Sonntag, 25. März 2018

Fresh Air




















Es ist schon komisch, dass es dieses Album gebraucht hat, damit ich feststelle, wie sehr ich Air eigentlich vermisse. Besser gesagt, damit ich überhaupt merke, dass sie jetzt schon eine ganze Weile lang nichts mehr gemacht haben. Je nachdem, wie man zählt, ist ihr letztes Album vier oder neun Jahre her und obwohl ihre letzte richtig gute Platte auch schon etwas älter ist, hat die Verheißung dieser Band doch immer etwas besonderes. Die Franzosen haben eine klangliche Tiefe und ein Verständnis für Popmusik, das ich bei keinen Daft Punk und keinen Justice dieser Welt finden kann und viele ihrer Songs sind in den zehn bis zwanig Jahren, die sie nun alt sind, um keinen Tag gealtert. Also ja, Air sind auch 2018 noch eine geile Sache. Und solange es von ihnen nichts neues gibt, muss man eben mit den Soloprojekten ihrer Mitglieder vorlieb nehmen. Was im Falle von JB Dunckel eigentlich kein großer Unterschied ist. Während sein Kollege Nicolas Godin sich mit Johann Sebastian Bach und Quantenphysik beschäftigt, ist er schon immer der einigermaßen geerdete Typ, der am Ende doch lieber retrofuturistische Popsongs schreibt. Wovon er auf H+ mal wieder einige sehr gute versammelt hat. Dabei ist diese Platte hier tendenziell nichts neues: Alle Stücke hier könnten irgendwann zwischen 1982 und 2018 erschienen sein, der Sound ist warm und flauschig, Dunckel singt englisch mit unglaublich niedlichem französischen Akzent und absolut jede Melodie ist Liebe auf den ersten Blick. Die letzten Jahre über hat der Franzose viele Filmmusiken geschrieben und man spürt, wie viel Freude es ihm hier macht, dass es diesmal wieder richtige Songs sind. Wie zum Beweis hat er sich dabei ziemlich ausgetobt: Der Opener Hold On klingt wie ein verhuschter Zweitausender-Robbie Williams-Radiohit, the Garden ein wenig nach Sechziger-Schlager, Qwartz ist ein wenig jazzig angehaucht, Space Age Pink Floyd in weniger heavy und Love Machine hätte Serge Gainsbourg alle Ehre gemacht. Am meisten muss man am Ende aber natürlich immer noch an Air denken. Denn H+ ist nicht nur in allen Ebenen in der Tradition von Dunckels Band gehalten, es muss sich hinter deren Werk auch nicht verstecken. Jean-Benoit macht hier das, was er am besten kann und es funktioniert so, wie es schon seit den Neunzigern funktioniert hat. Man könnte jetzt natürlich argumentieren, dass da ja keine künstlerische Entwicklung dahinter ist und man das ja alles schon kenne, aber so etwas liegt mir fern. Denn ganz ehrlich: Wann haben wir denn tatsächlich das letzte Mal ein Air-Album gehört, noch dazu ein so gutes? H+ ist vielleicht Fanservice, aber so wie ich das sehe, ist das gerade auch bitter nötig. Dieses Album fühlt sich ein bisschen an wie die erste Zigarette, die man raucht, nachdem man eigentlich lange clean war: Man merkt erstmal, was einem gefehlt hat. Und das hätte ein progressives Projekt eben nicht gekonnt. Außerdem bin ich der letzte, der eine Sammlung so guter Popsongs verschmähen würde, nur weil sie nicht besonders originell sind. Vielleicht liegt es aber auch an mir. Wenn man die meisten Platten von Air erst kennengelernt hat, als sie schon Klassiker waren, ist es schwer, so etwas ganz unvoreingenommen zu betrachten. Mit H+ kann ich das jetzt nachholen. Dass ich das noch erleben darf!






Persönliche Highlights: Hold On / Love Machine / the Garden / Qwartz / Space Age / Ballad Non Sense

Nicht mein Fall: Carpet Bombing

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