Donnerstag, 28. Dezember 2023

Jahresrückblick 2023 : Teil 05 : Die 30 besten Alben

 
Ganz ehrlich: 2023 war mal wieder ein echt komisches Jahr. Und noch bis vor wenigen Monaten hätte ich wahrscheinlich sogar gesagt, dass es ein schlechtes war. Denn hätte ich diese Liste hier im August oder September schreiben müssen, wäre ich sicherlich nicht auf eine Zahl von 30 Alben gekommen, die ich ohne Vorbehalte als meine persönlichen Favoriten bezeichnen könnte und erst durch eine starke Welle an neuen Platten im Herbst und Winter ist hier Gott sei Dank nochmal einiges zusammen gekommen. Doch obwohl ich euch am Ende nun trotzdem wieder 30 Alben präsentieren kann, die ich von ganzem Herzen als Lieblinge empfinde, gibt es dieses Mal auch inhaltlich und stilistisch große Unterschiede zu den letzten Jahren. So war beispielsweise Metal - sonst immer ein wichtiger Teil meiner Top 30 - für mich 2023 kaum ein Thema, während elektronische Musik, die auf diesem Format sonst eher ein Schattendasein fristet, diesmal außerordentlich dominant auftrat. Schlecht finde ich das nicht, es freut mich sogar irgendwie, nur kommt es ziemlich unerwartet. Wobei es am Ende trotzdem viele vertraute Namen gibt, die auch dieses Jahr wieder verlässlich auftauchen. Und einen vielleicht etwas konservativen Spitzenreiter, der für mich aber eines der schönsten Comebacks der letzten Jahre bedeutete.




 
 
30.
GENESIS OWUSU 
Struggler












 
 
Postpunk |||  
Genesis Owusu baut auf seinem zweiten Album die Welt der Tiermetaphern weiter aus und befindet sich auf Struggler im Körper einer Küchenschabe, die gegen Gott kämpft. Klingt nach einem irrwitzigen Konzept für eine Platte, der Australier macht daraus aber ein ziemlich starkes Narrativ über Ungerechtigkeit und Macht, in dem vieles auch autobiografisch gemeint ist. Wobei das eigentlich tolle daran mal wieder die musikalische Umsetzung des Ganzen ist, mit der Owusu noch mehr als auf dem Debüt eine künstlerische Handschrift definiert. Irgendwo zwischen R'n'B, Hiphop, Postpunk und Pop-Elementen kreiert er dabei mehr und mehr seine ganz eigene Nische, die hier auch songwriterisch nochmal interessanter wird als auf seinem Debüt 2021. Womit Struggler in vielen Punkten eine Verlängerung des Vorgängers ist, aber eben auch eine, die vieles nochmal besser macht.

Das beste daran: Mit welcher Power Owusu in Leaving the Light die erste Zeile des Albums reinwuchtet.
 
 
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29.
FLUME
Arrived Anxious, Left Bored / Things Don't Always Go the Way you Plan
 
 
Electronica |||  
2019 merkte man auf Hi, This is Flume schon sehr deutlich, dass Harley Streten hinter seiner professionellen Fassade als kommerzieller Hitproduzent eigentlich ein ziemlich verschnickter Soundtüftler ist, der abends im Hobbykeller an herrlich wonkigen Glitch- und Future-Bass-Sachen arbeitet, die auch bei Elektro-Nerds die Herzen höher schlagen ließen. Und mit Arrived Anxious, Left Bored und Things Don’t Always Go the Way You Plan gab es dieses Jahr für diese Zielgruppe gleich zwei neue Episoden solcher Steckenpferd-Mixtapes. Sachen also, die in der Theorie unter den meist ignorierten Deckel B-Seiten, Archivmaterial und unveröffentlichte Tracks fallen, die bei Flume mittlerweile aber zu Herzensprojekten geworden sind und von Kenner*innen auch als solche aufgenommen werden. Und mit der inzwischen zweiten Listung unter den Jahreshighlights gehöre ich jetzt vielleicht langsam auch mal zu denen.

Das beste daran: Das großartige Ritchie With A T-Feature, das die zweite Platte eröffnet.
 
