Samstag, 31. Januar 2015

Watch Your Feet

TITLE FIGHT
Hyperview
Anti Records
2015















Wenn man im Jahr 2015 von Bands wie La Dispute, Touché Amoré, Defeater oder Title Fight spricht, kann man sich den Begriff "the Wave" schon wieder sparen. Dieser Begriff steht für eine Gruppe junger Punk-Projekte, die vor fünf bis zehn Jahren im Nordosten der USA Emocore mit Postrock paarten und sich damit näher an die Herzen ihrer Hörer trauten als je eine Punkband zuvor. Die Bewegung hatte ein paar Platten-Highlights und mindestens eine legendäre Tour, aber damit hatte es sich dann auch schon. 2013 entschlossen sich mit Touché Amoré die ersten, stilistisch andere Wege zu gehen. Mit einem jeweils sehr stillen Album folgen ihnen letztes Jahr La Dispute und Pianos Become the Teeth. Mit Beginn des neuen Jahres sind nun auch Title Fight an der Reihe zu zeigen, was sie aus den Entscheidungen ihrer Freunde und Mitstreiter gelernt haben. Und wie zu erwarten war, vollzieht sich auch hier ein starker Wandel. War der Vorgänger Floral Green noch deutlich zwischen Punk und Emorock angesiedelt, gibt sich Hyperview fast gänzlich Indierock und Shoegaze hin. Ein Abzweig, den wohl die wenigsten Fans vorausgesehen hätten. Zwar gab es mit Head On the Ceiling Fan auch auf der letzen Platte schon einen Song, der gewisse Schatten voraus warf, doch was hier passiert, ist radikaler. Auf acht von zehn Tracks gibt es nur cleane Vocals und Distortion-Pedale sind hier Mangelware. Dafür sitzt der Fuß am benachbarten Reverb-Pedal hier oft ziemlich locker und malt bunte Shoegaze-Tagträume in den Kopf des Hörers. Rose of Sharon oder Murder Your Memory ersticken förmlich im Delay. Und sicherlich stellt sich dabei der ein oder andere die Frage: War das eine gute Idee? Zunächst erstmal gebührt Title Fight Respekt für ihre nicht ganz leichte Entscheidung und dafür, dass dieser Wandel hier ohne Startschwierigkeiten vollzogen wurde. Hyperview klingt, als hätte die Band aus Pennsylvania nie etwas anderes gemacht als Shoegazer-Indie. Und ansprechende Songs findet man hier ebenfalls mehr als genügend. Das Kernproblem der alten Platten wurde aber hierher mitgenommen: Vieles hier klingt zu sehr nach anderen Künstlern. Waren das früher Jawbreaker und Small Brown Bike, sind es jetzt eben My Bloody Valentine und the Jesus & Mary Chain. Für Title Fight, die aus einer Handvoll von Einflüssen richtig gute Songs mimen können, ist das bei weitem kein Beinbruch. Dennoch ist Hyperview in dieser Hinsicht vielleicht nicht die Weiterentwicklung, die viele sich vielleicht erhofft hatten. Nach dem Verfall der Wave retten sich die Amerikaner die eigene Relevanz, müssen sich aber teilweise neu erfinden. Dafür ist diese Platte ein erfolgreicher Versuch.
8/11

Beste Songs: Murder Your Memory / Rose of Sharon

Nicht mein Fall: Mrahc

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Review zu S.W.I.M. (Die! Die! Die!):
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Review zu No Coast (Braid):
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Donnerstag, 29. Januar 2015

Kein Witz

BLACK SHEEP WALL
I'm Going to Kill Myself
Season of Mist
2015















Vorsicht, Mogelpackung! Wer sich an das neue Album von Black Sheep Wall herantraut und sie wegen des Muppets-Artworks mit Ironie-Granaten wie Excrementory Grindfuckers oder We Butter the Bread With Butter verwechselt, irrt gewaltig. I'm Going to Kill Myself ist Metalcore auf Profi-Niveau und blutiger Ernst. Wenn man es so will, ist die Ironie hier das ironische. Denkt man sich das zugegebenermaßen ziemlich irreführende Cover weg, ist das Album der Kalifornier eines der bisher anspruchsvollsten Gesamtwerke des beginnenden Jahres. Auf vier Songs in etwas mehr als einer Stunde versammelt die Band hier eine Mischung aus Post-Doom-Metal-Wucht und geisteskrankem Depri-Core. Wer hier an Converge, Amen Ra oder Cult of Luna denkt, hat den richtigen Riecher. Nur dass die dicken Sludge-Bretter hier über die dreifache Songlänge gezerrt werden und in ihrem verzweifelten Mantra-Charakter dabei gleich noch fünf Mal finsterer wirken. Höhepunkt ist dabei definitiv das 33-Minuten-Epos Metallica, in dem sich Black Sheep Wall auch mal richtig austoben, was die klangliche Kolorierung ihres tiefschwarzen Doom angeht. Auf die große Pointe wartet man dabei aber vergeblich, die Klaifornier bleiben die komplette Zeit über in ihrem düsteren Trott, wodurch man sich als Hörer doch ein bisschen verarscht vorkommt. Die ganze Zeit erwartet man eine Break, in der statt der Fuzz-Gitarre plötzlich ein Banjo loslegt, Blödel-Lyrics dargeboten werden oder wenigstens ein alberner Schrei zu hören ist. Nichts dergleichen passiert. Und am Ende ist das dann wahrscheinlich der eigentliche Witz an I'm Going to Kill Myself: Es gibt keinen. Black Sheep Wall schicken uns in den Teil der Hölle, vor dessen Tor sie vorher das Eingangsschild zur Sesamstraße hingehängt haben und lachen sich heimlich ins Fäustchen, wenn der Hörer aufläuft. Scherzkekse der ganz fiesen Art sind das. Was aber nicht davon ablenken kann, dass die Songs, obwohl finster und selbstzerstörerisch, richtig gut sind. Wenn man sich durch eine Stunde schwärzesten Humor gehört hat, kann man darüber lachen, weil der nicht vorhandene Witz richtig gut war. Und das Album an sich auch. So schön verkohlt zu werden, macht am Ende auch Spaß. Und finsterer Doom-Core sowieso.
8/11

Bester Song: Metallica

Nicht mein Fall: -

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Review zu Jane Doe (Converge):
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Review zu Welt Ohne Werbung (Japanische Kampfhörspiele):
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Mittwoch, 28. Januar 2015

Homegrow

SPIDERGAWD
II
Crispin Glover
2015















Dass dem ersten Album von Spidergawd im letzten Jahr wenig Aufmerksamkeit meinerseits zukam, lag hauptsächlich daran, dass die Band um selbiges kein großes Theater machte. Man wusste kaum, dass es das Nebenprojekt der Motorpsycho-Mitglieder Bent Saether und Kenneth Kapstad mit Frontmann Per Borten überhaupt gab und ihr Debüt erschien zunächst nur auf dem norwegischen Indie-Label Crispin Glover. Natürlich ausschließlich auf Vinyl. Erst ein gutes halbes Jahr später trauten sich Spidergawd, das selbstbetitelte Album auch außerhalb der Homezone unter die Leute zu bringen. Und siehe da: es war sensationell. Zwischen Bluesrock, Proto-Punk, Progrock und leichtem Stoner-Einschlag jammte sich das Quartett locker den ein oder anderen Hit zurecht. Dass dabei auch Erinnerungen zu Motorpsycho geweckt wurden, war nur konsequent. Für II, den Nachfolger des Erstlingswerks, habe ich mich jetzt vorsorglich etwas früher gekümmert und wollte die Band unter keinen Umständen wieder unter den Teppich kehren. Gute Entscheidung. Denn obwohl seit dem Debüt nicht mal ein Jahr verstrichen ist, hat sich bei Spidergawd viel getan. Die Blues-Dichte hat sich hier mindestens verdoppelt, alles klingt ein bisschen dreckiger und trotzdem bleiben die Norweger dabei unglaublich versiert. Die Vergleiche mit der bereits einmal zu oft genannten Hauptband von Saether und Kapstad ist hier so gut wie ausgemerzt, Prog- und Psych-Einflüsse sind hier souveräne Eigenzucht. Wierderum erstaunt es dabei, dass hier nichts retro klingt, obwohl hier rein Songwriting-technisch alte Kamellen abgezogen werden. Theoretisch ist II altbackener Hippierock erster Güte, praktisch das am weitesten vorwärts denkende Blues-Album, das ich seit langem gehört habe. Dass die Akteure dabei wieder durch Details glänzen, die Produktion perfekt ist, textlich alles passt und Extra-Instrumente wunderbar eingesetzt werden, ist dabei schon fast Nebensache. Songs wie ...Is All She Said, Tourniquet oder Careulean Chameleon zeigen eindrucksvoll die Bandbreite, die ein so abgehangenes Genre 2015 noch auffahren kann. Natürlich mit den nötigen Stützrädern von Psychedelic Rock, Punk und extrabreiten Soli. Das ureigene Gebräu von Spidergawd ist damit Rockmusik, die so ziemlich das Gegenteil von tot ist. Eine Beweisführung, die dieses Jahr schon ganz schön überfällig ist.
9/11

