Freitag, 30. März 2018

Zehn Songs im März 2018 (Polis, Crack Ignaz, Beach House, Sade, Iceage und und und)






























1. KACEY MUSGRAVES
High Horse
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In den Staaten ist Kacey Musgraves als Countrysängerin schon ein paar Jahre ziemlich bekannt gewesen und weil das bei einer gewissen anderen Künstlerin schon sehr gut funktioniert hat, versucht sie auf ihrem bald erscheinenden neuen Album mit einer umfassenden Pop-Transformation, noch ein bisschen mehr Buzz zu erzeugen. Die erste Single High Horse klingt dabei schon mal ziemlich vielversprechend, auch wenn Musgraves hier keinen Hehl daraus macht, an wem sie sich stilistisch orientiert. Anklagende Lyrics über bescheuerte Ex-Typen, Americana im Hintergrund, Pop an der Spitze, eine catchy Bridge und die Hook mit Falsettgesang...irgendwo her kennen wir das doch. Aber solange sie das so gut macht wie hier, will ich darüber nichts schlechtes gesagt haben.

2. LEON BRIDGES
Bad Bad News
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Leon Bridges ist innerhalb der letzten Wochen eine meiner großen Hoffnungen geworden, was gute Jazzmusik angeht und sein im April erscheinendes Album ist gerade dick und fett auf meiner Liste markiert. Sein sehr leichter und federnder Stil bezieht viele Elemente aus Soul und Pop mit ein, was ihn vielleicht mit Leuten wie Aloe Blacc und Amy Winehouse vergleichbar macht, am Ende des Tages ist Bridges aber doch vor allem ein Jazz-Nerd, der in den frühen Sechzigern zu Hause ist. Bad Bad News ist dabei nur der beste von einigen guten Songs, weil er nicht nur über schöne Gitarrenlicks verfügt, sondern auch über eine ordentliche Hook. Das Video dazu ist vielleicht ein bisschen creepy, täuscht aber nicht über die Qualität der Musik hinweg.

3. BEACH HOUSE
Dive
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Es ist in den letzten Jahren immer sehr leicht gewesen, sich über Beach House aufzuregen, aber mehr und mehr bin ich inzwischen eigentlich der Meinung, dass sie eigentlich nie wirklich scheiße waren. Sie sind vielleicht nicht ganz die einflussreiche Band, als die sie immer dargestellt werden, aber immerhin schreiben sie coole Songs. Einer von diesen ist auch ihre neue Single Dive, vielleicht der Track mit der meisten Action seit langem, bei dem ich wirklich Lust auf ihr neues Album bekomme. Schuld daran ist hauptsächlich der Einsatz einer verflucht guten Bassline in der Mitte des Stücks, der die musikalische Präsenz der Nummer auf gefühlte 110 Prozent erhöht und die nach dem gemütlichen Schalala des ersten Teils sogar ein bisschen überrascht. Definitiv die stärkste Leadsingle des Duos seit langem. Und das sagt jemand, der die letzten Jahre über seeeehr skeptisch ob ihres Outputs war.

4. POLIS
Gedanken
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Eine richtige Studioversion des neuen Tracks gibt es bisher noch nicht, allerdings ist das beim großartigen Live-Sound dieser Aufnahme aus dem Plauener Malzhaus und der schieren Qualität des eigentlichen Songs nicht wirklich tragisch. Bei so einem genialen Stück hätte ich wahrscheinlich auch das dreckigste Bootleg gefeiert wie ein ganzes Albumrelease, wobei dieses ja hoffentlich noch in diesem Jahr ansteht. Nachdem 2018 schon zwei Live-Videos von der Band geleakt wurden, die beide fantastisch waren und auf Konzerten immer mal wieder neues Material gespielt wird, bin zumindest ich extrem neugierig, was Polis noch alles so vorbereitet haben. Wenn mich meine Vorahnungen nicht täuschen, könnte eine kommende LP der Plauener so gut werden wie der Vorgänger Sein. Mindestens.

5. CRACK IGNAZ
Oder Ned (Miko Waye Remix)
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Eigentlich erschien der Song Oder Ned von Crack Ignaz schon 2015 auf dem Kirsch-Mixtape des Österreichers, ist also alles andere als neu. Allerdings wurde die Nummer vor ein paar Wochen im Rahmen des Colors-Projekts von Converse mit einem Remix von Miko Waye neu aufgelegt, der den Track stilistisch noch einmal komplett neu erfindet. Statt des smoothen Trap-Beats bastelt der Producer hier ein erfrischend knalliges Tropical House-Instrumental im Major Lazer-Stil, das den Song auf einmal catchy macht und die Vocals von Iggy Crack völlig neu ins Bild setzt. Kurzum schafft Miko Waye hier das, was einen guten Remix ausmacht, nämlich das Original noch einmal mit anderen Augen zu betrachten und das auch auf mich als Hörenden zu übertragen. Nicht mehr und nicht weniger.

6. KING TUFF
Thru the Cracks
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Bereits seit seinem Debüt verfolge ich den Output des Vermonter Müsli-Rockers Kyle Thomas aka King Tuff, und mit diesem Song lohnt sich das ganze vielleicht zum ersten Mal. Wo seine bisherigen Platten immer etwas unter ihrem Retro-Bezug zu Bands wie Dinosaur Jr. und Hüsker Dü ächzten, dabei aber nie wirklich spannend wurden, schreibt er mit Thru the Cracks gefühlt das erste Mal einen Song mit einer Hook, was plötzlich alles verändert. Stilistisch bewegt sich Thomas eher ein wenig mehr in Richtung Slacker-Americana (ja, das soll heißen, dass er ein bisschen nach Mac DeMarco klingt), was ebenfalls keine schlechte Idee ist und dass er beim Singen mittlerweile die Zähne auseinander kriegt, schadet in keinem Fall. Ob King Tuff daraus jetzt noch ein gutes Album machen kann ist fraglich, aber zumindest für eine gute Single war er diesmal schon gut.

7. SADE
Flower of the Universe
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Dass Sade ausgerechnet mit dem Titelsong für einen Disney-Film ihr Comeback beginnt, ist, nun ja...nicht gerade der beste Business-Move, aber wenn der Track dahinter so gut ist, kann und will ich gar nicht meckern. Flower of the Universe ist dabei nicht nur klanglich und kompositorisch toll, er erfindet den Stil der Sängerin auch ein Stückweit neu. Fans der alten Alben werden froh sein, hier weiterhin ihre extrem subtilen, fantastischen Gesangsharmonien zu hören, gleichzeitig ist der Track musikalisch viel zurückhaltender und ernsthafter als die früheren Sachen. Statt Jazz-Instrumentarium reicht diesmal eine Akustikgitarre, die den Vorteil hat, den Fokus noch mehr auf Sades ziemlich gut geschriebene Lyrics zu setzen und wenn am Ende die Reprise kommt, wird das ganze mal kurz ziemlich episch. Vielleicht bleibt dieser Song ein Einzelfall in der Diskografie der Sängerin, ich könnte mir allerdings mehr davon vorstellen. Vielleicht auf einem baldigen neuen Album?

8. ZILLAKAMI & SOSMULA feat. THRAXX
33rd Blakk Glass
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Trap-Wahnsinn Nummer 1: 2018 ist definitiv das Jahr, in dem die Trap-Szene nur noch Aufmerksamkeit generiert, wenn jemand komplett austickt. Jemand wie ZillaKami und SosMula zum Beispiel, die mit 33rd Blakk Glass letzte Woche die sicherlich einzige spannende Worldstar-Premiere seit Ewigkeiten zustande brachten. Der Song wie das Video sind zwar irgendwo verwurzelt im Rap, klingen inzwischen aber mehr nach Metalcore, the Prodigy und Nu Metal und rufen visuell eher Assoziationen mit Acts wie Slipknot oder KoRn hervor. Das ganze ist sicherlich nicht für jeden was und auch ich bin mir nicht ganz sicher, ob ich die beiden Rapper vielleicht einfach nur cool finde, weil sie ziemlich krass sind. Dagegen spricht allerdings, dass es im März noch einen anderen, ziemlich ähnlichen Song gab, den ich auch sehr mochte...

9. SCARLXRD
Faded
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Trap-Wahnsinn Nummer 2: Die Parameter hier sind eigentlich die gleichen wie beim vorherigen Song, nur dass Faded vielleicht sogar noch ein bisschen krasser ist. Mehr muss man dazu eigentlich nicht sagen.

