Dienstag, 24. April 2018

Der Slider




















Es gibt immer wieder diese Künstler*innen und Bands, die ich eigentlich bereits verfolge, seitdem ich dieses Format hier angefangen habe und die in dieser Zeit jede Menge Musik verröffentlicht haben, über die ich jedoch nie auch nur ein Wort geschrieben habe. Manche von denen, die irgendwann uninteressant werden, vergesse ich am Ende einfach selbst, andere bekommen irgendwann doch noch ihren Platz in einem richtigen Artikel. Manchmal auch noch nach Jahren. Das jüngste Beispiel dafür ist hier ist ein gewisser Kyle Thomas aus Vermont, auch bekannt unter dem Namen King Tuff. Bereits seit 2012 ist dieser aktiv und seit seinem Debüt von 2013 weiß auch ich um seine Existenz. Vor allem, da er damals im stilistischen Umfeld von Ty Segall auftauchte, der da gerade der heiße Shit war. Seine Platte hatte einen ähnlich verspulten, psychedelischen Garagenrock-Sound mit Ansätzen aus Siebziger-Glam und Slacker-Poesie, war allerdings wesentlich weniger interessant als das Zeug, was Ty fabrizierte. Deshalb ordnete ich ihn zunächst in die Rubrik "mäßig spannend" ein, die nicht unbedingt besprochen werden musste. Im Nachhinein ein ziemlicher Fehler, denn durch diese Ignoranz ging mir ein Jahr später blöderweise sein zweites Album Black Moon Spell durch die Lappen, das ich mittlerweile als ein echt tolles Projekt lieben gelernt habe. King Tuff entpuppt sich hier als Songwriter mit echtem Rockstar-Gen, der hier eine ganze Reihe toller Banger abfeuert, wie man sie heutzutage echt selten hört. Fans von Bands wie T.Rex, Sweet und den New York Dolls kann ich die LP nachträglich wärmstens ans Herz legen. Und im Prinzip ist sie der eine wichtige Grund, warum ich diesmal definitiv ausführlich über ihn sprechen wollte. Der andere ist in diesem Zusammenhang vielleicht etwas paradox, aber nicht weniger bedeutend: the Other ist in fast jeder Hinsicht ein komplett anderes Album als alles, was dieser Typ vorher gemacht hat. Und so unlogisch ist das gar nicht mal. Thomas hat auf seinem letzten Longplayer gezeigt, dass er Songs schreiben kann, war dabei aber stets irgendwie in seiner Komfortzone geblieben. Dass er sich hier also ausprobiert, ist eine faszinierende Entwicklung und machte mich neugierig. Das Ergebnis spricht dabei nun für sich. The Other ist das Album, das den kreativen Songwriting-Liebhaber in King Tuff aus dem Zauberhut hervorholt und diesen gleichzeitg mit dem Rocker versöhnt, der er schon immer war. Eine Win-Win-Situation nennt man das in Fachkreisen dann vermutlich. Sicher, einige Fans der letzten Platte werden sich sicher fragen, wo hier die Action geblieben ist, doch wie Thomas diese hier mit tollen Ideen ausgleicht, ist nicht weniger spannend. Schon allein im Instrumentarium beeindrucken die Songs gewaltig, die plötzlich mit Synthsizern, Orgeln und sogar Chören aufwarten, allerdings kratzt man damit lediglich an der Oberfläche. Auch in Sachen Songwriting hat sich das Gesicht von King Tuff gewaltig verändert. So gut wie alles, was man hier hört, ist melodischer und sanfter, baut größere Bögen und ist insgesamt ausgefeilter und cleverer. Natürlich bedient sich der Künstler dabei auch sehr deutlich an der Arbeit anderer Künstler, aber auch hier gibt es spannende Parameter. Glam-Bands der Siebziger sind nach wie vor Einflüsse, doch vor allem die Arbeit von Tom Petty und Bob Dylan strahlt hier mächtig ab. Wer bei Thru the Cracks nicht an the Man in Me von Dylan denkt, hat wahrscheinlich Hasch in den Ohren. Wo das aber noch halbwegs anständig ist, fallen bei anderen Tracks komplett weirde Assoziationen auf. Ultraviolet beispielsweise könnte stellenweise auch von King Gizzard & the Lizard Wizard sein und Neverending Sunshine erinnert mit seiner extrem smoothen Synthline ganz extrem an die alten G-Funk-Zeiten von Dr. Dre. Komisch ist das, in den meisten Fällen aber auch ziemlich großartig. Lediglich Raindrop Blue übertreibt mit seinen Achtziger-Poprock-Momenten den Spaß ein bisschen. The Other ist in diesem Sinne nicht nur ein sehr kreatives Album, sondern auch ein gewagter Stilbruch und eine echte Überraschung. Dass King Tuff so eine LP macht, ist die eine Sache. Dass dieses Experiment so erfolgreich geglückt ist, nochmal eine ganz andere. Und es zeigt, wie viel tatsächlich in diesem Kyle Thomas steckt. Da kann ich mir das "mäßig spannend" von vor sechs Jahren echt sonstwo hinstecken.






Persönliche Highlights: the Other / Thru the Cracks / Psycho Star / Infinite Mile / Birds of Paradise / Circuits in the Sand / Ultraviolet / Neverending Sunshine / No Man's Land

Nicht mein Fall: Raindrop Blue

CWTE auf Facebook

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen