Freitag, 31. Juli 2015

the Real Shit

KRALLICE
Ygg Huur

-
2015
















Es ist ja eine Sache, wenn Leute wie Drake, Björk oder Radiohead ihre Platten ohne jede Vorwarnung einfach ins Netz stellen. Bei ihnen kann man sich sicher sein, dass zumindest für ein paar Tage die Musikwelt Kopf steht und nichts anderes im Kopf hat als ihr ach so schockierendes neues Album. Wenn allerdings eine relativ unbekannte Band wie Krallice dies tut, ist der Effekt wesentlich moderater und das Geschrei eher klein. Klar gibt es auch hier eine Gruppe Hardliner, die seit gestern bei Reddit für Randale sorgen, aber die sind überschaubar. Und das, obwohl die New Yorker gerade jetzt zu den heißesten Acts der amerikanischen Metal-Szene gehören dürften, waren sie doch schon seit langem die mit wichtigsten Underground-Wegbereiter des mittlerweile nicht mehr so neuen, atmosphärischen US-Black-Metal, der zurzeit gerade durch alle Kanäle des Genres fließt. Allerdings wurden Krallice insofern vom Hype steifmütterlich behandelt, als dass sie ihr letztes Album Years Past Matter im Jahr 2012, also noch vor dem großen Strom, veröffentlichten, was sie weiterhin zum Insider-Phänomen macht. Mit Ygg Huur hätte die Band dem zugegebenermaßen ein Ende setzen können. Wie gesagt: Wer dieser Tage auch nur ein bisschen nach Deafheaven klingt, den nimmt man sofort viel ernster und Krallice hätten dazu noch den Oldschool-Bonus in petto. Nur entscheiden sie sich hier stattdessen, die ausgetrampelten Pfade dieses Stils diesmal zu meiden und verkrümeln sich stattdessen in die Progressivität. Es wirkt fast trotzig, dass Krallice auf diesem Album Reverb-Filter und Shoegaze-Momente vermeiden, nur um im Austausch dagegen selten quirlig und gniedelig zu klingen. Die im Black Metal eigentlich obligatorische Wall of Sound lassen sie hier demonstrativ links liegen und nehmen Vocals auf, die auf versierte Shouting-Technik verzichten. Ygg Huur gewinnt dadurch nicht unerheblich an Avantgarde-Charakter, ist auf der anderen Seite aber auch das bisher vielleicht bodenständigste Metal-Album der New Yorker. Und damit keinen Deut schlechter als ihre bisherigen Releases. Außerdem, wenn ich das mal so sagen darf, ist mir die Fuck-You-Attitüde, mit der sich Krallice hier dem Trend entgegen stellen, ziemlich sympathisch. Denn der Untergrund schläft niemals und ist immer den einen Schritt weiter als der Mainstream. Den Begriff "Hipster-Metal" hat diese Band damit gerade zurückerobert.
9/11

Beste Songs: Wastes of Ocean / Tyranny of Thought / Bitter Meditation

Nicht mein Fall: Idols

Weiterlesen:
Review zu Years Past Matter (Krallice):
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Review zu From the Very Dephts (Venom):
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Montag, 27. Juli 2015

Trau dich, zart zu sein

TOE
Hear You

Topshelf Records
2015
















Dass sie ihr Zuhause ausgerechnet beim eher Emo- und Punkrock-zentrierten Label Topshelf gefunden haben, macht die japanische Mathrock-Band Toe vielleicht zu Exoten in vielerlei Hinsicht, doch eigentlich kann man das ganze als Win-Win-Situation bezeichnen. Die in bestimmten Teilen der Postrock-Community sehr bekannten Künstler finden mit dem Deal bei eben jener angesagten Adresse endlich zu dem hippen Indie-Publikum, nachdem sie eigentlich schon immer streben und Topshelf seinerseits beweist, dass es auch mehr zu bieten hat als die New Wave of Emotional Hardcore Punk. Hear You, das mittlerweile fünfte Album der Japaner, steht nun für die langsame Annäherung der Band an ihre neuen Zuhörer mit ihrem bisher lieblichsten und zartesten Werk. Toe waren zwar nie die Art von Mathrockern, die wie ihre Kollegen von And So I Watch You From Afar oder Lost in the Riots unendliche scharfkantige Riffs wie Gebirge auftürmten, dennoch hatten sie bisher zumindest immer den ein oder anderen lauten Moment in petto. Das ist hier zum ersten Mal anders. Die ersten vier Tracks der Platte genügen sich sogar damit, fast komplett auf Akustikgitarre gespielt zu sein. Ein Stein, den bisher noch keiner so schnell umwälzen konnte. Zumal es Toe auch gelingt, trotz maximaler Reduzierung nicht an Ecken und Kanten in der Komposition zu sparen. In der Ruhe liegt eben die Kraft. Das stellen die Japaner auch besonders in My Little Wish unter Beweis, der es trotz zahlreicher Anspielungen darauf eben doch immer schafft, nicht das monströse Postrock-Finale zu spielen, welches an dieser Stelle eigentlich zwangsläufig kommen müsste. Und weil das an Aufregung dann auch erstmal schon genügt, hängen Toe mit Song Silly gleich noch einen putzigen Piano-Popsong dran. Spätestens ab da muss man zugeben, dass diese ewige Gemütlichkeit trotz aller ach so niedlichen Eigenschaften ein kleines bisschen anfängt zu langweilen. Ein bisschen mehr Getöse wünscht man sich dann doch von dieser Band. Vielleicht nicht gleich in Form eines Math-Standards, aber schon der Einsatz einer elektrischen Gitarre wäre ja mal eine Abwechslung. Stattdessen ein Jux-Rap-Song wie Time Goes und die nächste Akustik-Nummer. Es ist nicht das Konzept des gediegenen Mathrock an sich, dass sich hier als problematisch darstellt, allerdings ist diese Idee Wohl auch noch nicht bereit, sich auf LP-Länge wirklich zu etablieren. Die sonst immer so faszinierenden Toe jedenfalls veröden trotz vielen zuversichtlich stimmenden Songs letztendlich daran. Vielleicht sollten sie sich demnächst lieber eine Scheibe von den Emos abschneiden, mit denen sie jetzt ja öfter rumhängen. Die wissen auf jeden Fall, wie einfühlsamer Krach funktioniert.
7/11

Beste Songs: A Desert of Human / the World According Toオトトタイミングキミト

Nicht mein Fall: Song Silly / Time Goes

Weiterlesen:
Special zu And So I Watch You From Afar:
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Review zu Home Alone (Totorro):
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Es dröhnt so schön

LOCRIAN
Infinite Dissolution

Relapse
2015
















Mysteriöse Metal-Platten sind wieder stark im Jahr 2015. Schon seit Anfang Mai türmen sich großartige Releases in diesem Blog und wahrscheinlich wird auch am Ende dieses Monats wieder ein Vertreter dieses Genres an der Spitze der Auserwählten stehen. Und es ist noch nicht völlig ausgeschlossen, dass ich damit Locrian meinen könnte. Denn so schon Mystery-dronig, eiskalt metallisch und bombastisch klar wie ihr neues Album geworden ist, haben sie ihren Status als einer der heißen Tipps in diesem Sommer eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Und zwar mit einer der vielleicht interessantesten Genre-Platten des Jahres. Die Band aus Chicago war schon immer dafür bekannt, ihre vielen tausend Spielarten gerne unter ganz neuen Vorzeichen zu verkaufen. So war ihre letzte LP Return to Aniihilation von 2013 eigentlich eher ein Ambient-Konstrukt mit Metal-Einflüssen als andersherum. Dieses heitere Begrifferaten geht auch mit Infinite Dissolution weiter, das konservative Szene-Nerds an den Rand des Wahnsinns treiben dürfte. Zwischen Doom, Drone, Industrial, Ambient, Black Metal und Progressive Rock breiten sich Locrian hier wieder so weit wie möglich in alle Richtungen aus und kombinieren Stile, bis der Arzt kommt. Noch immer sind dabei dick aufgetragene Drones das A und O der Komposition, mit denen sie auf dieser Platte auch brillieren wie nie zuvor. In Tracks wie KXL I oder the Future of Death bringen sie die Kunst des Dröhnens auf ein wahrhaft neues Level. Indem sie den Gitarren-Boost hier nicht mit LoFi-Dreck zuspachteln wie viele andere Bands entsteht ein glasklarer Klang, den man so selten zuvor gehört hat. Das ganze noch versetzt mit klassischen Elementen wie Glockenspiel und Piano-Akkorden, und der kleine Geniestreich ist perfekt. Auch die Art, wie auf diesem Album mit Vocals umgegangen wird, ist äußerst clever. Die Screamo-Passagen von Sänger André Foisy werden hier teilweise so verfremdet, dass sie wie ein Instrument wirken und sich wie eine zweite Haut über den Song legen. An diesen Stellen ist Infinite Dissolution ohne Frage ein Geniestreich. Allerdings gibt es hier auch Momente, in denen man sich doch etwas weniger Risikobereitschaft gewünscht hätte. Das ist vor allem bei den seichten Progrock-Gitarren wie in Heavy Water der Fall, die zu vielen der Songs einfach nicht passen wollen. Auch der Industrial-Einschlag funktioniert mal mehr und mal weniger gut. Locrian beweisen also nicht bei allen Dingen ein goldenes Händchen. Im großen und ganzen schaffen es diese Schusseleien aber nicht, hier das komplette Album zu versauen, sondern bleiben bestenfalls mittelgroße Schönheitsfehler. Den Eindruck, dass wir es hier mit einer wahnsinnig talentierten Band zu tun haben, trüben sie nicht. Qualitätsarbeit erkennt man, wenn man sie hört.
8/11

