Montag, 9. April 2018

Der gute Wille




















Wäre alles normal verlaufen, hätte ich über das neue Album von Mark Oliver Everett höchstwahrscheinlich keine ausführliche Besprechung geschrieben. Vielleicht hätte es einen Platz in meiner Schnelldurchlaufs-Rubrik gefunden, vielleicht hätte ich es komplett ignoriert, nur wirklich großen Zauber hätte ich nicht gemacht. Denn nachdem ich einige ganz alte Platten von ihm und den Eels gehört hatte und auf meinem alten Format auch einige Artikel über ihn schrieb, stellte ich schnell fest, dass meine Ansicht über ihn ziemlich zementiert war. Er ist ein Künstler, der sich musikalisch seit Mitte der Neunziger nicht mehr wirklich verändert hat und den schmucken Songwriting-Stil, den er in dieser Zeit eingefahren hat, finde ich ehrlich gesagt ziemlich grauenvoll. Zwar habe ich erst letztens festgestellt, dass seine Karriere tatsächlich schon länger dauert als die von Leuten wie Beck und Jon Brion, mit denen ich ihn immer zu vergleichen pflege, dennoch machen die in meinen Augen ihren Job immer noch wesentlich besser. Und wo manche sagen, dass die Texte des US-Amerikaners der Schlüssel zu seinen Songs sind, empfand ich auch diese nicht wirklich als besonders ergreifend oder clever. Wenn seine Platten für etwas gut sind, dann für tumbes Easy Listening, das nichts mit interessanter Musik zu tun hat. So hatte ich eigentlich nicht vor, mit seiner neuen LP the Deconstruction sonderlich viel Zeit zu verschwenden, wäre ich nicht ganz lieb danach gefragt worden. Und weil ich sehr froh bin, wenn sich überhaupt mal jemand für meine Meinung interessiert, möchte ich dem natürlich nachkommen. Ich muss besagte Person aber leider enttäuschen: Nichts an diesem Album hat meine Auffassung des Künstlers im wesentlichen aufbessern können. Dabei habe ich durchaus versucht, mich der Sache mit einer positiven Einstellung zu nähern: Das letzte Album von Everett war beispielsweise eines seiner besseren und der Promotext, den er für diese Platte auf seiner Seite veröffentlicht hat, klang auch nicht mal schlecht. Ein optimistisches Projekt sollte the Deconstruction werden, ein kleines buntes Licht in finsteren Zeiten, um mal das Artwork zu zitieren. Generell eine Sache, die ich in der aktuellen Musik überaus nobel und auch etwas vernachlässigt finde, also warum nicht? Die Antwort darauf ist, dass sowas prinzipiell gut ist, wenn diese Musik es schaffen würde, Emotionen in mir hervorzurufen, was leider in den gesamten 42 Minuten hier nicht passiert. Da kann E noch so schön die wunderschöne Welt mit den wunderschönen Menschen besingen und überall niedliche Streicherpassagen einbauen, zu mir kommt irgendwie nichts rüber. Vielleicht ist es, weil er dabei kaum mehr als Floskeln verwendet, weil er ohne jegliche Leidenschaft singt oder weil fast jeder Track gleich klingt, vielleicht aber auch nur, weil ich für meinen Teil immer etwas mehr brauche. Manche Songs hier zitieren in ihrer Idee Louis Armstrong, Nina Simone oder R.E.M., aber schaffen es eben nicht, die Größe dieser Musik zu erreichen. Wenn E mal auf den Putz haut, kommt hier höchstens pseudo-grooviger Müll wie You Are the Shining Light oder Today is the Day raus, der mir kein bisschen Spaß macht. Sicher, einige verhaltene Tracks wie Be Hurt oder Sweet Scorched Earth enthalten die Essenz von großer Popmusik, bleiben aber stets zu schüchtern, um mich wirklich zu begeistern. Dabei ist the Deconstruction in Sachen Mixing und Produktion eine der besten Eels-Platten, die ich kenne. Doch das kann an ihrem fehlenden Ausdruck leider auch nichts mehr ändern. Mein Eindruck von Eels bleibt der gleiche wie immer: kraftloser, gefälliger und unspannender Edelpop, der 2018 stabil vor sich hin stagniert. Statt Optimismus eher Gleichgültigkeit. Und damit wahrscheinlich gute Nachrichten für alle, die genau das an ihm mögen.






Persönliche Highlights: Bone Dry / Rusty Pipes / There I Said It

Nicht mein Fall: the Deconstruction / Today is the Day / You Are the Shining Light / the Unanswerable

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