Sonntag, 28. Januar 2024

Die Wochenschau (21.01.-28.01.2024): Green Day, 21 Savage, Sleater-Kinney und und und...



 
 
 
 
21 SAVAGE
American Dream
Epic
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
Ähnlich wie letztes Jahr schon bei Lil Durk und Gunna führt auch bei 21 Savage die Entscheidung, ein erwachseneres, emotionales Album aufzunehmen nicht zu optimalen Resultaten. Zugegeben, auch vorher fand ich viele Sachen des Rappers eher dürftig, doch kann man auch nicht sagen, dass die ästhetische Wende auf diesem Album irgendetwas besser macht. Die Glaubwürdigkeit seiner Messages über Familie, Ehrlichkeit und seine Biografie wird schon dadurch gemindert, dass Savage immer noch alles mit seinen grauenvollen Ad-Libs vollmüllt und obwohl er als sehr direkt von Rassismus und diversen Tragödien betroffener Musiker sicherlich einiges zu teilen hätte, bleibt er hier doch meistens bei sehr generischen Botschaften, die man auch von tausenden anderen Rapper*innen besser aufbereitet hören kann. Zusätzlich ist dann auch noch der gesamte musikalische Teil von American Dream komplett lahm, was am Ende nicht viel übrig lässt, um sich damit ersthaft zu identifizieren. Leider also ein weiteres großes L im Katalog von 21 Savage.

🔴🔴🔴🟠⚫⚫⚫⚫ 04/11




GREEN DAY
Saviors
Reprise

Ja mein Gott, Green Day sind auf Saviors so politisch wie seit American Idiot nicht mehr und selbst da waren ihre Texte selten so explizit zeitgenössisch wie hier. Klingt wie das Rezept für die nächste popkulturelle Renaissance der Band, ist aber leider so ziemlich das Gegenteil. Denn auch wenn die Kalifornier es schon so manches Mal hinbekommen hat, sich auf wundersame Weise am eigenen Zopf aus dem Sumopf zu ziehen, ist auch bei ihnen irgendwann der Drops gelutscht. Weil Green Day davon aber nichts wissen wollen, lassen sie nichts unversucht, um den alten Gaul der Punk-Rebellion nochmal in ein neues Jahrzehnt zu prügeln und mit ächzendem Krampf den Zeitgeist einer Generation zu treffen. Dabei ist Saviors ein fantastisches Beispiel dafür, dass das Gegenteil von gut meistens gut gemeint ist. Man erlebt hier eine Band, die ihre Kritik absolut richtig adressiert, dabei am Ende aber trotzdem klingt wie stockige Babyboomer, die "noch richtige Musik" machen wollen, eigentlich aber bloß Angst vor jungen Leuten haben. Von Punk brauchen wir dabei gar nicht erst anfangen, der ist bei dieser Band schon lange zur einstudierten Pose verkommen, die sie sich nicht mal mehr selbst abnimmt. Und wo Father of All... auch schon keine Glanztat war, tat es wenigstens nicht die ganze Zeit so, als wolle es die Welt retten. Dieses Album hingegen gibt sich nochmal komplett der Illusion hin und macht damit alles noch ein bisschen schlimmer. Und dabei wären doch inzwischen alle glücklich, wenn Billie Joe Armstrong einfach ein paar mehr von den käsigen Lovesongs schreiben würde, die er schon in den Neunzigern so gut machte. 