 
 
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28.
SONNYJIM & LEE SCOTT
Ortolan & Armagnac












 
 
Hiphop |||  
Der Hiphop gehörte dieses Jahr definitiv den Teamplayern und Ortolan & Armagnac war in den letzten zwölf Monaten definitiv nicht das einzige Album (nicht mal das einzige in dieser Liste), das für diesen Trend Pate stand. Mit SonnyJim und Lee Scott kommen hier zwei Veteranen des britischen Hiphop-Untergrunds zusammen, die schon vorher häufig spannend waren, sich auf dieser LP aber nochmal ganz besonders gut ergänzen. Scott als Producer mit seinem düsteren und abstrakten Jazzrap-Sound, SonnyJim als endgechillter MC, der mit seinem relaxten Flow Gemächlichkeit antäuscht, dann aber mit scharfer Sozialkritik kontert. Abgeschmeckt wird das ganze noch mit einem stimmigen Albumflow und diversen starken Features, Ergebnis ist mit 26 Minuten Spielzeit ein kleines Hiphop-Kleinod. Neu ist das zwar nicht wirklich und gerade dieses Jahr waren die beiden damit oft in guter Gesellschaft, diese beiden schwimmen am Ende der Saison für mich aber ganz oben mit.

Das beste daran: Das extrem smoothe Doppel aus Dude, Where's My Car? und Pay Attention im Mittelteil.
 
 
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27.
HANIA RANI
Ghosts












 
 
Kammerpop |||  
Ich rede hier ja oftmals einfach aus dem Grund nicht über klassische Musik, weil ich mich scheue, dieses bodenlose Fass, von dem ich leider auch nur unzureichende Kenntnis besitze, erstmal aufzumachen und dann darin zu versinken. Schon die letzten Jahre über war die Polin Hania Rani aber eine Künstlerin, bei der ich überlegte, diesen Bann ausnahmsweise Mal zu brechen. Zum Glück kommt mir ihr neues Album in dieser Hinsicht aber sehr entgegen und ist das bisher poppigste aus ihrem Katalog. Inklusive fluffigen Downtempo-Backbeats, Gastmusiker*innen, dichten Synth-Wänden und bisweilen sogar richtigen Hooks. Dabei bleibt Ghosts zwar über weite Strecken ziemlich düster und ambient, fühlt sich Alles in Allem aber deutlich greifbarer an als ihre vorherigen Alben. Dass es auch ihr bisher bestes ist, würde ich dabei nicht als Kausalität bezeichnen, definitiv aber als willkommene Korrelation.

Das beste daran: Wie Rani hier auch als Sängerin in völlig neuem Glanz erstrahlt.  
 
 
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26.
OF MICE & MEN
Tether












 
 
Metalcore |||  
Hätte ich auch nicht gedacht, dass eines von gerade Mal drei Metal-Alben in dieser Liste ausgerechnet eines von dieser Sorte sein würde. Denn trotz der wachsenden Präsenz von Metalcore auf diesem Format in den letzten Jahren waren Of Mice & Men, eine dieser unsäglich geleckten und aufgedonnerten Hochglanz-Szene-Bands, zuvor schon ein bisschen ein rotes Tuch für mich. Vielleicht habe ich mich aber in ihnen getäuscht, denn Tether beweist klanglich vor allem eins: Wie erwachsen diese Band sein kann, wenn sie will. Statt überkandidelter Emo-Vocals klingt der Gesang hier manchmal eher nach Gothrock und obwohl der Metal der Kalifornier nach wie vor ziemlich verchromt klingt, macht er damit doch nicht jegliche Dynamik zunichte und hebt dadurch ein starkes und Abwechslungsreiches Songwriting an die Oberfläche, das ich in dieser Form selten bei Metalcore gehört habe.

Das beste daran: Wie der Refrain von Shiver auch von Dave Gahan hätte geschrieben sein können. 


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25.
WILLIAM RYAN FRITCH
Polarity












 
 
Ambient |||  
Fast zehn Jahre ist es inzwischen her, dass William Ryan Fritch hier das erste Mal unter den besten 30 Alben der Saison landete und besonders bei ihm macht mir das Wiedersehen irgendwie immer Freude. Vielleicht vor allem deshalb, weil es zumindest auf den Platten, die hier enden, immer etwas neues und ungewohntes zu hören gibt. 2014 war das auf Leave Me Like You Found Me flirrender Ambient-Folk, 2020 auf the Letdown experimenteller Jazz und dieses Jahr ist es eben atmosphärischer Elektro-Drone. Dabei ist Polarity zwar proforma ein Soundtrack für eine Dokumentation über die Arktis, es als leidenschaftsloses Auftragswerk abzutun, wäre allerdings ein Fehler. Denn nicht nur spürt man Fritchs Passion für das Projekt in der Musik darauf, ein Teil der Kauferlöse gingen auch an die vom Klimawandel betroffene Bevölkerung der Nordpolarregion.

