Montag, 30. April 2018

10 Songs im April 2018 (Annenmaykantereit, Ariana Grande, Yung Hurn, Tyler, the Creator, Snow Patrol, die Nerven, Kyary Pamyu Pamyu und und und...)























HER feat. ANNENMAYKANTEREIT & ROMÉO ELVIS
On & On
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Ich hatte bisher nicht daran geglaubt, dass Henning May auf englisch irgendwie funktionieren würde, seine zahlreichen Coverversionen und Gastauftritte als Beweis. Diese Zusammenarbeit mit Her allerdings belehrt mich eines besseren. Überhaupt ist On & On ein Konglomerat außergewöhnlicher vokalistischer Talente, die hier gemeinsam einen echten Ausnahme-Hit fabrizieren. Kollabo-Host Her bringt dem Moby-artigen Elektropop-Beat seriösen Gothpop bei, Roméo Elvis überrascht mit Franzosenrap und Mays Performance bringt jede Menge Soul ins Spiel. Eine gewagte Mischung an Ausprägungen, aber dadurch auch ein sehr gelungenes und spannendes Crossover.

KYARY PAMYU PAMYU
Kimino Mikata
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Irgendwie cool fand ich Kyary Pamyu Pamyu schon immer, bisher aber eher auf die witzige Art und Weise. Und dass sie hier einen waschechten Popsong macht, versteht sich auch eher relativ. Wen übertriebene Niedlichkeit, bunter Klamauk und gepitchter Gesang als Elemente des fernöstlichen Mainstream abschrecken, wird sicher auch hier Kopfschmerzen kriegen. Ich mag Kimino Mikata allerdings, weil er eben auch ohne die aufgeblasene Business-Persönlichkeit der Sängerin funktioniert und im Kern des ganzen starkes Songwriting steckt. Und das ist in meinen Augen eben durchaus eine Neuentwicklung in der Musik der Tokioterin.

TYLER, THE CREATOR
Okra
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Es war keine einfache Entscheidung, ob ich am Ende des Monats diesen Song oder doch lieber die Demo von Rose Tinted Cheeks in dieser Liste haben wollte. Dass es am Ende Okra geworden ist, liegt tatsächlich auch einfach nur daran, dass es eine "richtige" Single mit kompletter Produktion und allem drum und dran ist. Außerdem ist es endlich mal wieder ein richtiger Banger des Rappers, wie er ihn in meiner Erinnerung schon seit Goblin-Zeiten nicht mehr in dieser Form gemacht hat. Sicher, vor seinem künstlerischen Fortschritt seitdem ist das vielleicht etwas despektierlich, aber es ist verdammt nochmal ein guter Track. Vielleicht hätte so ein Ding auch seine letzte LP ein bisschen aufgewertet.

FAILURE
Dark Speed
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Die letzte akzeptable Grunge-Band der Welt macht auch nach ihrem Comeback immer noch überraschend stabile Musik und veröffentlicht mit dieser neuen Single vielleicht ihren besten Song seit der Auflösung. Klanglich ist das Ding zwar sehr Neunziger, doch es wirkt in keinem Moment forciert nostalgisch, sondern eher sehr rechtschaffen und ehrlich. Vor allem aber zeigt die Gruppe aus Seattle, dass sie immer noch gute Gitarrenlines und eingängige Hooks schreiben kann, die sie damals schon relativ unbeschadet den Zerfall der Szene überleben ließen. Mit dieser Single ist im übrigen auch ihr neues Album auf dem Weg und ich freue mich, dass ich 2018 gespannt auf so etwas sein kann.

DIE ACHSE
Hate You
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Als Produzententeam für Haiyti, Karate Andi und Haftbefehl hat die Achse bereits einiges an Aufmerksamkeit gewonnen, mit der EP Angry German folgt nun ihr Debüt in eigener Sache. Was die ersten Songs davon von üblichen Beatmaster-Platten unterscheidet, merkt man in Hate You: der Sound baut eher auf Elektro als auf Hiphop, verwendet kreative Meme-Vokal-Schnipseleien und glänzt nicht zuletzt durch eine heftige Attitüde. Mitunter fühlt man sich sehr an Big Beat-Acts wie the Prodigy oder die Chemical Brothers erinnert, allerdings mit einem sehr modernen Sachbezug. Den Punk werden sie damit zwar auch nicht neu erfinden, doch die EP könnte eine erfrischende Ausnahme in der hiesigen Produzent*innen-Landschaft werden.

THY CATAFALQUE
Töltés
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In Progrock-Fachkreisen rührte die ungarische Band Thy Catafalque bereits vor zwei Jahren ziemlich auf und wenn man sich ihre neuen Songs so anhört, weiß man auch, wieso. Ihr innovativer Mix aus technischem Metal mit Djent-Einflüssen, traditionellem Folk und elektronischem New Wave erfrischt den klinisch toten Sound des Prog-Einzugsgebiets ungemein und noch dazu können die hier Songs schreiben. Töltés ist unter all diesen tollen Sachen noch mal eine ganz besondere Delikatesse, weil die Band hier große Versatzstücke aus Elektropop und Industrial mit ins Boot holt, die ihren Stilmix zusätzlich aufwirbeln. Dass hier eine der spannendsten Rockplatten des Jahres in den Startlöchern steht, sollte spätestens damit klar sein.

SNOW PATROL
Life On Earth

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Snow Patrol sind schon lange eine schwer unterschätzte Band, die seit Jahren ziemlich gute Singles macht und auch ihre neue gehört da mal wieder dazu. Life On Earth mag pathetisch sein, doch weiß es diese Attitüde auch zu transportieren. Mit eröffnenden Neil Young-Akustikgitarren, die später in einen fantastischen Stadion-Refrain übergehen und sich zwischendurch verschnicktes Elektro-Gefrickel gönnen, machen die Briten hier ein ordentliches Fass auf und dabei ziemlich Eindruck auf mich. Es ist klar, dass die Band hier ein großes Statement setzen will und wenn man mich fragt, haben sie dafür zumindest nicht die falschen Mittel gewählt. Dieser Song hat das Potenzial einer gewissen Tragweite und wenn es das braucht, um das grauenvolle Chasing Cars endlich auszustechen, soll mir das nur Recht sein.

DIE NERVEN
Fake / Frei
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Nach dem durchwachsenen letzten Album war ich aus gutem Grund etwas misstrauisch, was die neuen Songs der Nerven anging, von denen die ersten der aktuellen Fake-LP auch nicht wirklich nach meinem Geschmack waren. Mit diesem vorerst letzten Single-Doppel wendet sich jedoch das Blatt für mich, da die Stuttgarter hier erstmals zeigen, wie die neue Band klingt, die sie geworden sind. Auf der einen Seite steht mit Frei zwar ein gewohnt krachiger Noise-Zweiminüter, der nur etwas besser produziert und musikalisch spannender ist, auf der anderen jedoch der wesentlich spannendere Titeltrack, der stilistisch in eine ganz andere Richtung geht. Die Nerven schreiben hier eine Piano-getragene Ballade, die keine Aggressivität braucht, um tiefgreifend zu wirken und die eine gewisse Pop-Affinität bei dieser Gruppe nicht mehr wie etwas unmögliches erscheinen lässt. Vor allem macht sie aber wahnsinnig neugierig auf das, was das fertige Album zu bieten hat. Demnächst erfahren wir mehr...

ARIANA GRANDE
No Tears Left to Cry
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Bisher war mir Ariana Grande immer herzlich egal und das aus gutem Grund, doch bei ihrer neusten Single musste ich das erste Mal wirklich aufhorchen. Zwar ist der Grund dafür am ehesten der spritzige Drum & Base-Dancepop-Beat, für den sicherlich nicht Frau Grande selbst verantwortlich ist, doch das Ergebnis passt an allen Stellen. Der rhythmische Ansatz überrascht am Anfang dort, wo man eher eine R'n'B-Ballade vermutet hätte, die Gesangsperformance ist unglaublich vielseitig und trotz aller Verschachtelungen findet der Track immer wieder zu einer extrem eingängigen und gut gemachten Hook. Dabei ist der Song ganz nebenbei auch inhaltlich nicht komplett für die Tonne. In meinen Augen bedeutet das, dass hier alles richtig gemacht wurde und man sich demnächst vielleicht doch mal eingängiger mit dieser Künstlerin beschäftigen sollte.

YUNG HURN
Bist du alleine
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Die Promophase zu Yung Hurns neuer Platte 1220 war bisher eine einzige Verkettung ziemlich langweiliger und vorhersehbarer Tracks, die mich wenig interessierten, aber mit Bist du alleine kam letzte Woche doch noch meine Erlösung. Der springende Punkt hier ist, dass das Stück nicht nur durch einen gut produzierten Stickle-Beat glänzt, über den der Österreicher den gleichen Bullshit sabbert wie schon auf den letzten drei Alben, sondern dass hier einerseits etwas mehr Inhalt stattfindet und der Song andererseits eine tierisch gute Hook mit ins Spiel bringt. So ernsthaft emotional wie hier habe ich diesen Typen selten vorher erlebt und das letzte Mal ist auch schon ein paar Jahre her. Meine Hoffnungen für 1220 werden damit zwar nicht wirklich größer, aber wenigstens für einen Track hat sich das Ding dann gelohnt.