Beste Songs: ...Is All She Said / Careulean Chameleon

Nicht mein Fall: -

Weiterlesen:
Review zu Timothy's Monster (Motorpsycho):
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Review zu Lazaretto (Jack White):
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Dienstag, 27. Januar 2015

Der alten Zeiten wegen

VENOM
From the Very Depths
Spinefarm
2015















Und noch ein bisschen mehr Metal. Diesmal mit einem weiteren sehr großer Namen im Business, den Black-Metal-Erfinder Venom aus England. Wer nichts mit dem Namen anfangen kann, sollte sich vielleicht mal das Album anhören, nach dem man das Subgenre benannt hat. Die furchtbare Qualität der Platte täuscht nicht darüber hinweg, dass hier Pioniere am Werk waren. Nun ist es nicht vermeidbar, dass eine Band, die 1979 gegründet wurde und ihre Hochphase Mitte der Achtziger erlebte, daran nicht mehr gemessen werden kann. 2015 spielen Cronos und seine verbliebenen Mitsteiter relativ klassischen Heavy Metal mit Thrash-Einflüssen, der hauptsächlich damit beschäftigt ist, sich selbst zu feiern. Dementsprechend lange ist es her, dass ein wirklich überzeugendes neues Album von Venom erschienen ist. Der letzte Longplayer von 2011, Fallen Angels, war ganz in Ordnung für eine Band, die nur noch für Album-Jubiläen und zur Volksbelustigung in Wacken zu existieren scheint. Auch die neue Platte From the Very Depths gibt sich große Mühe, über die Irrelevanz hinwegzutäuschen, die die Black-Veteranen über 30 Jahre nach dem großen Wurf haben. Man darf das nicht falsch verstehen: Als Fan des durch sie geschaffenen Genres habe ich großen Respekt vor den frühen Werken von Venom. Doch was ist denn davon hier noch übrig? Fast die komplette Besetzung hat seitdem gewechselt, neue Stile sind gekommen und wieder gegangen und in einer Musikrichtung, die in den letzten Jahren in radikaler Entwicklung befindlich ist, haben die Altvorderen nichts mehr zu sagen. Auch wenn sie mit Songs wie Death of Rock'n'Roll gerne den Anschein erwecken. Zudem könnte man statt diesem Album auch eines von Iron Maiden, Motörhead oder Anthrax hören, man hätte den gleichen Effekt. Schuld daran ist übrigens nicht das Alter der Akteure im eigentlichen Sinne, Kollegen wie Black Sabbath, Adolescents oder Off! haben das vor nicht allzu langer Zeit sehr gut zu kaschieren gewusst. Schuld daran ist, dass Venom sich scheinbar damit abgefunden haben, nur noch Produkt zu sein. Und wenn es so weit gekommen ist, kann ich mir das ausführliche Review auch sparen. Der alten Zeiten wegen gerne, aber nicht mehr 2015.
4/11

Bester Song: Temptation

Nicht mein Fall: Death of Rock'n'Roll

Weiterlesen:
Review zu 13 (Black Sabbath):
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Review zu Silencing Machine (Nachtmystium):
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Schlachtgesang

XIBALBA
Tierra Y Libertad
Southern Lord
2015















Das offizielle Metal-Wochenende ist zwar vorbei, doch trotzdem geht es hier direkt mit Metal weiter. Genauer gesagt mit den Kaliforniern von Xibalba, deren neues Album ich auf keinen Fall verpassen wollte. Schon im Sommer 2012, als ihre letzte Platte Hasta La Muerte erschien, hatte ich die Band kurz auf dem Schirm, von dem sie sich in den letzten Jahren jedoch durch wenig Öffentlichkeitsarbeit zurückzogen. Zumindest bis Ende 2014, als ein Split mit Suburban Scum erschien. Eine Zusammenarbeit, die ihren Flirt mit energischem Testosteron-Hardcore noch vertiefte. Denn obwohl Xibalba eigentlich vom Thrash-, Doom- und Sludge-Metal kommen, haben sie sich seit Hasta La Muerte sehr stark dem Metier von Kollegen wie Biohazard, Terror oder den Suicidal Tendencies angenähert. Musikalisch wie äußerlich. Dass damit auf ihren Platten die Härte der Core-Einflüsse auf die Härte der Metal-Einflüsse trifft, macht Xibalba zu einer der wuchtigsten Crossover-Bands der vergangenen Jahre. Tierra Y Libertad führt diese Tradition jetzt konsequent weiter. Wenn man so will, setzt es sogar noch eine Schippe drauf. Während es sich beim Vorgänger noch meistens um einen Metal-Hauptstrang mit Punk- und HC-Einflüssen handelte, treffen hier beide Spielarten auf Augenhöhe zusammen. Ein echtes Spektakel für Freunde lauter Gitarrenmusik. Denn wo das Schlagzeug häufig noch die Double Bass durchballert und diese mit kleinen Akzenten verziert, blasen die Gitarren (komische Wortwahl, ich weiß) schon zum Bombardement mit klotzigen Hardcore-Riffs. Dass dabei trotzdem etwas an Variabilität und Finesse rumkommt, ist fast unglaublich. Die Rhythmusgruppe von Xibalba übertrifft sich auf Songs wie Pausa und dem fast siebenminütigen En Paz Descanse selbst. Meckern kann man da absolut nicht. Wo es bei den Vocals schon anders aussieht. Dass Nate Rebolledo klingt wie ein betrunkener Affe mag ja noch gehen. Ab und zu. Doch wenn er das hier eine Dreiviertelstunde lang durchzieht, wird es schon etwas lächerlich. Ein bisschen mehr Veränderung hätte man sich da schon gewünscht. Wie zum Beispiel in einem kurzem Stück vom Titelsong, indem er auf Spanisch wüste Flüche absondert und wie Zach de la Rocha sprechsingt. Wenn so ein Sänger in einem Song nicht permanent die Aufmerksamkeit des Hörers auf sich ziehen würde, wäre Tierra Y Libertad eine exzellente Platte. Doch wie sehr schlechte Vocals den Gesamteindruck beeinflussen, muss ich hier erneut mit Unmut feststellen. Und ganz ohne sie geht es ja bei so einer Musik auch wieder nicht. Fürs erste lasse ich Xibalba aber mit diesem Konflikt und acht wohlverdienten Punkten allein. Eine Band wie sie löst so ein Problem. Es gibt ja immer ein nächstes Mal
8/11

Beste Songs: Pausa / En Paz Descanse / El Vacío

Nicht mein Fall: -

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Review zu Tempest (Lycus):
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Review zu Eros/Anteros (Oathbreaker):
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Sonntag, 25. Januar 2015

Nichts für Veganer

NAPALM DEATH
Apex Predator - Easy Meat
Century Media
2015















Dass Napalm Death 2015 dieses Album veröffentlichen, weist auf eine Tatsache hin, die in der heutigen Hype-Musikwelt schier unmöglich erscheint: Seit nunmehr vier Jahrzehnten hat die Band aus Ipswitch nichts an Relevanz eingebüßt. Sie haben den Grindcore, Crustpunk und Death Metal miterfunden, den kürzesten Song und das angeblich lauteste Album aller Zeiten geschrieben und diverse stilistische Trends überlebt (sogar die späten Neunziger). Apex Predator - Easy Meat ist dieser Tage ihr sechzehntes (!) Album und schon das Artwork zeigt, dass sich auch hier nicht zurückgehalten werden will. Wieder liefern die Briten hier jede Menge politisch provozierende Texte, die auch schon auf dem Vorgänger Utilitarian durch ihre sehr intelligente und philosophisch angehauchte Art und Weise überzeugten. Aber da man davon sowieso auch hier wieder kein Wort versteht, ist die Platte genauso etwas für die Leute, die dazu lieber sehr schnell den Kopf schütteln wollen und damit auch den Hauptteil der Napalm-Death-Fanbase sein dürften. Dieses Klientel wird hier ein weiteres Mal mit abgefahrenem Highspped-Riffing und pumpenden Schlagzeug-Beats bedient. Zumindest die meiste Zeit lang. Wer sich in den ersten Sekunden des Albums schon in Headbang-Haltung befindet, muss sich erstmal durch die ziemlich öden vier Minuten des Titeltracks hören, ehe mit Smash A Single Digit die Grind-Orgie losgehen kann. In der nächsten halben Stunde kann man sich dann aber ganz gut auf Napalm Death verlassen, die mit Songs wie Methaphorically Screw You und Bloodless Coup keinen Stein auf dem anderen lassen. Einzig Dear Slum Landlord... nimmt sich noch einmal des verspulten Goth-Verschnitts des Openers an. Sonst aber wird abwechslungsreiches und hochenergetisches Geballer geboten, das zeigt, warum diese Band auch nach fast 30 Jahren noch zu den wichtigsten Vertretern ihres Handwerks gehört. Wer gerne über Grindcore als blindwütigen Metzel-Metal spottet, wird hier in jeder Minute eines besseren belehrt. Überall hört man verspielte Schlagzeug-Fills, regelmäßige Breaks und ein paar großartige Gitarrensoli, die man von so einer Band eigentlich gar nicht erwartet hat. Für Fans von Napalm Death ist Apex Predator - Easy Meat das gefunden Fressen, das den Briten ein paar weitere Jahre im Extreme-Metal-Olymp bescheren wird. Hoffentlich nicht das letzte Mal.
9/11