Das beste daran: Dass man nie so richtig weiß, welche Spuren hier eigentlich mit Synths gemacht und welche organisch erzeugt sind.
 
 
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24.
LEÏLA MARTIAL & VALENTIN CECCALDI
Le Jardin des Délices












Vocal Jazz |||  
Auf Improvisation beruhende Jazz-Alben habe ich in den letzten Jahren schon so einige gehört und würde dabei behaupten, auch eine gewisse Vielfalt mitbekommen zu haben. Sehr wenige davon klangen aber so wie dieses neue von Leïla Martial und Valentin Ceccaldi. Teilweise ist schon die Bezeichnung Jazz dafür ziemlich weit gegriffen, nimmt es doch etliche Einflüsse aus der neuen Musik mit auf, die in dieser Form aber auch kein bisschen bieder oder verkopft wirken. Zum Teil ist gerade der Gesang hier extrem verspielt und erinnert an Kindermusik, dann wieder kontert der instrumentale Teil aber mit grotesk dissonanten Streicherparts. Dass die Platte keinerlei Logik zu folgen scheint, erschafft aber auch eine faszinierende Unberechenbarkeit, die ich beim ersten Hören als immensen Pull-Faktor wahrnahm und hinter der sich längerfristig trotzdem eine fantastische songwriterische Ästhetik auftut. Was Le Jardin des Délices zu einer der sehr seltenenen Platten macht, die trotz eines hohen Grades an Avantgarde-Appeal nicht allzu schwer zugänglich sind.

Das beste daran: Wie Martial in Mon Frère mit den Holzbläsern um die Wette singt. 
 
 
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23.
KIM PETRAS
Problématique












 
 
Pop |||  
Gehört Kim Petras die Zukunft oder ist sie am Ende nur die letzte Fackelträgerin des Zwotausendzehner-Archetyps von Popstartums? Diese Frage habe ich mir 2023 so einige Male gestellt und die Antwort darauf werden wohl erst die nächsten paar Jahre geben. Dass die Künstlerin diese Frage provoziert, ist aber ein Grund, weshalb sie hier steht. Zwei Alben sind 2023 aus ihrer Feder erschienen, ein sehr solides von größerem Umfang im Sommer und ein kleines 29-Minuten-Projekt im Herbst, das aus Überbleibseln eines alten Bootlegs zusammengeschneidert wurde. Und wo Petras auf beiden sehr deutlich zeigt, dass sie die nächste große Pop-Diva der Generation Z sein will, ist Problématique als kleineres und tighteres von beiden doch eher das, das mich von dieser Idee überzeugen kann. Ganz einfach weil hier absolut alles auf maximale Eingängigkeit optimiert ist, keine einzige Note schief sitzt und die Füllertracks, die auf der ersten Variante noch präsent waren, einfach weglässt. All Killer, No Filler? Diese Platte klang 2023 wie die präzise Definition dieses Prinzips.

Das beste daran: Wie Treat Me Like A Ho zwischendurch eigentlich komplett Panne ist, irgendwie aber auch der beste Song der Platte.
 
 
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22.
PANOPTICON
The Rime of Memory












 
 
Black Metal |||  
The Rime of Memory war dieses Jahr das eine Album, das kurz vor Ende des Jahres nochmal richtig klasse war und die eigentlich schon fertige Top 30 nochmal komplett auf links drehte. Wobei es vor allem erstaunlich ist, dass dieses ausgerechnet jetzt von Panopticon kommt. Über die letzten Jahre hatten sich US-Amerikaner zunehmend von ihrem einstigen Crossover-Gimmick weg entwickelt und mäßig erfolgreich ihre Identität gesucht, jetzt finden sie diese ausgerechnet in ihrer straightesten Black Metal-Blatte bisher, die Folk-, Pagan- und Postrock-Einflüsse nur noch als großzügiges Beiwerk verwendet. Stark ist das Album aber vor allem, weil Panopticon dafür noch stärker als zuvor ihr Songwriting öffnen und sich Platz für ausführliche Longtracks schaffen, die dann all ihre Steckenpferde auf einmal durchwandern. Und für mich ist es deshalb gut, weil so wenigstens noch ein Album auf dieser Liste die obligatorische Black Metal-Quote hochhält.