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Sonntag, 29. April 2018

Todeswünsche




















Wiegedood sind mittlerweile eine Band, der ich auf diesem Format ein bisschen den roten Teppich ausrollen muss. Gerade mal seit vier Jahren aktiv, hat die die Band aus dem belgischen Kortrijk schon jetzt einen fabelhaften Schnitt bei mir gemacht, der hier nicht mehr wegzudenken ist. Beide Platten, die das Trio bisher veröffentlichte, bekamen bei mir die außerordentlich positive Bewertung von zehn Punkten, wurden im Monat ihres Erscheinens zum besten Album des Monats gekürt und schafften es in ihrer Saison jeweils in die Top Ten der 30 besten Longplayer. Rein numerisch ist das schon beeindruckend, aber auch auf der ideellen Seite kann ich ebenfalls sagen, dass Wiegedood eine der besten Sachen sind, die in den letzten paar Jahren im Metal passiert sind. Und dass ihre Fanbase seit einiger Zeit stetig wächst, sehe ich mit ebenso großem Wohlwollen wie die Tatsache, dass sie ihre seit 2015 geführte De Doden Hebben Het Goed-Albumserie auch 2018 weiter fortgesetzt wird. Mit dem inzwischen dritten Teil des andauernden Projekts starten die Flamen mit gewohnten Parametern: Gleicher Titel, nur leicht verändertes Artwork, eine gute halbe Stunde Spielzeit und vier ausgedehnte, dynamische Black-Metal-Peitschen, inklusive eines Titelthemas. Fans wissen mittlerweile, wie der Hase läuft. Und viel mehr, als dass Wiegedood mit genau diesen Eckpunkten wieder auf ganzer Linie überzeugen, braucht man eigentlich nicht dazu sagen. Die vier Tracks zwischen sechseinhalb und zwölf Minuten Länge liefern das gleiche Überangebot an sowohl dick aufgetragenem und garstigem als auch atmosphärischem und kreativem Black Metal, dem momentan vielleicht besten in ganz Europa. Zunächst war ich mir dabei eigentlich gar nicht so sicher, ob die Belgier das diesmal packen würden. Ihre Leadsingle vom letzten Monat, der Titeltrack des Albums, wirkte für sich eher etwas repetetiv und setzte das musikalische Haupttheme der "DDHHG-Suite" eher unkreativ um. Ich befürchtete ein bisschen, Wiegedood wären vielleicht die Ideen ausgegangen. Doch wie die fertige Platte zeigt, ist die Band davon zum Glück weit entfernt. Zwar ist Teil Drei wieder stärker im klassischen Black Metal verwurzelt als das Hardcore-schlagseitige zweite Album und kompositorisch fallen mittlerweile einige Elemente auf, die die Belgier sehr gerne wiederholen. Allerdings ist das bei einer LP-Serie wie dieser ja durchaus so gedacht und auf der anderen Seite kann man Wiegedood nicht vorwerfen, zu wenig neue Ideen einzubringen. Schon der eröffnende bestialische Schrei in Prown ist ein ziemlich geiler Move und dass die Drei mit Parool ihren bisher vielleicht lautesten und derbsten Song machen, damit war auch nicht unbedingt zu rechnen. Das schönste für mich ist allerdings, wie der zuvor eher zweilfelhafte Titeltrack im Gesamtkontext der Platte zum zwölfminütigen Filetstück der Band wird, in den hier der ganze Bratensaft der bisherigen Diskografie von Wiegedood einkocht. Ein bisschen Finale Furioso ist das dann schon. Und da beschleicht einen dann doch irgendwie die Sorge, ob es das jetzt vielleicht tatsächlich der letzte Paukenschlag ist. Aller guten Dinge sind drei heißt es ja immer, und den Hattrick haben die Belgier mit dieser LP jetzt endgültig voll. Jetzt aufzuhören, würde ihren Output definitiv zu einer ziemlich perfekten, runden Sache machen, die für mich als drei der sicherlich besten Alben der letzten zehn Jahre, nicht nur im Metal, zementiert würden. Schmerzhaft wäre es trotzdem irgendwie. Denn das würde heißen, dass eine der besten Bands, die es gerade gibt, im Moment des höchsten Triumphes das Handtuch wirft. Und das wäre nicht nur für die Fans doof, sondern auch für die Musiker selbst, die sich gerade erst eine richtige Anhängerschaft etabliert haben. Es wäre also für alle besser, wenn hiernach doch noch was kommt. Vielleicht machen Wiegedood ab jetzt einfach nur dieses Church of Ra-Ding, wo sie ihre Platten einfach nur weiter nummerieren. Ein bisschen würde ich das auch in stilistischer Hinsicht auf jeden Fall noch gut finden.






Persönliche Highlights: Prowl / Doodskalm / De Doden Hebben Het Goed III / Parool

Nicht mein Fall: -

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Samstag, 28. April 2018

Musik war 2017




















Eigentlich galt Destiny Nicole Frasqueri aka Princess Nokia bisher immer ein bisschen als ein kleiner Hoffnungsschimmer der sich immer weiter abnutzenden Soundcloud-Rap-Bewegung. Zwischen immer mehr Künstler*innen, deren Output vollkommen uninteressant ist, über die man aufgrund diverser Gewalt- und Sexualdelikte nicht schreiben kann/will oder auf die beides zutrifft, war sie für viele im letzten Jahr ein echter Lichtblick. Ihre zahlreichen Video-Singles sowie ein offizielles Debüt-Album waren zwar musikalisch nicht wirklich mein Fall, zeigten aber definitiv mehr Charakter als ihre Zeitgenoss*innen und waren mal ausnahmsweise kein bloßer Abklatsch von Genre-Klischees. Dass Princess Nokia mich also früher oder später doch noch ansprechen würde, lag im Bereich des möglichen. Dazu ist aber selbstverständlich ein überzeugendes Album vonnöten und was die New Yorkerin hier auf ihrem Nachfolge-Mixtape A Girl Cried Red macht, ist in meinen Augen eher das Gegenteil davon. Schon auf dem Papier klingt das ganze hier nach einer gefährlichen Idee: Ihre erwiesenen R'n'B-Leisten kombiniert die Künstlerin hier mit ihrer schon immer bestehenden Leidenschaft für Gothrock und Emo, was spätestens seit Lil Peep (R.I.P.) erwiesenermaßen nicht gut funktioniert. Zwar ist Princess Nokia wesentlich versierter als ihr Kollege zeitlebens war, doch nach schwierigem Territorium hört sich diese Kombination auch für sie an. Und wenn man sich das Ergebnis hier so anhört, bestätigt sich diese Befürchtung durchaus. Nicht nur das, A Girl Cried Red toppt sogar noch die schlimmsten Vorahnungen, insofern nichts hier irgendwie zusammenpasst. In nur 20 Minuten Spielzeit schafft es Frasqueri, gleichzeitig das furchtbarste Emo-Album, das furchtbarste Rap-Album und das furchtbarste R'n'B-Album des bisherigen Jahres zu machen. Und das ist schon eine Leistung. Wobei sich dafür auch echt große Mühe gegeben wurde. Von den Platten von Lil Peep, die einfach nur peinlich kombiniert waren, ist das hier nämlich noch mal zwei, drei Level entfernt. In Sachen Songwriting emanzipiert sich Princess Nokia hier einfach von jeglicher Struktur, textlich könnten ihre Plattitüden nicht flacher sein und was den Sound des ganzen angeht, so ist dieser selbst für ihre Verhältnisse schwach. Hinzu kommt die absolut unerträgliche Gesangsperformance der Sängerin und die Frage, wo denn jetzt eigentlich der Bezugspunkt zum Emorock abgeblieben ist. Das alles wäre vollkommen okay, wäre A Girl Cried Red als experimentelles, absichtlich sonderbares Ausreißer-Projekt angelegt, beziehungsweise irgendwie ironisch. Doch in der Hinsicht, dass all diese Tracks höchstwahrscheinlich wirklich sehr ernst gemeint sind und die Platte darüber hinaus den Anspruch hat, irgendwie schon Popsongs zu schreiben, kann man das Vorhaben einfach nur als gescheitert beurteilen. Es wäre eine Sache, wenn dieses Album nur langweilig wäre oder geschmacklos, doch es ist mehr als das. Kein einziges Stück hier spricht mich in irgendeiner Weise an und teilweise bin ich mir nicht sicher, ob ich das hier als künstlerische Leistung überhaupt anerkennen will. Selbst jede noch so billige, in zwei Stunden mit Garageband aufgenommene Trap-EP deiner dauerbekifften Ex-Schulkameraden hat mehr kompositorische und inhaltliche Substanz als das hier. Dass in allem hier vollkommen der Draht zur angekündigten Emo-Nostalgie von Princess Nokia fehlt, ist da eigentlich schon egal. Wenn man nicht mal Songs schreiben kann, ist es auch egal, wo man sich damit stilistisch positioniert. Da kann der Emorock fast froh sein, dass hier jegliche Verbindung zu ihm nicht nachweisbar ist. Alles in Allem ist A Girl Cried Red nämlich eine ziemliche Ausnahmeleistung grauenhafter Musikalität, die man erstmal hinbekommen muss. In dieser Hinsicht habe ich vor der Künstlerin sogar ziemlich viel Respekt. So eine Platte zu schreibeen, aufzunehmen und zu veröffentlichen, dazu gehört schon echt Charakter. Wobei mir in diesem Fall etwas weniger davon viel erspart hätte.