10. ICEAGE
Take It All
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Bei allem Hass, den ich den Dänen seit Anbeginn dieses Formats entgegengebracht habe, mit diesem Song haben sie mich doch irgendwie gekriegt. Take It All ist schon die dritte Single vom neuen Album und die erste, die mich wirklich interessiert hat, dafür dann aber auch gleich so richtig. Der Track ist ein wunderbarer experimenteller Schmachtfetzen irgendwo zwischen Nick Cave, the Velvet Underground und Swans, der nicht von ungefähr auch sehr nach Marchig Church, dem Nebenprojekt von Sänger Elias, klingt. In der Diskografie von Iceage ist der Song bis dato ein Einzelfall und ich glaube nicht, dass ihre neue Platte meine generelle Meinung von ihnen ändern wird, aber immerhin. Bis vor einigen Jahren hätte ich so etwas noch für komplett unmöglich gehalten.

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Donnerstag, 29. März 2018

Schonzeit




















Die Preoccupations sind in den letzten vier Jahren das beste gewesen, was der internationalen Retro-New Wave passieren konnte. Mit zwei EPs und zwei Longplayern beweisen die Kanadier seit 2014, wie man sich dem Sound von Legenden wie Joy Division, Bauhaus, New Order und Konsorten würdevoll nähert, ohne dabei billig zu kopieren. Wo ihr Debüt von 2015, damals noch unter dem Namen Viet Cong, die Stilmittel des Postpunk mit Versatzstücken aus Soul, Indiepop und Electronica mischte und damit ziemlich progressiv war, setzte das zweite selbstbetitelte Album, nun als Preoccupations ein Jahr später ein Statement für eine sehr gute Retro-Platte, die folglich auch einer meiner Favoriten jener Saison wurde. Spätestens seit Interpol nicht mehr funktionieren macht das diese Band zu einem der wirklichen Highlights in der Bewegung, von der man stets großes erwarten kann. Nichts anderes erhoffte ich mir demzufolge auch von New Material, dem nunmehr dritten Album der Formation aus Calgary, zumal die Vorzeichen darauf keinen Anlass zum Zweifel gaben: Mit Espionage und Disarray waren zwei der drei Promo-Singles dieses Albums echte Highlights, die ein weiteres eher nostalgisch gehaltenes, aber extrem stilvolles neues Projekt versprachen. Leider musste ich wenig später feststellen, dass es ganz so toll diesmal dann doch nicht geworden ist. New Material ist zwar nach wie vor eine ziemlich gute LP, die den soliden Stil ihres Vorgängers konsequent weiterführt, nur ist sie dabei nicht ganz so knackig und catchy wie selbige. In vielen Momenten wirken Preoccupations hier zum ersten Mal ein wenig zahnlos und abgeschwächt, was bisher eigentlich nie ein Problem war. Und vielleicht ist es in diesem Fall auch Absicht, denn oftmals wirkt es so, als würde sich die Band bewusst etwas zurücknehmen, um den Songs mehr Platz zu geben. Nur leider passt das in den wenigsten Fällen wirklich ins Konzept. Wo einem Stück wie Antidote das sehr sporadische, unmelodiöse Soundskelett irgendwie zu Gesicht steht, wirken andere wie Decompose oder Manipulation einfach nur langweilig. Und am besten wird es trotzdem immer noch an den Stellen, bei denen die Musiker etwas mehr reinhauen. Espionage beispielsweise steht als Opener auch qualitativ sehr in der Tradition des letzten Preoccupations-Albums und beginnt die Platte mit einem ziemlichen Feuerwerk. Auch Solace mit seiner stabilen Bassline und den versponnenen Gitarrenpassagen ist sehr unterhaltsam. Und dass die Kanadier diesen Stil auch variieren können, zeigen sie in Disarray. Ein schlechtes Album ist das hier also keinesfalls. Wer allerdings nach dem Aha-Effekt und der klanglichen Tiefe sucht, die insbesondere jenes letzte Projekt hatte, der wird hier eher nicht fündig. New Material ist gut, aber eben auch ein ganzes Stück schwächer als alles bisherige von dieser Gruppe. Und das fällt bei einem Katalog wie dem ihren einfach etwas auf. Angst um diese tolle Band muss man deshalb lange nicht haben, denn dass sie Songs schreiben können, zeigen Preoccupations auch hier. Man darf also hoffen, dass es beim nächsten Mal dann wieder mehr davon gibt.






Persönliche Highlights: Espionage / Disarray / Antidote / Solace / Compliance

Nicht mein Fall: Manipulation

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Mittwoch, 28. März 2018

Jack Became Insane




















Es gab 2018 wie jede Saison einige Platten, auf die ich Anfang des Jahres mehr gespannt war als auf andere. Die neuen Sachen von MGMT, Frankie Cosmos, Kraus oder Tocotronic waren definitiv Releases, die mich direkt bei ihrer Ankündigung in eine gewisse Aufregung versetzten und denen ich auf die ein oder andere Weise entgegenfieberte. Doch keine Neuveröffentlichung kam in Punkto vorläufiger Mystizismus gegen das dritte Soloalbum von Jack White an, dessen Promophase mich mehr oder weniger komplett ratlos machte. Nicht nur gab hier es sehr viele Singles, die alle vollkommen unterschiedlich waren, darunter einige vollkommene Katastrophen und einige echte Sensationen, vor allem war von Anfang an klar, dass dieser Künstler auf der neuen LP so klingen würde wie niemals zuvor. Jack White, der ewige Schutzheilige des Bluesrock im 21. Jahrhundert, in dessen Musik trotz ihrer Vielseitigkeit bisher immer eine Heiligkeit der Tradition zu finden war, schickte sich hier an, stilistisch alles über Bord zu werfen. Die Tracks, die es von Boarding House Reach vorher zu hören gab, probierten sich in Elektropop, Funk, New Wave und sogar Hiphop und zeigten diesen Typen so experimentell wie noch nie zuvor. Sicher, vieles klang kompositorisch noch immer nach Jack White, doch gleichzeitig hatte man auch das Gefühl, der Songwriter würde sich selbst hier irgendwie verraten. Und zunächst empfand ich das eigentlich als gutes Zeichen. Whites Output war mir in den letzten Jahren manches Mal deutlich zu konservativ und stets auch ein wenig risikofrei. Insbesondere sein 2012 veröffentlichtes Solodebüt Bluderbuss erscheint mir im Nachhinein wie eine sehr sichere Nummer, die jemand wie er so nicht nötig hatte. Eher interessant wurde es da schon beim Nachfolger Lazaretto von 2014, das zwar ziemlicher Kram war, aber auf dem White gezielt neue Ausdrucksformen suchte. Wenn man so will, war diese Platte vor vier Jahren so etwas wie die Aufwärmrunde für das hier, nur dass er stilistisch diesmal komplett ausflippt. Boarding House Reach ist ein radikaler Schnitt in der Karriere von Jack White, weg vom traditionsbewussten Garagenrocker hin zum genreübergreifenden Experimentalpop-Monster, das für einen spannenden Song keine Limits mehr kennt. Und spannend sind die Stücke hier definitiv: Der Opener Connected By Love ist abgefuckter Elektropop, Corporation zitiert die Talking Heads und Stevie Wonder, Everything You've Ever Learned ist experimenteller Spoken Word-Kram, What's Done is Done eine kitschige Country-Ballade und Ice Station Zebra erinnert mit seinen fast gerappten Vocals fast an De La Soul oder die Sugar Hill Gang. Es gibt in jedem Song unglaublich viel verschiedenes zu hören und als Showmaster schlüpft Jack White in diverse Rollen und Kostüme. Aber ist alles davon auch gut? Die Frage danach ist nicht so einfach zu beantworten. Als ich Boarding House Reach das erste Mal hörte, war ich ehrlich gesagt ziemlich enttäuscht. Die Stücke hier hatten keinen Zusammenhang, waren absolut chaotisch ausgeführt und es wirkte ein wenig so, als hätte man schnelle Schockwirkung einem ausgeklügelten Songwriting vorgezogen. Doch konnte ich auf der anderen Seite nicht leugnen, dass von den Tracks eine Faszination ausging. Und diese hat mich in den meisten Fällen beim zweiten und dritten Hördurchgang gepackt. Der überwiegende Teil der Stücke ist gewöhnungsbedürftig, aber auch alles andere als schlecht und die komplette Anarchie, in der White dieses Album strukturiert hat, wird irgendwie sympathisch. Wobei es auch Songs wie Why Walk A Dog?, Humoresque oder Ezmeralda Steals the Show gibt, die ich nach wie vor einfach nur komisch finde. Und nach allem, was ich hier geschrieben habe, muss ich auch beifügen, dass eventuell nichts davon bestand hat. Boarding House Reach ist ein schwieriges Album und dass sich meine Meinung darüber noch einige Male ändert, scheint mir nicht nur möglich, sondern wahrscheinlich. Im jetzigen Moment jedoch mag ich es vielleicht so sehr wie noch nie und ich hoffe, dass es einigermaßen so bleibt. Denn am Ende des Tages habe ich vor allem Liebe für den dreisten Stilbruch, den Jack White mit dieser LP abzieht. Was nicht zuletzt dafür sorgt, dass seine Musik zum ersten Mal seit dem Ende der White Stripes wieder ein Thema ist, für das ich mich mit Leidenschaft interessiere.






