Donnerstag, 2. November 2017

Laut oder Luschen

Es ist eine kleine Schande, dass ich mit dem Output der Kortrijker Church of Ra bisher relativ wenig vertraut bin und mich daher im Vorfeld dieser Besprechung ein wenig dazu belesen musste. Dabei war im Wikipedia-Artikel der Szene-Bewegung um die Kerngruppe Amenra von sehr komplexen lyrischen Themen die Rede, von zahlreichen religiösen Bezügen und moralistischen Ansprüchen. Aber mal ganz ehrlich, liebe Fangemeinde: Hört ihr diese Band nicht einfach nur, weil sie so abgefahren brutale Musik macht? Oder täusche ich mich da? Denn mit ihrem tiefschwarzen, grausligen und verzehrenden Post-Metal-Hardcore-Gemenge dürften die Belgier mit Sicherheit zu den härtesten momentan aktiven europäischen Metal-Acts gehören, der in der hiesigen Szene-Landschaft definitiv auch ihre Spuren hinterlassen hat. Nicht nur ist sie quasi das Mutterschiff der gesamten flanderner Metal-Szene, der gerade in den letzten Jahren großartige Projekte wie Oathbeaker oder Wiegedood entsprungen sind, auch viele kleine, regionale Bands wie in meinem Fall die Freiberger Walther Luft's Konflikt (💙 unbedingt anhören!!) wären ohne Amenra sicherlich undenkbar. Stand 2017 sind sie definitiv eine wichtige Hausnummer im europäischen Post-Metal und umso schlimmer ist es, dass ihr sechster Longplayer der erste ist, den ich wirklich aktiv höre. Wobei ich anfänglich durchaus überrascht war, dass diese angeblich so toughe Band dann doch ein paar ziemlich softe Seiten hat. Auf den 42 Minuten von Mass VI wird sich immer wieder viel Zeit genommen für Dinge wie Postrock-Plätschereien, ambiente Passagen, folkloristische Anklänge oder auch gesprochene Rezitationen. Nicht, dass es auf den restlichen drei Vierteln der Platte irgendwie an Härte fehlen würde, aber ich hätte gedacht, diese Jungs würden definitiv durchballern. Und um ehrlich zu sein, manchmal wäre mir das auch lieber gewesen. Denn wirkliches Talent für derartiges Kontrastprogramm sehe ich bei Amenra ehrlich gesagt nicht. Anders als bei Gruppen wie Deafheaven oder Oathbreaker lebt ihre Musik sehr viel stärker von den lauten, brachialen Momenten, die es sehr gut hinbekommen, jenes kathartische Gefühl bei mir zu erzeugen, dass ich in meinem Post-Metal so gerne mag. Und dabei schaffen es diese Musiker sogar, innerhalb dieser brutalen Passagen sehr viel Variation einzubauen. Der in meinen Augen beste Song hier, A Solitary Reign, kommt ganze neun Minuten damit aus. Und ein in dieser Weise durchpowerndes Album wäre ohne Frage absolut genial gewesen. Allerdings haben sich Amenra hier dazu entschieden, zumindest stellenweise etwas ruhigere Töne anzuschlagen, was als Idee auch nicht mal übel ist. Nur ruinieren genau diese Abschnitte große Teile eines sonst sehr guten Gesamteindrucks. Das, was an Postrock-Momenten entsteht, ist zum großen Teil nicht mehr als das kleine Einmaleins an kompositorischen Elementen und Colin van Eeckhouts, ähem...gefühlvolle Singstimme ist einfach mal furchtbar nervtötend. Es ist mir schon klar, dass Amenra genau durch diese Stilmittel versuchen, stilistisch nicht ganz so sehr die Stromlinien-Schiene zu fahren wie viele der Kolleg*innen aus dem Black Metal und es mag sein, dass das für manche von euch besser funktioniert. Aber ich kann mich da irgendwie nicht wirklich reinhören. Diese vereinzelten Stellen sind nur Haare in der Suppe, aber es sind eben verdammt nochmal Haare! Und die möchte ich da irgendwie nicht. Kann sein, dass das konservativ ist, aber bitteschön! Man muss ja mit Fortschritt auch kritisch umgehen können 😉.





Persönliche Highlights: Children of the Eye / A Solitary Reign / Diaken

Nicht mein Fall: Plus Près de Toi

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