Persönliche Highlights: -

Nicht mein Fall: Flowers & Rope / Your Eyes Are Bleeding / Look Up Kid / Morphine / At the Top / Little Angel

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Dienstag, 24. April 2018

Der Slider




















Es gibt immer wieder diese Künstler*innen und Bands, die ich eigentlich bereits verfolge, seitdem ich dieses Format hier angefangen habe und die in dieser Zeit jede Menge Musik verröffentlicht haben, über die ich jedoch nie auch nur ein Wort geschrieben habe. Manche von denen, die irgendwann uninteressant werden, vergesse ich am Ende einfach selbst, andere bekommen irgendwann doch noch ihren Platz in einem richtigen Artikel. Manchmal auch noch nach Jahren. Das jüngste Beispiel dafür ist hier ist ein gewisser Kyle Thomas aus Vermont, auch bekannt unter dem Namen King Tuff. Bereits seit 2012 ist dieser aktiv und seit seinem Debüt von 2013 weiß auch ich um seine Existenz. Vor allem, da er damals im stilistischen Umfeld von Ty Segall auftauchte, der da gerade der heiße Shit war. Seine Platte hatte einen ähnlich verspulten, psychedelischen Garagenrock-Sound mit Ansätzen aus Siebziger-Glam und Slacker-Poesie, war allerdings wesentlich weniger interessant als das Zeug, was Ty fabrizierte. Deshalb ordnete ich ihn zunächst in die Rubrik "mäßig spannend" ein, die nicht unbedingt besprochen werden musste. Im Nachhinein ein ziemlicher Fehler, denn durch diese Ignoranz ging mir ein Jahr später blöderweise sein zweites Album Black Moon Spell durch die Lappen, das ich mittlerweile als ein echt tolles Projekt lieben gelernt habe. King Tuff entpuppt sich hier als Songwriter mit echtem Rockstar-Gen, der hier eine ganze Reihe toller Banger abfeuert, wie man sie heutzutage echt selten hört. Fans von Bands wie T.Rex, Sweet und den New York Dolls kann ich die LP nachträglich wärmstens ans Herz legen. Und im Prinzip ist sie der eine wichtige Grund, warum ich diesmal definitiv ausführlich über ihn sprechen wollte. Der andere ist in diesem Zusammenhang vielleicht etwas paradox, aber nicht weniger bedeutend: the Other ist in fast jeder Hinsicht ein komplett anderes Album als alles, was dieser Typ vorher gemacht hat. Und so unlogisch ist das gar nicht mal. Thomas hat auf seinem letzten Longplayer gezeigt, dass er Songs schreiben kann, war dabei aber stets irgendwie in seiner Komfortzone geblieben. Dass er sich hier also ausprobiert, ist eine faszinierende Entwicklung und machte mich neugierig. Das Ergebnis spricht dabei nun für sich. The Other ist das Album, das den kreativen Songwriting-Liebhaber in King Tuff aus dem Zauberhut hervorholt und diesen gleichzeitg mit dem Rocker versöhnt, der er schon immer war. Eine Win-Win-Situation nennt man das in Fachkreisen dann vermutlich. Sicher, einige Fans der letzten Platte werden sich sicher fragen, wo hier die Action geblieben ist, doch wie Thomas diese hier mit tollen Ideen ausgleicht, ist nicht weniger spannend. Schon allein im Instrumentarium beeindrucken die Songs gewaltig, die plötzlich mit Synthsizern, Orgeln und sogar Chören aufwarten, allerdings kratzt man damit lediglich an der Oberfläche. Auch in Sachen Songwriting hat sich das Gesicht von King Tuff gewaltig verändert. So gut wie alles, was man hier hört, ist melodischer und sanfter, baut größere Bögen und ist insgesamt ausgefeilter und cleverer. Natürlich bedient sich der Künstler dabei auch sehr deutlich an der Arbeit anderer Künstler, aber auch hier gibt es spannende Parameter. Glam-Bands der Siebziger sind nach wie vor Einflüsse, doch vor allem die Arbeit von Tom Petty und Bob Dylan strahlt hier mächtig ab. Wer bei Thru the Cracks nicht an the Man in Me von Dylan denkt, hat wahrscheinlich Hasch in den Ohren. Wo das aber noch halbwegs anständig ist, fallen bei anderen Tracks komplett weirde Assoziationen auf. Ultraviolet beispielsweise könnte stellenweise auch von King Gizzard & the Lizard Wizard sein und Neverending Sunshine erinnert mit seiner extrem smoothen Synthline ganz extrem an die alten G-Funk-Zeiten von Dr. Dre. Komisch ist das, in den meisten Fällen aber auch ziemlich großartig. Lediglich Raindrop Blue übertreibt mit seinen Achtziger-Poprock-Momenten den Spaß ein bisschen. The Other ist in diesem Sinne nicht nur ein sehr kreatives Album, sondern auch ein gewagter Stilbruch und eine echte Überraschung. Dass King Tuff so eine LP macht, ist die eine Sache. Dass dieses Experiment so erfolgreich geglückt ist, nochmal eine ganz andere. Und es zeigt, wie viel tatsächlich in diesem Kyle Thomas steckt. Da kann ich mir das "mäßig spannend" von vor sechs Jahren echt sonstwo hinstecken.






Persönliche Highlights: the Other / Thru the Cracks / Psycho Star / Infinite Mile / Birds of Paradise / Circuits in the Sand / Ultraviolet / Neverending Sunshine / No Man's Land

Nicht mein Fall: Raindrop Blue

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Montag, 23. April 2018

No Saturation




















Schon seit einiger Zeit gelten die Flatbush Zombies aus New York jetzt als eine der Formationen im Hiphop, die so richtig was reißen könnten. Ihre Mixtapes zu Anfang der Dekade wurden in der Szene sehr wohlwollend aufgenommen und eigentlich waren sich alle sicher, dass das große Debüt des Trios direkt um die Ecke wäre. Ein guter Einstand der Gruppe schien realistisch, kam aber bis jetzt nicht so wirklich zustande. Zwar war das kommerzielle Erstlingswerk 3001: A Laced Odyssey von 2016 durchaus gar nicht schlecht und hatte viele gute Tracks, war jedoch auch keine große Sache. Zu wenig setzten sich die New Yorker damit vom Mittelfeld des modernen klassischen Rap-Games ab und zu zahm war ihr Ansatz letztendlich, um wirklich auf sich aufmerksam zu machen. Den Hype, den Viele den Flatbush Zombies prophezeihten, war schließlich der, den zuletzt eher Injury Reserve und Brockhampton absahnnten. Aber zu spät war es ja deshalb noch lange nicht und mit ihrem zweiten Album sollte es nun definitiv aufwärts gehen. Mit einer Reihe heißer Singles, die das Potenzial der drei MCs zeigten, wurde in den letzten Monaten versucht, den Spieß nun umzudrehen und an Ambitionen fehlt es dem neuen Longplayer auf keinen Fall: 76 Minuten läuft Vacation in Hell und mit Gästen wie Joey Bada$$, Portugal. the Man, Jadakiss und Denzel Curry haben sich einige sehr illustre Namen hinter sie gestellt. Es sah im Vorfeld ganz so aus, als würde das hier endlich die Platte werden, die alle von den Flatbush Zombies haben wollten, doch Skepsis war durchaus auch angebracht: Größenwahnsinn und quantitative Aufrüstung sind cool und alles, aber würde die Band es diesmal hinkriegen, auch stilistisch einen Eindruck zu hinterlassen und ihre eigene Ästhetik zu finden? Denn darum geht es ja letztendlich. Und wenn ich ehrlich bin, ist das auch hier wieder nicht wirklich passiert. In gewisser Weise klingt Vacation in Hell sogar ein Stück konservativer als sein Vorgänger. Die allermeisten Tracks hier sind ohne Frage sehr gut, die bandinterne Chemie ist fantastisch und was Punchlines angeht, braucht man Meechy Darko, Zombie Juice und Erick Arc Elliot sowieso nichts mehr beizubringen, doch fehlt dem ganzen Ding dabei irgendwie der Wiedererkennungseffekt. In vielerlei Hinsicht machen die Flatbush Zombies hier nichts anderes, als sich an aktuelle Trends zu ketten, die Coolness andere Rapper*innen zu reproduzieren und damit auch noch ordentlich anzugeben. Und wo 3001 zuletzt noch große Sprünge wie ausgefeilte Storykonzepte und einen zehnminütigen Closer wagte, ist diese LP Style-technisch eigentlich nur Malen nach Zahlen. Wirklich schlecht ist das nicht, vieles hier ist sogar durchaus sehr unterhaltsam, doch jede Menge andere Künstler*innen können das alles genauso gut, wenn  nicht sogar besser. Wüsste ich es nicht besser, würde ich dieses Album für einen billigen Abklatsch der Sachen halten, die Brockhampton, Injury Reserve und Run the Jewels in den letzten Jahren gemacht haben, ganz zu schweigen vom riesigen Einfluss, den das Frühwerk von Outkast auf diese Platte hat. Bei aller Nörgelei muss man der Band aber eines lassen: Die fast anderthalb Stunden, die Vacation in Hell geht, wird es nicht eine Sekunde langweilig. Es ist nicht besonders originell, aber langweilig ist es dabei auf keinen Fall. Und unterm Strich würde ich sagen, dass es ein gutes Album geworden ist, das besser hätte werden können. Für Leute, die in der Hinsicht nicht so hart sind wie ich oder von dieser Art Hiphop einfach noch mehr hören wollen, kann ich das hier also durchaus empfehlen. Flatbush Zombies sind coole Socken und diese Sache will ich hier nicht herunterspielen. Nur finde ich eben, dass sie eigentlich das Zeug zu einem richtigen Meisterwerk hätten. Und mit jedem okayen Projekt schwindet für mich irgendwie die Wahrscheinlichkeit, dass dieses beim nächsten Mal noch kommt.