Das beste daran: Wenn man im postrockigen letzten Drittel von Winter's Ghost schon das Outro wittert, die Band aber nochmal ganz von vorne loslegt.
 
 
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21.
ARMAND HAMMER
We Buy Diabetic Test Strips












 
 
Hiphop |||  
Lassen wir mal die Zahlen sprechen: Zum sechsten Mal ist dieses Jahr ein Album mit Billy Woods in meinen Top 30, seit 2021 ist er bisher jedes Jahr dabei gewesen. Und mit dieser neuen Platte ist es auch das dritte Mal, das dies im Rahmen eines Armand Hammer-Projektes stattfindet. Wobei die Kernkompetenzen von ihm und Elucid nach wie vor die gleichen sind: Verklausulierte Bars über Weltpolitik, Kunst und Philosophie, gesprochen auf endgechillte, aber deshalb nicht weniger schräge Nerd-Instrumentals. Der größte Unterschied zu den Vorgängern ist diesmal, dass verhältnismäßig viel von der Instrumentierung live eingespielt wurde, was ob des Ergebnisses beachtlich ist. Und mehr als ein guter Ausgleich dafür, dass Woods' Soloalbum im Frühjahr ausnahmsweise mal nicht so der Bringer war.

Das beste daran: Falls ich nicht schon genug darüber gefangirlt habe: Der absolut geniale Jpegmafia-Beat in The Key is Under the Mat
 
 
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20.
WIKI, MIKE & THE ALCHEMIST
Faith is A Rock












 
 
Hiphop |||  
Sowohl Mike als auch Wiki machten dieses Jahr jeweils noch eine Platte nach Faith is A Rock, die meinen zuvor bestehenden Eindruck über die beiden bestärkte, dass sie als Rapper für sich eigentlich nicht besonders interessant sind. Einer irgendwie gearteten magischen Fusion ist es aber geschuldet, dass sie in ihrer Zusammenarbeit auf diesem Album plötzlich eines der stärksten und stimmungsvollsten Hiphop-Statements der ganzen Saison machten, das mich vom Fleck weg durchweg faszinierte. Sicherlich sollte man dabei auch die Beteiligung von the Alchemist als projektübergreifender Produzent nicht vergessen, der hier nicht zum ersten Mal das Werk an sich mittelprächtiger MCs in höhere Sphären hebt, für diese zehn Tracks wachsen aber auch die beiden weit über sich hinaus. Ein weiteres Album, dass meine These unterstreicht, wonach 2023 das Hiphop-Jahr der Teamplayer war.

Das beste daran: „Shit, this how they chose to use the guap / with this amount of human loss / could've been for schools or parks“
 
 
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19.
YALLA MIKU
Yalla Miku












 
 
Krautrock |||  
Ist es verwunderlich, dass diesen Zusammenschluss von Musiker*innen aus Nord- und Ostafrika, das seit einigen Jahren in Genf ansässig ist, ausgerechnet eine Vorliebe den schnurgeraden, maschinellen Sound des Krautrock eint? Nicht wirklich, waren die Ideen des Genres doch schon immer impulsgebend für diverse Stilistiken und Kunstformen. Und wenn eine Band diese hier mit Ästhetiken aus Tishoumaren, Gnawa und diversen afrikanischen Folk-Gattungen verbindet, ist das auch nicht ungewöhnlicher als  Afrika Bambaataa, der in den Achtzigern bei Kraftwerk klaute. Und es zeigt einmal mehr, dass Krautrock eben kein Relikt der Vergangenheit ist, das nur noch als Retro-Bezug spannend ist, sondern spannendes Handwerk, das weiterhin innovative Verbindungen eingeht.

Das beste daran: Wie Suiise am Ende fast nochmal nach bulligem Math-Metal klingt.


