Sonntag, 5. November 2017

Der Club der toten Dichter

Wenn ich eine Sache an Dan Bejars Musik in den letzten Jahres festgestellt habe, dann dass er mittlerweile mehr ein indirekter Verehrer der Popmusik-Historie geworden ist als ein innovativer Songwriter. Schon mit seiner in gewissen Kreisen legendären Kaputt LP von 2011 outete er sich als Fan von Oldschool-Bezügen und den großen Klassikern wie David Bowie, Leonard Cohen, Lou Reed oder Frank Sinatra. Eine musikalische Feder, die er vor zwei Jahren auf seinem bisher letzten Album Poison Season weiter ausbaute. Jene Platte kritisierte ich seinerzeit genau für diese Ästhetik und meinte, dass Bejar besser daran täte, wieder die Originalität in seiner Musik zu suchen. Und auch wenn es mir nach wie vor lieber gewesen wäre, er hätte ebendies getan, ist das Ergebnis auf Ken doch eine durchaus annehmbare Alternative. Denn wenigstens bekommt es der Kalifornier hier hin, aus seinen zahlreichen Einflüssen wieder greifbare Songs zu schneidern. Mehr als seine letzten Alben ist dieses hier eine Parade von guten Einzeltracks, die stärker für sich selbst sprechen und ich möchte meinen, dass diese Ästhetik ihm um einiges besser steht. Nicht falsch verstehen, ich liebe nichts mehr als einen kontinuierlichen LP-Flow, aber so etwas muss man eben auch können. Und wenn Dan Bejar stattdessen elf unabhängige Nummern schreibt, die ich um ihrer selbst Willen mag, dann ist das ja gar nicht verkehrt. Zumal Ken damit auch viele Dinge besser deckelt als sein Vorgänger. Die auf der einen Seite sehr elektronischen Synthpop-Elemente beißen sich hier nicht mit Bejars cohenesker Songwriter-Identität, weil nicht mehr auf Krampf versucht wird, diese zu vereinen. So kann ein eher von Gitarren bestimmtes Cover From the Sun ebenso aufblühen wie das fast nach Gothrock anmutende Rome. Dass sich die Stile in manchen Fällen dann doch ganz gut ergänzen, ist dabei eher Zufall und macht dieses Album noch ein Stückchen besser. Übrigens stört mich in diesem Zusammenhang auch die extrem flache Demotape-Produktion überhaupt nicht, sondern fungiert eher als künstlerisches Mittel. Sicher wäre es ab und an schön, das volle Spektrum dieses Gitarrenakkords oder jener Synth-Passage zu hören, aber so konsequent, wie Bejar die Nummer hier durchzieht, kann man ihm das auch nicht übel nehmen. Und im Gegensatz zu Ariel Pink, von dem er diesen Trick geklaut hat, kann er mit guten Songs kontern. Apropos geklaut: Natürlich sind auch auf Ken die stilistischen Einflüsse wieder sehr deutlich, wenngleich auch nicht unspannend. So ist zu vermuten, dass während der Schreibprozesse zu diesem Album wahrscheinlich das ein oder andere Mal I'm Your Man von Leonard Cohen, Lou Reeds Transformer sowie David Bowies Heroes gelaufen ist. Gerade bei letzterem bin ich bisweilen erstaunt, was Bejars Beobachtungsgabe für kompositorsiche Details angeht. Ferner hört man aber auch von Mac DeMarco über Desireless bis zu den Killers alle möglichen Elemente heraus. Zum Teil macht es richtig Spaß, danach zu suchen. Und das ist auf jeden Fall ein gutes Zeichen, denn es ist eine Weile her, seitdem ich das Wort Spaß mit diesem Künstler assoziieren konnte. Zwar ist Ken auch lange noch nicht so toll wie damals Kaputt, aber es geht definitiv wieder aufwärts. Auch wenn die ganze Sache etwas anders verlaufen ist als ich das gehofft habe.





Persönliche Highlights: Sky's Grey / Tinseltown Swimming in Blood / A Light Travels Down the Catwalk / Rome / Sometimes in the World / Stay Lost

Nicht mein Fall: Ivory Coast

CWTE auf Facebook

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen