Sonntag, 5. November 2017

In Echt: Static

Was musste ich mir in den vegangenen Jahren Schelte von haufenweise Godspeed-Fans anhören, die auf die Aussage, dass ich die gleiche Band mochte wie sie, sehr häufig antworteten: "Und hast du sie mal live gesehen? Nein?! Du musst sie live sehen, Alter!!". Sicherlich war ich motiviert, genau das zu tun, aber erfahrungsgemäß sind die KanadierInnen ein Phänomen, das sich rar macht, insbesondere auch beim Touren. Weshalb es dauerte, bis ich mich vorgestern endlich aufraffte, den weiten Weg in die Hauptstadt auf mich zu nehmen, um meinem ungenügenden Fantum endlich ein Ende zu setzen. Wobei ich im Nachhinein aber sagen muss, das der ganze Terz deshalb überhaupt nicht nötig gewesen wäre. Denn so großartig war die Chose nun ehrlich gesagt nicht. Klar ist es spannend, die sagenumwobenen Köpfe hinter den epochalen Instrumentalrock-Opern mal in echt zu sehen und zu analysieren, wie sich die Lieblingssongs im einzelnen aufbauen, aber ein wirklicher Genuss des Events an sich kam bei mir in den gesamten zwei Stunden nicht so richtig auf. Godspeed You! Black Emperor sind einer der wenigen Acts, von denen ich sagen muss, dass sie live ausnahmsweise mal nicht besser sind als auf Platte. Was auch nicht weiter verwunderlich ist, setzt sich doch ihre konsequente Anti-Haltung auf der Bühne in ganz neuen Dimensionen fort. Wobei es danach zunächst gar nicht aussieht. Mit dem Festsaal Kreuzberg bespielen Godspeed an diesem Abend einen maximal unpunkigen Laden, der mit Rauchverbot, VIP-Bereich und Mate für vier Euro in einem unbewusst ironischen Bezug zu seinen heutigen Gästen steht. Diese mischen sich jedoch schon zum Vorprogramm mit unters Publikum (Efrim Manuel Menuck sieht aus wie eine Mischung aus Kim Thayil und Samson aus der Sesamstraße), welches die Loop-Machine-Violinstin Jessica Voss bestreitet. Ihr aus einem halbstündigen Song bestehendes Set passt sehr gut in den Kosmos von Godspeed, beinhaltet jedoch auch Gesang, was definitiv keine so gute Idee ist. Umso schöner, dass die Hauptband das Publikum danach nicht unnötig lang warten lässt und das letzte Fine-Tuning so schnell über die Bühne bringt, wie das bei acht MusikerInnen eben möglich ist. Auf der Seite der Zuschauer*innen äußert sich die Vorbereitung auf das da kommende durch die Fertigung und den Konsum diverser Sportzigaretten, sodass pünktlich mit dem Einsatz des eröffnenden Hope Drone eine schwere Duftwolke über dem gesamten Raum liegt. In den ersten zehn Minuten des Stücks muss sich die Band selbst noch etwas eingrooven, aber wenig später funktioniert dann alles und die AkteurInnen dröhnen sich gemächlich durch die zweite Hälfte, um danach mit voller Kraft in das eigentliche Set zu starten. Dieses besteht im wesentlichen aus den vier Songs des neuen Albums, das die komplette erste Stunde des Konzerts einnimmt. Und hier beginnen die ersten Probleme für mich. Nach dem Hope Drone folgt das schon auf Platte schwierige Bosses Hang, in Summe also ein gut dreißiminütiger Komplex an sehr monotonem Material, den die Band nicht wirklich versucht, angenehm zu gestalten. Stoisch spielen die acht MusikerInnen ihre Parts herunter, wobei die meisten von ihnen nicht mal vom mit Effektpedalen übersäten Boden aufblickt, ganz zu schweigen von Ansagen oder ähnlichem. Es hat ein bisschen den Eindruck, als wäre man eher zufällig in eine Jamsession hereingeplatzt und würde von den AkteurInnen gar nicht bemerkt. Und dieser Eindruck schwindet die komplette Dauer des restlichen Konzerts über nicht wirklich. Zwar wird es klanglich mit dem folgenden Anthem For No State-Komplex schon wesentlich tighter und auch Undoing A Luciferian Towers hat seine Momente, doch so ein richtiges Fan-Gefühl stellt sich bei mir nicht ein. Auch nicht im zweiten Teil, der aus der kompletten Aufführung der Slow Riot for New Zero Canada-EP besteht und damit schon ein großes Maß an Fanservice ist. Irgendwie hat man die ganze Zeit das Gefühl, dass etwas fehlt bei dieser Show. Und eigentlich will ich mich darüber nicht aufregen, denn wir reden hier schließlich von Godspeed You! Black Emperor. Dass diese Band alles andere als Rampensäue sind, dürfte weitgehend bekannt sein und ich hatte ehrlich gesagt nicht erwartet, hier etwas anderes zu sehen, als ich tatsächlich gesehen habe. Nur hätte ich eben nicht gedacht, dass es mich so langweilen würde. Die großen, epischen Momente, die man von den KanadierInnen kennt, schrumpfen auf der Bühne zu müden Reproduktionen zusammen, an denen niemand richtig Spaß zu haben scheint und die unter ihrem Live-Faktor eher leiden, als aufzublühen. Dazu kommen noch unbefriedigender Sound und fehlene Instrumentation und schon hat man unterm Strich ein eher mittelmäßiges Event. Es ist schön, wenn so viele andere das genießen können, aber ich werde definitiv nicht zu den Menschen gehören, die einen Konzertbesuch als verpflichtendes Ritual eines jeden Godspeed-Fans befürwortet. Im Gegenteil: Ich bin jetzt vielleicht ein bisschen weniger Fan dieser Band als vorher. Aber vielleicht hätte ich einfach nur auch stoned sein sollen...

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