Persönliche Highlights: Hell-O / Chunky / Vacation / M. Bison / Headstone / Big Shrimp / Leather Symphony / Ask Courtney / Crown / U & I / the Goddess / Trapped / You Are My Sunshine / the Glory

Nicht mein Fall: Facts / Best American

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Mittwoch, 18. April 2018

In ihrer Dunkelheit




















Ich hatte ehrlich gesagt nicht mit viel gerechnet, als ich vor ein oder zwei Wochen den Wunsch einiger Freund*innen annahm, über das neue Album von Lebanon Hanover zu schreiben. Ich ging davon aus, hier auf eine Band zu treffen, die gerade ihren zweiten oder dritten Longplayer veröffentlicht und karrieretechnisch quasi noch ein mehr oder weniger unbeschriebenes Blatt ist. Tatsache ist aber, dass ich hier bislang eine musikalische Schubkraft ignoriert habe, die bereits einiges auf dem Buckel hat. Zwar existiert das Duo aus Larissa Georgiou und William Maybelline erst seit 2010, in dieser Zeit sind sie aber dermaßen fleißig gewesen, dass sie Stand 2018 bereits auf eine Diskografie von stolzen fünf LPs sowie diverser EPs und Singles zurückblicken können. Seit 2012 haben die beiden Musiker jedes Jahr irgendetwas veröffentlicht, sodass es bereits jetzt einigermaßen schwierig ist, in diesem Dickicht durchzublicken. Fakt ist aber, dass Lebanon Hanover in der aktuellen Gothrock-Szene damit einige Spuren hinterlassen haben. Und das liegt nicht zuletzt an ihrem sehr speziellen strukturellen Ansatz. Denn obwohl ihre Musik klanglich relativ "klassisch" anmutet, eben mit typischen Achtziger-Einflüssen von Acts wie the Cure, New Order oder Depeche Mode, sind ihre Songs doch sehr vom individuellen Charisma der zwei Hauptmitglieder durchzogen. Besonders bezieht sich das auf den Gesang, mit dem Georgiou und Maybelline ständig spielen. Denn nicht nur verfügen beide über ziemlich einzigartige, sonore Stimmlagen, die sich im Duett der meisten Tracks ziemlich schick ergänzen, auch inhaltlich ist das ganze spannend: Vor allem Larissa Georgiou wechselt in den Stücken gern fließend zwischen deutschen und englischen Texten, die man mitunter nicht so richtig voneinander trennen kann. Was mir auf Let Them Be Alien ebenfalls gefällt, ist der insgesammt sehr karge und trockene Sound, der sich vom bombastischen, dicken Klang vieler Zeitgenoss*innen abhebt. Lebanon Hanover klingen dadurch mitunter nicht wie eine professionelle Band, sondern ein bisschen so, als würden sie immer noch im Proberaum aufnehmen. In vielen Momenten ist das auch ziemlich retro und man könnte tatsächlich denken, dass es sich hier um irgendeine Leipziger Gurkentruppe in den frühen Neunzigern handelt. Dass eine gewisse Monotonie dabei Programm ist, trägt dabei manchmal zum Charme bei, kann aber an anderen Stellen auch ziemlich nerven. Gerade in Songs wie True Romantics mit alleinigem Gesang von William Maybelline, die textlich nicht so verworren sind, wird es mitunter ein bisschen öde. Die stets sehr stimmungsvollen Lyrics von Georgiou finde ich dafür zum Teil etwas altklug und schlaumeierisch, was aber weniger eine künstlerische Kritik ist als eine haltungsmäßige. Denn in vielerlei Hinsicht tun Lebanon Hanover hier so, als hätten sie das Ende der Achtziger nicht so richtig mitgekriegt. Ihre Art von Retromusik ist hingebungsvoll bis ins letzte Detail, atmet die Ästhetik und die Ideologie der Gothic-Kultur und ist mir damit an manchen Stellen vielleicht etwas zu militant. An vielen anderen wiederum macht gerade das diese Musik so spannend. Und man kann bei alledem definitiv nicht behaupten, die beiden klängen wie jede andere Postpunk/Goth-Band. In der aktuellen Szene heben sie sich durch das Charisma der beiden SängerInnen, durch ihren rohen Sound und durch ihre Hingabe zu den eher versteckten Oldschool-Originalen ziemlich ab. Das ist immerhin schon mal besser als die x-te Joy Division-Kopie.






Persönliche Highlights: Alien / Gravity Sucks / Kiss Me Until Your Lips Fall Off / Du Scrollst / the Silent Choir

Nicht mein Fall: True Romantics / Ebenholz

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Dienstag, 17. April 2018

Money Moves




















Dafür, wie sehr immer beschworen wird, dass Hiphop ja der dominierende Musikstil dieser Tage ist (was in meinen Augen absolut unabstreitbar ist) war 2018 bisher ein eher ruhiges Jahr. Wirklich große Platten gab es, zumindest auf internationaler Ebene, während der ersten vier Monate nicht wirklich, höchstens vielleicht das nölige Debüt von Lil Xan, das einigermaßen solide Debüt von Rich Brian oder das neue Album der Migos, über das wir hier nicht reden. Dabei war aber keines dieser Projekte wirklich gut und keines hatte wirklich die Tragweite und den Hype, den man heutzutage von einem Rap-Longplayer erwarten kann. Zumindest bis letzten Freitag. Denn an diesem Tag veröffentlichte mit Cardi B die momentan sicherlich wichtigste Game-Persönlichkeit der Staaten ihr Erstlingswerk, das bereits seit einiger Zeit als echtes Schwergewicht gehandelt wird. Nicht nur, weil nach ihrem Riesenhit Bodak Yellow vom letzten Jahr finanziell einiges in dieser Platte steckt, sondern auch, weil die Künstlerin dahinter echtes Potenzial zeigte. Unter den Acts der dritten oder vierten Generation Soundcloud-Trap ist sie definitiv keine der Kandidat*innen wie Lil Yachty, Bhad Bhabie oder Travis Scott, die in ihrem Material Quantität vor Qualität setzen und ohne jegliche Skills antreten (Nicht, dass ich das kritisieren würde). Zu behaupten, Cardi B würde nicht die Welle momentan trendiger Hiphop-Musik mitzunehmen, wäre zwar auch falsch, doch sie hat definitiv auch eine Message mitgebracht. Schon Bodak Yellow, obwohl in meinen Augen als Hit nicht wirklich gerechtfertigt, überzeugte mit einigen fetten Punchlines und auch Flow-technisch ist diese Frau keine Anfängerin. Man merkte, sie war gekommen, um zu bleiben. Und was ihr Debüt anging, so war ein solides Poprap-Album hier durchaus erwartbar. Dass es das letztendlich auch geworden ist, ist schon cool, trotzdem ist ein gewisses Level an Enttäuschung hier schon mit dabei. Denn Invasion of Privacy klingt nicht gerade nach einer Platte, die einen bleibenden Eindruck hinterlassen kann. Nicht falsch verstehen: Viele der Songs hier sind ziemlich cool und was lyrische Performance angeht, so bleibt Cardi hier die meiste Zeit über konsistent. Dennoch ist das ganze hier eigentlich immer in Dimensionen des aktuellen Zeitgeistes gefangen und wirkt dazu gemacht, Zahlen zu machen. Die Instrumentals sind sehr trendig, die Performance sehr auf den Mainstream ausgerichtet und mit Gästen wie 21 Savage, Kehlani, Migos, Chance the Rapper und SZA an anderen großen Namen aufgehangen. Die Intention hier ist also höchstwahrscheinlich eher das schnelle Geld als eine nachhaltige Besetzung des Namens Cardi B mit einem künstlerischen Prädikat. Für den Moment ist Invasion of Privacy damit ganz okay, doch schon am Ende dieses Jahres werden die meisten Songs hier veraltet klingen. Ausnahmen wie She Bad, Drip (ausgerechnet der Track mit den Migos, ugh!) oder durchaus auch Bodak Yellow gibt es, doch das meiste hier ist schnell vergessen. Selbst wenn dieses Album groß werden sollte und die Verkäufe einfährt, in einigen Jahren wird die Rapperin höchstwahrscheinlich ähnlich dastehen wie heute Leute wie Avril Lavigne oder die Kooks: Mal eine große LP gehabt, die aber in einem zu kleinen Zeitfenster funktionierte. Das, oder es passiert noch etwas ganz abgefahrenes. In letzterem Fall habe ich zumindest schonmal ein gutes Zitat, an dem ich nachher meine fahrlässige Fehleinschätzung aufhängen kann.






