beschäftigung damit quasi unumgänglich. Und weil ich gerade so gut drauf bin, rechnete ich dieser Arbeit bei mir auch echt Chancen aus. Zwar bin ich noch nie der größte Fan von irgendeiner hier aktiven Partei gewesen und gerade mit Migos-MC Offset habe ich wegen seiner homophoben Äußerungen gegenüber iLoveMakkonen so meine Probleme, aber es wäre auch nicht das erste Mal, dass ich dieses Jahr positiv überrscht geworden wäre. Mein Bauchgefühl hier war also einigermaßen optimistisch. Blöd nur, dass Without Warning dann eine der langweiligsten Rap-LPs des Jahres geworden ist. Nicht wirklich schlecht oder peinlich, nur eben komplett uninteressant. 21 Savage, Offset und MetroBoomin machen hier Hiphop als Klangtapete, wie ich es selten erlebt habe und in einem Genre, bei dem es um Message und Inhalte geht, kann das einfach kein gutes Zeichen sein. Klar, die ganze Cloudrap-Geschichte hat in den vergangenen Jahren dafür gesorgt, dass dieser Anspruch mehr und mehr subversiert wurde, aber wenn mir das in den Songs gesagte so komplett am Arsch vorbei geht wie es hier der Fall ist, dann machen die Musiker schon irgendwas falsch, oder? So gut wie alle der zehn Tracks hier ziehen beim hören an mir vorbei wie ein Luftzug, ohne bei mir auch nur die geringste Emotion hervorzurufen und dass nach 34 Minuten schon wieder Schluss ist, macht die Sache nicht wirklich besser. Wie schon gesagt: Das bedeutet nicht, dass sie schlecht sind, nur eben irrelevant. Keiner der beiden MCs und auch Beatmaster MetroBoomin blamieren sich mit diesen Songs wirklich, sie tragen aber auch absolut nichts zu meinem Empfinden über sie bei. Das geht so weit, dass ich über kaum einen Track hier ein besonderes Merkmal sagen könnte, weil sie alle so formelhaft und gleichgeschaltet sind, dass man keinerlei Charaker in ihnen erkennt. Das einzige, was explizit negativ auffällt ist, dass MetroBoomin es wohl nicht lassen konnte, in jedes einzelne Stück sein Signature-Intro reinzucutten, sodass man es hier gefühlt alle zwei Minuten hören muss. Abgesehen davon ist Without Warning für alle, die Trap nicht erst gestern entdeckt haben, wenig mehr als weißes Rauschen, dass keinerlei Spuren hinterlässt. Aber zum Glück gibt es ja inzwischen ein paar Platten, die es besser machen und die ich stattdessen empfehlen kann. Denn es war ja nicht alles schlecht im Traprap-Jahr 2017.





Persönliche Highlights: Nightmare / Disrespectful / Still Serving

Nicht mein Fall: Run Up the Racks / Darth Vader

CWTE auf Facebook

Samstag, 11. November 2017

Im Schatten des Mähdreschers

Es war eindeutig ein Fehler, dass ich mich in den vergangenen Jahren nie mit der Musik von John Maus beschäftigt habe. Seitdem ich mich in den letzten Tagen mal etwas mit seiner bisherigen Dirkografie auseinandergesetzt habe, bin ich überzeugt davon, dass er einer der großen musikalischen Exzentriker unserer Zeit im Solo-Bereich ist und dass Platten wie Love is Real oder We Must Become the Pitiless Censors of Ourselves eine ziemlich unbesetzte Nische in der zeitgenössischen Pop-Landschaft einnehmen. Seine seltsame New Wave-artige und basslastige Synth-Musik hat damit in der letzten Dekade schon viele Kritiker*innen begeistert und jetzt bin scheinbar auch ich an der Reihe. Auslöser für mein plötzliches Interesse an Maus war vor einigen Monaten the Combine, die Leadsingle dieses neuen Albums, die mich mehr oder weniger komplett vom Hocker riss. An sich würde man das Stück vielleicht aus Elektropop einordnen, doch die Art und Weise, wie dieser Typ dessen Elemente verwendete, was dermaßen ungewöhnlich, dass diese Assoziation relativ schwer fiel. Ich persönlich musste eher an klassische Orchestermusik oder barocke Orgelwerke denken, jedoch eben in durchweg elektronisch. So etwas war für mich vollkommen ungewohnt und in diesem Moment schon Argument genug, mich mit dem Musiker John Maus zu beschäftigen. Ganz unbedingt wollte ich dabei natürlich auch über Screen Memories sprechen, da ich hoffte, dass er den auf the Combine angewendeten Stil hier noch weiter ausbauen würde. Und dass besagtes Stück dann auch gleich als Opener sehr viel Erhabenheit in die Platte spült, macht auf jeden Fall zuversichtlich. Doch leider ist danach auch schon Schluss mit der orchestralen Schönheit des John Maus, die abgelöst wird durch die Routine des John Maus. Es ist schon ziemlich fies: Nachdem der erste Song der Platte vielleicht der originellste des Jahres 2017 ist, spult der gesamte Rest der LP eigentlich nur die kompositorischen Elemente herunter, die wir von diesem Typen schon seit Ewigkeiten kennen. Pumpende, teils sehr ironische New-Wave-Gassenhauer mit fetten Bässen in der Basis und Maus' apathischem Gesang an der Spitze, die an eine Mischung aus Devo, Ian Curtis und den Soundtrack von Stranger Things erinnern, nur eben in albern. Diese Art von Tracks gibt es von ihm schon seit über zehn Jahren und schon die Tatsache, dass diese Nummer nicht mehr besonders originell ist, wäre ein schwerer Vorwurf. Doch obendrein sind die Cuts auf Screen Memories auch nicht wirklich seine besten Leistungen im Vergleich zum Material der Vorgänger. Die meisten der Songs hier sind nicht viel länger als zweieinhalb Minuten, was ihre Chancen, eine wirkliche Atmosphäre aufzubauen, erheblich mindert. Des weiteren lässt auch ihr Abwechslungsreichtum ziemlich zu wünschen übrig. Vor allem aber sind die verdammt nochmal nicht the Combine, der mit seiner Grandiosität locker die kompletten restlichen 34 Minuten dieses Albums überstrahlt. Er ist der eine geniale Track, der den eigentlich ganz soliden Rest der Platte auf einmal ziemlich lahm wirken lässt. Ohne ihn wäre die Gesamtwirkung tatsächlich ein bisschen besser. Denn total scheiße sind die verbleibenden Songs hier bei weitem nicht und auch für das Mixing der LP muss ich ein großes Lob aussprechen. Andererseits war es bisher immer so, dass John Maus sich zwar viel Zeit mit seinen Alben ließ, diese aber dann jedes Mal der Hammer waren. Mit Screen Memories ist das das erste Mal nicht so und ein bisschen enttäuschend ist das schon. Obwohl, wenn man es so sieht, wirft er hier wenigstens einen der besten Einzeltracks des Jahres ab. Und das ist schon mal nicht nichts.





Persönliche Highlights: the Combine / Walls of Silence / Find Out / Edge of Forever / the People Are Missing / Sensitive Recollections / Over Phantom

Nicht mein Fall: Decide Decide

CWTE auf Facebook