Montag, 27. Juli 2015

Trau dich, zart zu sein

TOE
Hear You

Topshelf Records
2015
















Dass sie ihr Zuhause ausgerechnet beim eher Emo- und Punkrock-zentrierten Label Topshelf gefunden haben, macht die japanische Mathrock-Band Toe vielleicht zu Exoten in vielerlei Hinsicht, doch eigentlich kann man das ganze als Win-Win-Situation bezeichnen. Die in bestimmten Teilen der Postrock-Community sehr bekannten Künstler finden mit dem Deal bei eben jener angesagten Adresse endlich zu dem hippen Indie-Publikum, nachdem sie eigentlich schon immer streben und Topshelf seinerseits beweist, dass es auch mehr zu bieten hat als die New Wave of Emotional Hardcore Punk. Hear You, das mittlerweile fünfte Album der Japaner, steht nun für die langsame Annäherung der Band an ihre neuen Zuhörer mit ihrem bisher lieblichsten und zartesten Werk. Toe waren zwar nie die Art von Mathrockern, die wie ihre Kollegen von And So I Watch You From Afar oder Lost in the Riots unendliche scharfkantige Riffs wie Gebirge auftürmten, dennoch hatten sie bisher zumindest immer den ein oder anderen lauten Moment in petto. Das ist hier zum ersten Mal anders. Die ersten vier Tracks der Platte genügen sich sogar damit, fast komplett auf Akustikgitarre gespielt zu sein. Ein Stein, den bisher noch keiner so schnell umwälzen konnte. Zumal es Toe auch gelingt, trotz maximaler Reduzierung nicht an Ecken und Kanten in der Komposition zu sparen. In der Ruhe liegt eben die Kraft. Das stellen die Japaner auch besonders in My Little Wish unter Beweis, der es trotz zahlreicher Anspielungen darauf eben doch immer schafft, nicht das monströse Postrock-Finale zu spielen, welches an dieser Stelle eigentlich zwangsläufig kommen müsste. Und weil das an Aufregung dann auch erstmal schon genügt, hängen Toe mit Song Silly gleich noch einen putzigen Piano-Popsong dran. Spätestens ab da muss man zugeben, dass diese ewige Gemütlichkeit trotz aller ach so niedlichen Eigenschaften ein kleines bisschen anfängt zu langweilen. Ein bisschen mehr Getöse wünscht man sich dann doch von dieser Band. Vielleicht nicht gleich in Form eines Math-Standards, aber schon der Einsatz einer elektrischen Gitarre wäre ja mal eine Abwechslung. Stattdessen ein Jux-Rap-Song wie Time Goes und die nächste Akustik-Nummer. Es ist nicht das Konzept des gediegenen Mathrock an sich, dass sich hier als problematisch darstellt, allerdings ist diese Idee Wohl auch noch nicht bereit, sich auf LP-Länge wirklich zu etablieren. Die sonst immer so faszinierenden Toe jedenfalls veröden trotz vielen zuversichtlich stimmenden Songs letztendlich daran. Vielleicht sollten sie sich demnächst lieber eine Scheibe von den Emos abschneiden, mit denen sie jetzt ja öfter rumhängen. Die wissen auf jeden Fall, wie einfühlsamer Krach funktioniert.
7/11

Beste Songs: A Desert of Human / the World According Toオトトタイミングキミト

Nicht mein Fall: Song Silly / Time Goes

Weiterlesen:
Special zu And So I Watch You From Afar:
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Review zu Home Alone (Totorro):
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