Persönliche Highlights: Drip / Bickenhead / Bodak Yellow / Be Careful / Ring / Money Bag / She Bad / Thru Your Phone

Nicht mein Fall: Best Life

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Montag, 16. April 2018

Genau mein Humor




















Ist Ein starkes Team ein besseres Album, wenn man the Screenshots schon von Twitter kennt? Womöglich. Die drei Akteure Kurt Prödel, Dax Werner und Susibumms gehören zu der Sorte Social Media-Person, die den Kurznachrichtendienst schon vor Jahren zur Kunstform erhoben haben und sich dort mittlerweile einer wohlverdienten Nischen-Prominenz erfreuen. Die Resonanz, die die Debüt-EP dieser De-Facto-Supergroup in der Community auslöste, war ein Faktor, der mich definitiv befeuerte, diese Besprechung zu schreiben. Dies und gewisse Angehörige selbiger Community, die mich gefühlt jeden zweiten Tag fragten, ob ich die Platte denn jetzt endlich mal gehört hatte. Sorry Mann, aber Kali Uchis war erstmal wichtiger. Für alle Anderen: Muss man the Screenshots schon von Twitter kennen, um sie gut zu finden? Definitiv nein! Denn was das Trio hier veranstaltet, ist deutschsprachige Popmusik, die so kosmopolit ist wie die von nur wenigen Zeitgenoss*innen und die in einem wesentlich breiteren Kontext funktioniert. In einigen Artikeln, die ich über Ein starkes Team gelesen habe, wird die Band mit den frühen Tocotronic, circa Digital ist besser, verglichen. Und obwohl es bei den meisten Leuten immer sehr schnell geht, diesen Vergleich zu ziehen, finde ich ihn in diesem Zusammenhang doch äußerst passend. Ähnlich wie die Hamburger damals haben the Screenshots die Angewohnheit, das große gesellschaftliche Paradoxon durch seine eigenen Worthülsen zu entlarven und diese zitierfähig zu machen. Songs hier tragen Namen wie Satire, Europa und Deutschland und tun gut daran, die Positionierung dazu zum Aufhänger für ihren Witz darüber zu machen. Insbesondere Satire kann eigentlich fast als meta-satirischen Song auffassen, was Kenner von Dax Werners und Kurt Prödels Twitter-Output vielleicht nicht wundert. Auch Tracks wie Bühne mit seinen aneinandergereihten Plattitüden über DIY-Bands oder Vorbei mit seinem Abgesang an die digitale Kultur passen sehr gut in das Bild dieses charmanten Zynismus, im Falle von Deutschland wird dieser auch gerne etwas surreal. Was alle sieben Songs dabei eint, ist ihre Wahrhaftigkeit und wie man weiß, dass jede Zeile hier irgendwie stimmt. Und abseits des inhaltlichen Aspekts ist es übrigens eine wahre Erlösung, dass the Screenshots hier Rockmusik spielen. Als Digital Natives ist das bei ihnen nicht gerade selbstverständlich und nachdem Kurt Prödel mich mit seinem Album/Hörbuch Internet Detox letztes Jahr eher verstört als beeindruckt hatte, ist das hier doch wesentlich versöhnlicher. Vor allem, da die Band sogar gute Songs schreiben kann. Sicher, nicht alles hier ist musikalisch unheimlich clever und ein Hendrix ist an keinem von den Dreien verloren gegangen, doch es ist beachtlich, dass diese Stücke eben nicht nur durch ihre Texte überzeugen. Insbesondere Bühne und Team sind in meinen Augen ziemliche Ohrwürmer, die locker auch live prima funktionieren würden. Und dass die guten Inhalte der Songs durch gute Musik getragen werden, macht den Gesamteindruck gleich zehnmal besser. Ich muss ganz ehrlich zugeben, dafür dass ich hier am Anfang mit einem dadaistischen Spaß-Album gerechnet hatte, ist diese EP einigermaßen genial. Nicht nur zeigen sich die Typen, an denen ich jeden Tag vorbeiscrolle auch als coole Musiker, sondern machen das ganze sogar besser als die meisten, die damit ihr Geld verdienen. Das reicht immerhin, um in meinen Augen Juicy Gay als coolste Twitter-Person, die auch Musik macht, inoffiziell zu entthronen. Was es allerdings nur noch schmerzhafter macht, dass diese Platte wohl ein einmaliges Ereignis war.






Persönliche Highlights: Bühne / Europa / Vorbei / Sonnenschein / Deutschland / Team

Nicht mein Fall: -

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Sonntag, 15. April 2018

Odyssee im Boiler Room




















Ein bisschen überrascht war ich schon, als ich vor einigen Wochen beim Suchen nach neuen Releases im Frühjahr 2018 mal wieder über den Namen Project Pablo stolperte. Eine halbe Ewigkeit hatte von diesem Projekt nichts mehr gehört und es war irgendwie surreal, dass diese halbe Ewigkeit gerade mal drei Jahre her war. Genauer gesagt im Winter 2015, als ich CWTE gerade auf das neue, bis jetzt genutzte Format holte und dabei den Anspruch hatte, unbedingt ganz nah am neuesten Shit zu sein. Mein Fokus fiel dabei ganz willkürlich auf das junge Label 1080p, auf dem jede Menge Producer aus der Electronica-Szene in Vancouver verlegt wurden, die zu diesem Zeitpunkt gerade alle furchtbar auch Acid House standen. Es erschienen dort viele Platten, die eine Revival-Kultur irgendwo zwischen dem späten Chicago House und den ersten Gehversuchen des EDM ansetzten und dabei meistens sehr minimalistisch drauf waren. Kurz gesagt war es furchtbares Hipster-Gehabe, von dem bei mir aber einiges hängen blieb. So war das damalige Debüt von Neu! Balance im Nachhinein eigentlich kein schlechtes Projekt und die streambaren Live-Sets des Labels waren stets irgendwie unterhaltsam. Und unter den vielen Künstler*innen, die sich vor drei Jahren auf 1080p sammelten, war mit Project Pablo tatsächlich auch ein Act dabei, der es seitdem zu etwas gebracht hat. Das ebenfalls 2015 veröffentlichte Debüt des Duos aus Vancouver, I Want to Believe, war vielleicht das einzige, das es aus dem Kosmos des Labels heraus schaffte und ein größeres Publikum ansprach. Vermutlich aus dem Grund, weil diese beiden Produzenten mit Abstand die besten Leute in der Firma waren. Ihre Songs waren nicht so dämlich entrückt wie die ihrer Kolleg*innen, sondern teilweise echt funky und bisweilen tanzbar. Der Bezug lag stärker auf klassischer Housemusik, war aber auch nicht die reine Retrospektive. Unter den Leuten, denen ich die Platte damals vorspielte, gibt es welche, die sie immer noch ab und an ganz gerne hören. Und die gleiche Sprache sprechen irgendwie auch die Sachen, die man über das Duo im Netz liest. Komisch nur, dass es seit der ersten LP so ruhig um die beiden geworden ist. Bis heute ist kein Nachfolger zu I Want to Believe erschienen und hauptsächlich liegt das sicher daran, dass sie selbst nicht so richtig sesshaft werden wollen. Nach dem Debüt für 1080p endete der Vertrag dort und für die Kanadier begann eine Odyssee von einer Plattenfirma zur nächsten. Bei inzwischen fünf Labels haben Project Pablo seit 2015 veröffentlicht, dabei selten mehr als nur eine Single oder EP. Kann sein, dass sie gar nicht so richtig ankommen wollen, aber in meinen Augen tut ihnen das nicht besonders gut. Sie kommen musikalisch nicht wirklich voran und verlieren damit komplett den Bezug zu ihrem Publikum. Wobei ihr neuer Deal mit Technicolour vielleicht das Licht am Ende des Tunnels sein könnte. Immerhin zwei Jahre besteht dieser nun schon und mit There's Always More at the Store wurde mit ihnen nun schon die zweite EP veröffentlicht. Auch stilistisch zeichnet sich das ab: Vom gemütlichen House haben sich Project Pablo hier sehr viel stärker in Richtung Minimal Elekto bewegt, der eher nach Künstlern wie Booka Shade oder Four Tet klingt als nach Aphex Twin. Ihre loungige Basis hat die Musik dabei nicht verloren, sie ist nur eben nicht mehr so trocken und klatschig wie auf dem Debüt. Fans dieser Platte (unter anderem ich) werden das sicher schade finden, schwach ist das neue Material aber bei weitem nicht. Der Opener Napoletana hinkt zwar noch etwas und wirkt ziemlich monoton, im Laufe der fünf Tracks wird es aber erheblich besser. Der Tonus ist nach wie vor sehr minimalistisch und nicht selten auch grob behauen, doch mittlerweile schon deutlich ätherischer als früher. Project Pablo gehen hier einen großen Schritt auf Chillout zu, bewahren jedoch die nötige Distanz dazu. Tanzbar ist dabei kein muss mehr, kann im Falle von Less & Less oder Napoletana aber durchaus vorkommen. Der stärkste Eindruck, den There's Always More... jedoch hinterlässt ist der, dass hier wenig mehr als Andeutungen zu hören sind. In seinen gerade Mal 25 Minuten Laufzeit gelingt es nicht, eine wirkliche Idee zu bekommen, in welche Richtung diese beiden Musiker gerade wirklich steuern. Es wird mit Sounds und halben Songs um sich geworfen, aber keiner weiß, was jetzt eigentlich Sache ist. Diese EP klingt wie ein Trailer für etwas größeres, aber niemand weiß, was dieses größere sein soll. Ein Album wäre sicherlich kein schlechtes Vorhaben für sie, doch weiß ich ehrlich gesagt nicht, ob Project Pablo dafür schon bereit sind. Zu zerfasert ist das, was hier passiert am Ende noch und zu wenig erkennt man dabei von ihnen selbst. Wobei die Marschrichtung schonmal nicht schlecht ist. Sollten sich die zwei mit diesem Label endlich mal eingrooven und wirklich ernsthaft an ihrer Musik arbeiten, wäre ich auf einen Longplayer gespannt. Bis dahin reicht es sicher, wenn ich immer mal vorbeischaue.