Beste Songs: Smash A Single Digit / Bloodless Coup / Hierarchies

Nicht mein Fall: Apex Predator - Easy Meat

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Review zu Welt Ohne Werbung (Japanische Kampfhörspiele):
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Review zu Full of Hell & Merzbow (Full of Hell & Merzbow):
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Freitag, 23. Januar 2015

Home is Where Your Heart Is

FEINE SAHNE FISCHFILET
Bleiben oder Gehen
Audiolith
2015













Am Beispiel von Feine Sahne Fischfilet konnte man in den letzten Jahren sehr gut sehen, was für eine Kraft manchmal von den simpelsten Dingen ausgeht. Ich hatte ehrlich gesagt nicht viel von dem Sextett gehalten, als sie 2012 ihr zweites Album Scheitern & Verstehen veröffentlichten. Die Mecklenburger waren für mich bessere Dorfpunks, die pathetische Texte über das Außenseiter-Leben auf dem Land schrieben, wo man als junge, linksradikale Rockband im dunkelbraunen Nordosten der Republik noch gefährlich lebt. Feine Sahne Fischfilet hatten auf jeden Fall die richtige Haltung für sowas, doch an künstlerischer Reife fehlte es ihnen noch weitgehend. Mein persönlicher Fehler war, der Gruppe deswegen keine Aufmerksamkeit zu schenken, weil ollen Deutschpunk ja keinen mehr interessiert. So kann man sich irren. Die Jungs aus Wismar haben sich seitdem gemacht wie kaum ein anderer Act ihres Metiers, überall interessiert man sich plötzlich für Feine Sahne Fischfilet. Die handgeschnitzten Geschichten über die Antifas aus der Provinz haben sie ins Fernsehen gebracht und Songs wie Komplett im Arsch sind mittlerweile zu Hymnen für junge Gleichgesinnte geworden und laufen in jedem AJZ rauf und runter. Und obwohl Scheitern & Verstehen davon nicht besser wird, war ich sehr gespannt darauf, was denn nach all dem Trubel mit der Band passieren würde. Bleiben oder Gehen heißt LP Nummer drei und das Cover präsentiert uns die mecklenburgische Kleinstadt-Idylle, von der Feine Sahne Fischfilet so gerne singen. Wie sich dadurch schon zeigt, steht die neue Platte für den Scheideweg, vor dem die Punks Anfang 2015 stehen. Ihre Songs sind Thema für ein breiteres Publikum geworden, die Konzerte verkaufen sich gut und eine Wohnung in Berlin wäre für die Mitglieder mittlerweile sicher erschwinglich. Doch es ist auch die tiefe Verbindung zu ihrer Heimatbasis, die diese Band immer ausgemacht hat und auch hier noch ausmacht. Im Song Lass uns gehen geht es um genau diese Entscheidung, die sich auch durch die Musik auf Bleiben oder Gehen zieht. Man hört deutlich, wie sehr sich auf diesem Longplayer der Sound von Feine Sahne Fischfilet verbessert hat. Technisch wie kompositorisch ist hier alles eine ganze Ecke besser als noch auf dem Vorgänger. Der Gesang ist nicht mehr so platt aufgenommen, die Bläser-Arrangements klappen hier sehr viel besser und man merkt, dass hier nicht mehr alles so DIY ist wie früher. Dennoch ist die Quintessenz des bandeigenen Stils hier noch vollständig intakt. Fast alle Tracks auf Bleiben oder Gehen sind Punk durch und durch, simpel und melodisch und verfügen über die gleiche Kraft in den Texten, die den Vorgänger so erstaunlich machte. Und obwohl sich mit diesen Mitteln gekonnt um einen endgültigen Kurs herumgemogelt wird, ist es für die Band doch optimal. Die künstlerische Reife, die mir beim letzten Mal fehlte, hat sich hier wirklich gut entwickelt und trotzdem werden Feine Sahne Fischfilet nicht gleich die nächsten Adolar. Bleiben oder Gehen ist letztendlich genau das Album, das mich von ihnen überzeugt hat und die Metamorphose, die nötig war, um das hier wirklich zu einer ernsten Sache zu machen. Und wenn so weiter gemacht wird, wird die Band noch eine ganze Weile so wichtig bleiben, wie sie es momentan ist. Meinen Segen haben sie.
8/11

Beste Songs: Wut / Warten auf das Meer / Am Ende

Nicht mein Fall: Ich glaube dir

Weiterlesen:
Review zu die Kälte der neuen Biederkeit (Adolar):
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Review zu Auf allen Festen (Matula):
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Donnerstag, 22. Januar 2015

Letztens vor fünf Jahren

THE DECEMBERISTS
What A Terrible World, What A Beautiful World
Rough Trade
2015















The Decemberists kenne ich ganz gut von meinen ersten zaghaften Kontakten mit alternativer Musik, die noch gar nicht so lange her sind. Im Januar 2010, also ziemlich genau vor fünf Jahren, erschien the King is Dead. Es war das Album, welches vom Feuilleton großartige und von Indie-Magazinen vernichtende Kritiken erntete. Ich war als Neueinsteiger überzeugt, dass es sich bei dieser Platte um waschechten Indie handelte und war mit den Hipster-Bloggern sowieso noch nicht richtig warm geworden. Dennoch fehlte mir bei diesen Songs irgendwie das Gefühl, das ihre Art von Folk so interessant machte. Heute kann ich verstehen, warum die Band mit dieser LP damals ziemlich schlecht wegkam. Mittlerweile behaupte ich aber auch von mir, Ahnung von alternativer Musik zu haben und von den Decemberists hat man in dieser Zeitspanne auch reichlich wenig gehört. An die neue Platte What A Terrible World, What A Beautiful World gilt es deshalb aber nicht gleich, mit neuen Maßstäben heranzugehen. Denn hier machen die Fünf aus Portland genau dort weiter, wo sie damals aufgehört haben. Mit weit ausgebreitetem, perfekt produzierten Ü-30-Folk, der niemanden, der den Namen Neil Young schon mal gehört hat, von den Socken haut. Es sei denn, man ist Fan der Zweitausender-Phase von R.E.M., was das Klientel dieser Musik jedoch nicht sonderlich erweitert. Songs wie Cavalry Captain und Philomena sind Stoff für Leute, die Indierock am besten übers Radio entdecken wollen und nach edgy Platten im Regal bei Saturn suchen. Das elementare Problem hier ist das gleiche wie bei the King is Dead: Es fehlt das Feeling für ehrliches Songwriting. Dass es streckenweise auch besser läuft, zeigen beispielsweise die Stücke Lake Song und Till the Water's All Long Gone. Hier wird auf Überproduktion und Schnickschnack-Instrumentarium verzichtet und die Band lässt Melodie auch mal Melodie sein. Und leicht dosiert sind die beiden Tracks mit je fünf bis sechs Minuten ebenfalls nicht. Hier sieht man, was the Decemberists noch können, wenn sie wirklich wollen. Dass davon auf What A Terrible World... relativ wenig kommt, ist ziemlich schade. Aber immerhin schon besser als auf dem Vorgänger. Vor fünf Jahren hätte ich das vielleicht als Grund gesehen, diese Platte gut zu finden, doch mittlerweile ist meine Bandbreite wesentlich größer. Gut für mich, schlecht für die Band.
6/11

Beste Songs: Till the Water's All Long Gone / Carolina Low

Nicht mein Fall: Philomena / the Wrong Year

Weiterlesen:
Review zu Babel (Mumford & Sons):
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Review zu Upside Down Mountain (Conor Oberst):
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You Serious?