Beste Songs: Arc of Extinction / KXL I / KXL II / the Great Dying

Nicht mein Fall: Dark Shales / Heavy Water

Weiterlesen:
Review zu Antikatastaseis (Abyssal):
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Review zu Celestite (Wolves in the Throne Room)
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Samstag, 25. Juli 2015

Rostflecken

LAMB OF GOD
VII: Sturm und Drang

Nuclear Blast
2015
















Ich mag es ja gerne, ein bisschen aus dem Nähkästchen zu plaudern, was meine musikalische Identitätsfindung anbelangt. Und ich bin durchaus froh, dass Lamb of God ein kleiner Teil davon sind. Es begab sich zu der Zeit, als ich gerade den Hardcore für mich entdeckt hatte. Meine Lieblingsband waren damals die Cancer Bats und die empfand ich als das tougheste, was die akteulle Szenerie zu bieten hatte. Eine Annahme, die sich ziemlich schnell als großer Irrtum herausstellen sollte. Nämlich just an dem Tag, an dem ich im Fernsehen (MTV war damals noch nicht komplett gestorben) zufällig das Video zu Laid to Rest von Lamb of God sah. Man könnte sagen, dass in diesem Moment meine Suche nach der perfekten Metal-Band begann. Nun ist dieses Ereignis nun auch schon ein paar Jährchen her und ich kann nicht behaupten, in der Zwischenzeit wirklich akribisch an Lamb of God dran geblieben zu sein. Ihre Platten fand ich immer irgendwo ganz gut, aber wenngleich ich die perfekte Metal-Band noch immer nicht gefunden habe, so doch wenigstens schon bessere. Und so ist es im Kern auch mit Sturm und Drang, dem siebten Album der Gruppe aus Richmond. Ihre Songs grooven und wummern immer noch gewaltig, doch 2015 hat die Welt schon ganz andere Sachen gehört. Soviel als kleiner Disclaimer und als Stütze der Credibility. Denn eigentlich ist mir das auch vollkommen egal, weil Lamb of God hier trotzdem ordentlich durchheizen. Ihre Riff-Planierraupe ist vielleicht nicht mehr das neueste und effizienteste Modell, doch sie arbeitet dank ausgiebiger Pflege noch immer zufriedenstellend. Und im Fall des Schlagzeug-Presslufthammers kann man sogar fast sagen, dass er einem Großteil zeitgemäßer Produkte noch Konkurrenz machen kann. Zugegeben, einige Verschleißerscheinungen machen sich bemerkbar, wie im Refrain von Embers oder Overlord, doch im großen und ganzen läuft die Sound-Maschine Lamb of God weiter auf Hochtouren. Und wenn das so weiter geht, gehört diese Band irgendwann in die Riege klassischer Oldtimer wie Machine Head oder Slayer, die selbst nach Jahrzenten der Aktivität noch immer überzeugen. Fürs erste bekommen die Jungs aber noch einmal die TÜV-Plakette des guten Geschmacks und sollen bitteschön weiter so machen. Schließlich hat diese Band dazu beigetragen, dass ich jetzt hier bin.
8/11

Bester Song: Still Echoes

Nicht mein Fall: Overlord

Weiterlesen:
Review zu Bloodstone & Diamonds (Machine Head):
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Review zu Luminiferous (High On Fire):
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Freitag, 24. Juli 2015

British Image 2

SLEAFORD MODS
Key Markets

Harbinger Sound
2015
















Es ist zumindest für mich der vielleicht unwahrscheinlichste Hype der letzten Jahre. Noch 2014 befand ich es als total überflüssig, das zweite Album von Sleaford Mods zu besprechen und hatte keine Ahnung, was so schnell aus diesem Duo werden würde. MC Jason Williamson und Multiinstrumentalist Andrew Fearn machen schon immer assligen, mittelenglischen Arbeiterklassen-HipHop, doch eben jener im letzten Jahr veröffentlichte Longplayer Divide & Exit wurde zum Überraschungserfolg des Sommers und die Band zur heimlichen Sensation. Und warum auch nicht? Schon die beiden Musiker an sich sind zwei herrliche Gestalten, die perfekt zu den Songs passen, die sie fabrizieren: Fearns spärlich zusammengeschusterte Beats beackert Williamson mit seinen vor Nottingham-Dialekt triefenden Rants über Politik, Gesellschaft und die generelle Beschissenheit der Dinge. Von einem bekannten Blogger wurden die beiden deshalb zuletzt als "one of the most punk things alive" bezeichnet, was es irgendwie auf den Punkt bringt. Denn wie kaum eine andere Gruppe entfremden Sleaford Mods den HipHop von seiner amerikanischen Tradition und benutzen ihn dazu, die Missstände der britischen Gesellschaft aufzutun. Folglich ist Key Markets, ihr drittes richtiges Album, eines der aufregendsten Releases des Sommers. Und dieses kann gar nicht anders, als zu überzeugen. Den Lyrics von Williamson zuzuhören, ist immer unterhaltsam, weil er einfach so fresh und angepisst klingt, dass ihm jedes Gekünstel komplett abgeht. Er ist der Joe Strummer des HipHop und er meinst das alles wirklich noch ernst. Was er über die komplette Dauer der Platte auch durch unzählige derbe Flüche kräftig untermauert. Sein Konterpart Fearn hat indes vollständig auf Live-Instrumentierung in den Songs umgesattelt (außer in Rupert Trousers), die sich meist auf Bass und Drums beschränkt. Die Kanten der Tracks werden dadurch nur noch rauher und die Stimmung noch finsterer, passen also zum Gesamteindruck der Band. Zwar ist am Ende nicht jeder Song hier ein Volltreffer, richtig schlecht ist aber auch kein einziger. Sleaford Mods haben hier keine Erwartungen übertroffen, sondern diese nur zur absoluten Genüge erfüllt. Und mir persönlich reicht das fürs erste. Es ist immerhin schon jetzt das britischste Album des ganzen Jahres.
9/11

Beste Songs: Live Tonight / Cunt Make It Up / Tarantula Deadly Cargo / the Blob

Nicht mein Fall: No One's Bothered

Weiterlesen:
Review zu the Day is My Enemy (the Prodigy):
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Review zu Parklife (Blur):
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Donnerstag, 23. Juli 2015

Lieblingslieder: Teil 1: Währet den Anfängen!

LED ZEPPELIN
Good Times Bad Times

Atlantic
1969
















Der erste Song vom ersten Album. Für jeden Künstler ist das ein wichtiger Moment, den man nicht verschenken sollte. Ist es doch der erste Eindruck, den deine Hörer von dir haben und der dem Rest dieses Albums, wenn nicht gar deiner ganzen Laufbahn anhaftet. Für Led Zeppelin war das im Januar 1969 kein ganz so schweren Unterfangen. In der damaligen Szene kannte man die Musiker dieser neu formierten Band bereits sehr gut: Gitarrist Jimmy Page hatte unter anderem mit Chris Dreja in der bekannten Londoner Formation the Yardbirds gespielt (sein Nachfolger wurde dort später übrigens durch den jungen Eric Clapton ersetzt), John Bonham und Robert Plant waren ebenfalls seit langem vertraute Gesichter und so sprach man von Led Zeppelin in den Anfangszügen durchaus als "Supergroup". Was aber nicht hieß, dass man große Erwartungen in sie setzte. Neue Bands aus den Stars alter Bands zusammenzusetzen, lag Ende der Sechziger schwer im Trend. Nachdem Cream einige Jahre zuvor als sehr erfolgreiches Modell debütierten, war der Hype im Gründungsjahr von Pages neuer Gruppe schon wieder ganz schön nervtötend geworden. Das Konzept Led Zeppelin stand also unter Zugzwang. Und mit dem ersten Album musste etwas kommen. Und für einen guten ersten Eindruck brauchte das Quartett genau den Song, der Good Times Bad Times geworden ist. Ein Paukenschlag. Das ganze fängt schon mit dem hammermäßigen Intro an, bestehend aus einem Jimmy Page, der beherzt in die Saiten greift und vor allem John Bonhams cleveren Zusammenspiel aus auf den Punkt gespielter Bass-Drum und filigranen Becken-Fills. Der erste saftige Schlag gegen misstrauischen Kritik. Der zweite kommt mit Robert Plants Gesang, der den rhythmisch verklausulierten Song plötzlich in eine viel melodischere Richtung zieht. Und das nicht irgendwie halbherzig, sondern mit Power in der Stimme und mit einer der markigsten Eröffnungzeilen, die er je gesungen hat: "In the days of my youth I was told what it means to be a man". Den Satz wird man danach nie mehr los. Und spätestens hier wird klar, dass Led Zeppelin kein verspulter Psychedelic-Räucherstäbchen-Rock ist, sondern direkt zwischen die Augen zielt. Das Gitarrenspiel ist zwar progressiv, aber es konzentriert sich auf Riffs statt auf endlose Soli. Plants Text ist keine traumtänzelnde Drogen-Fantasie, sondern am bitteren Realismus des Blues orientiert. Bonham erfindet am Schlagzeug gerade den Heavy Metal. Dieser neue Sound, der auf Good Times Bad Times zum ersten Mal kultiviert wird, brachte Led Zeppelin schnell in eine vollkommen neue Schublade: "hard rock" musste man das hier nennen. Und das wird schon in den nicht mal drei Minuten dieses Openers klar. Aus der belächelten Supergroup war ein heißer Tipp in der englischen Musikszene geworden, den wir heute als eine der größten Rockbands der Geschichte sehen. Dieser Song war das erste Level auf dem Weg dahin.

