Donnerstag, 9. November 2017

Double Trouble

Es mag vielleicht bisher nicht besonders aufgefallen sein, aber in der Zeit, in der ich seinen Output verfolge, ist Big K.R.I.T. einer meiner Lieblingsrapper*innen in diesem Format geworden. Der 31-jährige MC aus Mississippi ist zwar nicht wirklich so bekannt wie ein Kendrick Lamar, ein Schoolboy Q oder ein Logic, aber in meinen Augen gibt es dafür eigentlich keinen vernünftigen Grund. Denn nicht nur ist K.R.I.T. lyrisch unglaublich fit, hat einen großartigen Flow und einen Sinn für Mainstream-kompatible aber dennoch würdevolle Beats, vor allem ist er einer der wenigen, der wirklich gute Alben machen können. Die zwei davon, die es bisher gibt, sind eine wie das andere grandios und selbst seine Mixtapes sind in Sachen Kontextualität und klanglicher Gesamtidee besser als die größten Projekte mancher anderer Rapper*innen. Und nachdem es in den letzten zwei Jahren verhältnismäßig Still um ihn war, freute ich mich nun umso mehr, dass mit 4Eva is A Mighty Long Time endlich etwas neues von ihm erscheinen sollte. Wo ich mich aber geistig auf einen ganz normalen Longplayer vorbereitete und hoffte, dass jede Menge Hits darauf zu finden wären, holte Big K.R.I.T. währenddessen das große Besteck raus und veröffentlicht hier sein bisher sicherlich ambitioniertes Album überhaupt. Fast 90 Minuten Spieldauer hat das gute Stück, ein Doppelalbum, 22 Tracks sind darauf und thematisch ist das Ganze natürlich auch alles andere als 08/15. Glaubt man der Promo, so ist 4Eva das bisher intimste und biografischste Werkstück des Rappers. Und wer da jetzt an Good Kid, m.A.A.d. City denken muss, der hatte darauf die gleiche Reaktion wie ich. An sich muss dieser Ethos ja aber absolut nichts falsches sein. In den letzten Jahren gab es jede Menge solch umfangreicher Rap-Alben, die einigermaßen großartig waren und gerade bei diesem Typen hätte ich gedacht, dass mir das Ergebnis sehr zusagen würde. Ganz ehrlich, was sollte bei ihm schon schief gehen? Hätte ich in der Geschichte der Doppelalben nachgeschaut, wäre ich nicht so vorschnell gewesen. Denn ist es nicht immer so? Die Lieblingskünstler*innen, die vorher mit allem irgendwie unfehlbar waren und denen alles so leicht fiel, machen irgendwann aus Übermut eine Doppelte, und plötzlich klappt gar nichts mehr. Die Red Hot Chili Peppers, Arcade Fire und Kid Cudi sind allseits bekannte abschreckende Beispiele und so wie es aussieht, reiht sich Big K.R.I.T. nun in deren Galerie ein. 4Eva is A Mighty Long Time ist zweifelsohne ein Album mit großen Ambitionen, aber nur die wenigsten davon sehe ich hier wirklich umgesetzt. Es ist das klassische Problem: Die guten Ideen, die an sich da sind, hätten unter Umständen für ein solides 45-minütiges Projekt gereicht, doch weil das doppelte gefordert ist, füllt man die verbleibende Zeit mit unspektakulärem Füllmaterial, ideenlosen Songskizzen und sonstigem Schnickschnack aus. Die guten Bestandteile gehen dadurch unter und was bleibt, ist eine käsige, scheinbar unendlich lange Masse, die sich keiner mehr anhören will. Und 4Eva ist in diesem Fall ganz besonders heftig: Nicht nur gibt es zu wenig gute Tracks, diese sind auch im Vergleich zu den Vorgängerplatten weniger cool und obendrein noch ziemlich mies produziert. K.R.I.T. bewegt sich für sein ganz besonders persönliches Album ein Stück weg vom sehr kommerziellen Sound