Persönliche Highlights: Connected By Love / Corporation / Ice Station Zebra / Over and Over and Over / Everything You've Ever Learned / Respect Commander / Get in the Mind Shaft

Nicht mein Fall: Why Walk A Dog? / Ezmeralda Steals the Show / Humoresque

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Dienstag, 27. März 2018

Das Leben geht weiter




















Es war interessant zu erfahren, wie Phil Elverum nach dem letzten Mal wohl weitermachen würde. Nach diesem einen Album vom letzten Jahr, das definitiv eine Zäsur in seiner Karriere war. Dem Album, das eigentlich weniger ein musikalisches Projekt war, sondern eher eine Operation am offenen Herzen, sowohl für den Songwriter und alle, die ihm dabei zuhörten. A Crow Looked At Me ist mit Sicherheit ein Dreh- und Angelpunkt in dem, was Mount Eerie bedeutet, und das nicht nur wegen den Dingen, die er dort anspricht, sondern auch, weil Elverum in einigen Passagen davon den Prozess des Songschreibens an sich in Frage stellt. Wer nicht weiß, worüber ich hier rede, den möchte ich an dieser Stelle auf meine Besprechung dieser LP verweisen, da eine ausführliche Abhandlung dieser Platte hier zu viel Platz wegnehmen würde. In diesem Post soll es darum gehen, wie seine Musik ein Jahr später weitergeht. Und ich war durchaus gespennt, was auf diesem Album passieren würde. Würde Elverum hier so fortfahren wie vorher und A Crow Looked At Me als stilistischen und inhaltlichen Ausreißer stehen lassen oder den Diskurs darüber fortführen? Beides schien irgendwie möglich und über beides wäre ich auch froh gewesen. Dass Now Only letztendlich eher letzteres geworden ist, erscheint im Nachhinein dennoch logischer. Denn der Tod eines geliebten Menschen ist sicherlich nichts, dass man nach kurzer Zeit einfach so abwendet, sondern das tiefgehend beschäftigt. Weshalb Mount Eerie hier auch weniger ein Sequel zum letzten Projekt macht, sondern eher eine Art Tribut an die Beziehung zu seiner Frau Geneviève Castrée schreibt, das ihr gemeinsames Leben Revue passieren lässt. Klar gibt es dabei auch weiterhin Trauer, die unweigerlich zu diesen Gefühlen dazugehört, doch im großen und ganzen ist das hier der Teil der Geschichte, der die gute Seite zeigt. Der Opener Tintin in Tibet eröffnet mit einer Erzählung über den Tag, an dem die beiden sich kennenlernten, es geht um Elverums Kinder, um gemeinsame Treffen mit Freunden, um Familie und um Liebe. Der Songwriter findet dabei Magie in vielen kleinen Momenten, die er äußerst detailliert in den sechs Tracks schildert, wobei sein erzählerischer Stil hier mehr denn je ins Stream of Consciousness-artige abdriftet. Vergleiche mit der Art und Weise, wie ein Mark Kozelek schreibt, sind dabei unvermeidbar, allerdings ist das hier sowohl von der eigentlichen Struktur als auch von der Attitüde her etwas vollkommen anderes und auch wenn Elverum vielleicht ein bisschen geklaut hat, weniger beeindruckend ist es nicht. Und es sorgt trotz des schwerwiegenden Themas für ein paar erhellende Momente. So gibt es in Distortion eine Passage, in der darüber erzählt wird, was Jack Kerouac eigentlich für ein Arschloch war (in meinen Augen eine sehr zutreffende Beobachtung) und im nächsten Track zieht Elverum ein wenig über die sinnentleerte Existenz von Festivalbesuchern her. Solche Momente zeigen, dass Now Only eben keine exakte Fortsetzung seines Vorgängers ist, sondern schon etwas anderes. Es geht um die Erinnerung an die Person, die A Crow Looked At Me betrauert, und dass diese langsam die Trauer überwiegt. In diesem Sinne ist das hier ein weiteres unglaublich starkes Album, das mit den gleichen Qualitäten überzeugt wie das letzte: Ehrlichkeit, Unmittelbarkeit und unwahrscheinlich viele Details. Und ebenso wie jenes letzte kann man es deshalb nicht an den üblichen Parametern messen, weil es emotional einfach eine ganz andere Kiste ist. Wahrscheinlich wird es mir mit Now Only ähnlich schwer fallen, es irgendwie einzuordnen und zu sagen, ob es besser oder schlechter ist als A Crow Looked at Me ist meiner Meinung nach völlig zweitrangig. Tatsache ist allerdings, dass diese LP mich nach dem bitteren, schweren letzten Mal wieder ein wenig aufgerafft hat und mir gute Gedanken bringt. Allein deshalb finde ich, dass diese Songs vor allem für Menschen Sinn machen, die den Vorgänger auch gehört haben. Vielleicht ist das am Ende sogar notwendig, um diese Platte überhaupt zu verstehen. Insgesamt rundet sie den Themenbereich beider Projekte auf jeden Fall ab und weißt mit dem Closer Crow Pt. 2 zwar auf ein offenes Ende, das jedoch irgendwie Hoffnung macht. Von mir aus kann Phil Elverum jetzt also wieder "normale" Musik machen.






Persönliche Highlights: Tintin in Tibet / Distortion / Now Only / Two Paintings by Nikolai Astrup / Crow Pt. 2

Nicht mein Fall: Earth

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Montag, 26. März 2018

Slow Riot




















Würden wir in einer gerechten Welt leben, müssten Yo La Tengo als Band mittlerweile so etwas wie den Status lebender Legenden haben, die absolut unkaputtbar sind. Seit mittlerweile weit über 30 Jahren aktiv und mit neuerdings 19 Alben im Kasten gehört das Trio aus New Jersey gemeinsam mit Koryphäen wie R.E.M., Sonic Youth und Dinosaur Jr. zu den Pionieren des frühen Indierock und ist von all diesen Formationen bei weitem die beständigste. Klar, es fehlen in dieser Zeit die wirklich wirklich großen Platten und die Tatsache, dass sie immer auf Independentlabels geblieben sind, ließ sie spätestens in den Neunzigern als Big Player zurückfallen, doch müsste man sie nicht gerade deshalb um so mehr bewundern, weil sie trotzdem durchgehalten haben? Ich zumindest finde das absolut angebracht und lasse mich deshalb zum ersten Mal dazu hinreißen, ausführlich über eine neue LP von ihnen zu schreiben. Allerdings ist das nicht der einzige Grund, warum ich über There's A Riot Going On schreibe. Denn tatsächlich befinden sich Yo La Tengo nach langer Zeit gerade mal wieder in einer sehr spannenden Phase ihrer Karriere, die den Sound der Band ganz neu aufzubauen versucht. Andeutungen davon gab es bereits 2013 auf ihrem letzten richtigen Album Fade, doch wie sich die Dinge hier entwickelt haben, kann man erstmals von einem Stilbruch sprechen. Wobei, gemütlich waren die Drei auch vorher schon. Dass sie es jetzt so ins Extreme treiben, ist eigentlich eher konsequent als überraschend. There's A Riot Going On ist ein etwas mehr als einstündiges Projekt mit 15 Tracks, auf denen Yo La Tengo den Schalter langsam von seichtem, flauschigen Indiepop auf Ambient umlegen und sich genüsslich in den Bereich der Klangtapete verkrümeln. In vielen knappen, verhuschten und paradiesisch anmutenden Songs baut die Band hier eine umfassende Wohlfühlatmosphäre auf, in die sie die Hörenden einknetet und in der jedes Songwriting blitzschnell zu Meeresrauschen verkommt. Dabei ist das Album zunächst eigentlich noch sehr klassisch konzipiert: Die meisten Nummern des ersten Teils verfügen über Gesang, mehrere Strophen und zumindest eine Andeutung von Dynamik, sind nur eben ziemlich fluffig gehalten. Es gibt keinerlei Ausreißer, keine Disharmonien und die Texte der Stücke kann man getrost ignorieren. Erst mit Dream Dream Away, dem siebten Titel in der Tracklist, löst sich das kompositorische Gefüge der Platte mehr oder weniger komplett auf und es beginnt der experimentelle Teil der LP. Und wenn man mich fragt, wird es an dieser Stelle erst so richtig interessant. Wo Yo La Tengo den Weg vorher mit ein paar öden Wegwerf-Indienummern den Weg pflasterten, werden sie hier plötzlich kreativ und erschaffen etwas, was ich so von ihnen in 30 Jahren noch nicht gehört habe. Zwölf Minuten lang taumeln sie mit Dream Dream Away und Shortwave in der Schwerelosigkeit, bevor Above the Sound und Let's Do It Wrong das Album in ulkige Jazz-Gefilde locken und Ira Kaplan in What Chance Have I Got in eine ziemlich coole Nico-Nummer übergeht. Man könnte im zweiten Teil eigentlich über jeden Song eine Menge schreiben, aber belassen wir es hier dabei, dass sie unterm Strich die bessere Hälfte dieser LP ausmachen. Yo La Tengo gehen hier nicht nur kompositorisch in die Tiefe, sie toben sich auch musikalisch mehr aus als auf vielen ihrer früheren Alben. Auch wenn das in ihrem Fall eher so klingt, als würden sie dem Gras beim Wachsen zusehen. Um ihre wilde und exzentrische Seite zu zeigen, muss die Band in keinem Moment laut oder rotzig werden, alles passiert hier ein bisschen in Slowmotion. Schlechter macht es das ganze nicht, eher sorgt es für eine gewisse Substanz und dafür, dass die Platte in ihrem lethargischen Flow bleibt. Wenn am Ende der Closer Here You Are den Kreis des Albums schließt, kann man sich sicher sein, aus dieser Platte sehr viel Entschleunigung und Meditation entnommen zu haben. Es ist nicht wirklich ein Ambient-Projekt oder irgendeine Form der Hintergrundmusik, es ist eben nur Popmusik, die sich auf einem konstanten Minimum an Aufregung bewegt. Und ob man es glaubt oder nicht, damit haben mich Yo La Tengo zum ersten Mal seit langem wirklich begeistert. Wieso auch nicht? Ein großes Rockalbum würde einer so in Ehre gealterten Formation eh nicht mehr zustehen und das Softrock-Ding haben sie in den Nullern schon genug ausgereizt. Der langsame Weg in die Welt der Klangtapete ist daher sowohl originell aus auch passend. Platten wie diese können die Drei ruhig noch ein paar machen. Nur sollten sie diesen dann vielleicht einen anderen Titel geben.