ENTER SHIKARI
the Mindsweep
Play It Again Sam
2015















Bevor ich dieses Album einfach nur rundmache, weil es so unglaublich albern, unzeitgemäß und prollig ist, möchte ich diese Eigenschaften hier mal ausführlich zur Disposition stellen: Wer hätte denn bitteschön gedacht, dass Enter Shikari mit the Mindsweep eine ernstzunehmende Platte aufnehmen und hier nicht wie ein Relikt der frühen Nullerjahre klingen? Na also. Warum soll ich mich denn über etwas aufregen, was ohnehin logisch ist. Auf Longplayer Nummer fünf klingen die Briten mehr denn je wie der pubertierende Bastard aus Linkin Park, the Prodigy, Skrillex und Bring Me the Horizon, was sie zur einzigen Band machen dürfte, die die Idee, die KoRn vor ein paar Jahren mit Path of Totality hatten, zur Profession gemacht haben. Und wo das beim Vorgänger A Flash Flood of Colours noch als angemessener Need for Speed-Soundtrack getaugt hätte, kommt hier außer ein paar herzhaften Lachern wenig rüber. Und das obwohl es Enter Shikari echt mit allem versuchen: Esoterik, Sokrates, mittelalterlicher Metaphorik und Autotune. Das Ergebnis klingt dann leider so, als würden Limp Bizkit versuchen, Shakespeare zu vertonen. The Mindsweep ist damit gleichzeitig unwahrscheinlich furchtbar und unwahrscheinlich witzig. Denn das alles wirkt so platt, protzig und aufpoliert, dass es eigentlich nicht mehr ernst gemeint sein kann. Dieses Album ist das musikalische Gegenstück zu in Neon gekleideten Emo-Kindern in getuneten Toyotas. Ein Spektakel an Geschmacklosigkeit, das einen am Ende auf die gleiche Weise fasziniert wie New Kids oder K-Pop. Ich möchte hier keine Fans von Enter Shikari verprellen und ich weiß, dass die Band diese Schmach auch eigentlich nicht verdient hat. Hinter der mittlerweile doch ganz schön erfolgreichen Musik der Briten steht nämlich auch heute keine gigantische Kommerz-Maschinerie, sondern ein eiserner DIY-Ethos. Dass das Quartett diese Art von Songs spielt ist weniger Profitgedanke als tatsächlich künstlerische Überzeugung. Sie deswegen zu verhöhnen ist deswegen eigentlich unfair. Dennoch kann ich mich the Mindsweep wirklich nur auf diesem Thrash-Niveau annähern, da ich sonst wohl überhaupt kein gutes Haar an diesem Album lassen könnte. Und wenn sich jemand von diesem Post persönlich angegriffen fühlt, macht es wie ich: Einfach drüber lachen.
3/11

Bester Song: the Appeal & the Mindsweep I

Nicht mein Fall: der ganze Rest

Weiterlesen:
Review zu KoRn (KoRn):
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Review zu Donker Mag (Die Antwoord):
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Mittwoch, 21. Januar 2015

Hope You Like Jammin'

THE BOATS
Segundo
Sound Zoo
2015















Wenn es um die Fokussierung einer Band auf ein Album geht, sind Australier die wahren Weltmeister. An the Revolution is Never Coming, dem Debütalbum von the Red Paintings wurde ganze fünf Jahre lang herumgedocktert, das Ergebnis war jedoch ein bis in die Spitzen perfektioniertes Gesamtwerk, das all seine Mühe wert war. Angesichts einer Wartezeit von sage und schreibe acht Jahren für Segundo, das Zweitwerk von the Boats, mag man auch von einer ähnlichen Arbeitsweise ausgehen. Doch weit gefehlt: Diese Platte der Postrocker aus Melbourne entstand zum größten Teil binnen 48 Stunden und ist von vorn bis hinten improvisiert. Im Sommer 2006 buchte die Band ein Studio und legte mit nur wenigen vorher geprobten Riffs auf gut Glück los. Ein mutiger Ansatz für ein ganzes Album und ein Fakt, den man anerkennen muss, wenn man Segundo anhört. Denn obwohl hier im Nachhinein noch ein paar Details angepasst und geschnitten wurden ist das hier kein ausformuliertes und in zig Takes durchgestyltes Song-für-Song-Werk, sondern eigentlich nicht mehr als eine in den Status eines Longplayers erhobene Session. Und das hört man den Songs auch an. Keiner der sieben davon kommt unter sechs Minuten davon und jeder ist dabei in ständiger Bewegung. Wer schonmal gehört hat, wie Postrock-Bands zusammen jammen, kann das vielleicht besser nachvollziehen und versteht auch meine Faszination für diese Arbeit. Denn wie das Zusammenspiel der Instrumente, die sich nicht nur auf die klassiche Gitarre-Bass-Schlagzeug-Besetzung beschränken, hier funktioniert, ist bemerkenswert. Bläser, Streicher und Klavier kommen hier genau so zum Einsatz wie eine zauberhafte Sitar in There's Not A Fire That Can Warm Us. Und wie das alles hier durch einen Mäander nach dem anderen kreiselt, ist dann schon ein Schauspiel, bei dem man als Hörer gerne live dabei gewesen wäre. Doch einen dicken Haken hat die Sache: Segundo ist zwar als Session eine wahre Freude für jeden Fan ausgedehnter Jams, doch das Niveau eines richtigen Albums erreichen diese Songs nie. Zu sehr ist das ganze aus dem Moment geboren und zu sehr fehlt hier der letzte Schliff an jeder Ecke. Und manch einen, der die acht Jahre brav gewartet hat, enttäuscht das vielleicht. Der hätte sich vielleicht lieber auch eine perfektionierte, gut abgestimmte Schnittmenge gewünscht. Aber das ist ja zum Teil auch das Risiko, das man als Postrock-Fan immer eingehen muss. Wenn ich allerdings nicht gewusst hätte, dass es sich hier um improvisierte Tracks handelt, hätte ich ehrlich gesagt wenig von diesem Album gehalten. Als Live-Dokument ist es jedoch beeindruckend und gibt dem Medium der Jam-Platte wieder einmal seine Berechtigung. Auch wenn eine normale LP jetzt nicht gleicht wieder acht Jahre brauchen muss.
7/11

Bester Song: Seize the Stars and Turn Them Into Cinders

Nicht mein Fall: -

Weiterlesen:
Review zu Kirtland (Glacier):
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Review zu the Revolution is Never Coming (the Red Paintings):
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Kontrolle ist besser

LUPE FIASCO
Tetsuo & Youth
1st & 15th
2015















Wie nach jedem seiner bisherigen Alben steht Lupe Fiasco gerade am Ende einer schwierigen Phase. Wenn man einer der größten Namen des modernen Pop-Rap ist und gleichzeitig Kritikerliebling, dann hat man es nicht leicht. Nach seinem gefeierten Debüt im Jahr 2006, welches gleichzeitig ein kommerzieller Hit und ein intellektuell-provokantes HipHop-Werk war, verzettelte sich der MC mit Konzeptplatten, schlechter Produzentenwahl, Autotune und seinem eigenen Label. Nachdem er sich nach seinem letzten Streich Food & Liquor II: the Great American Rap Album Pt. 1 eine Pause vom eigenen Wahnsinn gönnte, ist Tetsuo & Youth jetzt wieder mal ein Neuanfang. Fiasco will wieder experimenteller werden, sich musikalisch öffnen und das in möglichst großem Stil. Dafür hat sich der Künstler hier die Siebenmeilenstiefel angezogen und ein Album aufgenommen, das in jeder Hinsicht beeindruckend ist. Was auch klar ist: Wenn man in viele verschiedene Richtungen gehen und sich stilgerecht weiterentwickeln will, dann reichen die 78 Minuten, die der Rapper hier füllt, gerade so. Doch damit nicht genug. Tetsuo & Youth verfügt auch über drei Tracks über acht Minuten und eine halbe Armee von Featured Artists, die Lupe Fiasco für diese Songs handverlesen hat. Im Hintergrund unterstützen den Interpreten mindestens genauso viele Produzenten sowie ein ganzes Orchester. Dass es bei so einem Aufwand unvermeidlich ist, auch Risiken einzugehen, kommt erschwerend hinzu. Und dass der Chef das hier alles mit spielender Leichtigkeit zu koordinieren weiß, ist dann doch eine Überraschung. Nicht, dass wir nicht gewusst hätten, was ein Lupe Fiasco alles kann, doch dass nach so langer Flaute jetzt gleich die perfekte Welle kommt, ist Bewunderung wert. Die Hits klingen hier genau so gut wie die Songs, die etwas ab vom Schlag sind und auch über fast zehn Minuten behält der Rapper hier die volle Kontrolle, wie Mural eindrucksvoll beweist. Was ebenfalls wirklich cool gemacht wurde, sind die Einflüsse aus der klassischen Musik wie in Spring oder Fall. Mit dem Ende von Dots & Lines erleben wir auch das vielleicht beste Banjo-Solo auf einem HipHop-Album. Natürlich gibt es hier auch wieder die etwas poppigeren Stücke, die mit Trap-Beats und Hook-Features schon eher das Klischee bedienen, aber auch hier beweist Fiasco ein Händchen für Stil. Vor allem die mir unbekannte Sängerin Troi hat hierbei eine Paraderolle. Wenn also auch das hinhaut, bleiben unterm Strich nur Details, die hier nicht passen. Und auch die kommen im Gesamtkontext als Stärken durch. Nach einer ziemlich langen Durststrecke macht dieser MC hier das Album, auf das alle so lange gewartet haben. Und mehr. Da ist man als Kritiker eigentlich am Ende seines Lateins. Und war nie so froh darüber.
9/11