Persönliche Highlights: Remind Me Tomorrow / Last Day / Less & Less / I Heard You Breathing

Nicht mein Fall: Napoletana

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Freitag, 13. April 2018

Summer of Soul




















Die Zeit für das offizielle Debüt von Kali Uchis war auch langsam überfällig. Schon seit ewigen Zeiten spukt die junge Dame in der amerikanischen HipHop- und Neo-Soul-Szene herum und hat dabei zumindest auf mich einen relativ bleibenden Eindruck hinterlassen. Als dauerhafter Featured Artist auf diversen Tracks von Tyler, the Creator war sie stets der optimale Katalysator für dessen zunehmende R'n'B-Ambitionen und dass seitdem auch Künstler*innen wie Bootsy Collins, Major Lazer, Damon Albarn und Miguel auf sie aufmerksam geworden sind, ist diesbezüglich nur konsequent. Der Anspruch, sie auch verstärkt auf eigenem Material zu hören, war bei mir bald äußerst dringlich und ihre 2015 veröffentliche EP Por Vida kam diesem leider nur unzureichend nach. Ich für meinen Teil brauchte ein Album von Kali Uchis in meinem Leben und mit Isolation wurde mein Flehen nun endlich erhört. Dabei sah es hier von Anfang an so aus, als würde dieses Debüt genau das große Ding werden, dass ich mir erhofft hatte. Die Leadsingle After the Storm überzeugte nicht nur mit starken Gastauftritten von Tyler, the Creator und Bootsy Collins, die für die richtige Laufkundschaft sorgten, sondern war vor allem eine fantastische Show der Sängerin aus Virginia. Hier zeigte sich, dass Uchis nicht nur wahnsinnig gut singen kann, sondern auch als Songwriterin nicht untalentiert ist. Und was nun auf Isolation stattfindet, exponenziert diesen Eindruck noch einmal gewaltig. Denn die 15 Tracks sind nicht nur allesamt catchy, toll komponiert und klasse performt, sondern vor allem unglaublich vielseitig. Mehr als alles andere ist das hier ein gewaltiger Rundumschlag von Stilen, die Uchis mit einer beeindruckenden Eleganz ausführt. Bereits das Intro Body Language überrascht mit einer luftigen Bossa Nova-Note, die man von der Sängerin bisher nicht kannte. Kurz danach kombiniert sie auf Miami sonnigen Latin-Pop mit Traprap und verliebt sich auf Just A Stranger in Neunziger-R'n'B. Und das sind gerade mal die ersten drei Titel hier. Die gesamte restliche Laufzeit des Albums findet sie für so gut wie jeden Track eine neue Formel, singt auf englisch und spanisch, spielt mit diversen Stilen und ist dabei ebenso nostalgisch wie ultramodern. Konstanten sind dabei sicherlich vorhanden, wie ein Faible für die smoothe Soulmusik der späten Neunziger, frische Percussion, Funk, aber auch für Indiepop, lateinamerikanischen Folk und ulkige Synthesizer. Ein Song wie In My Dreams mit Damon Albarn beispielsweise ruft eher Vergleiche mit Little Dragon hervor, während Flight 22 sehr an Sade oder Amy Winehouse erinnert. Was immer Kali Uchis dabei jedoch auch macht, eine Handschrift ist definitiv erkennbar. Schon allein der Vorteil ihrer rauchig-souligen Stimme würde eigentlich reichen, um sie von anderen Sängerinnen abzusetzen, doch sie entwickelt hier darüber hinaus einen Stil, der in gewisser Weise schon ziemlich eigen ist. Auch wenn man in vielen Songs trotzdem deutlich erkennt, wer diese produziert hat. Wo diese eher klanglichen Einflüsse die Ästhetik der Platte aber bereichern, sind einige der Gesangsfeatures auf Isolation nicht so glücklich ausgegangen. So ist Bïas Rap-Part in Miami eher überflüssig und Reykon zieht Nuestra Planeta am Ende in eine ziemlich unangenehme Despacito-Nische. Keiner dieser Auftritte schafft es, einen Song in Kern zu ruinieren, doch sie machen sie auch nicht besser. Und machmal hätte ich mir schon gewünscht, hier ein paar weniger Gäste zu hören. Denn die Performance von Uchis selbst ist in keinem Moment ein Problem an diesem Album. Mit Isolation setzt die Sängerin ein starkes Zeichen als Erstlingswerk, dass sie als vielversprechende Pop-Künstlerin in den Mainstream positioniert. Nicht von vielen Leuten hört man schon auf dem Debüt so viele Hits und eine so definierte Ästhetik, vor allem im Copy-Paste-belasteten bereich des Neo-Soul. Kali Uchis ist also durchaus eine dieser Musiker*innen wie Amy Winehouse, Sade oder Beyoncé, die allein durch ihre charismatische Performance extrem viel reißen könnten. Und gerade würde ich dieser Frau gerne alle Chartplatzierungen, Radio-Einsätze und Streaming-Rekorde dieser Welt schenken. Spätestens wenn die Sommer-Playlisten kommen, würde sich das auch definitiv auszahlen.






Persönliche Highlights: Body Language (Intro) / Miami / Just A Stranger / Flight 22 / Your Teeth in My Neck / Tyrant / In My Dreams / Gotta Get Up (Interlude) / Tomorrow / Coming Home (Interlude) / After the Storm / Feel Like A Fool / Killer

Nicht mein Fall: -

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Mittwoch, 11. April 2018

Indie Killed the Beast





















Ich muss ehrlich sagen, ich hatte mir den Weg von Hop Along am Anfang eigentlich anders vorgestellt. Irgendwie lärmiger, irgendwie grantiger und irgendwie mit mehr Bombast. Dass die Band aus Seattle schon auf ihrem dritten Album eine so gefällige Poprock-Gruppe werden würde, hätte ich niemals prophezeit, als ich vor fünf Jahren ihr Debüt Get Disowned zu meiner Lieblingsplatte der Saison kürte. Zu diesem Zeitpunkt kam von dieser Formation die denkbar frischeste, leidenschaftlichste und wildeste Rockmusik, die ich für möglich hielt und die es dazu noch schaffte, große Melodien und fantastische Hooks auszuarbeiten. Es gab fette Riffs, es gab knackige Dynamik, die Musik war unglaublich individuell und Sängerin Frances Quinlan war die ultimative Röhre, die mit einer unglaublichen Granatigkeit ihre weirden Lyrics rausballerte. Hop Along hätten damals die neuen Pixies werden können, im angemessenen temporären Kontext und in weniger drastisch vielleicht sogar die neuen Nirvana. Für die Dauer einer LP waren sie das in meinen Augen auch. Allerdings tendiert die Band seitdem dazu, einfach nur ein weiterer ziemlich guter Indierock-Act zu werden, den alle mögen, aber für den sich auch niemand wirklich interessiert. Schon ihr zweiter Longplayer Painted Shut von 2015 setzte den musikalischen Fokus wesentlich stärker auf niedliche Melodien und auf kleine Schnörkel, anstatt große Riffs und energische Hooks zu bauen, was auf den ersten Blick auch erstmal okay war. Hop Along schrieben weiterhin gute Songs, Waitress und Sister Cities sind immer noch tolle Stücke, aber langfristig fehlte auch irgendwas. Viele Tracks der Platte waren eher uninteressant und die Knalligkeit der Band hatte sich fast halbiert. Es klang diesmal normaler, aber dadurch eben auch langweiliger. Ein bisschen Sorgen machte ich mir da schon. Die Band müsste auf ihrem nächsten Album mit doppelter Kraft zurückschlagen, um mich wieder für sich zu gewinnen, beziehungsweise mich mit ihrer neuen Niedlichkeit irgendwie überzeugen, beides hielt ich für eher unwahrscheinlich. Und weder das eine noch das andere haben sie auf Bark Your Head Off, Dog schlussendlich vollbracht. Zwar sah es im Vorfeld der Veröffentlichung kurz so aus, als würde mich der neue Style doch kriegen (Der Opener How Simple wurde einer meiner zehn Lieblingssongs in diesem Januar), doch wenig davon überlebt nun auf dem fertigen Longplayer. Den rockigen Anteil in ihrer Musik haben Hop Along hier noch weiter runtergeschraubt, inzwischen sprechen wir hier eher von einer halbakustischen Indiepop-Mischpoke, die sich mehr auf Keys und Streicher verlässt als auf elektrische Gitarren. Und obgleich man in Songs wie the Fox in Motion, Look of Love oder How Simple noch die Essenz des auf Get Disowned so tollen Songwritings spürt, ist das mittlerweile nicht viel mehr als der Schatten eines Schattens. Selbst wenn es so wäre, ohne die dicken Riffs und Quinlans wüstem Gebrüll an der Spitze ist es sowieso nicht dasselbe. Man darf das nicht falsch verstehen: Dieses Album ist vielleicht an sich nicht schlecht und wer auf die etwas seichtere Tour von Leuten wie Cat Power, Frankie Cosmos und Courtney Barnett steht, wird sich hier sicher wiederfinden. Auch gibt es hier durchaus einige coole Popsongs, die zeigen, dass diese Band auch mit weniger Krach überzeugen kann. Ich finde es nur sehr frustrierend zu hören, wie viel besser das hier eigentlich alles sein könnte. Mit der rohen Naturgewalt ihres früheren Stils haben Hop Along den größten Trumpf ihrer Musik freiwillig in den Wind gestreut, der sie von allen anderen Künstler*innen dieser Welt absetzte. Gerade in Zeiten die so schwer für Rockacts sind wie diese hätte diese Formation damit einen echten Unterschied machen können. Und für die Dauer einer Platte vor fünf Jahren waren sie mal kurz die eine Rockband, die alles gerettet hat. Jetzt müssen wir uns anscheinend eine neue suchen...