Persönliche Highlights: Shades of Blue / Polynesia #1 / Dream Dream Away / Shortwave / Above the Sound / Let's Do It Wrong / What Chance Have I Got / Forever / Here You Are

Nicht mein Fall: She May, She Might

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Sonntag, 25. März 2018

Fresh Air




















Es ist schon komisch, dass es dieses Album gebraucht hat, damit ich feststelle, wie sehr ich Air eigentlich vermisse. Besser gesagt, damit ich überhaupt merke, dass sie jetzt schon eine ganze Weile lang nichts mehr gemacht haben. Je nachdem, wie man zählt, ist ihr letztes Album vier oder neun Jahre her und obwohl ihre letzte richtig gute Platte auch schon etwas älter ist, hat die Verheißung dieser Band doch immer etwas besonderes. Die Franzosen haben eine klangliche Tiefe und ein Verständnis für Popmusik, das ich bei keinen Daft Punk und keinen Justice dieser Welt finden kann und viele ihrer Songs sind in den zehn bis zwanig Jahren, die sie nun alt sind, um keinen Tag gealtert. Also ja, Air sind auch 2018 noch eine geile Sache. Und solange es von ihnen nichts neues gibt, muss man eben mit den Soloprojekten ihrer Mitglieder vorlieb nehmen. Was im Falle von JB Dunckel eigentlich kein großer Unterschied ist. Während sein Kollege Nicolas Godin sich mit Johann Sebastian Bach und Quantenphysik beschäftigt, ist er schon immer der einigermaßen geerdete Typ, der am Ende doch lieber retrofuturistische Popsongs schreibt. Wovon er auf H+ mal wieder einige sehr gute versammelt hat. Dabei ist diese Platte hier tendenziell nichts neues: Alle Stücke hier könnten irgendwann zwischen 1982 und 2018 erschienen sein, der Sound ist warm und flauschig, Dunckel singt englisch mit unglaublich niedlichem französischen Akzent und absolut jede Melodie ist Liebe auf den ersten Blick. Die letzten Jahre über hat der Franzose viele Filmmusiken geschrieben und man spürt, wie viel Freude es ihm hier macht, dass es diesmal wieder richtige Songs sind. Wie zum Beweis hat er sich dabei ziemlich ausgetobt: Der Opener Hold On klingt wie ein verhuschter Zweitausender-Robbie Williams-Radiohit, the Garden ein wenig nach Sechziger-Schlager, Qwartz ist ein wenig jazzig angehaucht, Space Age Pink Floyd in weniger heavy und Love Machine hätte Serge Gainsbourg alle Ehre gemacht. Am meisten muss man am Ende aber natürlich immer noch an Air denken. Denn H+ ist nicht nur in allen Ebenen in der Tradition von Dunckels Band gehalten, es muss sich hinter deren Werk auch nicht verstecken. Jean-Benoit macht hier das, was er am besten kann und es funktioniert so, wie es schon seit den Neunzigern funktioniert hat. Man könnte jetzt natürlich argumentieren, dass da ja keine künstlerische Entwicklung dahinter ist und man das ja alles schon kenne, aber so etwas liegt mir fern. Denn ganz ehrlich: Wann haben wir denn tatsächlich das letzte Mal ein Air-Album gehört, noch dazu ein so gutes? H+ ist vielleicht Fanservice, aber so wie ich das sehe, ist das gerade auch bitter nötig. Dieses Album fühlt sich ein bisschen an wie die erste Zigarette, die man raucht, nachdem man eigentlich lange clean war: Man merkt erstmal, was einem gefehlt hat. Und das hätte ein progressives Projekt eben nicht gekonnt. Außerdem bin ich der letzte, der eine Sammlung so guter Popsongs verschmähen würde, nur weil sie nicht besonders originell sind. Vielleicht liegt es aber auch an mir. Wenn man die meisten Platten von Air erst kennengelernt hat, als sie schon Klassiker waren, ist es schwer, so etwas ganz unvoreingenommen zu betrachten. Mit H+ kann ich das jetzt nachholen. Dass ich das noch erleben darf!






Persönliche Highlights: Hold On / Love Machine / the Garden / Qwartz / Space Age / Ballad Non Sense