Beste Songs: Mural / Body of Work / Adoration of the Magi

Nicht mein Fall: No Scratches

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Review zu You're Dead (Flying Lotus):
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Review zu A Toothpaste Suburb (Milo):
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Dienstag, 20. Januar 2015

Aufsteiger

JOEY BADA$$
B4.DA.$$
Cinematic
2015















Seit mittlerweile fast fünf Jahren läuft die HipHop-Hype-Maschine auf Hochtouren und wie geschmiert. Es sind goldene Zeiten für die Freunde von Bling-Bling und dicken Hosen, die Liste der auch von mir gefeierten Interpreten ist lang. Einer der wenigen, dessen Aufstieg ich dabei nicht verstanden habe, war Joey Bada$$. Nicht nur hat der junge MC, der natürlich aus Brooklyn kommt, den dämlichsten prahlhanserischen Rapper-Künstlernamen aller Zeiten, auch sein Ansatz reißt mich nicht so vom Hocker wie scheinbar jeden anderen. Zitateverseuchten Oldschool-Eastcoast-HipHop nimmt keiner so ernst wie er, der sich natürlich gerne mit Jay-Z und Nas vergleicht sieht und sein erstes Mixtape ausgerechnet 1999 nannte. Auch dessen Nachfolger Summer Knights ließ mich vor zwei Jahren ziemlich kalt. Und ich hätte nicht erwartet, dass sein kommerzielles Debüt das jetzt ändert. B4.DA.$$ ist in seinem Bewusstsein als nächster Schritt des erst 19-Jährigen aber eine ganz andere Hausnummer. Mit 15 Tracks in etwas mehr als einer Stunde macht die Platte schon rein äußerlich viel her. Des weiteren hat sich Bada$$ hier um wesentlich besseren Sound und Produktion bemüht, die dieses Erstlingswerk von seinen mageren Mixtapes unterscheidet. Hier gibt es auf einmal die dicken Hits wie Big Dusty, die Stories, denen man gerne zuhören will und etwas Abstand von den Helden der Neunzigern. Vor Zitaten ist B4.DA.$$ zwar nicht ganz gefeit, aber auch die setzt der Künstler hier besser auf den Punkt und sie klingen nicht ganz so bröselig wie auf den Vorgängern. Besonders faszinieren mich an diesem Album die kleinen Verbeugungen, die hier vor Dancehall und Drum & Base gemacht werden und vor dessen Hintergrund Joey über seine Vorfahren in der Karibik erzählt. Sowas ist doch einfach nur sympathisch. Da fragt man sich, warum es so lange gedauert hat, bis dieses Talent sich entfaltet hat. Diese Platte verleiht diesem Künstler all die Dinge, die ich an ihm bisher vermisst hatte: eine Identität, das Selbstvertrauen für Experimente und Songs, die man nicht nur wegen der guten Texte hört. Ich traue mich so weit zu gehen und zu sagen, dass es auf B4.DA.$$ keinen einzigen wirklich schlechten Track gibt und wir es hier mit einem Gesamtkunstwerk zu tun haben. Dem ersten des Jahres 2015.
10/11

Beste Songs: Paper Trails / Big Dusty / Hazeous View / Run Up On Ya

Nicht mein Fall: -

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Review zu Cadillactica (Big K.R.I.T.):
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Review zu 2014 Forest Hills Drive (J. Cole):
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Samstag, 17. Januar 2015

Forever Mittelmaß

BELLE & SEBASTIAN
Girls in Peacetime Want to Dance
Matador
2015















Es ist jetzt der Moment gekommen, in dem ich nicht länger um ein Review eines Belle-&-Sebastian-Albums herumkomme und vor allen zugeben muss, dass die Schotten eine dieser gefeierten Bands sind, die ich nie verstanden habe. Ich will nicht sagen, dass sie absolut nichts für mich sind, aber der große Jubel um sie und Twee-Pop generell war für mich immer ein Mysterium. Sicherlich, viele mögen diese Gruppe hier wegen ihrer Texte, die zugegebenermaßen immer sehr poetisch waren und ein Alleinstellungsmerkmal sondersgleichen. Doch für Leute, die bei Songs auf den Text hören, waren Belle & Sebastian stets zu ausgelassen und verspielt. Darüber hinaus fand ich ihr Songwriting immer ziemlich langweilig. Und dass sich das mit dem neuen Album fortsetzen würde, war nur logisch. Es ist das mittlerweile neunte der Band aus Glasgow, zuletzt erschien vor fünf Jahren Write About Love. Eine relativ lange Zeit, in der es dem Septett um Stuart Murdoch ergangen ist wie vielen anderen Größen ihrer Zeit: keiner interessiert sich mehr für sie. Zwar kramten manche coole Seiten die Schotten wieder als Randnotiz aus der Versenkung, doch viel Brimborium gibt es nicht ums neue Album. Und wenn man sich Girls in Peacetime Want to Dance anhört, weiß man auch, warum: Belle & Sebastian sind faul geworden. Und zwar so richtig. Wenn ich vorher von müdem Songwriting sprach, meinte ich damit nur ein paar fehlende Highlights und der Mangel am Besonderen hier und da. Wenn ich das jetzt thematisiere, meine ich lahme Synthesizer-Instrumentierung, uninspirierte Melodien, klamme Gitarrenarbeit und, jawohl, Texte, die zu wünschen übrig lassen. Wenn sich beispielsweise the Party Line als lauwarmer Club-Song probiert, muss man sich ernsthaft Gedanken um die Prioritäten von Murdoch machen. Oder wenn Enter Sylvia Plath an die Schlager-Tür klopt. Oder dort oder hier oder da. Und wenn Girls in Peacetime Want to Dance mal nicht peinlich ist, ist sie langweilig. Den Großteil der Songs hat man schon vergessen, bevor dieser überhaupt vorbei ist. Von der Produktion will ich gar nicht anfangen. Doch obwohl hier so viel nicht stimmt, gibt es ein paar erwähnenswerte Highlights. Dazu gehört die Violine in the Cat with the Cream, die ich gerne öfter gehört hätte. Zwei ganz nette Songs sind außerdem the Everlasting Muse, Perfect Couples und Ever Had A Little Faith, auch wenn hier immer noch Luft nach oben ist. Zum Schluss holt dadurch auch der Gesamtkontext ein bisschen auf. Am Ende ist Girls in Peacetime... ein ziemlich mittelmäßiges Album, das auch Fans der Band nicht unbedingt gefallen wird. Für mich bestätigt es nur, was ich ohnehin über Belle & Sebastian denke. Und ich hoffe einfach nur, dass mir ein weiteres Review zu ihnen erspart bleibt. Ihr wisst ja jetzt bescheid.
6/11

Beste Songs: Perfect Couples / Ever Had A Little Faith

Nicht mein Fall: the Party Line / Enter Sylvia Plath

Weiterlesen:
Review zu Soft Will (Smith Westerns):
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Review zu ...And Star Power (Foxygen):
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Wave-Gothic

