Mittwoch, 7. Januar 2015

Aufforderung zum Tanz

GHOST CULTURE
Ghost Culture
Phantasy
2015















Nachdem schon 2014 ein deutlicher Aufschwung in Quantität und Qualität von Electronica-Platten auf diesem Blog stattgefunden hat, geht auch das neue Jahr gleich damit weiter. Death Grips waren wie immer überpünktlich, und mit Ghost Culture kommt jetzt auch ein vielversprechener Newcomer hinzu. Hinter dem Namen verbirgt sich der Londoner Produzent Mick Shiner, der zu den heißen neuen Kandidaten in Sachen Minimal Electro und Uralt-Techno gilt. Doch wenn man sein selbstbetiteltes Debüt so hört, denkt man nicht wirklich an ein Relikt aus den Neunzigern, sondern eher an ziemlich hippe Kollegen wie Jon Hopkins oder Daniel Avery. Das könnte zum einen daran liegen, dass sich seit geraumer Zeit ein noch nicht ganz bestätigtes Revival der frühen House- und Minimal-Ära anbahnt, zu dem Shiner dann definitiv einen wichtigen Beitrag leisten würde. Die zehn Songs auf Ghost Culture sind spritzige, leicht düstere Club-Stampfer mit jenem thrashigen Hi-Hat-Sound, der eigentlich als Alleinstellungsmerkmal der Chicagoer Altmeister gilt. Aber die Platte wäre nicht ansatzweise so cool, wenn sie nicht auch mindestens mit einem Bein im hier und jetzt stehen würde, in Shiners Fall ist das London im Jahr 2014. Dort, wo Künstler wie Mount Kimbie und eben Jon Hopkins gefeiert werden und wo die Elektro-Szene momentan am fortschrittlichsten ist. Und zumindest der erste Teil von Ghost Culture kann da locker mithalten. Tracks wie Mouth, Giudecca und Glass sind nicht nur auf der Tanzfläche ein Abstauber, sondern funktionieren sogar als Radio-Singles und teilweise zum nebenbei hören. Letzterer holt sogar Einflüsse von hippen Kollegen wie the XX mit ins Boot. Und es könnte die ganze Zeit so weiter gehen, wenn das ganze Konzept nicht im zweiten Teil ein wenig versacken würde. Vielleicht liegt es daran, dass nur wenig am grundsätzlichen Klang der Platte geändert wird, vielleicht an Shiners monotoner Grabesstimme: Ab einem bestimmten Punkt nimmt der Unterhaltungswert dieses Albums rapide ab. Es werden zwar immer noch überdurchschnittlich gute Dance-Beats geliefert, die aber den Erwartungen, die die ersten zwei Stücke aufbauen, keinen Boden geben. Höhepunkt ist der Song Lying, der mich unwillkürlich an ein Weihnachtslied erinnert, dessen Namen ich um den Schutz meiner Leser willen nicht preisgeben will. Was am Ende bleibt, sind die einzelnen wirklich guten Songs, die man sich auch als Singles kaufen kann. Und ich verstehe auch, dass ein Album zum Tanzen kein Album ist, das man von vorne bis hinten durchhört. Als Tanzmusik-Sampler macht Ghost Culture also durchaus Sinn. Wer mehr will, muss aber leider woanders suchen.
8/11

Beste Songs: Mouth / Giudecca / How / Glass

Nicht mein Fall: Lying

Weiterlesen:
Review zu Alternate/Endings (Lee Bannon):
zum Review

Review zu Faith in Strangers (Andy Stott):
zum Review

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