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Übung macht den Meister

WILCO
Star Wars

Anti
2015
















Es ist eigentlich sch ein ganz schönes Ding, dass Wilco auch 2015 immer noch diese unglaublich coole Band sind. Wo die Kollegen ihrer Altersgruppe längst das Schattendasein eines einst gehypten Acts fristen, kloppen sich die hippen Blogs auch jetzt noch um die stattlichen Americana-Jungs, die das ja auch total verdient haben. Ihr letzter Longplayer the Whole Love von 2011 war klasse, ebenso wie ihr Cover des Black Eyed Peas-Hits I Gotta Feeling und Sänger Jeff Tweedy outete sich erst letztes Jahr als coolster Papa der Welt, indem er eine Platte mit seinen beiden Söhnen aufnahm. Die Welt dreht sich also im großen und ganzen mit Wilco, was auch für ihr neues Mini-Album Star Wars spricht. Schon mit dem unangekündigten Release der Scheibe wurde angekündigt, dass es sich hier lediglich um eine kleine Lockerungsübung für die Band handelt, bevor es an eine "richtige" LP geht. Gerade mal 33 Minuten dauert das ganze daher und statt altersweiser Lebensphilosphie und Lehrbuch-Americana gibt es hier Songs mit Meme-Potenzial. Star Wars ist kein ambitioniertes Album, aber das wollen Wilco auch gar nicht machen. Sie wollen eher noch ein bisschen rumblödeln, denn so jung kommt man ja nicht mehr zusammen. Deswegen gibt es die elf Tracks auch für Umme zum runterladen. Man kann sich diese Platte aber auch nicht als katastrophal ungelenken musikalischen Treppenwitz vorstellen, der nur seiner Witzigkeit wegen cool ist. Songwriting-technisch legen sich Wilco hier auch voll ins Zeug, wobei sie sehr variabel vorgehen. Der Opener EKG ist ein stürmisches Punk-Gespenst, the Joke Explained klingt nach Bob Dylan und Taste the Ceiling nimmt ein warmes Country- und Americana-Bad. Es hilft dabei, sich das ganze wirklich als Generalprobe vorzustellen. Die Band blödelt beim Spielen noch ein bisschen herum, spielt aber alles in allem ordentliche Songs. Und diese in allen Facetten, damit man im Ernstfall auch darauf zurückgreifen kann. Können Wilco nach über zehn Jahren noch einen fesselnden Noiserock-Drescher schreiben? Ja, das klappt wunderbar. Werden die Country-Balladen langsam uninteressant? Nicht die Bohne. Star Wars versteht sich als Inventur des Repertoires dieser Musiker, die ihre Talente nochmal abklopfen, um dann zu einem weiteren (hoffentlich) Meisterwerk voranzuschreiten. Wobei Star Wars auch an sich nicht übel klingt. Man muss nur die Intention verstehen.
8/11

Beste Songs: EKG / the Joke Explained / Cold Slope

Nicht mein Fall: Taste the Ceiling

Weiterlesen:
Review zu Morning Phase (Beck):
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Review zu Burn Your Fire for No Witness (Angel Olsen):
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Mittwoch, 22. Juli 2015

In alter Frische

RATATAT
Magnifique

Because Music
2015
















Das hier ist vielleicht das erste Review, welches ich über das New Yorker Instrumental-Pop-Duo Ratatat schreibe, doch ich wusste eigentlich schon Monate davor, was mich hier erwarten würde. Seit mittlerweile über einer Dekade sind die zwei Akteure Evan Mast und Eric Stroud hinreichend dafür bekannt, auf einem Album nach dem anderen niedlichen Zuckerwatte-Pop ineinander zu verkleben und damit die vielleicht harmloseste Musik zu machen, die es zurzeit auf dem Markt gibt. Zurzeit, das bedeutet im Juli 2015 konkret zum ersten Mal seit fünf Jahren. Und diese Zeitspanne zwischen dem letzten Longplayer LP4 und Magnifique war für mich Anlass zur Hoffnung. Denn obwohl der Sound von Ratatat an sich total cool ist, immer irgendwie stimmig und wahnsinnig gut komponiert, ist es doch etwas lästig, diesen über vier Alben konsequent so breit zu fahren, dass er am Ende echt niemanden mehr interessiert. Sich stattdessen fünf Jahre für die Erforschung neuer Klänge Zeit zu nehmen, um am Ende mit einem spannenden Produkt herauszukommen, dafür hätte ich Verständnis. Nur hat die Band in der Zwischenzeit eben das nicht getan. Magnifique klingt mehr oder weniger schon wieder nach dem Einheitsbrei der letzten Alben mit nur wenigen Modifikationen. Man muss jedoch der Fairness halber sagen, dass Ratatat sich hier wenigstens nicht mehr so anhören, als hätten sie selber keine Lust mehr auf ihre Songs. Tracks wie Pricks of Brightness, Cream On Chrome oder das Titelstück strahlen wieder vor Frische und sind auch nicht so zahm wie viele der vorherigen Projekte. Was mir ebenfalls gefällt, ist ein Touch vom mittelalten Brian May-Sound, der den Instrumentals sehr gut zu Gesicht steht. Und so versammeln die beiden Musiker über kurz oder lang wieder 14 ziemlich coole Nummern auf einem Album, über dass man gerne meckern würde, aber nicht so richtig kann. Theoretisch ist Magnifique meilenweit davon entfernt, innovativ, modern oder cool zu klingen, praktisch ist es ein fantastisches Pop-Album, das aus einhundert Prozent Hits besteht. Ratatat sind 2015 die Daft Punk für Leute, die seit 2013 kein Daft Punk mehr hören. Und da ich ja scheinbar auch zu denen gehöre, hänge ich für so eine Platte gerne Mal meine Würde als Blogger an den Nagel. Bitch.
9/11

Beste Songs: Magnifique / Pricks of Brightness / Nightclub Amnesia / Cold Fingers

Nicht mein Fall: Supreme

Weiterlesen:
Review zu Random Access Memories (Daft Punk):
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Review zu Currents (Tame Impala):
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Dienstag, 21. Juli 2015