VIET CONG
Viet Cong
Flemish Eye
2015















Ich finde es super, dass 2015 mal wieder mit einem soliden Newcomer startet. Und Viet Cong aus Kanada sind für solch eine Aufgabe eine wahnsinnig vielversprechende Band. Ihre EP Cassette, die, wie der Name schon sagt, nur auf MC erschien, machte so ziemlich jeden großen Fisch im Indie-Business auf die vier jungen Musiker aufmerksam, nicht zuletzt das namhafte Label Jagjaguwar, auf welchem Viet Cong dann auch schnell einen Deal für ihr selbstbetiteltes Debüt hatten. Um ihren Sound kurz zu beschreiben, sind sich die meisten Experten einig, dass man die Kanadier als spritzigen Indierock mit einem Hang zum Gothic und Postpunk einordnen darf, ungefähr in der Mitte zwischen Interpol und Iceage. Und wenn man sich die früheren Singles der Band anhört, genügte diese Zuordnung auch vollends. Doch frisch zum Release ihres Erstlingswerkes stoßen auch neuartige Einflüsse auf den Stil der Band. Zunächst mal ist der Goth-Einschlag hier wesentlich bedeutungsvoller geworden, stellenweise klingen Viet Cong ziemlich nach the Cure und natürlich Joy Division, besonders in der ersten Auskopplung Continental Shelf. Doch auch elektronische Elemente haben hier Einzug gehalten, hier sind vor allem die ersten beiden Songs zu nennen, die mich stellenweise sogar an Young Fathers erinnert haben. Dass die Band sich dabei nicht hoffnungslos im Zitat-Dschungel verheddert, verdankt sie ihrem Faible für krude Melodieführung und der Stimme ihres Sängers Matt Flegel, die einen sehr starken Eigengeschmack hat. Ferner haben sich die vier auch für eine sehr energische Produktion entschieden. Die Krönung des knapp halbstündigen Albums ist sicherlich der Closer Death, der über ein Drittel der Gesamtlänge der Platte ausmacht und aus der Band noch einmal die große Postpunk-Nummer herausholt, wie es sich zuletzt die Cloud Nothings trauten und die Viet Cong gebührend beendet. Am Ende ist das Debüt dieser Kanadier zwar doch ein Flickenteppich, aber einer, den man selten so unterhaltsam gehört hat. Wie energiegeladen sich hier vier unglaublich talentierte junge Musiker einen guten Song nach dem anderen zuwerfen, ist eine wahre Freude und macht sie in meinen Augen trotz der kurzen Spiellänge und der ziemlich zusammenkopierten Tracks zu einer sehr ernstzunehmenden Band. Und die könnte Interpol und Kollegen in Zukunft noch richtig die Suppe versalzen. Weiter so, Viet Cong!
9/11

Beste Songs: Newspaper Spoons / March of Progress / Death

Nicht mein Fall: -

Weiterlesen:
Review zu Here and Nowhere Else (Cloud Nothings):
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Review zu Dead (Young Fathers):
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Donnerstag, 15. Januar 2015

Bring the Noise!

TURNSTILE
Nonstop Feeling
Reaper Records
2015















Crossover im Jahr 2015? Ja, das gibt es scheinbar immer noch. Oder schon wieder? Turnstile aus Baltimore wurden schließlich unlängst von ziemlich coolen Kollegen wie Title Fight oder Bane entdeckt und auf Tour mitgeschleppt. Wenig später kam der Vertrag mit Reaper Records, zwei EPs und jetzt das erste Album. Und was man da zu hören bekommt, das ist schon ein bisschen witzig. Ein zwischen Funk, HipHop, Hardcore, Metal und Punk zusammengehexelter Sound, der einen herrlich an Limp Bizkit, Rage Against the Machine oder die ganz frühen Red Hot Chili Peppers erinnert. Und weil sich Turnstile selber als Hardcore-Band sehen, kommt auch die Mosh-Fähigkeit der Platte und giftiges "No Future"-Gekeife nicht zu kurz. Das alles ist schon sehr amüsant, doch ich würde lügen, wenn ich darin nicht auch Potenzial sehen würde. Zwar stehen die Vier aus Ohio mit ihrem Stilmix ziemlich allein auf weiter Flur und wenn man Nonstop Feeling hört, muss man einfach an die Neunziger denken, doch das hier klingt um vieles besser als das, was einem zum Ende der letzten Crossover-Hochzeit so geboten wurde. Turnstile haben die fette Produktion, die Ausgewogenheit von lauten Gitarren und Anthony Kiedis- und Zach de la Rocha-Gedächnis-Spits, die Live-Energie und den Schalk im Nacken, um diese Musik genau richtig zu verstehen. Denn obwohl die Songs hier von persönlicher Einengung handeln und dem System auch gerne mal ein paar Mittelfinger entgegen strecken, würde niemand hier den Begriff "Angry White Boy" in den Mund nehmen wollen. Hier ist das richtige Gefühl dahinter und der Wille, sich dabei auch selbst nicht so ernst zu nehmen. Dass neben Springwut-Songs und garstigen Rap-Vocals auch noch ein paar schicke Hardcore-Punk-Tracks rausspringen, macht das umso sympathischer. Dass die LP dann nur 27 Minuten geht, ist fast ein bisschen schade. Auch wenn man auf die instrumentale Schunkelnummer Love Lasso gerne verzichtet hätte und das endlose Geschrammel auf längere Sicht vielleicht auch monoton geworden wäre. Auf ihren nächsten Platten können Turnstile daran noch arbeiten. Fürs erste machen die Amerikaner damit aber eine ganz gute Figur und retten die Ehre des Crossover. Also zumindest das, was es da noch zu retten gibt.
7/11

Beste Songs: Can't Deny It / Addicted

Nicht mein Fall: Love Lasso

Weiterlesen:
Review zu KoRn (KoRn):
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Review zu Third Album (Adebisi Shank):
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Reibach-Grrrl

SLEATER-KINNEY
No Cities to Love
Sub Pop
2015















Für einige ist es schon seit ein paar Monaten das Comeback des Jahres 2015 und man muss auch ernsthaft zugeben: Sleater-Kinney haben wieder mal den richtigen Zeitpunkt abgepasst, um ein neues Album mit der größtmöglichen Wirkung rauszuhauen. So ziemlich alle Mitglieder hatten es in den letzten Jahren zu einigem Ansehen außerhalb der Band gebracht, ob nun als Schauspielerinnen, Journalistinnen oder in Nebenprojekten wie Wild Flag oder der Corin Tucker Band. Und in dieser Konjunkturwelle die alte Riot-Grrrl-Truppe wieder zu entstauben, öffnet natürlich überall Augen und Ohren. Die Leute, die Sleater-Kinney in den Neunzigern gehört haben, schreiben mittlerweile fürs Feuilleton oder Kandidieren für die Grünen, die Kaufkraft ist also ebenfalls gegeben. Man kann No Cities to Love diesen geringen kommerziellen Aspekt leider nicht absprechen, obwohl die Songs hier deutlich eine andere Sprache sprechen. Sie handeln von Getrifizierung und exklusivem Lebensstil und haben dabei wenig von ihrer Punk-Energie von einst verloren. Corin Tucker kann noch immer in vollster Inbrünstigkeit singen, das Songwriting ist nach wie vor sehr brachial und sogar die Produktion hat sich ein Stückweit den LoFi-Charakter bewahrt. Und obwohl es hier auch Pop-Momente, Synthesizer und Gitarrensoli gibt, merkt man, dass Sleater-Kinney hier zu ihren Anfängen zurück wollen. Doch genau dort sehe ich das Problem: Was nützt es einer Band, wenn sie sich trennt, in neuen Projekten neue Erfahrungen sammelt und sich wiedervereinigt, um ein neues Album zu machen, wenn das ganze doch nur klingt wie die gleiche Band zwanzig Jahre früher? Was haben diese drei denn  bitte davon, mit dem ersten Longplayer nach zehn Jahren auf der Stelle zu treten, statt sich weiter zu entwickeln? Und sie hätten das Zeug dazu, da bin ich mir sicher. Denn intelligentes Songwriting und mörderisch gute Texte sind hier der Normalfall. Mit ein bisschen Mut zur Veränderung hätte No Cities to Love richtig, richtig gut werden können. So ist es nur die Nostalgie-Platte einer mittelalten Rockband, die noch mal cool sein wollte. Für die meisten haben sie das geschafft. Nur ich bin ziemlich skeptisch, was dieses Album angeht. Zwar machen Sleater-Kinney es tausendmal besser als die Pixies, aber immer noch nur befriedigend. Und ab jetzt ist wahrscheinlich erstmal wieder ein paar Jahre Pause. Na toll.
7/11

Beste Songs: Surface Envy / Fade

Nicht mein Fall: No Cities to Love

Weiterlesen:
Review zu Indie Cindy (Pixies):
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Review zu In Time to Voices (Blood Red Shoes):
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Mittwoch, 14. Januar 2015

