Sonntag, 8. April 2018

Blechfressen




















Man könnte mittlerweile ein ganzes kleines Subgenre erfinden, das komplett aus Rapper*innen besteht, die Superhelden-Pseudonyme haben und über Zeug schreiben, dass sie früher in X-Men-Comics gelesen haben. Neben Ghostface Killah aka Iron Man und MF Doom aka Doom, die schon seit Anfang der Nullerjahre an ihrem eigenen Universum tüfteln (Madvillain nicht vergessen!) und deren Fangemeinden seitdem auf ein schon des öfteren angeteasertes gemeinsames Album warten, macht in den letzten Jahren vor allem ein anderer Act mächtig Wind. Das New Yorker Trio Czarface, bestehend aus Inspektah Deck, L7 und Esoteric, beeindruckt seit 2013 durch eine dermaßen umfassende Nerdigkeit, dass es bei ihnen gar nichr mehr ohne den Cartoon-Bezug geht. Und was vielleicht erstmal nach viel Blödsinn klingt, ist durchaus ein ziemlich spannendes Hiphop-Nischenprojekt geworden. Besonders ihr letztes Album A Fistful of Peril von 2016 war mit grantigen Oldschool-Beats und wüsten Punchlines eine echte Überraschung, die mir sehr zusagte und die Band endgültig zu den Fackelträgern des Comichelden-Rap-Movements machte. Und weil sich Czarface schon alles andere bei Marvel abschauen, dann war es nur eine Frage der Zeit, bis das erste große Crossover-Projekt kommt. Als erstes Quasi-Gipfeltreffen der kleinen Bewegung ist Czarface Meets Metal Face sicherlich in gewisser Weise ein Meilenstein, spannend ist es aber auch anderweitig. Denn mit MF Doom als Album-Partner tritt hier jemand auf, der sich in den letzten Jahren zumindest auf LP-Format unglaublich rar gemacht hat. Seine letzte Platte ist von 2014, und auch da war er eher ein unterstützender Faktor für den jungen MC Bishop Nehru. Sein letztes wirkliches Soloalbum ist sogar schon fast zehn Jahre her. Dass Doom also ausgerechnet zu diesem Projekt so umfassend beiträgt, adelt die Mission von Czarface in gewisser Weise und etabliert sie für ihre Nische nochmal zusätzlich. Aber so schön und toll und prestige-trächtig diese ganze Nummer auch ist, das Album selbst ist ehrlich gesagt nicht der Rede wert. War der Selling Point der früheren Czarface-Longplayer immer die überzogene, cartoonige Performance und Ästhetik als Gesamteindruck, versuchen beide Parteien hier, diese etwas zurückzunehmen und dafür eine umfassendere Story-Komponente einzuführen. An sich keine blöde Idee, doch irgendwie wirkt das alles diesmal nicht so, als hätten sich die Künstler dabei sehr viel Mühe geben wollen. Das sogenannte "Konzept" der Platte beschränkt sich auf eine Reihe von Skits und Zeilen, die irgendwie die Gemeinsamkeiten der beiden "Helden" hervorheben sollen, kommt aber insgesamt bei weitem zu kurz. In den Songs wird zumeist nur angesprochen, wie geil die beiden sind, mit dem Ziel, die bestmögliche Punchline hinzubiegen. Allerdings funktioniert auch das nicht so wirklich, meistens kommen die Lines eher flach daher und sind teilweise sogar reimtechnisch ziemlich schwach. Wo das aber noch irgendwie klargeht, sind die Beats hier mehr oder weniger eine totale Katastrophe. Wirklich coole Instrumentals gibt es vielleicht in ein oder zwei Tracks, beim Rest der Platte kann man froh sein, wenn sie nur langweilig sind. Insbesondere im Opener Meddle With Metal und in Phantoms klingt das Backing unglaublich billig. Dass das Mixing am Ende auch noch ziemlicher Kram ist, ist da schon fast egal. Diese Beats hätte das auch nicht mehr gerettet. Es gibt durchaus annehmbare Songs auf diesem Album, allerdings ist keiner davon auch nur ansatzweise so gut wie die Sachen auf A Fistful of Peril oder auch frühere Doom-Dinger wie Madvillainy. Und wenn ich ehrlich bin, verwundert bin ich darüber nicht besonders. Erstens deshalb, weil keine der beiden Parteien wirklich zu meinen Favoriten im Rap-Game gehört. Sicher, ich mochte die letzte Czarface-LP, die beiden davor waren allerdings auch nicht viel besser als das hier und wenn man mich fragt, ist MF Doom an sich total überbewertet. Zweitens finde ich nicht, dass dieses Crossover stilistisch passt. Wo die einen am besten sind, wenn sie über flashige Oldschool-Beats überdrehte Punchlines ballern, ist der andere eher der kreative Eigenbrötler, dem nichts so gut steht wie ein völlig skurriles LoFi-Instrumental. Dass sie beide zufällig die gleichen Comics im Schrank haben, reicht dann eben nicht unbedingt aus, um sich musikalisch zu finden. Man hätte vielleicht mehr davon gehabt, hätten beide Parteien je ein Superhelden-Album gemacht. Auf der anderen Seite muss man sagen, dass Czarface Meets Metal Face in dieser Hinsicht auch ein Pionierprojekt war, dessen eben noch verfeinert werden muss. Wenn die Szene in der nächsten Zeit weiter wächst, wird die Gelegenheit dafür sicherlich bald wieder kommen. Wobei ich nach dieser LP tatsächlich auch ins grübeln gekommen bin, ob ich mir diese Kollaboration von Doom und Ghostface wirklich noch wünsche...






Persönliche Highlights: Badness of Madness / Don't Spoil It / Nautical Depth

Nicht mein Fall: Take Your Medicine / Meddle With Metal / Sleeping Dogs

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