Nicht mein Fall: Carpet Bombing

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Samstag, 24. März 2018

Poetic Justice




















Am Anfang dachte ich, Shibuya Crossing würde ein einfaches Album werden. Noch so ein typisches Juse Ju-Ding eben, mit lustigen Punchlines, selbtironischen Bad Bars, Features von den üblichen Homies und Beats, die auch danach klingen, als würden sie die Rapper selbst nicht so wichtig nehmen. Und am Anfang war ich von dieser Idee eigentlich nicht sonderlich begeistert. Hätte ich sowas gewollt, hätte ich mir noch einmal Im Modus vom letzten Jahr oder irgendwas von Edgar Wasser angehört, das Ergebnis wäre dasselbe gewesen. Das war zumindest das Gefühl, das mir die Leadsingle 7 Eleven im Februar gab. Doch je mehr Zeit bis jetzt verging und je mehr über dieses Album klar wurde, desto mehr wusste ich, dass es ganz so wohl nicht sein würde. Stücke wie Lovesongs oder der Titelsong, die erst vor einigen Wochen erschienen, zeigten ein Bild des Schwaben, das wesentlich weniger lustig und sarkastisch war, sondern auf dem er ganz schönen Realtalk machte. Da ging es um seine Unsicherheiten, Einsamkeit, Beziehungen, seine Kindheit und einen schwierigen Heimatbezug. Die Dinge also, die den Menschen Juse Ju beschäftigen. Und da war Shibuya Crossing plötzlich gar keine so einfache Angelegenheit mehr. Definitiv jedoch eine spannende. Denn ich wusste, es würde interessant sein zu sehen, was diese LP letztendlich sein wollte: Ernsthaftes Statement zu sozialen Themen, intimes Nostalgie-Album, coole Punchline-Parade oder die Realrap-Metamorphose des Stuttgarters? Die Antwort darauf lautet wahrscheinlich ein bisschen von allem. Wenn man eines über dieses Projekt sagen kann, dann dass es unglaublich vielseitig ist und seine Fühler thematisch überall hat. Da gibt es ironische Kaspernummern wie Justus BWL oder Propaganda, aber auch ziemlich detailreiche Statements über Moral im Musikbusiness wie Fake It Till You Make It oder Knete teilen, in denen Juse auch mal ziemlich persönlich wird. Es gibt Tracks, in denen der Rapper über seine Kindheit zwischen Baden-Württemberg, Yokohama und Texas spricht und die extrem krass und intim werden und auf der anderen Seite ernsthaft deprimierende Dinger über die Gegenwart wie Lovesongs oder Milka Tender. Ein großer Marsch quer durchs Gemüsebeet also und damit eine Sache, die ich normalerweise immer kritisch finde. Denn gerade im Rap wirken Alben, die haufenweise verschiedene Themen beackern und überall gleichzeitig sein wollen, sehr schnell zerstreut und unfokussiert, was ich bekanntermaßen so gar nicht mag. Und auch Shibuya Crossing fällt definitiv in diese Kategorie. Jedoch muss man Juse Ju lassen, dass er all die verschiedenen Dinge, die er hier ausprobiert, auch wirklich gut kann. Insbesondere die schwierigen, ernsten Töne gelingen ihm hier außergewöhnlich gut, in meinen Augen sogar besser als die spaßigen. Womit ich trotz allem nicht anders kann, als vor ihm den Hut zu nehmen für dieses Album. Wenn der Künstler hier über seine Kindheit spricht, über ekelhafte Trennungen und besoffene Nächte im Flixbus, hat das nicht selten Ähnlichkeit mit den Stories, für die  viele Kendrick Lamar so sehr lieben. Juse kommt zwar nicht aus Compton und hat keinen Gang-Hintergrund, aber definitiv auch Dinge zu erzählen, wie Bordertown oder der Titeltrack beweisen. Und die Art, wie er das tut, ist eben in ähnlicher Weise gleichzeitig krass und lyrisch. Auch dank der Tatsache, dass Juse sehr gut flowen kann. Dadurch ergeben sich hier sehr viele Tracks, bei denen man sehr viel Respekt vor diesem Musiker bekommt und auch einige, bei denen einem echt das Herz in die Hose rutscht. Klar gibt es auf der anderen Seite wieder ein paar Nummern wie Pain is Love (ein Song übers skaten, ugh!), die etwas speziell sind, aber selbst die sind textlich sehr gut. Die einzigen wirklichen Probleme, die ich hier habe, sind dann eher strukturelle. Warum man einen Track wie Kirchheim Horizont als Opener wählt, ist mir schleierhaft und mit all den tollen und komplexen Songs hier ist 7 Eleven am Ende irgendwie komplett fehlplatziert. Probs muss ich indes für Cloudrap als optimalen Closer geben, der dem frühen Kanye West alle Ehre macht. Von allen Stücken hier ist dieses das einzige, das mich auch musikalisch wirklich beeindruckt hat. Insgesamt ist Shibuya Crossing doch eher ein lyrisches Album. Und in meinen Augen ist das auch sein größter Trumpf, denn abgesehen davon macht es nicht viel. In Sachen Struktur, Konzept, Musikalität und Sound ist das hier ein mittelmäßiges Mixtape, textlich und charakterlich jedoch eine LP, die das Zeug hat, diese Parameter komplett über den Haufen zu werfen. Das heißt keineswegs, dass die Platte deshalb besser ist, sie ist einfach anders gut als das Zeug der Anderen und anders gut, als ich das von Juse Ju erwartet hatte. Aber allein schon die Tatsache, dass er mich hier so überrascht hat, spricht ja für ihn.






Persönliche Highlights: 7 Eleven / Propaganda / Fake It Till You Make It / Lovesongs / Bordertown / Knete teilen / Milka Tender / Cloudrap

Nicht mein Fall: Pain is Love

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Freitag, 23. März 2018

Human After All




















Hätte ich eigentlich nicht gedacht, dass ich in diesem Leben noch einmal über Between the Buried & Me schreibe. Ich dachte, ich hätte aus dem letzten Mal gelernt. Vor drei Jahren, als ich ihr letztes Album Coma Ecliptic mit zwei von elf Punkten bewertete und damit eigentlich klar sein sollte, was ich von dieser Band halte. Nun ja, hier wären wir also. Es hat mich eben doch wieder gejuckt. Und das nicht etwa aus reiner Schadenfreude oder dem Drang dazu, die Diskografie dieser Formation nun auch in Gänze zu zersetzen, sondern tatsächlich aus einer Art positiv konnotiertem Interesse an ihrer neuen Platte. Automata I heißt die, ist Teil einer zweiteiligen LP-Serie und steht damit theoreitsch eigentlich sehr in der Tradition der Gruppe aus North Carolina: Progressive Epen, gerne irgendwas mit SciFi und Robotern, dazu jede Menge technische Finesse und eine Prise Emorock. So kannte man das bisher von ihnen. Doch als ich vor einigen Wochen dann die neue Single Condemned to the Gallows hörte, war ich von der klanglichen Dimension doch einigermaßen überrascht. Between the Buried & Me klangen zwar nicht groß anders als früher, aber in ihrem Stil irgendwie doch bunter, verspielter und kreativer als zuvor. Der Song kleidete in seinen sechseinhalb Minuten wesentlich mehr aus als nur die zwei Stimmungen, die die Band bisher drauf hatte und schuf zahlreiche Nuancen dazwischen. Kurzum: Condemned to the Gallows war ein ziemlich guter Song. Und an dieser Stelle wurde ich neugierig: Würden es die Amerikaner sogar schaffen, ein ganzes Album in diesem Stil aufzunehmen und damit ihren bisherigen Sound überwinden? Die Antwort wenige Wochen später ist ein ziemlich klares ja. Automata I ist das erste Projekt dieser Formation das ich kenne, das die robotische Ästhetik der Vorgänger ablegt, die Politur ein klein wenig zurücknimmt und dafür mit besserem Songwriting und sogar Retro-Bezügen aufwartet. In nicht wenigen Momenten hier sind durchaus Einflüsse klassischer Prog-Bands wie Gentle Giant, King Crimson, Yes oder Genesis zu erkennen, wenngleich immer etwas aufgepeppt mit modernem Instrumentarium und Metalcore-Versatzstücken. Insbesondere Yellow Eyes und Millions beeindrucken in dieser Hinsicht, schaffen sie es doch erstmals, in der Musik von Between the Buried & Me so etwas wie Emotionen zu erzeugen und zudem viel Abwechslung zu bieten. Von den insgesamt sechs Stücken auf Automata I ist im Endeffekt keines wirklich schlecht, nur ein paar peinliche Math-Posen kann sich die Band nach wie vor nicht verkneifen. Auch als wirklich toll produziert würde ich das hier nicht bezeichnen, zu oft ist beispielswiese der Gesang sehr glatt zurechtgemacht oder hat ein Break nicht den richtigen Punch. Vor allem der erste Paukenschlag in Condemned to the Gallows versackt im Albumkontext ziemlich peinlich, verschuldet allein durch mieses Mastering. Und auch sonst hätte ich mir manchmal noch größere Abgründe und mehr Härte gewünscht, um alles abzurunden. Verglichen mit dem allerdings, was Between the Buried & Me bisher zu bieten haben, ist das hier musikalisch ein kleines Wunder. Vom schlimmsten Alptraum aus der Welt des technisch-nerdigen Progmetal werden die mit diesem Album zu einer der Bands, von denen ich mir vorstellen könnte, dass sie mir diese Art von Musik schmackhaft machen. Das ist in meinen Augen ein riesiger Schritt für sie und zeigt, dass man eben niemals nie sagen sollte. Und es wundert mich, das zu sagen, aber ich freue mich ein wenig auf den zweiten Teil von Automata, der vielleicht noch in diesem jahr erscheint. Vielleicht wird der ja sogar noch besser...






