Dienstag, 27. März 2018

Das Leben geht weiter




















Es war interessant zu erfahren, wie Phil Elverum nach dem letzten Mal wohl weitermachen würde. Nach diesem einen Album vom letzten Jahr, das definitiv eine Zäsur in seiner Karriere war. Dem Album, das eigentlich weniger ein musikalisches Projekt war, sondern eher eine Operation am offenen Herzen, sowohl für den Songwriter und alle, die ihm dabei zuhörten. A Crow Looked At Me ist mit Sicherheit ein Dreh- und Angelpunkt in dem, was Mount Eerie bedeutet, und das nicht nur wegen den Dingen, die er dort anspricht, sondern auch, weil Elverum in einigen Passagen davon den Prozess des Songschreibens an sich in Frage stellt. Wer nicht weiß, worüber ich hier rede, den möchte ich an dieser Stelle auf meine Besprechung dieser LP verweisen, da eine ausführliche Abhandlung dieser Platte hier zu viel Platz wegnehmen würde. In diesem Post soll es darum gehen, wie seine Musik ein Jahr später weitergeht. Und ich war durchaus gespennt, was auf diesem Album passieren würde. Würde Elverum hier so fortfahren wie vorher und A Crow Looked At Me als stilistischen und inhaltlichen Ausreißer stehen lassen oder den Diskurs darüber fortführen? Beides schien irgendwie möglich und über beides wäre ich auch froh gewesen. Dass Now Only letztendlich eher letzteres geworden ist, erscheint im Nachhinein dennoch logischer. Denn der Tod eines geliebten Menschen ist sicherlich nichts, dass man nach kurzer Zeit einfach so abwendet, sondern das tiefgehend beschäftigt. Weshalb Mount Eerie hier auch weniger ein Sequel zum letzten Projekt macht, sondern eher eine Art Tribut an die Beziehung zu seiner Frau Geneviève Castrée schreibt, das ihr gemeinsames Leben Revue passieren lässt. Klar gibt es dabei auch weiterhin Trauer, die unweigerlich zu diesen Gefühlen dazugehört, doch im großen und ganzen ist das hier der Teil der Geschichte, der die gute Seite zeigt. Der Opener Tintin in Tibet eröffnet mit einer Erzählung über den Tag, an dem die beiden sich kennenlernten, es geht um Elverums Kinder, um gemeinsame Treffen mit Freunden, um Familie und um Liebe. Der Songwriter findet dabei Magie in vielen kleinen Momenten, die er äußerst detailliert in den sechs Tracks schildert, wobei sein erzählerischer Stil hier mehr denn je ins Stream of Consciousness-artige abdriftet. Vergleiche mit der Art und Weise, wie ein Mark Kozelek schreibt, sind dabei unvermeidbar, allerdings ist das hier sowohl von der eigentlichen Struktur als auch von der Attitüde her etwas vollkommen anderes und auch wenn Elverum vielleicht ein bisschen geklaut hat, weniger beeindruckend ist es nicht. Und es sorgt trotz des schwerwiegenden Themas für ein paar erhellende Momente. So gibt es in Distortion eine Passage, in der darüber erzählt wird, was Jack Kerouac eigentlich für ein Arschloch war (in meinen Augen eine sehr zutreffende Beobachtung) und im nächsten Track zieht Elverum ein wenig über die sinnentleerte Existenz von Festivalbesuchern her. Solche Momente zeigen, dass Now Only eben keine exakte Fortsetzung seines Vorgängers ist, sondern schon etwas anderes. Es geht um die Erinnerung an die Person, die A Crow Looked At Me betrauert, und dass diese langsam die Trauer überwiegt. In diesem Sinne ist das hier ein weiteres unglaublich starkes Album, das mit den gleichen Qualitäten überzeugt wie das letzte: Ehrlichkeit, Unmittelbarkeit und unwahrscheinlich viele Details. Und ebenso wie jenes letzte kann man es deshalb nicht an den üblichen Parametern messen, weil es emotional einfach eine ganz andere Kiste ist. Wahrscheinlich wird es mir mit Now Only ähnlich schwer fallen, es irgendwie einzuordnen und zu sagen, ob es besser oder schlechter ist als A Crow Looked at Me ist meiner Meinung nach völlig zweitrangig. Tatsache ist allerdings, dass diese LP mich nach dem bitteren, schweren letzten Mal wieder ein wenig aufgerafft hat und mir gute Gedanken bringt. Allein deshalb finde ich, dass diese Songs vor allem für Menschen Sinn machen, die den Vorgänger auch gehört haben. Vielleicht ist das am Ende sogar notwendig, um diese Platte überhaupt zu verstehen. Insgesamt rundet sie den Themenbereich beider Projekte auf jeden Fall ab und weißt mit dem Closer Crow Pt. 2 zwar auf ein offenes Ende, das jedoch irgendwie Hoffnung macht. Von mir aus kann Phil Elverum jetzt also wieder "normale" Musik machen.






Persönliche Highlights: Tintin in Tibet / Distortion / Now Only / Two Paintings by Nikolai Astrup / Crow Pt. 2

Nicht mein Fall: Earth

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