Erlebnisbericht: L*Abore Festival 2015

Man weiß inzwischen, wie der Hase läuft. Nach meinem gerade Mal dritten Jahr beim L*Abore Festival im vogtländischen Hauptmannsgrün fühle ich mich diesem familiären Beisammensein bereits unglaublich verbunden und habe auch diesmal schon vorher die Tage gezählt. Besonders schön ist das, wenn man feststellt, dass die Leute einen mittlerweile zu kennen scheinen. Auch das Ambiente ist in diesem Jahr wieder herrlich, aber ich bin ja wegen der Musik hier. Das bisher umfangreichste Line-Up der Festivalgeschichte beginnt an diesem Tag um 19 Uhr mit der Indierock-Band Intrinsic Vitality, die über einen Talentwettbewerb an den Platz als Opener gekommen sind. Mich zieht es eine Stunde später zur Zeltbühne, wo das Berliner Trio Plattenbau aufspielt. Der psychedelische Postpunk der Jungs ist live eine sehr lärmige Angelegenheit, bietet allerdings auch jede Menge tolle Momente, die als würdiger Einstieg in ein turbulentes Festival-Wochenende sehr gut funktionieren. Auf der Sonne Bühne (kein Schreibfehler, "Sonnenbühne" sagt auf dem L*Abore kein Mensch!) tischen danach die Postrocker Børlaub auf, die mit spektakulären Bläsersätzen und einem zweiteiligen Set inklusive Umbaupause ganz schön dick auftragen. Allerdings ist ihr statisch perfektioniertes Konzert höchstens technisch überzeugend, der Funke springt eher nicht zum Publikum über. Ein Problem, das auch später auf der Wiesenbühne noch nicht geklärt ist: Der gemeinsame Gig der HipHop-Produzenten-Teams Greeninstruments und Mono Nomads hätte einer der besten des Wochenendes werden können, allerdings haben die Akteure mit argen technischen Problemen zu kämpfen, die einen reibungslosen Verlauf des Sets unmöglich machen und die auch das spätere Dazustoßen des Rappers Genozid nicht vergessen machen kann. Ein überraschend gutes Konzert sieht man wenig später von Klaus Johann Grobe aus der Schweiz, dessen Band ihren Post-NDW-Krautrock vorzüglich performt und die überschaubar große Menge sogar zum Tanzen bringt. Währenddessen feuert ein Typ namens "der Reifen" auf der Wiesenbühne derbe Club-Sounds ab, der das kleine Zelt in einen wüsten Dancefloor verwandelt. Pünktlich zum Auftritt der Avantgarde-Künstler RGB Ensemble ist dieser allerdings wieder geräumt und es beginnt eine der bizarrsten Shows, die ich auf diesem Festival je gesehen habe. Zu live eingespielter, teils improvisierter neuer E-Musik tanzt eine Ballerina, während hinter ihr digitale Gemälde von einer Video-Künstlerin in Echtzeit auf eine Leinwand projiziert werden. Diese eigentümliche Performance direkt an das Set eines Elektro-DJs zu hängen, ist eine gewagte Aktion, für die ich den VeranstaltUnd ern des Festivals großen Respekt entgegen bringen muss. Nicht jedes Open Air traut sich, ein solches Projekt in diesem Kontext zu präsentieren, so etwas ist mutig. Und so ist es tatsächlich auch viel spannender, die Reaktionen des Publikums zu beobachten, als die Show selbst. Es gibt zwar einige Leute, von denen Buhrufe kommen und die bereits nach den ersten Minuten wieder gehen, aber eine nicht allzu kleine Menge bleibt da und beobachtet sehr interessiert das farbenfrohe Treiben auf der Bühne. Ein Experiment, das sich am Ende doch irgendwie lohnt. Wobei nur wenige Minuten nach dem Umbau auch schon wieder ein ganz anderer Wind weht. als Der G3raet sein gemeinsames Set mit MC Dubwiser beginnt, der die kleine Bühne binnen kürzester Zeit wieder zur Dancehall macht. Der DJ spielt ein sehr zeitgenössisches Drum & Bass-Set, während ein emotional aufgelegter Dubwiser das Publikum anfeuert. Bereits nach einer Viertelstunde tanzen die ersten auf der Bühne weiter und spätestens als Der G3raet seinen Remix von Ray Charles' Hit the Road, Jack auspackt, sind die Zustände anarchistisch. Mein Freitag ist nach diesem Gig beendet, was auch gut so ist. Denn der Samstag soll das ganze noch toppen. Bereits um kurz vor zwölf Uhr mittags sammelt sich eine Gruppe von Motivierten um MC Dubwiser, die mit einer spontanen Jamsession auf der Wiesenbühne die schlafenden Wecken und den letzten versprengten Nachteulen den Rest geben. Auf der Bühne und im Publikum wird Wodka herumgereicht und jedes greifbare Utensil zum Instrument zweckentfremdet. Und auch solche Momente machen die Schönheit dieses besonderen Festivals aus. Unverhoffte Aktionen wie diese werden hier von den Veranstaltern geduldet und am Ende bleibt alles in der Familie. Nicht überall wäre man da so cool. Das richtige Programm beginnt allerdings auch erst gut vier Stunden später, und zwar mit der Plauener Band Polis. Über die habe ich ja hier bereits ausführlich berichtet und ihr Set war einer meiner Haupt-Anlaufpunkte dieses Festivals. Das Quintett spielt ein Potpourri aus alten Songs, die im neuen Gewand aufregend anders klingen, Stücken vom aktuellen Album Sein und bisher unveröffentlichtem Material, das große Hoffnungen auf ein baldiges neues Projekt der Ostrocker macht. Die äußerst sympathische Band erlebt man danach mit Kind und Kegel das Festivalgelände erkunden und in trauter Eintracht das Geschehen beobachten, dem auch ich mich weiter widme. Um 19 Uhr spielt die chilenische Shoegaze-Gruppe the Holydrug Couple, die mit ihrem quirlig-gechillten Dreampop-Sound die Abendstimmung perfekt untermalt und darüber hinaus über den süßesten Drummer des ganzen Wochenendes verfügt. Dass sie dabei ziemlich nach Tame Impala klingen, stört für den Moment überhaupt nicht. Leider wandern große Teile ihres Publikums nach einer Weile bereits zur Wiesenbühne ab, auf der zu dieser Zeit die Brassbanditen spielen, die ihrem Namen alle Ehre machen. Mit urigem Blasorchester-Sound werden hier unter anderem A-Ha, Rage Against the Machine und die Tetris-Melodie verwurstet. Dazu gibt es witzige Kostüme und ulkige Tanzeinlagen. Aber das Publikum ist begeistert. Der weitere Abend plätschert danach so vor sich hin. Ich höre kurz beim recht ereignisarmen Postrock von Trio Schmetterling rein, lausche dem düsteren Trance-Groove von Waelder und erlebe den ziemlich holprigen Anfang der Berliner Indierocker Zelf. Erst um kurz nach Mitternacht kommt der Paukenschlag mit dem spektakulären Konzert der französischen Postrock-Kapelle Pauwels. Die Musiker haben sich dazu selbst in der Mitte ihres tobenden Publikums eingekesselt und feuern geballte Salven aus Lärm ab, die bei zwei Drummern auch ordentlich Schlagkraft haben. Gitarrist Sebastien Hermann springt immer wieder in die Menge, die sich schon nach wenigen Minuten zu einer wahrhaften Orgie entwickelt hat und auch nach fast anderthalb Stunden Konzert noch nicht genug hat. Der Gig von Pauwels wird am Ende der sein, über den am nächsten Tag noch alle reden. Am Sonntag trottet das L*Abore-Festival ohne weitere Programmpunkte aus, dafür gibt es Helge Schneider aus der Konserve und die ganz harten können auch dazu tanzen. Trotz des ambitionierten Line-Ups und dem mittlerweile 15. Jubiläum des Open Airs bleibt es hier also gemütlich und überschaubar. Die Coolness dieser Veranstaltung liegt für mich noch immer in der Bescheidenheit, mit der die Veranstalter hier heran gehen. Nur 1200 Karten standen diesmal zum Verkauf, dennoch war das Gelände zumindest gefühlt voller als in den Jahren zuvor. Darüber hinaus gab es auch diesmal wieder keinen Headliner. Dieses Konzept ist vielleicht nicht gerade kommerziell erfolgreich, aber am Ende des Wochenendes gehen alle mit einem Lächeln wieder nach Hause. Und mit dem festen Vorhaben, nächstes Mal wieder zu kommen...

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Montag, 20. Juli 2015

Knowing the Chemistry

THE CHEMICAL BROTHERS
Born in the Echoes

EMI
2015
















Es ist vielleicht bisher noch nicht unbedingt so oft Thema gewesen, aber die Chemical Brothers nehmen in meiner persönlichen musikalischen Identitätsfindung einen ranghohen Platz ein. Ihr Album Surrender von 1999 ist für mich eine der besten Platten, die je veröffentlicht wurden und auch darüber hinaus haben mich die zwei Briten immer mit Stilgefühl und Bewusstsein für Risiken beeindruckt. Man konnte sich bisher sozusagen immer auf sie verlassen. Immer, das war das letzte Mal 2010, als ihr Comeback-Album Further erschien, liegt also schon fünf Jahre zurück (die ein Jahr später erschienene Filmmusik zum Film Hanna zähle ich hier nicht mit). Die Musikszene, gerade die elektronische, hat sich in dieser Zeit maßgeblich verändert. Und auch die gute letzte Platte konnte nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Chemical Brothers im Grunde immer noch Musik für die späten Neunziger machen. Ich war also gespannt, was Born in the Echoes aus dieser Situation machen würde. Die erste Single Go war diesbezüglich schon mal ganz vielversprechend: Sie band mit den Vocals von Q-Tip moderne R'n'B-Einflüsse ein und klang trotzdem nach der Tradition des Duos. Weitere Gäste wie St. Vincent oder Beck verstärkten den Eindruck, dass hier mal etwas neues ausprobiert werden sollte. Die Mittel, die dazu genutzt werden, sind allerdings nicht immer ganz frisch. So hat bereits der Opener Sometimes I Feel So Deserted einen leichten Krautrock-Einschlag, der ja nun wirklich alles andere als modern ist. Und die psychedelische Nummer ist bei diesen Jungs ja auch nicht unbedingt neu. Überhaupt ist die ganze Sache mit der klanglichen Renovierung nur eine scheinbare Kur, sozusagen die Spitze des Eisberges. Mit hippen Gaststars und leicht abgeänderter Produktion werden hier Grundstrukturen aufgebrezelt, die auch schon 1995 auf einem Chemical-Album hätten gewesen sein können. Aber nun die große Frage: Ist das denn so dramatisch? Meine persönliche Antwort darauf ist ein klares Nein. Für jemanden wie mich, der mit dem klassischen Sound der Chemobrüder so viele gute Erfahrungen gemacht hat, ist das hier tausendmal besser, als wenn hier plötzlich ein modernes EDM-Werk herausgekommen wäre. Ferner muss man auch sagen, dass jener klassische Sound hier weiterhin kultiviert wird und auch 2015 alles andere als langweilig klingt. Born in the Echoes ist damit nicht auf die Weise gut, wie das neue Prodigy-Album gut ist, sondern viel ehrlicher und würdevoller. Und das waren die Chemical Brothers ja schon immer.
9/11