🔴🔴🔴🟠⚫⚫⚫⚫ 04/11




OMAR RODRÍGUEZ-LÓPEZ
Is It the Clouds?
Clouds Hill

Das erste Album von Omar Rodríguez seit inzwischen fast sieben Jahren ist ausnahmsweise mal eines, für das der sonst so produktive Alleskönner Zeit brauchte. Nicht etwa, um es zu schreiben - die meisten Songs darauf entstanden bereits 2018 - sondern viel eher, um das darin enthaltene aufzubereiten. Denn inhaltlich setzt sich Is It the Clouds? mit dem Tod von Rodríguez' Mutter vor sieben Jahren auseinander, den man hier auch irgendwie spürt. Weniger in den Texten selbst als in der Tatsache, dass diese für ein Album dieses Songwriters so exponiert sind. Die meisten der Songs hier sind in einer Art ruhigem Indiepop angesiedelt, die man von ihm nur selten hört und mit experimentellen Hakenschlägen hält sich die Platte komplett zurück. Das macht seine Musik hier zugänglich wie selten und gibt einem Soloalbum von ihm das ungewohnte Gefühl, auf sich zentriert zu sein statt mit den Gedanken schon bei den nächsten zwei Dutzend Projekten. Und obwohl es damit nicht zwingend besser ist als viele dieser Platten, ist es doch endlich mal wieder ein Moment, in dem die Solokarriere von Omar Rodríguez einen Angelpunkt bekommt, von dem aus der weitere Weg gemessen werden kann. Wobei es passt, dass sie gerade als letzter Baustein in einem umfassenden 57-Alben-Boxset seines gesamten Solo-Katalogs erscheint.

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡🟡 08/11




SLEATER-KINNEY
Little Rope
Loma Vista

Auch auf dem neuesten Album von Sleater-Kinney nimmt das Thema Trauer eine zentrale Rolle ein, in diesem Fall bezogen auf den tragischen Unfalltod von Carrie Brownsteins Mutter und Stiefvater vor zwei Jahren. Und auch in diesem Fall ist das Resultat eine Platte, die dazu taugt, die Band in gewissen Punkten neu auszurichten. Zwar ist Little Rope für Sleater-Kinney stilistisch kein völliger Bruch, jedoch eine insgesamt voller und bedachter klingende LP. Was im Klartext bedeutet, dass es für mich persönlich, der an sich nie ein großer Fan dieser beiden Künstlerinnen war, eine ihrer besten Arbeiten ist. Zwar fällt es mir immer noch schwer, zu ihrem Songwriting wirklich eine emotionale Bindung aufzubauen und musikalisch stehen für mich eher einzelne Momente heraus, zumindest klingt die Platte kompositorisch aber nicht mehr so ungelenk und spröde wie viele der Vorgänger.

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡 07/11




YĪN YĪN
Mount Matsu
Glitterbeat

 
 
 
 
 
 
 
 
Nachdem ich schon die frühen Sachen von Yīn Yīn immer eher dürftig fand und diese dritte Platte von ihnen auf den ersten Singles nach noch gefälligerem Easy Listening-Quatsch mit kulturkolonialistischer Note klang, war ich mir eigentlich sicher, dass ich Mount Matsu richtig scheiße finden würde. Stattdessen packen mich die Holländer hier aber zum ersten Mal so richtig und überzeugen am Ende weniger mit ihren cool gemachten fernöstlichen Folk-Einwebungen, sondern durch eine echte Sensibilität für klangtapetige Kulissenmusik. Vor allem die immer wieder auftauchenden Surf-Einflüsse, die tatsächlich an instrumentale Klassiker der frühen Sechziger erinnern, machen diese Platte zu mehr als dem kleinen Neffen der letzten Khruangbin-Alben, sondern zu einer stellenweise echt groovigen Platte, die Stimmung macht. Und klar ist das dann eher was für hintergründiges Geplätscher als für tiefgehende Auseinandersetzung, belanglos ist es dabei aber keineswegs.