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18.
MYRKUR
Spine












 
 
Pagan |||  
Ich sage es direkt heraus: Spine ist das beste Album, das Myrkur bisher gemacht haben. Mit einigem Abstand sogar. Bereits seit ihrem Debüt habe ich das Projekt der Dänin Amalie Bruun verfolgt und immer gehofft, dass sie irgendwann mal all das zusammenbringen könnte, was ihre Musik so cool macht und ein durchweg stimmiges Gesamtwerk wie dieses veröffentlicht. Dass es im Endeffekt ein so poppiges geworden ist, auf dem Bruun mehr denn je auf Englisch singt und Black Metal eher eine Nebenrolle spielt, kommt dabei vielleicht unerwartet, ist aber letztlich egal. Denn nie vorher passte bei ihr alles so gut zusammen und waren so viele Banger auf einem Haufen, die noch dazu stilistisch so vielfältig sind. Sieht man auch daran, dass mir bis jetzt kein eindeutiges Genre eingefallen ist, dem ich das hier wirklich zuordnen kann.

Das beste daran: Mit Menneskebarn mal wieder der letzte Song der Platte.
 
 
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Jordsjø - Salighet17.
JORDSJØ
Salighet












 
 
Retroprog |||  
Auch mit etwas weniger Fokus auf fantasy-folkigem Mittelalter-Schmand als beim Vorgänger Pastoralia sind Jordsjø aus Oslo immer noch eine der märchenhaftesten Retroprog-Bands da draußen und schaffen sich mit Salighet ein Album, das eben nicht nur durch seine herrlich mystische Elfen-Kobold-Zauberwald-Ästhetik interessant ist, sondern auch durch eine ansprechende technische, spielerische und kompositorische Note. Damit klingen die drei Norweger nicht selten wie eine Art Mumindorf-Version von Jethro Tull oder Yes, wobei es hilft, dass sie in der skandinavischen Prog- (und manchmal auch Jazz-)Tradition genauso tief verwurzelt sind bei den Siebziger-OGs aus England. Auch klasse ist, dass dabei zwar weiterhin konsequent in Landessprache gesungen, diesmal aber auch der Großteil der Platte einfach instrumental belassen wird und damit noch mehr Platz für das schnuckelige Whimsy dieser Band schafft.

Das beste daran: Wenn Salighet I ganz offiziell den sinfonischen Teil des Albums beginnt.
 
 
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16.
CANNIBAL CORPSE
Chaos Horrific












 
 
Death Metal |||  
Cannibal Corpse sind jetzt schon so lange eine der Lieblings-Meme-Bands der Metalszene, dass es manchmal schwerfällt, sie noch wirklich ernst zu nehmen. Und da ihre letzten Alben trotz aller Qualitäten auch irgendwie sehr routiniert waren, war das auch eigentlich nie nötig. Jetzt plötzlich, im fünfunddreißigsten Jahr ihres Bestehens, machen sie aber noch mal eine richtig geniale Platte, die mich mit einem Mal erinnern lässt, dass sie ihren Epigonenstatus im Death Metal nicht nur ihrer geschmackvollen Artworks und der Persona Corpsegrinder wegen haben. Sie sind eben auch nach wie vor eine Band, die wenn es sein muss einen der besten klassischen Entwürfe dieser Stilrichtung spielt. Mit all dem Dreck und der Splatterromantik, die bei ihnen dazugehört. Ein spätes Highlight dieser großen Band, das nach aktueller Einschätzung tatsächlich das beste ist, das ich von ihnen bisher gehört habe.

Das beste daran: Dass es endlich mal wieder eine richtig gute Death Metal-Platte gibt, die auch ein bisschen lose produziert ist.
 
 
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15.
JUNGLE
Volcano












 
 
Nu Disco |||  
Es ist schon eine Leistung, auf seinem vierten Album fetziger, jugendlicher und erfrischender zu klingen als auf seinem Debüt, vor allem wenn dieses schon fast zehn Jahre auf dem Buckel hat. Jungle waren aber lange genug die Band, die Synthfunk für Leute gemacht hat, die Aloe Blacc besser finden als James Brown und ihr Essen lieber ohne scharfe Soße bestellen. Mit Volcano haben sie jetzt eine Platte gemacht, die nochmal bei den Grundlagen ihres Songwritings anfängt und auf diesem Weg genau das ändern will. Das Ergebnis steckt ihren bisherigen Sound dabei auf halbem Weg mit Hiphop, Dancepop und House in einen Schwitzkasten und speckt an den Stellen ab, wo es vorher zu unbeweglich war. Erfrischenderweise klingt vieles davon dann so, als hätten die Briten es nie anders gemacht und lässt mich diese Band nochmal völlig neu kennenlernen. Ist eben doch nie zu spät für einen zweiten ersten Eindruck.