Beste Songs: Under Neon Lights / I'll See You There

Nicht mein Fall: Wide Open

Weiterlesen:
Review zu the Day is My Enemy (the Prodigy):
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Review zu Chasing Yesterday (Noel Gallagher's High Flying Birds):
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Mittwoch, 15. Juli 2015

Er tut es schon wieder

GHOSTFACE KILLAH & ADRIEN YOUNGE
Twelve Reasons to Die II

Linear Labs
2015
















Man kann sich die Anzahl von ziemlich gleichförmigen Retro-Projekten, in die Ghostface Killah seit ein paar Jahren verwickelt ist, langsam an den Fingern abzählen. Da gab es im Mai 2013 den ersten Teil von Twelve Reasons to Die, der bis heute das einzige richtig gute Projekt bleibt, das Soloalbum 36 Seasons vom letzten Dezember, die Kollaboration mit Badbadnotgood im Frühjahr und jetzt das Sequel zum Anfangserfolg. Und eigentlich müsste mich die ganze Geschichte langsam anöden, was sie prinzipiell auch tut. Allerdings hatte ich für dieses Album wieder einiges an Interesse übrig. Zum einen, weil Ghostface Killah auch nach einer ganzen Reihe von Patzern noch immer ein wahnsinnig talentierter MC bleibt, der immer wieder überraschen kann, zum anderen, weil er hier wieder mit Adrien Younge, dem Komponisten des ersten Teils zusammenarbeitet, der als Erfolgsgarant für Projekte dieser Art funktionieren könnte. Was jedoch nicht heißt, dass ich ohne gesundes Misstrauen an diese Platte heranging. Bei einer länge von gerade Mal etwas mehr als einer halben Stunde war dieses auch nicht ganz unberechtigt. Schon nach dem ersten Hördurchlauf konnte ich statuieren, dass Twelve Reasons II eindeutig zu kurz geraten ist. So gut wie jeder Song hier hätte ruhig noch etwas länger gehen können und das Tempo, in dem der MC hier seine Geschichte durchrasselt, passt nicht unbedingt zu gediegenen musikalischen Begleitung. Die ist übrigens mal wieder fabelhaft geworden und experimentiert auch mit der von Ghostface Killah so lieb gewonnenen Ästhetik, was sie zumindest zu einem gewissen Grad wieder interessant macht. So klingt beispielsweise Rise Up am Anfang wie ein Reggea-Song, zahlreiche Interludes führen die Themen ineinander und Orgeln und Streicher untermalen die Texte äußerst passend. Mein Lieblings-Moment des Albums ist jedoch definitiv Death's Innovation, da hier der Flow des Songs komplett auseinandergenommen wird und die Sache am Ende fast in Spoken Word gipfelt. Die Strophe von Gast-Rapper Lyrics Born hier ist fantastisch und auch der Killah selbst gibt hier seine beste Performance ab. Sowieso zeigen die Kollaborateure hier ein gutes Händchen mit Features: Lieblings-Newcomer Vince Staples überzeugt in Get the Money und Soul-Stimme Bilal haucht Resurrection Morning jede Menge Drama ein. Man kann also zusammenfassen, dass die neue Lieblingsbeschäftigung des Ghostface Killah hier wieder einmal ganz gut aufgegangen ist. Hinter Twelve Reasons II steckt wieder ein spannender Plot, neue Ideen und ein gewiefter Adrien Younge. Trotzdem kommt die Platte gegen ihren Vorgänger doch kaum an, der einfach noch um einiges tougher, innovativer und stylischer war. Und nach diesem Album wünsche ich mir nur noch sehnlicher, dass Ghostface Killah mal wieder von seinem Retro-Trip runter kommt. Vier Alben sind genug. Wirklich.
8/11

Beste Songs: Death's Innovation / Resurrection Morning

Nicht mein Fall: Return of the Savage

Weiterlesen:
Review zu Sour Soul (Ghostface Killah & Badbadnotgood):
zum Review

Review zu 36 Seasons (Ghostface Killah):
zum Review

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Dienstag, 14. Juli 2015

Orangene Revolution

THE INTERNET
Ego Death

Odd Future
2015
















Es ist seltsam mit anzusehen, wie sich nach dem Ende von Odd Future haufenweise Künstler des Labels stilistisch emanzipieren und auf einmal wahnsinnig talentiert sind. Tyler, the Creator macht plötzlich auf erwachsen, Vince Staples steigt aus dem Schatten seiner Buddies hervor und auf einmal wollen es auch the Internet noch mal so richtig wissen. Zwar ist ihre Platte offiziell noch beim alten Label veröffentlicht, doch die Band gibt sich hier zukunftsgewand und eigenmächtig wie wie nie. Bisher war diese Formation eigentlich eher so etwas wie der Inside Job von Odd Future und kontrastierte die finsteren Rap-Platten der MC-Fraktion mit psychedelischem Neo-Soul. Der litt allerdings sehr darunter, dass er ebenfalls die bei allen ansässigen Projekten übliche LoFi-Ästhetik strapazierte und es ihm irgendwie am wichtigsten fehlte: der Seele. Folglich wurden the Internet von den meisten Leuten eher belächelt, die vor ein paar Wochen dann total überrascht waren, als Ego Death raus kam. Denn die neue Platte drückt für die Band einmal den Reset-Knopf und sichert ihnen damit das Überleben in einer Zeit nach Odd Future. Mit hochkarätigen Gästen wie Janelle Monáe oder Vic Mensa und einem sehr viel tighterem und jazzigerem Sound wird hier erstmals wirklich Überzeugungsarbeit geleistet, die beeindruckt. Zum ersten Mal wird großflächig Live-Instrumentation eingesetzt, die sich mit Schmackes an die momentan gerade so hippe neue Jazz-Fusion-Ästhetik von Thundercat und Konsorten ranschmeißt und kreiert damit endlich mal etwas, das man als Soul bezeichnen kann. Syd tha Kid zaubert mit ihrer endgechillten Norah-Jones-Stimme einen silbernen Faden über jeden Song und klingt damit großartig, obwohl sie auch hier noch weit davon entfernt ist, eine wirklich talentierte Vokalistin zu sein. Aber Falsett-Gesang und gepresste Arien wären auf so einem Album ohnehin fehl am Platz. Es ist ein bisschen wie vor ein paar Jahren bei Frank Ocean, den mochte man ja auch gerade weil er so gefasst war. Um bei ihm anzukommen, müssen the Internet sich noch ein bisschen anstrengen, aber der Neuanfang ist auf Ego Death definitiv geglückt. Die Betonung liegt dabei auf Anfang, denn auf das hier geleistete kann die Band hoffentlich noch weiter aufbauen. Damit ihre Platte dann irgendwann wirklich mit Channel Orange vergleichbar ist. Das ist das nächste Etappenziel.
9/11

Beste Songs: Gabby / Go With It / Just Sayin'/I Tried / Special Affair

Nicht mein Fall: Under Control

Weiterlesen:
Review zu Channel Orange (Frank Ocean):
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Review zu Cherry Bomb (Tyler, the Creator):
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Montag, 13. Juli 2015