Viel hilft viel

CALIFORNIA X
Nights In the Dark
Don Giovanni
2015















Es ist gar nicht so lange her, da gab es eine Zeit, in der nicht jede halbwegs coole Dorfband sich am Indierock der späten Achtziger vergriff und man die Leute noch mal erinnern musste, wie das früher bei Dinosaur Jr. und Sonic Youth klang, damit der Begriff Independent Music auch von niemandem falsch verstanden wurde. Neben Künstlern wie Pile, Big Deal, Broken Water, Yuck und Kitty Empire landeten dabei auch California X auf meinem Radar und ihr selbstbetiteltes Debüt gehört zu den wenigen wirklich tollen Platten, die im Nachhinein daraus hervorgingen. Die drei jungen Slacker aus Massachussets machten eine sehr punkige Version dieses Proto-Grunge-Verschnitts, der aber auch höllisch melodisch war und manchmal fast niedlich wirkte. Außerdem trauten sie sich, auch mal Stücke zu schreiben, die über fünf Minuten gingen und mehrere Teile hatten. Dass es drei Jahre gedauert hat, bis davon ein Nachfolger zustande gekommen ist, ist zwar verwunderlich, freut mich aber jetzt umso mehr. Wie man sieht haben California X ihre Spürnase für die hässlichsten Artworks aller Zeiten behalten und auch ihr Sound unterscheidet sich nur unwesentlich von dem des Debüts. Auf etwas mehr als einer halben Stunde hat das Trio neun Songs untergebracht, davon zwei mehrteilige und einen mit fast sieben Minuten Spielzeit. Was sich zum Debüt hauptsächlich unterscheidet ist, dass die Band um vieles melodischer und vielseitiger geworden ist. Die Gitarrensoli auf Nights in the Dark sind flächendeckend spitze und an einigen Stellen muss man fast an College-Rock denken. Andererseits gibt es mit Ayla's Song auch einen akustischen Track und mit dem auf zwei Hälften aufgeteilten Blackrazor einen ziemlich metallesk-doomigen Mittelteil. Der Titelsong erinnert ziemlich an die Blood Red Shoes und Hadley, MA teilweise an Weezer.Was dieses Potpourri an Stilrichtungen wunderbar verbindet, ist Lemmy Gurtowskis unerschütterliche Stimme und die rumpelnden LoFi-Gitarren, die auch gerne mal eines dieser abgespacestes Soli abfeuern, die eigentlich das beste am Album sind. Die Summe aller Teile ist am Ende ein ziemlich solides Gesamtwerk, das neben Indierock nunmehr auch Stoner Rock, Heavy Metal, Psychedelic Rock und Singer-Songwriter-Elemente in sich vereint. Dass einen das auf nur 36 Minuten Länge nicht überfordert, ist das große Kunststück von California X. Ein weiteres, sehr angenehmes Album der Amerikaner.
8/11

Beste Songs: Ayla's Song / Garlic Road / Summer Wall Pt. 1

Nicht mein Fall: Red Planet

Weiterlesen:
Review zu California X (California X):
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Review zu In Time to Voices (Blood Red Shoes):
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Montag, 12. Januar 2015

Was ist drin? Steve Albini, Ian Curtis und HipHop

VIET CONG
Viet Cong
Flemish Eye
2015

In wenigen Tagen erscheint eines der Alben, auf das ich mich in diesem Jahr besonders freue. Die kanadische Postpunk-Band Viet Cong veröffentlicht nach zahlreichen EPs und Singles endlich ihr Debütalbum auf Jagjaguwar. Dieses ist, wie viele Platten dieser Stilrichtung, durchsetzt mit allen möglichen Einflüssen aus einigen Jahrzehnten zuvor. Hier sind die vier wichtigsten. Als kleine Vorbereitung dafür, was uns hier erwartet.



INTERPOL
Antics (2004)
Die meisten Blogger, die sich mit Viet Cong beschäftigen, vergleichen die Band mit Interpol. Und das ist schon wahr, wenn man sich ihren zwischen Postpunk und Indierock angelegten Sound anhört. Allerdings gehen die vier Kanadier dabei wesentlich rabiater zugange und haben auch nicht ganz so das Gefühl für große Gesten wie die New Yorker Kollegen.
Beweisstück: Pointless Expierience


CLOUD NOTHINGS
Attack On Memory (2012)
Die für mich persönlich größte Schnittmenge an Gemeinsamkeiten haben Viet Cong mit den Cloud Nothings und ganz besonders deren 2012er-Album Attack On Memory. Punk und Indierock sind hier perfekt abgeschmeckt, manchmal bis zum Noise- und Grunge-Pegel. Außerdem scheuen sich auch die Kanadier nicht vor Songs über fünf Minuten.
Beweisstück: Death


YOUNG FATHERS
Dead (2014)
Auf ihrem ersten richtigen Album beziehen Viet Cong auch erstmals elektronische Elemente und Spielereien mit Pop ein, was mich zusammen mit ihrer Affinität für lärmige Momente ziemlich an das Debüt der Young Fathers erinnert. In der Theorie passt das überhaupt nicht zum restlichen Sound der Band, kommt aber in den bisher veröffentlichten Tracks gut an.
Beweisstück: Newspaper Spoons


JOY DIVISION
Unknown Pleasures (1979)
War irgendwie klar, oder? Was der Postpunk ohne Joy Division wäre, können uns auch Viet Cong nicht sagen und bedienen sich großzügig aus der recht kleinen Diskografie der schwermütigen Briten. Obwohl ich auch da schon schlimmere Sachen gehört habe. Zusammen mit den anderen Einflüssen wirkt die Ausbeutung von Joy Division hier gar nicht mal so geklaut. Nicht mehr als die übliche Gothic-Folklore.
Beweisstück: Bunker Buster


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Sonntag, 11. Januar 2015

Neulandia

DAN MANGAN & BLACKSMITH
Club Meds
Universal
2015














Wenn es um die Zusammenkunft von rustikaler Songwriter-Tradition mit elektronischen Elementen geht, hat es in den letzten Jahren schon einiges an bahnbrechenden Beispielen gegeben. Bands wie Villagers, Midlake, Sun Kil Moon und Arch Garrison, die sich mit großen Schritten an die unbekannte Welt der Beats und Patterns herantrauen, kann man mittlerweile an den Fingern abzählen. Es wird also niemand mehr eine Debatte um die traditionellen Werte der Folk-Musik und die damit verbundenen Verantwortung gegenüber der Vergangenheit anfangen wollen. Der Zug ist abgefahren. Anfang 2015 findet nunmehr auch Dan Mangan, ein weiterer großartiger Vertreter aus der Zunft der bärtigen Barden, sich und seine Gitarre zu langweilig für eigene Ansprüche. Und um das zu ändern gründet er mit seinen liebsten Tour-Buddies die Band Blacksmith und nimmt mit ihnen eine Platte auf, die zwischen Songwriter-Kram, Indierock und Electronica pendelt. Eigentlich eine nette Idee. Mangan war schon immer einer, der seinen Stücken lieber etwas mehr instrumentale Rückendeckung verpasste und der, wenn er will, auch tolle Rocksongs schreiben kann. Trotzdem ist und bleibt ein Album wie Club Meds ein Experiment. Sowohl mit dem Einbeziehen neuer musikalischer Elemente als auch mit der Zusammenarbeit in einem Bandgefüge betritt der Kanadier Neuland. Und das gemeinsame Wirken dieser unbekannten Voraussetzungen muss in jedem Song neu angegangen werden. Das hört man letztendlich auch den Stücken auf der Platte selbst an, die gar nicht anders können, als experimentell zu sein. Ich hatte aufgrund meiner bisherigen Erfahrungen mit Mangans Sound ein ziemlich melancholisches Album erwartet, doch in voller Montur gibt es hier so viel mehr zu entdecken: Mal wird eine relativ klassischer Folk-Stimmung wie A Doll's House nur mit vereinzelten elektronischen Elementen gewürzt, mal ist es andersrum. Mal finden beide Hauptmotive auf Augenhöhe zusammen, mal gibt es wie in Mouthpiece etwas ganz anderes. Auf jeden Fall kann man Club Meds nicht vorwerfen, eintönig oder öde zu klingen. Was nicht heißt, dass die Platte nicht trotzdem Abstriche hinnehmen muss. Manche davon gehen auf Kosten der unpassend großräumigen Produktion, andere auf billige Instrumentierung oder auf komische Mumford-and-Sons-Momente. Ferner verfügt die LP zwar über viele okaye Stücke, doch keines davon schafft es, wirklich Emotionen zu übermitteln. Das konnte Dan Mangan auch schon mal besser. Unterm Strich ist Club Meds also ein Album, welches ich durchaus empfehlen kann, wobei mir selbst das frühere Material des Kanadiers eher zusagt. Und inzwischen gibt es auch genügend Alternativen für anspruchsvollen Elektro-Folk. Wirklich gebraucht hat dieses Album also wahrscheinlich nur der Künstler selbst.
7/11

Beste Songs: Offred / XVI

Nicht mein Fall: Kitsch

Weiterlesen:
Review zu Antiphon (Midlake):
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Review zu I Will Be A Pilgrim (Arch Garrison):
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Samstag, 10. Januar 2015