Das beste daran: Wenn Pretty Little Thing ganz zum Schluss für den optimalen Cooldown nochmal Chillout-Experten Bas dazuholt.
 
 
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14.
YEULE
Softscars












 
 
Shoegaze |||  
Das beste Shoegaze-Album der Saison kommt von einer Quereinsteigerin: Noch auf ihrem letzten Album Glitch Princess von 2022 machte Yeule aus Singapur und Los Angeles verglitchten Artpop und wurde so zum Darling für die Digicore-Fraktion. Knapp anderthalb Jahre später ist der ästhetische Rahmen davon auf Softscars immer noch da, der Sound aber radikal verändert. Statt frickeligen Beats rücken hier immer mehr Dreampop-Gitarren in den Vordergrund, die auch songwriterisch mehr ausmachen und in einem fluffig-verspulten Jam nach dem anderen resultieren. Klingt als Gesamtheit dann wie eine Version von Shoegaze, die auch für die Parameter der Zwotausendzwanziger und die nachwachsende Musiknerd-Generation Z funktioniert. Und für mich aus irgendeinem Grund auch.

Das beste daran: Wie herrlich detalliert und trotzdem fuzzy der Mix an vielen Stellen ist. 
 
 
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13.
BIRDY 
Portraits












 
 
Pop |||  
Ein richtiger Popstar wird Birdy in diesem Leben wahrscheinlich nicht mehr, zumindest nicht mehr als sie es zu Beginn der Zwotausendzehner schon mal ein bisschen war. Denn obwohl diese Platte als umfassender ästhetischer Relaunch gelten kann und definitiv die entsprechenden Ambitionen mitbringt, ist sie mit ihrem Sound zum falschen Zeitpunkt da, um nochmal den großen Wurf zu schaffen. Was die Britin hier aber bewiesen hat ist, dass sie songwriterisch durchaus zu einem Album von Popstar-Dimensionen fähig ist und Musik schreiben kann, die immens eingängig und hymnisch ist. Das beweist auf dieser LP quasi jeder einzelne Track, der zwar immer irgendwie eine Summe seiner Einflüsse ist, aber als solches nicht selten genauso groß wie die Abel Tesfayes, Florence Welchs und Kate Bushs, von denen sie ihre besten Ideen hier hat. Gefühlsmäßig und ästhetisch vielleicht das letzte große Pop-Album der Zwotausendzehner.

Das beste daran: Die verfrickelten Vokalschnipsel am Anfang von Heartbreaker.
 
 
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12.
ASHER GAMEDZE
Turbulence & Pulse












 
 
Spiritual Jazz |||  
Der Stilbereich des Spiritual Jazz ist seit eh und je ein Tummelbecken für die großen Obernerds und Theoretiker*innen des Genres und kaum ein Album kommt in diesen Gefilden ohne übergreifende Ideenkonzepte aus. Trotzdem gibt es wenige, die dabei so geekig und effektiv wissenschaftlich vorgehen wie der Südafrikaner Asher Gamedze und seine Band. Turbulence & Pulse hört sich an wie der praktische Teil einer ausführlichen Dissertation über die Themenkomplexe Zeit, Zeitwahrnehmung, Bewegung und Struktur und geht so weit, dass der Bandleader den ersten Song als gesprochenes Abstract formuliert. Ist das zugänglich? Auf gar keinen Fall. Aber macht es Spaß, sich in die gedanklichen Bahnen der Platte einzuwinden und die theoretischen Ansätze von Gamedze in ihrer Ausführung zu verfolgen? Definitiv. Lange keine so abstrakte Jazzplatte gehört, die mir so viel Stoff zum nachdenken gegeben hat.

Das beste daran: Wie Gamedze als Drummer hier jederzeit das Geschehen dirigiert, gleichzeitig aber auch mit seiner Band mitschwimmt. 
 