Persönliche Highlights: Condemned to the Gallows / Yellow Eyes / Millions / Gold Distance / Blot

Nicht mein Fall: -

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Donnerstag, 22. März 2018

My Jam




















Odd Couple sind eine Band, von der ich bisher hauptsächlich etwas mitbekommen habe, weil sie in den letzten zwei Jahren auf so ziemlich jedem Festival gespielt haben, das in Deutschland stattfand und von denen auch ich mehrere besuchte. Selbst auf dem Gartenfest meiner Uni im vergangenen Sommer waren die Berliner zu Gast, was sie bei mir immer ein wenig zu Lineup-Bingo-Kandidaten machte. Aber warum auch nicht? Der groovige Krautrock des Trios geht eigentlich immer und überall, vor allem eben live. Was man von ihrem Studio-Output bisher nicht immer sagen konnte. Ihre beiden bisherigen Alben It's A Pressure to Meet You und Flügge waren ziemlich okay, aber für meine Begriffe immer etwas zu unfokussiert und lückenhaft, um wirklich etwas zu reißen. Es klang, als könnten sich Odd Couple nicht so recht entscheiden, was für Musik sie eigentlich machen wollten: Psychedelic- oder Garagenrock? Echte Nostalgie oder ironisierende Distanz? Deutsch oder Englisch? Stilistisch war diese Band unglaublich zerstreut und das nicht etwa im positiven Sinne. Ihre Platten wirkten nicht clever kombiniert und kreativ ausschweifend wie die von Zombie Joe oder Dÿse, sondern eher ziellos und unsicher. Odd Couple machten unglaublich viele Sachen, hatten aber keinen eigenen Stil. Zumindest bis jetzt. Denn als vor einer Weile die ersten Songs ihres dritten Albums erschienen, zeichnete sich erstmal so etwas wie Persönlichkeit bei ihnen ab. Vielfraß, Katta und der Titeltrack Yada Yada waren konsequent auf deutsch gesungen, Jascha Krefts Texte hatten Substanz und Selbstironie und musikalisch fand die Band eine asteckende Mischung aus rockigen Rückbezügen, psychedelischen Eskapaden und auch einer gehörigen Menge Pop. Was hier passierte, machte mir zum ersten Mal wirklich Bock auf ein Studiorelease der Berliner. Und mehr oder weniger ist das hier nun auch die erhoffte Platte geworden. Auf Yada Yada klingt ein Album von Odd Couple endlich auch mal wie ein Album und eine stilistische Linie ist definitiv gefunden. Noch dazu schafft es das Trio, innerhalb dieser Linie extrem vielseitig zu arbeiten: Die ersten beiden Tracks sind stabile Rocknummern mit ordentlich Groove, die einen amtlichen Standard setzen, was Riffs angeht, Robotik wartet mit Piano-Passagen und ein wenig Stones-Flavour auf, Fangdannan ist psychedelische Hippieromantik am Synthesizer und in Gib mir das klingt die Band sogar ein bisschen nach Bilderbuch. Zwar verzichten die Berliner dabei nach wie vor auf ein paar englischsprachige Lyrics, was mich ein wenig unglücklich macht, allerdings passen auch diese hier wesentlich besser ins Gesamtbild als bisher. Lediglich Stiff fällt kompositorsich komplett aus dem Album heraus und ich bin mir bis jetzt noch nicht ganz sicher, ob und Odd Couple hier nicht vielleicht eine Coverversion untergeschoben haben. Das Ergebnis zu ruinieren, schafft das Stück allerdings nicht, dazu passiert hier am Ende doch zu viel cooles. Yada Yada ist die LP, auf der ich mir endlich mal nicht nur Einzeltracks herauspicke, sondern mit das große ganze gefällt. Die mit den Songs, auf die ich mich ab jetzt freue, wenn ich die Band auf einem der vielen Festivals sehe, bei denen sie auch diesen Sommer wieder spielen. Und die, die mir Gründe gibt, nach den Gigs dort auch mal am Merchstand vorbeizuschauen. Um sie mit Jascha Kreft selbst zusammenzufassen: "An deinem eigenen Weg führt kein Weg dran vorbei". Recht hat er.






Persönliche Highlights: Bokeh 21 / Yada Yada / Katta / Gib mir das / Fangdannan / Robotik

Nicht mein Fall: Stiff

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Mittwoch, 21. März 2018

Einmal schnell und laut, bitte!




















Ich wusste ja gar nicht, dass Jericho Sirens das erste Album der Hot Snakes seit mittlerweile bereits 14 Jahren ist. Ich hätte schwören können, irgendwann für diesen Blog schon mal eine Platte von ihnen gehört zu haben, aber dem ist wohl nicht so. War wohl eine der anderen fünftausend Gruppen, in denen John Reis spielt. Aber auch die Tatsache, dass ich mal wieder überhaupt keine Ahnung hatte, mit was für einer Band ich es hier eigentlich zu tun habe, hat nichts daran geändert, dass ich diese LP mit jeder Menge Spannung erwartet habe und unbedingt wollte, dass sie gut wird. Denn die beiden Singles, die die Kalifornier im Vorfeld davon veröffentlichten, gehörten ohne Frage zu den besten Hardcore-Punk-Nummern, die ich 2018 bisher gehört habe. Und daran gemessen, dass Careful With That Edge seit einigen Jahren ein ziemliches Defizit in dieser Musikrichtung verzeichnet, waren diese Songs eine echte Verheißung. Hot Snakes klangen nach der Band, die den Fluch ablegen würde und dafür nichts weiter brauchte als ein gutes Album, das aus möglichst vielen von diesen Stücken bestand. Zwei Monate später wissen wir, dass sie das gar nicht mehr brauchen. Als Fluchbrecher sind ihnen im Februar schon Turnstile zuvor gekommen und auch sonst gab es zuletzt eine gewisse Renaissance des hochwertigen Punkrock auf diesem Format. Was natürlich nicht heißt, dass ich mich über ein tolles Album der Hot Snakes nicht trotzdem gefreut hätte. Und gut ist es allemal geworden. Nur als Erlösung hätte es wahrscheinlich eher nicht getaugt. Denn im wirklich so umzuhauen wie die Singles versprachen, ist es insgesamt einfach ein bisschen zu wenig. Zu wenig Fett im Sound, zu wenige Hooks und zu wenige Songs an sich. Zehn Songs fetzten Hot Snakes in gerade Mal 30 Minuten weg und für so ein Comeback ist das schon ein bisschen sehr knapp. Klar ist das ziemlich punk und so weiter, aber eben auch einfach unbefriedigend. Und auch klanglich hätte ich mir überall ein klein wenig mehr gewünscht. Man darf das nicht falsch verstehen: Die großen Pluspunkte von Jericho Sirens sind vor allem die, dass die Band ein unglaublich zackiges und trotzdem volles Songwriting an den Tag legt und hier so viele fantastische Riffs und Hooks versammelt wie wenige andere Künstler*innen. Fast jeder Track hier ist ein Hit und dazu auch noch höllisch gut produziert. Aber dafür, dass Hot Snakes sich für diese Ästhetik entscheiden, gehen sie zu selten wirklich aufs Ganze. So gut wie überall fehlt das letzte bisschen an Bombast, um aus dieser wahnsinnig guten Songs auch noch das letzte herauszuholen. Auf dem Papier mag das nach einer Lapalie klingen, doch zumindest bei mir sorgt es für jede Menge Frust. Denn es fehlt nur wenig und Jericho Sirens wäre die beste Punkrock-Platte des Jahres. So ist sie eben nur eine ziemlich gute, die ich ausnahmslos allen empfehlen möchte, die gute Rockmusik mögen. Insbesondere Fans der Cloud Nothings, von Ken Mode und Refused sollten hier auf ihre Kosten kommen. Und hoffentlich kommt ihr dabei auch so richtig in den Genuss dieser LP und habt nicht mit den gleichen Luxusproblemen zu kämpfen wie ich.






Persönliche Highlights: I Need A Doctor / Why Don't It Sink In? / Six Wave-Hold-Down / Death Camp Fantasy / Having Another? / Death Doula / Psychoactive