Soft Psycho

PANDA BEAR
Panda Bear Meets the Grim Reaper
Domino
2015















Das neue Jahr ist fast zwei Wochen alt, es wird Zeit für den ersten Mini-Hype von 2015! Zum Glück gibt es mit Noah Lennox aka Panda Bear auch schon einen Kandidaten dafür. Besagter Künstler ist hauptberuflich Mitglied von Animal Collective, was ihn an sich schon zu einem musikalischen Phänomen macht. Ferner hat er aber auch schon einige nicht zu unterschätzende Soloalben veröffentlicht und, und hier kommt der springende Punkt, Ende letzten Jahres eine fantastische EP namens Mr. Noah, die diesen neuen Longplayer ankündigte. Der Titeltrack, der beste Song auf besagtem Kleinformat, ist nunmehr auch auf Panda Bear Meets the Grim Reaper vertreten und sorgt auch dort mit seinen knalligen, scharfkantigen Beats und den psychedelischen Vocals für ordentlich Feuer unterm Hintern. Man wundert sich schon, wie schroff die Songs von Lennox plötzlich geworden sind, bevor man überhaupt den Rest der Platte gehört hat. Aber egal, wie vereinnahmend er ist, letztendlich ist er nur einer von dreizehn Tracks. Auf den restlichen zwölf vertraut Panda Bear wieder hauptsächlich auf den psychomelancholischen Elektro-Sound, der auch auf den letzten Alben zu hören war. Und wo dieser auf dem Vorgänger Tomboy mangels besserem Vergleichsmaterial noch super funktionierte, steckt einem hier die komplette Spieldauer über noch das abgefahrene Mr Noah im Hinterkopf, das hier fast jeden anderen Song toppt. Ansatzweise Konkurrenz erhält das Stück nur von der zweiten Single hier, Boys Latin. Der Rest von Grim Reaper ist zwar auch nicht total bescheuert, kann aber das Niveau dieser beiden Hauptattraktionen nicht halten. Das siebenminütige Pop-Monster ist nur die ersten zwei davon nicht nervig, Crosswords ist an Inhaltlosigkeit auf diesem Album unübertroffen und was soll eigentlich die nur 35 Sekunden lange musikalische Nichtigkeit Davy Jones' Locker? Ein bisschen Enttäuschung macht sich bei solchen Ausrutschern schon breit. Das was übrig bleibt sind mittelmäßige bis mäßig gute Songs, die vor allem zum Ende hin nochmal viel Boden gut machen. Principle Real oder Selfish Gene sollten hier genannt werden. Am Ende ist Grim Reaper eine Platte, die sich nicht wirklich schlecht schlägt, aber auch noch lange keinen Hype rechtfertigt. Dieser wird in näherer Zukunft wahrscheinlich trotzdem einsetzen, und sei es nur wegen Mr. Noah. Dann wäre ich sogar mit dabei.
8/11

Beste Songs: Mr. Noah / Boys Latin

Nicht mein Fall: Davy Jones' Locker / Crosswords

Weiterlesen:
Review zu Mess (Liars):
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Review zu MGMT (MGMT):
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Spot the Difference

ARCHIVE
Restrictions
Dangervisit
2015















Neben einem müden, paranoiden Tricky und den mittlerweile zum Luxusgut mutierten Massive Attack und Portishead sind Archive als letztes Überbleibsel der TripHop-Kultur auf keinen Fall zu unterschätzen. Während sie mir früher immer nur wie das vorkamen, was man heutzutage "gute Kopisten" nennt, habe ich zuletzt festgestellt, dass sie können, wenn sie wollen. Das 2012 veröffentlichte With Us Until You're Dead war zwar noch ein bisschen lauwarm, aber hatte schon einige tolle Songs in petto. Erst vor acht Monaten setzte der Soundtrack Axiom noch einen drauf, in dem er das pathetische Potenzial der Briten mal so richtig ausschöpfte und mit Distorted Angels einen grandiosen Über-Song beinhaltete. Dass die Band sich nicht vor großen Gesten und überkandideltem Streicher-Tant scheute, gab ihr ebenfalls einen Pluspunkt. Und die Tatsache, dass jetzt schon wieder ein richtiges neues Album draußen ist, finde ich da natürlich auch nicht schlecht. Restrictions soll Archives Rückkehr zur Normalität sein: Keine Konzeptplatten, kein cineastisches Begleitmaterial, einfach nur die Songs selbst. Dabei dürfen dann auch die üblichen Parameter mal beiseite geschoben werden. Den handelsüblichen TripHop-Konsens verlässt die Band wie schon auf vorigen Alben häufig zugunsten von Experimenten, die in der Theorie ziemlich dämlich klingen. Der Opener Feel It versucht sich als Punk-Nummer, Die apokalyptische Ballade End of Our Days spielt mit Christina Perri-Anleihen und Ruination pendelt zwischen Reggea, Funk und Kele Okereke. Erstaunlicherweise funktionieren aber all diese Ausreißer ziemlich gut. Zumindest sorgen sie dafür, dass Bewegung in die Tracks kommt und diese aus dem Gesamtkontext herausgehoben werden. Dort, wo noch Luft nach oben ist, hapert es eher am noch etwas zu schlampigen Songwriting oder an billigen Texten. Wo sich Archive jedoch wieder mal einen Orden verdient haben, sind die Sänger auf Restrictions. Die Briten haben bekanntermaßen ein paar mehr davon, die sie auch diesmal perfekt an die Stimmung jedes Stücks anpassen und die Platte trotzdem irgendwie binden. Einen so großartigen Einzeltrack wie Distorted Angels gibt es hier zwar nicht, dafür liefert die Band hier eine sehr solide Gesamtleistung, auch instrumental und produktionstechnisch. Diese neue LP lotet ihre Grenzen weiter aus und verankert Archive im Status einer kreativen Popband, die Wandlungsfähigkeit und Spannung mit Löffeln gefressen hat. Weiter so!
8/11

Bester Song: Crushed

Nicht mein Fall: Half Built Houses

Weiterlesen:
Review zu Axiom (Archive):
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Review zu Protection (Massive Attack):
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Donnerstag, 8. Januar 2015

Alle lieben Aphex!

NEU! BALANCE
Rubber Sole
1080p
2015















Neu! Balance sind vielleicht nicht die besten darin, schlechte Wortwitze auf Kosten von Musiklegenden der Sechziger zu machen, dafür sind sie das aktuelle Flagschiff meiner Label-Neuentdeckung 1080p, die für vapowavigen Elektro mit futuristischem Flair verantwortlich sind. Bei diesem Duo aus Vancouver findet dieser in Form von minimalistischen Ambient-Beats statt, zu denen man erst noch tanzen lernen muss. Wie in Live-Videos der Band zu sehen ist, tut das die Szene der ultrahippen kanadischen Metropole schon ganz gut, noch besser machen es nur die beiden Produzenten selbst. Mit Rubber Sole wurden ihre Tracks erstmals auf einen Longplayer gepackt, der sich auf 43 mehr oder weniger unterhaltsamen Minuten durch die Gehörwindungen der Hörer wabert. Dass vor Publikum gespielte Sets Pate für die zwölf Songs standen, merkt man sehr deutlich an der einfachen Kompositionsweise, die nur hier und da mal um ein Extra-Keyboard oder ein Sample erweitert wurde. Der Charakter eines Sets steht dieser Platte aber unheimlich gut, zumal die Band auch hier und da ein eingespieltes, gepitchtes "Neu! Balance" auftaucht, wo solche Dinge doch normalerweise für Gigs vorbehalten sind. Hier geben sie aber einen entscheidenden Kick, den die Platte tatsächlich ab und zu mal braucht. Denn das hier ist auf den Punkt gespielter Ambient-Pop. Soll heißen, dass er nur halb so cool wäre, wenn er nicht um Haaresbreite zum öden Einheitsbrei degenerieren würde. Ich will hier nicht schon wieder den Vergleich mit Aphex Twin strapazieren, aber man merkt, bei wem die Jungs gelernt haben. Neu! Balance klingen zwar ein bisschen moderner und verschnickter, den Mörtel und die Ziegel haben sie allerdings von besagtem Chillout-Guru. Und warum auch nicht? Der Ire scheint als stilistische Referenz ja eh gerade ziemlich angesagt zu sein und diese beiden Jungspunde übersetzen das eben in einen modernen Kontext, der Anfang 2015 auch keinen Moment zu früh kommt. Und wieder mal bestätigt sich damit die Techno-Szene in Vancouver als eine Subkultur, die es zu beobachten gilt. Kollegin Grimes hat es ja jetzt definitiv in die Pop-Oberliga geschafft, sie wird bestimmt nicht die letzte sein. Was Neu! Balance angeht, ist diese Entwicklung zwar recht unwahrscheinlich, einen Platz in meinem Herzen und in dem vieler Chillout-Fans wird es für sie aber geben. Nur so cool zu tanzen müssen wir bis dahin noch lernen.
9/11

Beste Songs: Second Helpings / Get Up / Sheffie / BB

Nicht mein Fall: -

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Review zu the Long Seasoned Sleep (Tiny Isles):
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Review zu Syro (Aphex Twin):
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