I Say Disco, You Say Parker

TAME IMPALA
Currents

Caroline
2015
















Es ist schon von Vorteil, dass ich das mit dem Bloggen jetzt schon seit ein paar Jahren mache, denn so komme ich in den Genuss der Erfahrung, schon mal den Hype um ein Album von Tame Impala erlebt zu haben. Und weiß jetzt, wie unterschiedlich sich so was auf einen auswirken kann. Als 2012 Lonerism herauskam, war ich schon Monate vorher total aus dem Häuschen und handelte die fertige Platte als eine der Favoriten für die beste Arbeit des Jahres, was sie dann ja letztendlich auch fast wurde. Daraus meine Skepsis gegenüber Currents zu folgern, ist unter rationalen Gesichtspunkten nicht möglich. Ja gut, ich mochte die bisherigen Singles nicht wirklich und auf ein Meisterwerk wie Lonerism ein weiteres Meisterwerk folgen zu lassen, ist immer schwierig. Aber nach so vielen positiven Erfahrungen mit Tame Impala sollte ich eigentlich an Kevin Parkers Kompositionstalent glauben, statt es in Frage zu stellen. Und ein schlechtes Album ist das hier vorliegende auch bei weitem nicht. Let it Happen gibt sich als Opener so richtig Mühe und zumindest die ersten drei Minuten sind sowas wie der Instant-Hit hier. Man muss sich allerdings auch darauf einstellen, dass Currents noch ein bisschen unterkühlter klingt als seine Vorgänger und das im Laufe der Platte auch nicht mehr anders wird. Songs wie Yes, I'm Changing und Cause I'm A Man klingen eher nach Achtziger-New-Wave als nach Hippie-Zauberei und die heißesten Momente erlebt man, wenn Parker sich die Bee Gees vornimmt. Seine Stimme liegt dabei wie eine hauchdünne Eisschicht über den Synthesizer-Melodien, auf denen der Hörer ruhig auch Schlittschuh laufen darf. Nur bitte keine Lagerfeuer-Romantik und kein Räucherstäbchen-Schamanismus mehr, das sind jetzt scheinbar Relikte der Vergangenheit. Tame Impala waren schon immer eher ein Pop-Projekt als eine Rockband, aber spätestens jetzt wird das auch keiner mehr falsch verstehen. Kevin Parker klingt hier ungefähr so, wie ich immer wollte, dass Empire of the Sun mal klingen. Also im Endeffekt trotzdem verdammt gut. Currents ist nicht die Platte, die ich mir gewünscht habe (Lonerism war das nämlich damals), aber es gibt trotzdem nichts, das ich hier wirklich bemängeln würde. Parker schreibt nach wie vor gute Songs, die er jetzt eben den Gibb-Brüdern statt John Lennon auf den Leib schneidert, aber das könnte alles schlimmer sein. Und dabei will ich es auch belassen, denn ich habe gerade das wahrscheinlich einzige Review zu diesem Album geschrieben, das ohne das Wort Disco auskommt. Das ist heute mein persönliches Erfolgerlebnis.
8/11

Beste Songs: Let It Happen / Eventually / the Less I Know, the Better / Cause I'm A Man

Nicht mein Fall: the Moment

Weiterlesen:
Review zu What For? (Toro Y Moi):
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Review zu the Magic Whip (Blur):
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Sonntag, 12. Juli 2015

Die Lieblingsband von Siri

BETWEEN THE BURIED AND ME
Coma Ecliptic

Metal Blade
2015
















Snobistischer Progressive Metal und großkotzige SciFi-Epen: Mit diesen Parametern haben sich Between the Buried and Me in den letzten Jahren einen Namen gemacht. Mit ihrem Album-Zweiteiler the Parallax stellten sie von 2010 bis 2012 eines der ambitioniertesten Projekte des Genres vor und wurden infolgedessen auch gerne mal zum Meme degradiert, das ihre Platten als elitäres musikalisches Kommunikationsmittel verstand und Otto Normal-Metalhead von oben herab betrachtete. Begründet wurde diese Haltung durch den immensen technischen und erzählerischen Anspruch ihrer Songs, der aber wohlgemerkt nichts über die Qualität der Musik aussagt. Denn hier bewegen sich Between the Buried and Me schon immer auf Glatteis. Ihre Ästhetik entspricht der vieler technisch versierter Progressive-Bands wie Periphery oder Coheed and Cambria, spaltet also die Geister der Hörer. Was der eine als perfekt abgeschmecktes Amalgam zwischen brilliant gespieltem und emotional angehauchtem Style sieht, ist dem anderen die widerlichste Emo-Prog-Mischpoke überhaupt und generell eine musikalische Sünde. Da ich nun eher zu letzterem Klientel gehöre, kann ich leider auch mit dem neuen Album der Band aus North Carolina anfangen. Was ich an Coma Ecliptic schätze, ist tatsächlich nicht mehr als der technische Aspekt, der ja auch nicht zu leugnen ist. Aber wie über dieses großartig konzipierte Gerüst dann konsequent Chart-Schmalz gekleistert wird, ist absolut nicht mein Fall. Und das dann ganze fast 70 Minuten lang zu ertragen, dafür sollte ich eigentlich Bezahlung verlangen. Der Opener Node hält sich mit der Schnulzerei noch zurück und ist damit tatsächlich ein ganz akzeptabler Track, doch alles was danach kommt, gehört zum Schlimmsten, was diese Art von Musik seit langem zu bieten hatte. Und das gilt nicht nur für die Pop-Inspirierten Parts. Auch die Screamo-Teile sind hier vollkommen emotionslos gehalten und bilden nicht den erwünschten Kontrast zu den gesungenen Vocals. Die glasklare Produktion des ganzen ist da schon gar nicht mehr das Problem. Das Problem ist, dass mich Between the Buried and Me mit ihren Songs bewegen wollen, mir aber das Gefühl vermitteln, es hier mit Musik zu tun zu haben, die von einer App komponiert und eingespielt wurden. Die Fans solcher Bands hören das sicherlich nicht gerne, aber Coma Ecliptic lässt mich absolut kalt. Und die Sache hatten wir ja schon beim letzten Muse-Album geklärt. Bitte nicht schon wieder.
2/11

Bester Song: Node

Nicht mein Fall: Was soll die Frage?

Weiterlesen:
Review zu Juggernaut Alpha & Omega (Periphery):
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Review zu Drones (Muse):
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Samstag, 11. Juli 2015

Opportunismus und Stagnation

K.I.Z
Hurra die Welt geht unter

Vertigo
2015
















Ich muss zu Anfang mal ehrlich sein: Ich bin mir selbst nicht sicher, ob ich dieses Review tatsächlich aus Eigeninteresse schreibe, oder weil bei einem Post über K.I.Z die realistische Chance besteht, dass tatsächlich mal Leute meine Sachen lesen. Denn obwohl ich die drei Berliner Kanaillen seit geraumer Zeit immer mal ganz gerne höre und sie tatsächlich auch unterhaltsam finde, würde ich mich nicht wirklich als Fan bezeichnen. Ich bin keiner der Leute, die alle ihre Texte auswendig können und eigentlich auch nicht derjenige, der das ganze unbedingt auf Albumformat braucht. K.I.Z schreiben viele gute Songs, aber die paar schwachen kann man dann eben auch nicht ignorieren, wenn man sich mit Longplayern auseinandersetzt. Der letzte davon, Urlaub fürs Gehirn von 2011, war meiner Meinung nach besonders langweilig und mancher möchte behaupten, dass es auf Hurra die Welt geht unter nicht besser wird. Mit Wir hat die Platte zwar einen großartigen Opener in petto, in dem die Band eben genau durch das gleiche Arschgesicht-Image punktet, dass hier viel zu selten zu Tage tritt. Schon im zweiten Song Geld sieht das Rezept nämlich ganz anders aus: pappige, gesungene Hooks, gespieltes Selbstmitleid und politsche Botschaften, die ein bisschen zu ernst gemeint sind dominieren ab hier. Freier Fall beispielsweise ist ein Trennungssong und funktioniert ohne jeglichen doppelten Boden. Aus Boom Boom Boom hört man einen latenten seriösen Ton heraus und Ariane fällt beim Versuch, ein total fieser Track zu sein, ins Rammstein-Niveau ab. Es ist eine schwere Erkenntnis, die daraus folgt, aber so wie es aussieht, haben K.I.Z irgendwie ihren Biss verloren. Routiniert nudeln sie ihre Ekel-Attitüde runter, rappen über Schwänze, Koks und Schlägereien, aber taugen dabei nicht mehr wirklich zum Schrecken einer kleinbürgerlichen Gesellschaft, die inzwischen selbst lieber ihre alten Platten hört. Die Aufgabe des HipHop-Schockers, den die Band ja zugegebenermaßen über viele Jahre mit Bravour gemeistert hat, hat sich spätestens jetzt der Nachwuchs unter den Nagel gerissen: Zugezogen Maskulin oder Edgar Wasser sind mittlerweile wesentlich härter unterwegs als die etwas gemütlich gewordenen K.I.Z, die als beliebte Festival-Headliner und die Knorkator des Deutschrap ja trotzdem noch ganz gut klar kommen. Wegen Hurra die Welt geht unter werden sie jedenfalls niemandem in Erinnerung bleiben. Jetzt wäre eher der Zeitpunkt für ein Greatest-Hits-Album.
5/11

Bester Song: Wir

Nicht mein Fall: Geld / Ariane

Weiterlesen:
Review zu Alles Brennt (Zugezogen Maskulin):
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Review zu Ring der Nebelungen (Marsimoto):
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Freitag, 10. Juli 2015