Nicht mein Fall: -

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Dienstag, 20. März 2018

Honigbombe




















Was wäre bloß passiert, hätte es Shoegaze niemals als großes Revival gegeben, sondern immer nur als das Mikrogenre, das Ende der Achtziger mal kurz ziemlich angesagt war? Ich für meinen Teil würde es als Einschnitt in meine Lebensqualität bezeichnen. Die Musik, die angeblich nach 1992 keine Sau mehr spielen wollte, ist im 21. Jahrhundert größer geworden als jemals zuvor und in meinen Augen in vielen Fällen auch besser. Mein Lieblingsalbum von Slowdive wurde 2017 veröffentlicht, alte Eisen wie Ride oder My Bloody Valentine laufen inzwischen wieder mindestens so gut wie in den Neunzigern und was wäre die Welt ohne Gruppen wie Alvvays, Beach House, Cigarettes After Sex oder Deafheaven? Auch 2018 läuft in Sachen Shoegaze schon wieder einwandfrei und hat mit der neuen Will Kraus nun auch sein erstes richtig großes Album. Zwar bespielt das New Yorker Ein-Mann-Projekt auf Path gerade mal knappe 33 Minuten, doch sind diese nicht weniger die Quintessenz eines großartigen Genreprojekts. Bereits im letzten Monat hatte mich die erste Single Reach in ihren zwei Minuten zwanzig komplett vom Hocker gehauen und der Rest der LP hält nun, was dieser Song bereits versprach: Gleißenden, dimensionalen Dreampop, der ebenso tight wie leichtfüßig gespielt ist und der in jeder Sekunde eine Atmosphäre atmet, die einem selbst beim Hören regelmäßig den Atem raubt. Kraus braucht dafür selten mehr als zwei Minuten pro Song und beschränkt sich instrumental auf ein Drumset, eine Gitarre, manchmal Bass und seine herrlich kehlige Gesangsstimme. Dass alle Elemente dabei bis hinter den Mond mit Reverb zugepappt sind, versteht sich von selbst. Viel neues macht der New Yorker dabei ehrlich gesagt nicht, doch es ist sein Ansatz, der diese Platte zu einem wirklichen Erlebnis macht. Nicht nur, dass er zeitlich hier nicht groß ausholen muss, um klangliche Tiefe zu erzeugen ist genial, Path lebt vor allem auch von seinen vielen orgasmischen Momenten. Der fast geflüsterte Gesang in See, der eröffnende Gitarrensound von Reach, das lauwarme Intro Figure und in Verbindung damit die Fetzen, die am Anfang von Bum erstmals fliegen. In all diesen Dingen steckt so viel Leidenschaft und Liebe zum Detail, dass diese Dinge fürs erste reichen, um diese halbe Stunde zum fantastischen Shoegaze-Erlebnis des ersten Quartals 2018 zu machen. Auf einem längeren Album würde das vielleicht irgendwann öde werden, aber mit der knackigen Spieldauer schafft Kraus sehr viel Kurzweil. Und in Anbetracht der Tatsache, dass in diesem Zeitfenster alles passt, kann man auch da nicht meckern. Diese Platte ist eben keines dieser ambienten Reverb-Flauschdinger, die man nur als Klangtapete hört, hier ist jede Menge Action drin. Das sorgt am Ende für den Aha-Effekt, der Path unter diesen ganzen großartigen Alben großartiger Shoegaze-Acts hervorhebt. Und deshalb quasi schon jetzt unter den besten Sachen, die 2018 passieren werden. Da bin ich mir irgendwie sicher.






Persönliche Highlights: Figure / Bum / Grow / Reach / Brief Skin / Outside / See / Big Blood / Mostly

Nicht mein Fall: -

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Montag, 19. März 2018

Es geht sich aus




















Wenn die Young Fathers in den letzten fünf Jahren eins gezeigt haben, dann dass es sich auch dieser Tage noch lohnt, musikalische Nischen zu besetzen. Vielleicht sogar mehr denn je. Denn wo der Großteil der aktuellen R'n'B- und Neosoul-Musik sich zurzeit in den immer gleichen Schleifen bewegt, die sich noch dazu mehr und mehr abnutzen, schafft sich das Trio aus Edinburgh sich selbst seit seinem Debüt von 2014 eine immer größer werdende kreative Enklave. Während der Rest der Welt sich selbst zwingt, so etwas wie Kelela cool zu finden, leben diese drei Musiker als geografische und stilistische Exoten ihre ganz eigene Interpretation davon aus. Der Erstling Dead war schon vor vier Jahren besser als alles, was Frank Ocean bis jetzt gemacht hat und ist heute eine der besten vergessenen Platten der Dekade, die selbst ich manchmal sträflich unterschätze. Und obwohl die Young Fathers seitdem eigentlich keinen einzigen schlechten Song veröffentlicht haben, warte ich bisher noch immer auf einen würdigen Nachfolger dieser LP. White Men Are Black Men Too war vor drei Jahren ein stilistisch guter Schachzug, der die Pop-Ambitionen des Debüts mit LoFi-Produktion und Rock-Momenten konterte, doch war er eben auch bewusst klein gehalten. Er war eher wieder das coole Mixtape, das die Leute von den Emotionen des Albums runterholte. Und wo ich weiter auf das nächste große Ding warten musste, machte die Band erstmal Musik für Trainspotting 2 und tourte anderthalb Jahre mit Massive Attack. Als im Januar diesen Jahres mit In My View dann endlich das erste Lebenszeichen eines neuen Longplayers kam, war ich folglich kaum mehr zu halten. Würde Cocoa Sugar nun endlich der ersehnte Brocken Kreativität werden, den Young Fathers mir schuldeten? Die ehrliche Antwort drei Monate später ist nein. Zwar marschieren die Schotten in Sachen Ästhetik und Sound hier wieder deutlich Richtung Pop und Soul, doch fehlt auch diesmal eindeutig die große Songwriting-Spritze, die Dead damals hatte. Dabei ist die Platte durchaus nicht unkreativ: Einflussmäig kann man hier Eindrücke herauslesen, die von den Chemical Brothers bis Bon Iver und von James Brown bis zu Jamie XX und mittlerweile natürlich Massive Attack reichen und zwischen denen sie in jedem Moment zweifelsfrei sie selbst bleiben. Tracks wie Wire, Lord, Tremolo oder Border Girl sind unglaublich kreativ und dennoch schaffen es Young Fathers irgendwie nicht, daraus ein Album zu machen. Zu einförmig und zu unterstrukturiert ist das ganze am Ende und zu wenig setzt die band dabei auf Dynamik. Wenn jeder Song die gefühlt gleiche Hook hat, kann er noch so tolle Details verarbeiten, das große ganze stimmt einfach nicht. Und wo viele Stücke hier in sich wahrscheinlich total unterhaltsam sind, wird die gesamte LP, obgleich nur 36 Minuten lang, dann doch sehr schnell langweilig. Wenig große Veränderung, nur viel Spielerei um das eine Thema. Dass ich davon dann doch ziemlich enttäuscht bin, ist sicher keine Überraschung. Zum wiederholten Mal präsentieren sich Young Fathers hier als Formation, die trotz guter Voraussetzungen nicht so richtig aus der Reserve kommt und langsam kann das eben doch nicht mehr nur ausschließlich Pech sein. Sind die Schotten einer dieser Acts, die ein wahnsinnig tolles Debüt machen und danach nur noch ausglühen? Unter Umständen ja. Um dieses Urteil endgültig zu fällen, ist es selbstverständlich noch zu früh und ich hoffe natürlich aus Leibeskräften dagegen an. Der Verdacht darauf kommt in meinen Augen allerdings nicht zu früh. Vielleicht haben wir die beste Zeit dieser Gruppe bereits hinter uns. Und die moderne Popmusik verändern werden sie sowieso nicht mehr, dafür sind sie schon jetzt zu sehr Nischenphänomen.






Persönliche Highlights: See How / In My View / Lord / Tremolo / Holy Ghost / Wire / Picking You

