Samstag, 11. Juli 2015

Opportunismus und Stagnation

K.I.Z
Hurra die Welt geht unter

Vertigo
2015
















Ich muss zu Anfang mal ehrlich sein: Ich bin mir selbst nicht sicher, ob ich dieses Review tatsächlich aus Eigeninteresse schreibe, oder weil bei einem Post über K.I.Z die realistische Chance besteht, dass tatsächlich mal Leute meine Sachen lesen. Denn obwohl ich die drei Berliner Kanaillen seit geraumer Zeit immer mal ganz gerne höre und sie tatsächlich auch unterhaltsam finde, würde ich mich nicht wirklich als Fan bezeichnen. Ich bin keiner der Leute, die alle ihre Texte auswendig können und eigentlich auch nicht derjenige, der das ganze unbedingt auf Albumformat braucht. K.I.Z schreiben viele gute Songs, aber die paar schwachen kann man dann eben auch nicht ignorieren, wenn man sich mit Longplayern auseinandersetzt. Der letzte davon, Urlaub fürs Gehirn von 2011, war meiner Meinung nach besonders langweilig und mancher möchte behaupten, dass es auf Hurra die Welt geht unter nicht besser wird. Mit Wir hat die Platte zwar einen großartigen Opener in petto, in dem die Band eben genau durch das gleiche Arschgesicht-Image punktet, dass hier viel zu selten zu Tage tritt. Schon im zweiten Song Geld sieht das Rezept nämlich ganz anders aus: pappige, gesungene Hooks, gespieltes Selbstmitleid und politsche Botschaften, die ein bisschen zu ernst gemeint sind dominieren ab hier. Freier Fall beispielsweise ist ein Trennungssong und funktioniert ohne jeglichen doppelten Boden. Aus Boom Boom Boom hört man einen latenten seriösen Ton heraus und Ariane fällt beim Versuch, ein total fieser Track zu sein, ins Rammstein-Niveau ab. Es ist eine schwere Erkenntnis, die daraus folgt, aber so wie es aussieht, haben K.I.Z irgendwie ihren Biss verloren. Routiniert nudeln sie ihre Ekel-Attitüde runter, rappen über Schwänze, Koks und Schlägereien, aber taugen dabei nicht mehr wirklich zum Schrecken einer kleinbürgerlichen Gesellschaft, die inzwischen selbst lieber ihre alten Platten hört. Die Aufgabe des HipHop-Schockers, den die Band ja zugegebenermaßen über viele Jahre mit Bravour gemeistert hat, hat sich spätestens jetzt der Nachwuchs unter den Nagel gerissen: Zugezogen Maskulin oder Edgar Wasser sind mittlerweile wesentlich härter unterwegs als die etwas gemütlich gewordenen K.I.Z, die als beliebte Festival-Headliner und die Knorkator des Deutschrap ja trotzdem noch ganz gut klar kommen. Wegen Hurra die Welt geht unter werden sie jedenfalls niemandem in Erinnerung bleiben. Jetzt wäre eher der Zeitpunkt für ein Greatest-Hits-Album.
5/11

Bester Song: Wir

Nicht mein Fall: Geld / Ariane

Weiterlesen:
Review zu Alles Brennt (Zugezogen Maskulin):
zum Review

Review zu Ring der Nebelungen (Marsimoto):
zum Review

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