Freischwimmer

LEE BANNON
Pattern of Excel

Ninja Tune
2015
















Was zur Hölle hat man an einem Typen wie Lee Bannon? Bisher machte der Brite in seiner Laufbahn eher mäßig gute Platten, von denen die meisten daran scheitern, dass sie sich selbst zu Ernst nehmen. Trotzdem habe ich förmlich darauf gebrannt, endlich in sein neuestes Werk Pattern of Excel reinhören zu können und habe die letzte Woche total auf Kohlen gesessen deswegen. Aber mit den ersten Takten der Platte kam zum Glück auch die Antwort auf meine Eingangs gestellte Frage: Man weiß eben nie so genau, was man an Lee Bannon hat. Ständig probiert dieser Kerl neue Sachen aus und stellt sich Herausforderungen, denen sich in seinem Metier kein anderer so stellt. Da ist es nur verständlich, dass die ein oder andere Unternehmung nicht so glücklich ausgeht. So geschehen mit seinem im Januar 2014 veröffentlichten Album Alternate / Endings, welches sich an einer postmodernen Herangehensweise an Drum and Bass versuchte, wobei Bannon teilweise meilenweit am Ziel vorbei schoss. Ein deutlicher Griff in die Minusbox. Genau so deutlich hört man aber auch Pattern of Excel an, dass der Künstler damit jetzt abgeschlossen hat. Bei ihm klingen nie zwei Alben gleich und es ist deshalb nur gut und richtig, ihm noch einmal diese Chance zu geben. Zumal die neue Platte um Welten besser ist als die letzte und sein Rezept hier endlich mal aufgeht. Mit seiner typisch düsteren Spielart pirscht sich Bannon hier an Ambient- und Experimental-Elektro heran, nutzt dabei aber auch Einflüsse aus Industrial, HipHop und sogar Vaporwave. Pattern of Excel macht nicht unbedingt den Eindruck, als wären die Tracks hier gezielt für ein Album konzipiert, sondern funktioniert eher als künstlerische Werkschau des Interpreten. Das ist sehr von Vorteil, denn wir haben es hier mit einem vielschichtigen Künstler zu tun, der besser daran tut, sich nicht auf eine Richtung zu versteifen. So ist beispielsweise Kanu ein astreines Ambient-Stück, während Aga sehr nach Industrial klingt, die Platte im nächsten Song Inflatable aber schon wieder zu Dance-Beats umschwenkt. Das schöne daran ist, dass der Großteil der Tracks dabei in sich wunderbar funktioniert und es dadurch nur wenig mittelmäßiges Material auf Pattern of Excel gibt. Im Klartext heißt das, dass Lee Bannon hier sein erstes grundsolides Album vorlegt, das weder zu verkopft noch zu langweilig klingt. Und dabei wollte ich mir das Teil zuerst gar nicht anhören. Wo der Typ doch einer der waghalsigsten Produzenten unserer Zeit ist und bleibt. Den sollte man am Ball behalten.
9/11

Beste Songs: Good Swimmer / Kanu / DAW in the Sky for Pigs

Nicht mein Fall: Aga / Disney Girls

Weiterlesen:
Review zu Alternate/Endings (Lee Bannon):
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Review zu Angel Rig Hook (Amnesia Scanner):
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Dienstag, 7. Juli 2015

Surprise, Motherfucker!

VINCE STAPLES

Summertime '06

Def Jam
2015
















Wenn dieses Album schon vor seiner Veröffentlichung einen Status inne hatte, dann den des endgültigen Requiems für Odd Future Wolf Gang Kill Them All. Eine traurige Angelegenheit für ein Debüt, aber in diesen sauren Apfel muss Vince Staples jetzt eben beißen, wenn er was daraus machen will. Und dass die Geschichte des Label mit ihm endet, bedeutet gleichzeitig, dass man nochmal gezeigt hat, was man kann. Ein so ambitioniertes Projekt gab es bei denen vorher eigentlich noch nie und damit gerechnet hatte irgendwie auch keiner. Jetzt wo Summertime '06 draußen ist, frage ich mich ehrlich gesagt, wo dieser Typ die ganze Zeit gesteckt hat. Er war immer einer in der letzten Reihe der Gang, der nie wirklich auffiel und den ich als eher weniger talentiert einschätzte. Was man hier jedoch hört, ist ohne Übertreibung eine der besten Platten, die jemals unter der OFWGKTA-Flagge veröffentlicht wurden. Oder hätten veröffentlicht werden können. Denn mit dem Ende des Labels hat sich Vince jetzt einen fetten Deal bei Def Jam besorgt und bekommt nun eben dort die Karriere, die er bei der Wolf Gang nie hatte. Ganz zu seinem und unserem Besten. Denn Summertime '06 tut gut daran, nicht im LoFi-Sumpf seiner Kollegen baden zu gehen, sondern sich mit HQ-Sound und Mainstream-Appeal herauszustellen. Staples ist ein eher konservativer Rapper, und eine konservative Ästhetik steht ihm deshalb tausendmal besser als der ganze Indie-Kram, den er bisher versuchte, zu machen. Tracks wie Lemme Know oder Señorita sind echte Hits, die aber auch nie zu sehr zu bloßem Radio-Futter werden, was auch dem wirklich interessanten Flow von Vince zu verdanken ist. Und mit fast einer Stunde Material zeigt der MC auch, dass er die lange Zeit bis hierher gut genutzt hat. All das braucht er aber auch, um die eine Sache zu tun, die er hier tun muss: Den Ruf des Odd-Future-Sargnagels los werden. Zumindest bei mir hat er das auch geschafft. Am Anfang dachte ich über dieses Album als Überbleibsel eines zerstreuten Mythos, mittlerweile sehe ich es als Sprungbrett. Denn dieser Künstler profitiert ehrlich gesagt davon, nicht mehr im Schatten seiner viel berühmteren Kollegen zu stehen, die sein Talent eh nie so richtig gefördert haben. Und seit er weg von dort ist, geht es mit seiner Karriere ständig bergauf. Die Nachricht am Ende ist also positiv: Für einige ist die Welt ohne Odd Future eine bessere. In dieser kann man zu diesem Zeitpunkt nur alles Gute wünschen, denn Vince Staples ist jetzt an dem Punkt, wo es meistens richtig interessant wird. Ein Erfolg, den man ihm gönnen kann.
8/11

Beste Songs: Norf Norf / Birds & Bees / Get Paid

Nicht mein Fall: 3230

Weiterlesen:
Näheres zum Ende von Odd Future:
zum Wort zum Sonntag

Review zu the Ecology (Fashawn):
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Montag, 6. Juli 2015

Nine to Five

FOUR TET

Morning / Evening

Text Records

2015
















Man dachte eigentlich, man könnte sich auf Kieran Hebden verlassen. Seit Jahren war der Londoner Produzent schon unter dem Pseudonym Four Tet aktiv und dabei stets so etwas wie der Typ, der den Puls der Zeit direkt fühlen darf. Seine Platten waren immer tierisch modern und Youngster aus allen Ecken der Welt stürzten sich auf seine Tracks wie auf das neue iPhone. Dass eine gewisse Veränderlichkeit dabei vonnöten war, ist nur logisch. So hatte Hebden zu Beginn des neuen Jahrtausends mit Indietronic angefangen und war mit seinem letzten Longplayer Beautiful Rewind irgendwo im Ambient-Pop angekommen. Was dabei aber stets eine Konstante war, war die relativ einfache Konsumierbarkeit seiner Tracks und Alben, die ihn mit der Zeit zu dem Club-Halbgott machte, der er heute ist. Und als solcher kann man seine Verantwortung gegenüber seinem Publikum auch mal nicht so ernst nehmen. Schon von seinen Live-Sets der letzten Tour werden wüste Geschichten erzählt. Four Tet soll unter die Psychedeliker gegangen sein, heißt es und sehr eigenartige Tracks spielen. Alles nur Gewäsch? Wenn man sich Morning / Evening, das neueste Album den Briten anhört, sieht es gar nicht danach aus, denn Hebden macht hier tatsächlich ernst. Die Platte besteht aus nicht mehr als zwei Songs, von denen jeder genau eine Seite der Schallplatte füllt, die dann jeweils die Namen Morning und Evening tragen. Schon das an sich ist ein Schachzug, den man eigentlich eher in der Postrock-Szene vermutet und der mit Konsumierbarkeit und Youngster-Gehabe so gar nichts zu tun hat. Für elektronische Musik ist diese Herangehensweise geradezu konzeptionell und exotisch, nutzt sie doch die Idee einer Vinyl-Veröffentlichung als Leitmotiv. Ein Medium, auf dem die meisten Produzenten von heute nicht mal mehr rumkratzen wollen. Und dabei haben wir über die Musik hier drauf noch nicht einmal gesprochen. Four Tet ist bisher eigentlich nicht dafür bekannt gewesen, besonders lange Tracks zu komponieren, weshalb ich mir über die Umsetzung dieses Plans zunächst berechtigte Sorgen machte. Ob diese bestätigt wurden, hängt ganz davon ab, wie man Morning / Evening sieht. Hebden ist keiner der Typen, die progressive Epen mit fünftausend Teil-Motiven schreiben, die sich gegenseitig schichten und auflösen. Sein Ding ist eher der Aufbau von Atmosphäre. Und da kann man wieder mal nicht meckern: Die beiden Stücke verstehen sich als Titelthemen eines Morgens beziehungsweise eines Abends und sind als solche auch äußerst überzeugend. Die Ästhetik stimmt und trägt den Hörer locker über die zwanzig Minuten des Tracks. Auch sind die beiden Seiten nicht zu gegensätzlich und hängen die Coolness ihres Interpreten nicht komplett an den Nagel. Ein kleines Problem hier ist das Sampling, dass besonders auf Morning besonders repetitiv ist und nach zehn Minuten Dauerschleife schon mal nerven kann. Allerdings fordert es den Hörer auch heraus und zeigt einmal mehr, dass Four Tet zu mehr taugt als zum Apple-Store der englischen Indiekids. Morning / Evening ist damit trotz seiner experimentellen Herangehensweise ein weiteres solider Baustein in der Diskografie von Kieran Hebden, der hiermit vielleicht seinen größten Stilbruch versucht hat. Ich freue mich jetzt schon aufs nächste Wiedersehen.
8/11