Nicht mein Fall: Turn

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Freitag, 16. März 2018

Mehr Songs über Kameras and Trump




















Dass David Byrne die letzten 14 Jahre keine neue Platten mehr gemacht hat und zumindest in meiner aktiven Zeit hier auch sonst nicht wirklich viel, ist aus meiner Position heraus eigentlich eine echte Erleichterung. So hat es ganze sieben Jahre gedauert, bis ich auch mal dazu kommen würde, meinen Senf zu diesem Mann dazuzugeben und mit im Zuge dessen den Hass meiner kompletten Leser*innenschaft zuzuziehen. Denn wenn man mich fragt, ist er einer der am furchtbarsten überbewerteten Musiker der letzten vier Jahrzehnte. Schon die Talking Heads sind, obgleich ich einige Songs von ihnen sogar mag, eine Band, die ich bis heute nicht so recht verstehe und was den Solo-Output ihres Ex-Frontmanns angeht, so ist dieser höchstens nur noch schlimmer. Melodien kann er nicht schreiben, singen kann er auch nicht und produktionstechnisch hat er in 39 Jahren Karriere höchstwahrscheinlich nicht ein ansatzweise gut klingendes Album fabriziert. Und obgleich ich seine Art, Texte zu schreiben dann und wann schätze, hat er mich als Gesamtpaket bis dato irgendwie nie erreichen können. Ich schließe nicht aus, dass das eventuell noch passieren könnte, aber bis jetzt war das eben nicht der Fall. Auch nicht mit American Utopia. Dabei mochte ich die ersten Singles der neuen LP sogar ein bisschen. Everybody's Coming to My House war Anfang des Jahres ein sehr energischer Song, der Byrne wieder als den vokalistischen Exzentriker aus den Achtzigern zeigte und zumindest mit Nostalgie überzeugte. Auch This is That war als Einzeltrack gar nicht mal so übel. Der sogenannte "Kontext", der alle Songs auf Albumlänge dann jedoch zusammenhalten soll, wirft diese eher wieder über den Haufen und richtet jede Menge Chaos an. American Utopia klingt auf Gesamtlänge eher wie eine Sammlung von B-Seiten, die rein zufällig ein loses lyrisches Konzept teilen, das irgendwie mit Dystopien, Facebook und Trump zu tun hat. Dieses an sich ist vielleicht das beste hier, erinnert es doch an das textlich sehr starke Everything That Happens Will Happen Today, das Byrne vor zehn Jahren zusammen mit Brian Eno machte. Wo andere Künstler*innen solchen Themenkomplexen sehr oft mit Plattitüden, Dad Jokes und Kulturpessimismus begegnen, treffen die Songs hier einen ziemlich guten Ton und schaffen es auch ohne moralischen Zeigefinger, Nägel auf Köpfe zu hauen. Schade nur, dass Byrnes Gesangsperformance mir dann jeglichen Genuss daran direkt wieder nimmt. Dass ich ihn als Sänger schon immer ziemlich hasse, wird sich wohl niemals ändern und da ist auch jeglicher guter Wille vergebens. Leider Gottes ist das eben meine Position. Dass ich mit diesem Menschen musikalisch nichts anfangen kann, wird sich vermutlich so schnell nicht ändern und ich kann euren Groll verstehen, wenn es euch dabei anders geht. Aber seht es doch mal so: Dass ich diese Platte nicht mag, heißt das nicht, dass sie euch nicht gefallen könnte. Und wenn ihr David Byrne bisher mochtet, stehen die Chancen ziemlich gut, dass euch auch das hier zusagt. Nur lasst mich damit bitte in Ruhe, mein Fall ist es eben nicht. Sorry not sorry.






Persönliche Highlights: I Dance Like This / Doing the Right Thing / Everybody's Coming to My House / Here

Nicht mein Fall: Dog's Mind / It's Not Dark Up Here

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Donnerstag, 15. März 2018

Kurze: Young Krillin & Crack Ignaz; Remo Drive; Kwam.e

In den letzten Wochen sind neben vielen tollen Alben auch ein paar Kleinformate erschienen, über die ich an dieser Stelle auch einmal sprechen möchte. Eine formelle, große Besprechung darüber zu machen, wäre aber sicherlich übertrieben, weshalb ich mich entschieden habe, hier eine Reihe davon in einem Post zu behandeln.

REMO DRIVE
Pop Music EP
Nach ihrem wahnsinnig tollen Debüt vom letzten Jahr lassen Remo Drive nicht lange auf sich warten und legen direkt eine weitere sehr gute Drei-Song-EP nach, die sich in gewisser Weise als Verlängerung von Greatest Hits versteht. Der knallige, catchy Emorock hier ist der gleiche wie auf dem Album und die drei Titel stehen diesem in absolut nichts nach. Ferner schafft die Band aus Minnesota hier endlich auch ein klangliches Update mit einer sogar ziemlich polierten Produktion, die ihnen jedoch gar nicht mal so schlecht zu Gesicht steht.
9/11

KWAM.E
Whut Da Phunk EP
Whut Da Phunk ist der Einstand des Hamburger Rappers Kwam.e und wie der Titel der EP schon zeigt, ist dieser junge Mann keiner von den New-School-Bandcamp-Künstler*innen, von denen es gerade eigentlich schon zu viele gibt. Sein Stil besteht aus harten, jedoch durchaus humorvollen Straßen-Punchlines und vor allem einer Reihe sehr gediegener Oldschool-Boombap-Instrumentals. Meistens werden diese von seinem Homie Classic.der.Dicke produziert, den Opener jedoch machte niemand geringerer als Samy Deluxe. Prominentes Backing hat der Junge also schon mal, gute Hooks schreibt er außerdem. Was mir persönlich noch gefallen würde, wäre ein bisschen weniger Kulturpessimismus und dafür mehr Kontinuität. Aber auf jeden Falle einer, den man im Auge behalten sollte.
8/11

YOUNG KRILLIN & CRACK IGNAZ
Bullies in Pullis II
Nach den etwas verunglückten Tapes beider Rapper in den letzten Jahren war die Ankündigung eines echten Hanuschplatz-Projektes mit den beiden Originalen eine echte Verheißung. Und obwohl BIP2 jetzt nicht wirklich eine nostalgische Platte geworden ist, wirkt sich die Anwesenheit der beiden Größen der Salzburger Zelle doch positiv aus. Besonders Mastermind Young Krillin ist hier so gut wie lange nicht mehr und liefert Bars wie zuletzt tatsächlich zu Zeiten des ersten Bullies in Pullis. Insofern vielleicht doch eines der entscheidenden Trap-Releases 2018.
8/11






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Montag, 12. März 2018

Hundert Pro




















Nach nunmehr einigen Jahren, die von großer Passivität meinerseits bestimmt waren, was das Thema Debütalben angeht, habe ich 2018 erstmals wieder ein ziemlich gutes Gefühl, dass es anders werden könnte. Meine Radare bezüglich guter neuer Musik haben sich in letzter Zeit wesentlich verfeinert, meine Suchmechanismen sind besser geworden und vor allem habe ich die positive Angewohnheit kultiviert, mehr von dem zu hören, was mich selbst interessiert und weniger von dem, was Trends mir vorgeben. Nur so bin ich in den letzten Wochen zum Beispiel auf eine Band wie Moaning gestoßen, die vor kurzem einen Deal mit Sub Pop unterschrieben und dort gerade ihren LP-Einstand veröffentlicht haben. Dieser ist zwar durchaus ein Ereignis, von dem man zuletzt in vielen einschlägigen Blogs lesen konnte, dabei aber eher selten unter den Top-Themen. Dabei handelt es sich in meinen Augen hier durchaus um eine kleine Sensation. Die Kalifornier spielen ein spannendes Amalgam aus Gothrock und Shoegaze, das genau die richtige Mischung aus Ätherik und Catchiness in sich vereint und manifestierten die Wirkkraft dieses Stils seit dem letzten November auf insgesamt drei gigantischen Singles. Der Sound der Band dort war rockig und kaputt, aber auf irgendeine Weise auch sehr klar und nicht zuletzt richtig genial produziert. Dass jene Songs, die bis jetzt separat erschienen, nun auch das Album eröffnen, ist dann natürlich ziemlich geil. Aber wenn Moaning auf Gesamtlänge eines zeigen, dann dass es vollkommen egal gewesen wäre, welche Tracks sie für die Promo ausgewählt hätten. Denn auf ihrer ersten LP schreiben sie mehr oder weniger einen Hit nach dem anderen. Bei gerade mal zehn Songs in 33 Minuten mag das nach keinem großen Kunststück klingen, doch ist es in Wahrheit genau das: In eine halbe Stunde so viel Bombast zu packen wie die Band das hier tut ist wesentlich schwerer als bei 45 Minuten oder gar einer Stunde und die Tatsache, dass hier so gut wie jeder Ton sitzt, ist beeindruckend. Noch dazu, weil Moaning in dieser kurzen Zeit eine unglaubliche Bandbreite an Ästhetiken abklappern: Der Opener Don't Go ist die rockig-finstere Goth-Nummer, Tired blumiger Blubberwölkchen-Shoegaze, Does It Work for You die kantige Distortion-Abfahrt und in Close erinnern die Kalifornier stellenweise sogar ein bisschen an Coldplay. Und weil die britischen Weichspüler jetzt nicht der einzige stilistische Zusammenhang sein soll, den ich hier nenne: Wer auf Bands wie Nothing, the Horrors oder Preoccupations steht, sollte sich das hier vielleicht mal anhören. Dass Moaning auch extrem von Slowdive, Joy Division und My Bloody Valentine beeinflusst sind, ist natürlich klar. Doch statt wie viele Acts nur die Summe ihrer Vorbilder zu sein, schaffen es diese Musiker, auch aus sich selbst heraus einen ziemlich coolen Charakter zu entwickeln und hier ein Debüt aufzunehmen, das sich von vorne bis hinten gelohnt hat. Zwar gibt es auf dieser Welt schon viele sehr gute Bands, die sehr ähnliche Sachen machen wie Moaning, aber für sie muss definitiv noch Platz sein. Denn wer schon auf der ersten Platte so strahlt, aus dem kann nur was gutes werden.






Persönliche Highlights: Don't Go / Tired / Close / Does This Work for You / the Same / Somewhere in There

Nicht mein Fall: -

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