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡🟡 08/11





GLASS BEACH
Plastic Death
Run For Cover

2019 begeisterten Glass Beach mit ihrem treffend benannten Debütalbum The First Glass Beach Album - einer Platte, die ich bis heute nicht gehört habe - eine ganze Reihe von Indienerds. Fast fünf Jahre haben sie jetzt mit einem Nachfolger gewartet, der ist dafür aber auch in vielen Belangen ein ziemlicher Overkill. Auf dem Papier mögen 13 Songs in 63 Minuten nicht nach viel klingen, die Band zieht aber in jedem davon quasi alle Register ihrer Songwriting-Kunst, die gerne mal opulent und technisch vertrackt ist. Plastic Death klingt wie die perfekte Ehe zwischen Black Midi und Parannoul, allerdings mit allerhand wüsten Seitensprüngen in alle Richtungen von Jazz bis Screamo und Metal. Nicht wenige Songs sind dann auch etwas länger und laufen durch mehrere, teils sehr unterschiedliche Phasen, was gerade die zweite Hälfte des Albums mitunter zu einer reizüberflutenden Erfahrung machen kann. Ähnlich wie bei Black Midi oder anderen artverwandten Bands ist das aber - zumindest für mich - der stärkste Selling Point der Platte. Wer zuletzt Besprechungen dazu las oder hörte weiß aber auch, dass es bei weitem nicht allen so ging. Plastic Death ist von meiner Seite daher eine Empfehlung, allerdings keine bedingungslose. Egal was man davon hält kann man aber sagen, dass Glass Beach eine der kreativeren Rockbands der letzten Jahre sind, die die Aufmerksamkeit um sie herum definitiv verdienen.

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡🟡 08/11



Samstag, 20. Januar 2024

Die Wochenschau (01.01.-20.01.2024): OG Keemo, Kid Cudi, Kali Uchis und und und...


 
 
 
 
 
OG KEEMO
Fieber
Chimperator

Krass, dass Mann beisst Hund jetzt schon wieder zwei Jahre her ist, oder? Und zumindest wenn es nach mir geht, hätte ich aktuell das nächste bahnbrechende Konzept-Monster von OG Keemo noch nicht vertragen. Glücklicherweise ist Fieber das nicht geworden, sondern eher ein entspanntes Mixtape-Ding von chilligen 37 Minuten, mit dem der Mannheimer es erstmal ruhig angeht. Darauf zu hören gibt es größtenteils kürzere Tracks, unter ihnen auch Remixes und Freestyles, in denen Keemo auch wieder mehr über Features arbeitet. Vor allem ist Fieber aber mehr denn je ein Paradestück für Produzent Funkvater Frank, das mal nicht das Luxusproblem hat, dass seine meisterliche Arbeit ständig hinter Keemos Lyrics verblasst. Der Ehrlichkeit halber muss man zwar auch sagen, dass nicht alle Konzepte hier vollends aufgehen und die Platte ein paar schwache Momente hat, auf gewisse Weise ist das aber auch beruhigend und zeigt, dass Keemo und Frank die Möglichkeiten eines solchen Tapes zum weiteren Experimentieren nutzen. Bevor dann bestimmt irgendwann wieder das nächste Hiphop-Monument erscheint.

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡🟡🟡 09/11




YOUNG KRILLIN & LEX LUGNER
Ich tu dir was erzählen
Die-Ai-Wei

Neue EP und erste offizielle Kollaboration der beiden Hanuschplatz-OGs Lex Lugner und Young Krillin, auf der vor allem letzterer nach seiner Krebserkrankung wieder richtig ins Spiel kommt. Dass die Platte dabei mehr oder weniger genauso klingt wie die Sachen zu Beginn ihrer Karrieren vor zehn Jahren, ist dabei nur konsequent und löst bei mir schon fast Nostalgiegefühle aus. Wobei man das ganze nicht verklären sollte: So durchweg stark wie hier waren sie damals meistens nicht. 