Bester Song: Evening

Nicht mein Fall: -

Weiterlesen:
Review zu Beautiful Rewind (Four Tet):

Review zu Our Love (Caribou):

Sonntag, 5. Juli 2015

Tiefenrausch (feat. neues Layout)

ABYSSAL

Antikatastaseis

Profound Lore

2015

















Ich hoffe, ihr verzeiht mir, dass es die letzten paar Tage keine neuen Reviews von mir gab. Ich habe etwas am neuen Layout gabastelt, welches ihr jetzt vor euch seht, habe ein bisschen die Releases des vergangenen halben Jahres resümiert (ein Post dazu folgt eventuell bald) und, zugegeben, auch ein bisschen entspannt. Da aber die neuen Platten im Juli nicht darauf warten, dass ich mich von der Hitzewelle erholt habe, muss ich jetzt wohl langsam wieder ran an den Speck und diese Musik besprechen. Anfangen möchte ich dabei mit einem Newcomer, nämlich der jungen britischen Death-Metal-Kapelle Abyssal, die dieser Tage ihr Debüt auf meinem Herz-Label Profound Lore veröffentlichen. Man muss dazu sagen, dass der Begriff Death Metal hier etwas grob gehalten ist. Schon am abstrakten Artwork von Antikatastaseis erkennt man ja, dass die Band nicht unbedingt zu den Lieblingen der Szene-Polizei gehören will, weshalb sie auf diesem Album auch mit zahlreichen Einflüssen um sich wirft. Der stärkste dürfte dabei aus dem Black Metal kommen, einige Passagen der sieben Tracks hier kippen komplett in Blastbeat-Gewitter und Gitarren-Mäander um, wobei sich Abyssal auch nicht zu schade dafür sind, einmal mehr mit ätherischen Shoegaze-Momenten zu protzen. Als Metal-Act von Welt muss man sowas im Jahr 2015 ja auch machen. Nebenbei hört man bruchstückhaft aber auch Momente, die nach Doom, Postrock, Ambient oder sogar klassischer und indigener Musik klingen. Ein teilweise ganz schön waghalsiges Unterfangen. Antikatastaseis schafft es dabei aber trotzdem, ein kontinuierlicher Batzen an zutiefst finsterer Krachmusik zu bleiben. Und das hat bei Abyssal auch System. Für diejenigen, die keinen Fachabschluss in Altgriechisch haben: Der Bandname ist nichts geringeres als die Bezeichnung für die unendliche Tiefe in der antiken Mythologie. Eine Ästhetik, die der Sound der Platte wiederspiegelt. Und die zeigt, dass diese Musiker Songs mit Köpfchen machen. Antikatastaseis ist für den Hörer ein Erlebnis, welches man nur bei wenigen Metal-Alben mitbekommt und überzeugt ferner durch erstklassigen Sound und den Willen, sich nicht einer Szene zu unterwerfen. Mit so einem Album fängt die zweite Hälfte des laufenden Jahres genau so großartig an, wie die erste aufgehört hat. Und verfügt nach gerade Mal vier Tagen über ihr erstes Highlight.
10/11

Beste Songs: Veil of Transcendence / A Casual Landscape

Nicht mein Fall: -

Weiterlesen:
Review zu Stellar (der Weg einer Freiheit):
zum Review

Review zu the Unnatural World (Have A Nice Life):
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Mittwoch, 1. Juli 2015

Die Auserwählten: Juni 2015

Wenn am Ende des Monats das wie immer großartige neue Album von Sun Kil Moon auf Platz neun der Auserwählten steht, weiß man, dass der Juni 2015 ein Monat der Highlights war. Und das vor allem in quantitativer Hinsicht. Denn obwohl nur einer der Kandidaten hier eine zweistellige Punktzahl im Review bekam, habe ich diesmal gleich sechs Neuveröffentlichungen, die ich als Kandidaten für die Jahresbestenliste handele. Dass die fast alle aus den Bereichen Metal und Hardcore kommen, ist dabei natürlich umso schöner. Ich wünsche euch allen einen schönen Juli!

1. TEMPEL
the Moon Lit Our Path
Auf ihrem dritten Longplayer steigen Tempel noch ein Stockwerk tiefer in die Finstere Welt des Doom-Metal und finden dort auch endlich den richtigen Sound, der the Moon Lit Our Path zu ihrem bisher besten Album macht. Mit Einflüssen aus Post- und Black-Metal kreieren die Amerikaner hier eine atmosphärische Berg- und Talfahrt, die einem einen Schauer nach dem anderen über den Rücken jagt.

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2. HIGH ON FIRE
Luminiferous
Es gibt immer noch zu viele Leute, die den aggressiven Slugde von High On Fire als "total verkifft" bezeichnen. Dabei sollte spätestens Luminiferous der Beweis dafür sein, dass das Trio an kreativer Energie nur so überläuft. Und dass sie es sich auch hier nicht dazu hinreißen lassen, auch nur einen mittelmäßigen Song zu schreiben.

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3. DESAPARECIDOS
Payola
Conor Oberst und seine Band haben etwas daraus gemacht, dass sie dreizehn Jahre lang für ihr zweites Album gebraucht haben und ihr Emorock inzwischen schon wieder retro ist. Payola klingt gleichzeitig nach reifen Geistern, aber auch noch nach revolutionärer Energie und spricht tatsächlich relevante Fragen an. Und mit City On the Hill hat es mir den Ohrwurm des Monats verpasst.

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4. GORGOROTH
Instinctus Bestialis
Mit den ätherisch aufgeladenen Blackgaze-Bands hat dieses Album nichts zu tun, als Veteranen des Genres setzen diese Norweger noch immer auf brachiales Riffing, dicke Blastbeats und militante Trveness. Instinctus Bestialis klingt trotzdem kein bisschen eingeschränkt, sondern oldschool im besten Sinne.

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5. REFUSED
Freedom
Ich für meinen Teil hätte überhaupt nicht gedacht, dass ich das Comeback der schwedischen Hardcore-Revolutionäre gut finden würde, aber gerade durch gewagte Schritte ins Unbekannte und die Herausforderung ihres Publikums können Refused hier wieder Punkten. Es ist nicht das neue the Shape of Punk to Come, denn es versucht es gar nicht erst.

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6. KEN MODE
Success
Und noch so ein Brett, hier in Form des zweiten offiziellen Albums von Ken Mode aus dem kanadischen Winnipeg. Die Band verschmilzt hier Hardcore, Punk und trockenen Metal zu einem stählernen Sound, der über den Hörer hinweg fährt wie ein Panzer. Könnte noch sehr spannend werden mit dieser Gruppe...

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7. JAMIE XX
In Colour
Mit dem latent erotischen Schlafzimmer-Sound seiner Band the XX hat dieses Debüt sehr wenig gemein, schon das Artwork ist dafür viel zu intensiv. Und wenn man dann erst die ballernden Club-Tracks dieses Jamie XX hört, weiß man, dass hier doch ein großes Talent dahinter steht. Warum nicht immer so?

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8. A$AP ROCKY
At.Long.Last.A$ap
Ich war am Anfang noch etwas zurückhaltend damit, das neue Album von Rocky zu mögen, doch mittlerweile befinde ich es tatsächlich als sein bisher bestes. Irgendwie hat sich der junge Cloud-Rap-MC doch tatsächlich zu einer festen größe im Business entwickelt und das nicht nur in finanzieller Hinsicht. Und so was sollte ich respektieren.

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9. SUN KIL MOON
Universal Themes
In Anbetracht der vielen tollen Platten in diesem Monat muss sich ein durchaus überzeugender, aber eben nicht ganz so fantastischer Mark Kozelek hier hinten anstellen. Universal Themes ist ein gutes Album, aber so was ist bei diesem Typen ja der Normalfall. Und den großen Fisch hat er ja letztes Jahr schon mit Benji geangelt.

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10. WHITE POPPY
Natural Phenomena
Vielleicht das einzige wirklich entspannte Album in dieser Top Ten und ein Volltreffer in Sachen Dreampop und Shoegaze. Die Kanadier streuen wilde psychedelische Fantasien in ihre glitzernde Pastel-Pop-Mische und verzaubern damit jeden Hörer. In diesem Monat meine Medizin nach stundenlanger Metal-Beschallung.

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