Persönliche Highlights: How Simple / Not Abel / the Fox in Motion / What the Writer Meant / Look of Love / Prior Things

Nicht mein Fall: Somewhere A Judge

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Montag, 9. April 2018

Der gute Wille




















Wäre alles normal verlaufen, hätte ich über das neue Album von Mark Oliver Everett höchstwahrscheinlich keine ausführliche Besprechung geschrieben. Vielleicht hätte es einen Platz in meiner Schnelldurchlaufs-Rubrik gefunden, vielleicht hätte ich es komplett ignoriert, nur wirklich großen Zauber hätte ich nicht gemacht. Denn nachdem ich einige ganz alte Platten von ihm und den Eels gehört hatte und auf meinem alten Format auch einige Artikel über ihn schrieb, stellte ich schnell fest, dass meine Ansicht über ihn ziemlich zementiert war. Er ist ein Künstler, der sich musikalisch seit Mitte der Neunziger nicht mehr wirklich verändert hat und den schmucken Songwriting-Stil, den er in dieser Zeit eingefahren hat, finde ich ehrlich gesagt ziemlich grauenvoll. Zwar habe ich erst letztens festgestellt, dass seine Karriere tatsächlich schon länger dauert als die von Leuten wie Beck und Jon Brion, mit denen ich ihn immer zu vergleichen pflege, dennoch machen die in meinen Augen ihren Job immer noch wesentlich besser. Und wo manche sagen, dass die Texte des US-Amerikaners der Schlüssel zu seinen Songs sind, empfand ich auch diese nicht wirklich als besonders ergreifend oder clever. Wenn seine Platten für etwas gut sind, dann für tumbes Easy Listening, das nichts mit interessanter Musik zu tun hat. So hatte ich eigentlich nicht vor, mit seiner neuen LP the Deconstruction sonderlich viel Zeit zu verschwenden, wäre ich nicht ganz lieb danach gefragt worden. Und weil ich sehr froh bin, wenn sich überhaupt mal jemand für meine Meinung interessiert, möchte ich dem natürlich nachkommen. Ich muss besagte Person aber leider enttäuschen: Nichts an diesem Album hat meine Auffassung des Künstlers im wesentlichen aufbessern können. Dabei habe ich durchaus versucht, mich der Sache mit einer positiven Einstellung zu nähern: Das letzte Album von Everett war beispielsweise eines seiner besseren und der Promotext, den er für diese Platte auf seiner Seite veröffentlicht hat, klang auch nicht mal schlecht. Ein optimistisches Projekt sollte the Deconstruction werden, ein kleines buntes Licht in finsteren Zeiten, um mal das Artwork zu zitieren. Generell eine Sache, die ich in der aktuellen Musik überaus nobel und auch etwas vernachlässigt finde, also warum nicht? Die Antwort darauf ist, dass sowas prinzipiell gut ist, wenn diese Musik es schaffen würde, Emotionen in mir hervorzurufen, was leider in den gesamten 42 Minuten hier nicht passiert. Da kann E noch so schön die wunderschöne Welt mit den wunderschönen Menschen besingen und überall niedliche Streicherpassagen einbauen, zu mir kommt irgendwie nichts rüber. Vielleicht ist es, weil er dabei kaum mehr als Floskeln verwendet, weil er ohne jegliche Leidenschaft singt oder weil fast jeder Track gleich klingt, vielleicht aber auch nur, weil ich für meinen Teil immer etwas mehr brauche. Manche Songs hier zitieren in ihrer Idee Louis Armstrong, Nina Simone oder R.E.M., aber schaffen es eben nicht, die Größe dieser Musik zu erreichen. Wenn E mal auf den Putz haut, kommt hier höchstens pseudo-grooviger Müll wie You Are the Shining Light oder Today is the Day raus, der mir kein bisschen Spaß macht. Sicher, einige verhaltene Tracks wie Be Hurt oder Sweet Scorched Earth enthalten die Essenz von großer Popmusik, bleiben aber stets zu schüchtern, um mich wirklich zu begeistern. Dabei ist the Deconstruction in Sachen Mixing und Produktion eine der besten Eels-Platten, die ich kenne. Doch das kann an ihrem fehlenden Ausdruck leider auch nichts mehr ändern. Mein Eindruck von Eels bleibt der gleiche wie immer: kraftloser, gefälliger und unspannender Edelpop, der 2018 stabil vor sich hin stagniert. Statt Optimismus eher Gleichgültigkeit. Und damit wahrscheinlich gute Nachrichten für alle, die genau das an ihm mögen.






Persönliche Highlights: Bone Dry / Rusty Pipes / There I Said It

Nicht mein Fall: the Deconstruction / Today is the Day / You Are the Shining Light / the Unanswerable

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Sonntag, 8. April 2018

Blechfressen




















Man könnte mittlerweile ein ganzes kleines Subgenre erfinden, das komplett aus Rapper*innen besteht, die Superhelden-Pseudonyme haben und über Zeug schreiben, dass sie früher in X-Men-Comics gelesen haben. Neben Ghostface Killah aka Iron Man und MF Doom aka Doom, die schon seit Anfang der Nullerjahre an ihrem eigenen Universum tüfteln (Madvillain nicht vergessen!) und deren Fangemeinden seitdem auf ein schon des öfteren angeteasertes gemeinsames Album warten, macht in den letzten Jahren vor allem ein anderer Act mächtig Wind. Das New Yorker Trio Czarface, bestehend aus Inspektah Deck, L7 und Esoteric, beeindruckt seit 2013 durch eine dermaßen umfassende Nerdigkeit, dass es bei ihnen gar nichr mehr ohne den Cartoon-Bezug geht. Und was vielleicht erstmal nach viel Blödsinn klingt, ist durchaus ein ziemlich spannendes Hiphop-Nischenprojekt geworden. Besonders ihr letztes Album A Fistful of Peril von 2016 war mit grantigen Oldschool-Beats und wüsten Punchlines eine echte Überraschung, die mir sehr zusagte und die Band endgültig zu den Fackelträgern des Comichelden-Rap-Movements machte. Und weil sich Czarface schon alles andere bei Marvel abschauen, dann war es nur eine Frage der Zeit, bis das erste große Crossover-Projekt kommt. Als erstes Quasi-Gipfeltreffen der kleinen Bewegung ist Czarface Meets Metal Face sicherlich in gewisser Weise ein Meilenstein, spannend ist es aber auch anderweitig. Denn mit MF Doom als Album-Partner tritt hier jemand auf, der sich in den letzten Jahren zumindest auf LP-Format unglaublich rar gemacht hat. Seine letzte Platte ist von 2014, und auch da war er eher ein unterstützender Faktor für den jungen MC Bishop Nehru. Sein letztes wirkliches Soloalbum ist sogar schon fast zehn Jahre her. Dass Doom also ausgerechnet zu diesem Projekt so umfassend beiträgt, adelt die Mission von Czarface in gewisser Weise und etabliert sie für ihre Nische nochmal zusätzlich. Aber so schön und toll und prestige-trächtig diese ganze Nummer auch ist, das Album selbst ist ehrlich gesagt nicht der Rede wert. War der Selling Point der früheren Czarface-Longplayer immer die überzogene, cartoonige Performance und Ästhetik als Gesamteindruck, versuchen beide Parteien hier, diese etwas zurückzunehmen und dafür eine umfassendere Story-Komponente einzuführen. An sich keine blöde Idee, doch irgendwie wirkt das alles diesmal nicht so, als hätten sich die Künstler dabei sehr viel Mühe geben wollen. Das sogenannte "Konzept" der Platte beschränkt sich auf eine Reihe von Skits und Zeilen, die irgendwie die Gemeinsamkeiten der beiden "Helden" hervorheben sollen, kommt aber insgesamt bei weitem zu kurz. In den Songs wird zumeist nur angesprochen, wie geil die beiden sind, mit dem Ziel, die bestmögliche Punchline hinzubiegen. Allerdings funktioniert auch das nicht so wirklich, meistens kommen die Lines eher flach daher und sind teilweise sogar reimtechnisch ziemlich schwach. Wo das aber noch irgendwie klargeht, sind die Beats hier mehr oder weniger eine totale Katastrophe. Wirklich coole Instrumentals gibt es vielleicht in ein oder zwei Tracks, beim Rest der Platte kann man froh sein, wenn sie nur langweilig sind. Insbesondere im Opener Meddle With Metal und in Phantoms klingt das Backing unglaublich billig. Dass das Mixing am Ende auch noch ziemlicher Kram ist, ist da schon fast egal. Diese Beats hätte das auch nicht mehr gerettet. Es gibt durchaus annehmbare Songs auf diesem Album, allerdings ist keiner davon auch nur ansatzweise so gut wie die Sachen auf A Fistful of Peril oder auch frühere Doom-Dinger wie Madvillainy. Und wenn ich ehrlich bin, verwundert bin ich darüber nicht besonders. Erstens deshalb, weil keine der beiden Parteien wirklich zu meinen Favoriten im Rap-Game gehört. Sicher, ich mochte die letzte Czarface-LP, die beiden davor waren allerdings auch nicht viel besser als das hier und wenn man mich fragt, ist MF Doom an sich total überbewertet. Zweitens finde ich nicht, dass dieses Crossover stilistisch passt. Wo die einen am besten sind, wenn sie über flashige Oldschool-Beats überdrehte Punchlines ballern, ist der andere eher der kreative Eigenbrötler, dem nichts so gut steht wie ein völlig skurriles LoFi-Instrumental. Dass sie beide zufällig die gleichen Comics im Schrank haben, reicht dann eben nicht unbedingt aus, um sich musikalisch zu finden. Man hätte vielleicht mehr davon gehabt, hätten beide Parteien je ein Superhelden-Album gemacht. Auf der anderen Seite muss man sagen, dass Czarface Meets Metal Face in dieser Hinsicht auch ein Pionierprojekt war, dessen eben noch verfeinert werden muss. Wenn die Szene in der nächsten Zeit weiter wächst, wird die Gelegenheit dafür sicherlich bald wieder kommen. Wobei ich nach dieser LP tatsächlich auch ins grübeln gekommen bin, ob ich mir diese Kollaboration von Doom und Ghostface wirklich noch wünsche...