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡🟡 08/11





KALI UCHIS
Orquídeas
Geffen

Es ist langsam die Zeit vorbei, in der Kali Uchis allein aufgrund der Großartigkeit ihres Debüts wegen einen Stein im Brett hat und ich ein bisschen in Zweifel ziehe, ob sie mich doch langfristig begeistern kann. Denn Orquídeas ist nach dem schon eher okayen Red Moon in Venus die zweite Platte der Musikerin, die mich etwas unschlüssig zurücklässt. Die Sache mit dem fliegenden Wechsel zwischen Neo-Soul und Latin-Pop mit jedem Album kultiviert sie auf der neuen LP weiter und richtig gut wird dieser Entwurf dann, wenn sie entweder sehr traditionelle Ansätze wie in Te Mata und Dame Beso / Muévete probiert oder wie in Muñekita komplett in den Thrash-Modus geht. Die meisten anderen Songs, vor allem im ersten Teil des Albums, bleiben leider nicht wirklich hängen und machen musikalich ziemlich halbe Sachen. Damit ist Orquídeas nicht der erste Longplayer von Kali Uchis, der eher über Einzeltracks funktionert, allerdings ist hier auch ein gutes Drittel davon eher dürftig unterwegs. Wo ich von dieser Künstlerin also nach wie vor angetan bin, schwindet meine einstige Begeisterung für sie mit dieser Platte doch merklich. Und um die wiederherzustellen, muss das nächste Mal definitiv mehr passieren.

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡 07/11



KID CUDI
Insano
Republic

Ich will mich ja eigentlich nicht beschweren, weil Kid Cudis neue Platten schon irgendwie besser sind als manche der Sachen, die er in den Zwotausendzehnern machte. Was er im Vergleich zu denen aber verloren hat ist die Aura eines wirklich unberechenbaren und kompromisslos kreativen Künstlers, der auch mal weirde Sachen macht und abseits der üblichen Pfade geht. Auf dem Vorgänger gab es das noch manchmal mit ein paar extravaganten Features oder so, auf Insano ist es quasi komplett weg. Und wo das Ergebnis am Ende trotzdem solide ist und bei 21 Songs definitiv ein paar gute rumkommen, ist die LP doch eine der eher unspannenden von Cudi. Und ich weiß an diesem Punkt bessere Gründe dafür als die Abwesenheit von Kanye West als Kreativpartner.

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡 07/11






NEAL MORSE
The Restoration: Joseph Part Two
Frontiers Music

Teil Zwei der Prog-Musical-Saga um den biblischen Protagonisten Joseph (nicht der Papa von Jesus, sondern der aus dem alten Testament), bei der ich ob der bisherigen Qualität von Neal Morses spirituellen Rockopern - nicht zuletzt des ersten Joseph-Teils vom letzten Jahr - echt einige Erwartungen hatte. Und obwohl es geil ist, durch das erste Sequel einer solchen Platte diesmal den Effekt sich wiederholender Motive zu haben und der Spannungsbogen wieder echt gut gemacht ist, ist The Restoration meine erste etwas enttäuschende Erfahrung mit einem Morse-Musical. Zum einen deshalb, weil viele der neuen Kompositionen - abgesehen von den richtig coolen A Capella-Parts der Brüder-Charaktere - nicht so stark sind wie beim ersten Teil, zum anderen Weil der Songwriter die Handlung erstmals etwas stumpf erzählt. Wo die Figuren in seinen Stücken vorher oft starke innere Monologe hatten und nahtlos durch die Story führten, ist die Erzählperspektive verschiedener Personen hier manchmal etwas verwirrend. Und dass ganze Songs manchmal ziemlich stumpf runtererzählt werden, macht vieles in meinen Augen nicht besser. The Restoration ist deshalb noch lange kein misslungenes Album und noch immer kann man die knapp 80 Minuten hier gut weghören, früher schaffte es Morse in seinen besten Momenten aber, mir die unmögliche Kombination aus Gniedelprog, christlicher Rockmusik und Musical-Kitsch trotz aller stilistischen Stolperfallen zu verkaufen. Hier hingegen droht er manche Sachen genauso falsch zu machen wie die meisten seiner Kolleg*innen.

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡 07/11