eines Cadillactica oder Live From the Underground und sucht die klangliche Wahrheit nun in Neo-Soul- und Gospel-Impulsen. Das ist prinzipiell ja nobel und hat bei anderen auch schon funktioniert (ähem...Chance the Rapper), doch so richtig festlegen kann er sich dabei nicht. Die genutzten Samples sind meistens entweder an sich billig oder nicht besonders spannend aufbereitet und K.R.I.T. kommt dabei noch immer nicht weg von trappigen Hi-Hats und sehr cleanem Pop-Mixing. Des weiteren hält er es sehr oft für eine gute Idee, in seinen Songs selbst zu singen, was jetzt nicht unbedingt grauenvoll ausfällt, aber auch nicht wirklich interessant. Allerdings wäre auch das erträglich, wenn er nicht so lahm flowen würde. An so gut wie allen Stellen der beiden Scheiben wünscht man sich, die Platte würde einfach ein bisschen mehr Leidenschaft zeigen und nicht so pseudo-angesoult vor sich hin vegetieren. Wobei die erste Hälfte des Albums in dieser Hinsicht am allerschlimmsten ist. Wenn es darum geht, den ereignislosesten Einheitsbrei mit jeder Menge dämlichen Rap-Klischees zu kombinieren, schießt dieser Teil definitiv den Vogel ab. Der Anfang mit der Spitfire-Eröffnungsstrophe von Big K.R.I.T. ist noch ganz okay, aber danach geht es mehr oder weniger konstant bergab. 1999 vergreift sich peinlich an 2000er-R'n'B, Subenstein an Southern Trap und spätestens im Sitcom-haften Classic Interlude greift man sich als ernsthafter Rap-Fan an den Kopf. Die zweite Hälfte ist zugegebenermaßen etwas aufregender, doch an Fettnäpfchen-Momenten mangelt es auch hier nicht. Besonders blöd finde ich, wie K.R.I.T. die ganze Zeit versucht, wie eine sehr schlechte Version von Andre 3000 zu klingen, als ob er keinen eigenen, sehr guten Stil entwickelt hätte. Abgesehen davon schlägt er sich in Tracks wie Mixed Messages (vielleicht der beste Song des ganzen Albums!) und Keep the Devil Off ganz okay, wenn auch nicht halb so gut wie auf jeder LP davor. Insgesamt gibt es hier wenigstens instrumentale Extravaganzen, an denen man sich ein bisschen festhalten kann und die nicht komplett wegdudeln. Und gerade ganz am Ende kommen noch mal ein paar richtig gute Nummern. Dennoch ist man am Ende ziemlich perplex ob der schwachen Leistung, die der Rapper hier abliefert. 4Eva ist nicht nur im Bezug auf den sehr guten Rest seiner Diskografie extrem schlecht, sondern wäre auch von so ziemlich jedem*r anderen eine miese Leistung gewesen. Wegen solcher Performances schimpfe ich sonst über Leute wie Logic oder Freddie Gibbs, aber für diesen Typen sah selbst mein Worst-Case-Szenario immer besser aus als es hier die Realität ist. Das sind vielleicht harte Worte, aber das hier ist auch ein hartes Album. Das bisher größte und wichtigste Projekt dieses Künstlers ist zu einem ziemlichen Rohrkrepierer geworden und anders als herb enttäuschend kann ich das nicht nennen. Auch wenn K.R.I.T. nach dieser LP wieder anzieht, wird 4Eva in meinen Augen ein Schandfleck seiner Karriere bleiben. Und als Liebhaber seiner Musik ist es mein gutes Recht, im das übel zu nehmen.





Persönliche Highlights: Big K.R.I.T. / Big Bank / Get Up 2 Come Down / Get Away / Mixed Messages / Weekend Interlude / Price of Fame / Drinking Sessions / Bury Me in Gold

Nicht mein Fall: Subenstein (My Sub IV) / Classic Interlude / Miss Georgia Fornia / Higher Calling

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