Montag, 19. März 2018

Es geht sich aus




















Wenn die Young Fathers in den letzten fünf Jahren eins gezeigt haben, dann dass es sich auch dieser Tage noch lohnt, musikalische Nischen zu besetzen. Vielleicht sogar mehr denn je. Denn wo der Großteil der aktuellen R'n'B- und Neosoul-Musik sich zurzeit in den immer gleichen Schleifen bewegt, die sich noch dazu mehr und mehr abnutzen, schafft sich das Trio aus Edinburgh sich selbst seit seinem Debüt von 2014 eine immer größer werdende kreative Enklave. Während der Rest der Welt sich selbst zwingt, so etwas wie Kelela cool zu finden, leben diese drei Musiker als geografische und stilistische Exoten ihre ganz eigene Interpretation davon aus. Der Erstling Dead war schon vor vier Jahren besser als alles, was Frank Ocean bis jetzt gemacht hat und ist heute eine der besten vergessenen Platten der Dekade, die selbst ich manchmal sträflich unterschätze. Und obwohl die Young Fathers seitdem eigentlich keinen einzigen schlechten Song veröffentlicht haben, warte ich bisher noch immer auf einen würdigen Nachfolger dieser LP. White Men Are Black Men Too war vor drei Jahren ein stilistisch guter Schachzug, der die Pop-Ambitionen des Debüts mit LoFi-Produktion und Rock-Momenten konterte, doch war er eben auch bewusst klein gehalten. Er war eher wieder das coole Mixtape, das die Leute von den Emotionen des Albums runterholte. Und wo ich weiter auf das nächste große Ding warten musste, machte die Band erstmal Musik für Trainspotting 2 und tourte anderthalb Jahre mit Massive Attack. Als im Januar diesen Jahres mit In My View dann endlich das erste Lebenszeichen eines neuen Longplayers kam, war ich folglich kaum mehr zu halten. Würde Cocoa Sugar nun endlich der ersehnte Brocken Kreativität werden, den Young Fathers mir schuldeten? Die ehrliche Antwort drei Monate später ist nein. Zwar marschieren die Schotten in Sachen Ästhetik und Sound hier wieder deutlich Richtung Pop und Soul, doch fehlt auch diesmal eindeutig die große Songwriting-Spritze, die Dead damals hatte. Dabei ist die Platte durchaus nicht unkreativ: Einflussmäig kann man hier Eindrücke herauslesen, die von den Chemical Brothers bis Bon Iver und von James Brown bis zu Jamie XX und mittlerweile natürlich Massive Attack reichen und zwischen denen sie in jedem Moment zweifelsfrei sie selbst bleiben. Tracks wie Wire, Lord, Tremolo oder Border Girl sind unglaublich kreativ und dennoch schaffen es Young Fathers irgendwie nicht, daraus ein Album zu machen. Zu einförmig und zu unterstrukturiert ist das ganze am Ende und zu wenig setzt die band dabei auf Dynamik. Wenn jeder Song die gefühlt gleiche Hook hat, kann er noch so tolle Details verarbeiten, das große ganze stimmt einfach nicht. Und wo viele Stücke hier in sich wahrscheinlich total unterhaltsam sind, wird die gesamte LP, obgleich nur 36 Minuten lang, dann doch sehr schnell langweilig. Wenig große Veränderung, nur viel Spielerei um das eine Thema. Dass ich davon dann doch ziemlich enttäuscht bin, ist sicher keine Überraschung. Zum wiederholten Mal präsentieren sich Young Fathers hier als Formation, die trotz guter Voraussetzungen nicht so richtig aus der Reserve kommt und langsam kann das eben doch nicht mehr nur ausschließlich Pech sein. Sind die Schotten einer dieser Acts, die ein wahnsinnig tolles Debüt machen und danach nur noch ausglühen? Unter Umständen ja. Um dieses Urteil endgültig zu fällen, ist es selbstverständlich noch zu früh und ich hoffe natürlich aus Leibeskräften dagegen an. Der Verdacht darauf kommt in meinen Augen allerdings nicht zu früh. Vielleicht haben wir die beste Zeit dieser Gruppe bereits hinter uns. Und die moderne Popmusik verändern werden sie sowieso nicht mehr, dafür sind sie schon jetzt zu sehr Nischenphänomen.






Persönliche Highlights: See How / In My View / Lord / Tremolo / Holy Ghost / Wire / Picking You

Nicht mein Fall: Turn

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