Persönliche Highlights: Badness of Madness / Don't Spoil It / Nautical Depth

Nicht mein Fall: Take Your Medicine / Meddle With Metal / Sleeping Dogs

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Samstag, 7. April 2018

In Echt: Gehörsturz unter den Sternen

"Achsooo, das war dein erstes Mal bei Tocotronic? Und, wie hats dir gefallen?" sind zwei Fragen, die ich gestern vielleicht einmal zu oft gehört habe. Als wohlwollender Neugieriger auf ein Konzert der Hamburger zu gehen, ist anscheinend nicht die Motivation, die bei einer solchen Veranstaltung normal ist. Wer hierher geht, ist in den meisten Fällen Fan. Und Fan zu sein, bedeutet in dieser Hinsicht das volle Programm: Das Shirt vom Gig zu tragen, den man 1996 besucht hat, Texte aus 25 Jahren auswendig können und absolut jeden davon als persönliche Hymne zu definieren. Diese Leute können mitunter ziemliche Nerds sein. Ist aber auch verständlich, wenn die Akteure diese Leidenschaft so inbrünstig zu teilen verstehen. Ein Tocotronic-Konzert ist für sie in vielerlei Hinsicht wie ein Heimspiel des geliebten Fußballvereins, den sie seit Jahren unterstützen. Und der gestrige Abend war ein ziemlicher Kantersieg. Gute zwei Stunden spielt das Quartett in Leipzig, wie an vielen Stationen der aktuellen Tour, drei Zugabenblocks inklusive, und lässt dabei ein Set vom Stapel, das wahrscheinlich alle Fanlager einsammelt. Auch die Leute wie mich, die eher aus Interesse gekommen sind. Dabei war der Anfang durchaus nicht einfach: Der Sound im Werk 2 ist suboptimal, was schon bei der (übrigens sehr empfehlenswerten) Vorband Ilgen-Nur auffällt. Der Gesang ist viel zu leise, aber dafür mit überbetonten Zischlauten, ständig stört Feedback die Songs und insgesamt herrscht eine Lautstärke, die vielleicht nicht hätte sein müssen. Selbst mit Gehörschutz ballert die Anlage so derbe, dass man bald leicht ertaubt ist. Nicht gerade das optimale Setting für eine Zuhör-Band wie Tocotronic. Wobei auch letzteres eher relativ ist. Das, was die Hamburger klanglich aus ihrem Set machen, ähnelt an manchen Stellen eher einer psychedelischen Noiserock-Show, womit sie die Not der fehlenden klanglichen Finesse zur Tugend umgestalten: Wenn sie Krach wollen, sollen sie Krach kriegen. Schall und Wahn, um es mit ihren eigenen Worten zu sagen. Im Nachhinein nicht die schlechteste Entscheidung, auch wenn der Anblick einer Moshpit zur Musik dieser Band noch immer etwas surreal erscheint. Aber daran muss man sich gewöhnen: Tocotronic sind Rockstars, wenn auch auf eine weirde Art und Weise. Die sie an diesem Abend auch gehörig zelebrieren. Zu den Klängen von Sergej Prokofjews Rittertanz betreten die vier Musiker um kurz nach neun die Bühne, die von einer Schwarzlicht-Replikation des Sternenhimmels vom Unendlichkeit-Albumcover erstrahlt wird und begrüßen das Publikum. Der neue Titelsong als Opener ist ahnbar, doch auch das letzte wirklich vorhersehbare am heutigen Set. Schon Electric Guitar als zweiten Titel hätte ich eher am Ende der Liste vermutet und dass die Band bereits kurze Zeit später den ersten Oldschool-Block abfeuert, ist dann definitiv eine Überraschung. In direkter Abfolge kommen mit Let There Be Rock, Drüben auf dem Hügel und Kapitulation drei absolute Klassiker der Formation, zu denen sich Front of Stage (wo auch ich mich zu diesem Zeitpunkt befinde) die Moshpit formiert. Im Normalfall ein Spektakel, an dem ich mit Vergnügen teilhabe, in Anbetracht der Tatsache, dass ich von den Stücken kaum etwas mitkriege aber eher ungünstig. In einer kurzen Moderationspause und in der vergleichsweisen Ruhe des anschließenden Wie wir leben wollen verziehe ich mich deshalb etwas weiter an den Rand des Geschehens, wo ich mich sicher wähne. Als kurze Zeit später Aber hier leben, Nein Danke anmoderiert wird, ist auch das wieder passé. Zum Glück sind die ganz großen Klassiker danach fürs erste abgehakt und das Set bewegt sich in Richtung einiger Deep Cuts, die für mich zu den heimlichen Highlights des Gigs werden. This Boy is Tocotronic wird zum Noise-Monster, Unwiederbringlich spielt Dirk von Lowtzow allein auf der Gitarre, Mach es nicht selbst wird von der Band zu Tode gestampft und Alles was sich immer wollte war alles entpuppt sich live als großartiger Closer. Natürlich bedeutet das nicht, dass Tocotronic damit fertig sind. Mit den drei Zugabenblöcken, die heute stattfinden, wird es nochmal richtig spannend. Klar ist das alles total durchgeplant, die vier Songs, die hier gespielt werden, wurden in gleicher Reihenfolge auf der gesamten Tour so dargeboten, trotzdem macht es natürlich Spaß. Die Musiker lassen sich endlos feiern (was sie verdient haben) und spielen noch ein paar richtig große Schinken. Teil Eins beinhaltet Hi Freaks, mein persönliches Lieblingslied der Hamburger und wird anschließend mit Letztes Jahr im Sommer nochmal richtig oldschool. Nach einer leidigen Pause, in der vor allem die Stagehand der Band für Unterhaltung sorgt, kommt allerdings mein persönliches Highlight: Den Kapitulation-Song Explosion zerfahren Tocotronic zu einem unerbittlichen Shoegaze-Brett, das nicht nur unglaublich laut, sondern auch ganz schön finster daherkommt und mit dem mantraartig wiederholten "kein Wille triumphiert" nochmal extra absahnt. Dass die Hamburger My Bloody Valentine mal so nah kommen, hätte ich vorher auch nicht vermutet. Stilgerecht werden danach Gitarren gegen Verstärker gehalten und Effektgeräte verstellt, bevor die Band erneut die Bühne verlässt und die Lichtshow sowie ein Konserven-Outro ankündigen, dass der Vorhang gefallen ist. Und während die ersten den Raum bereits verlassen, gehen Tocotronic für die nächste Runde in die Startlöcher, die nun wirklich die letzte sein soll. Freiburg ist als endgültiger Closer nochmal Fanservice pur, womit dann auch wirklich alle zufrieden gestellt sein sollten. Auf dem Index der Publikumsbefriedigung haben die Hamburger eigentlich alle Kategorien abgehakt und eine Bandbreite geliefert, die 25 Jahren Bestehen in jeder Hinsicht gerecht wird. Ein fetter Bonus war in meinen Augen die unglaublich sehenswerte Lichtshow des Konzerts, die mit wenig Brimborium für viel Ambiente sorgte. Dass der Ton etwas scheiße war und ein Wunschsong wie 1993 nicht gespielt wurde, ist da wirklich fast zu vernachlässigen. Tocotronic machen das wett, indem sie einfach eine gute Band sind, die gute Songs spielt. Und schon höre ich mich plötzlich auch an wie einer dieser Fanboys, von denen ich eigentlich keiner sein möchte. Aber höchstwahrscheinlich wird das erste Mal nicht das einzige Mal bleiben.

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