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11.
NONAME
Sundial












 
 
Jazzrap |||  
Was mich an dieser Platzierung vor allem froh macht ist, dass NoName schon seit ihrem ersten Mixtape vor sieben Jahren eine Künstlerin ist, die bei mir mehrmals in der engeren Auswahl für die Top 30 stand und deren Ausschluss letztendlich jedes Mal ein schmerzhafter, von wenigen marginal besseren Platten abhängiger war. 2023 ist sie mit dabei, und das nicht nur ganz knapp, sondern mit einer sehr unzweifelhaften Fast-Top-Ten-Platzierung. Was im Übrigen weder aussagt, dass dieses Jahr schwach war, noch dass diese Platte um Längen besser ist als ihre letzten. Nur hat diesmal eben die Mischung aus Zeitpunkt, Verhältnissen und mittelfristiger Wirkung gepasst. Ganz davon abgesehen, dass es natürlich trotzdem eine wahnsinns Leistung ist, zum mittlerweile dritten Mal ein so lebendiges Amalgam aus Neo-Soul, Hiphop und Jazzrap zurechtzuschneidern, das nach wie vor nicht langweilig wird.

Das beste daran: Das versteckte Meme-Lick im Outro von Beauty Supply.
 

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10.
GOAT
Medicine












 
 
Psychedelic Rock |||  
Können wir einfach sagen, dass Oh Death letztes Jahr nicht zählt und das hier das offizielle Comeback-Album von Goat ist? Denn zumindest für mich fühlt es sich so an, als wären die Schweden erst hier wieder so richtig zurück. Die etwas experimentelle und ja gar nicht mal sooo katastrophale letzte Platte in allen Ehren, aber bei einer der besten Psychrock-Bands der Zwotausendzehner ist für mich halt mehr drin. Wie zum Beispiel bei diesem Album, das vielleicht ihr bisher nostalgischstes ist und mehr als je zuvor am Sound der Sechziger und Siebziger klammert, dabei aber auch einen viel stärkeren klanglichen Kern hat und herrlich organisch zurechtgemacht ist. So sehr, dass ich tatsächlich überlege, ob Medicine vielleicht ihr bis dato bestes Gesamtwerk ist. Mindestens kann ich aber sagen, dass es wieder das magische Mojo erlangt, dass sie zuletzt 2016 mit Requiem hatten.

Das beste daran: Wie Impermanence & Death nach exakt einer Minute schwurbligem Intro mit der Tür ins Haus fällt und wieder mal beweist, was für ein unglaubliches Talent diese Band für Albumopener hat.
 
 

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09.
BLANK BANSHEE
4D












 
 
Electronica |||  
Dass Blank Banshees siebtes Album eines ist, denen man sich mit konkreten Beschreibungen nur schwer nähern kann, weil es so abstrakt und undefiniert durch den Äther wabert, ist vielleicht das stärkste an der Entwicklung dieses Künstlers. Denn wo die memetischen Referenzen und die Zuordnung zum Vaportrap-Klamauk, die er stilistisch eigentlich schon lange hinter sich gelassen hatte, noch lange an ihm haften blieben, hat er mit 4D das Album gemacht, das sich endgültig davon löst. Nach dem Internet und diffuser Digitalästhetik klingt der Kanadier dabei immer noch, aber eher so wie Daniel Lopatin oder James Ferraro da schon Anfang der Zwotausendzehner taten. Und obwohl Blank Banshee über zehn Jahre gebraucht hat, um zu dieser Sorte Acts aufzuschließen, macht er gerade nicht nur bessere Musik als die meisten von denen, er belehrt auch noch alle Skeptiker*innen eines Besseren, die ihn immer noch für den Clown mit den lustigen Windows 95-Samples halten.

Das beste daran: Das verschnickte Digicore-Orgelsolo in Time Thief.


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08.
AESOP ROCK
Integrated Tech Solutions












 
 
Hiphop |||  
Garbology war 2021 das Album, das den alten Producer Blockhead zurückbrachte und Aesop Rock zu einer bitter nötigen Klarheit zurückführte, Integrated Tech Solutions ist zwei Jahre später aber doch wieder die supernerdige Riesenplatte, die vor allem dadurch nicht in schlechte Gewohnheiten zurückfällt, dass sie das Storytelling des Rappers in den Vordergrund rückt. Womit sie wider Erwarten nicht nur eine weitere sehr schnieke LP des weirden Wortakrobaten ist, sondern ohne jeden Zweifel eines der bisher größten Highlights seiner Karriere. Die Menge an genialen Quotables und aberwitzigen Geschichtchen und Beobachtungen scheint schier endlos und obwohl es schon immer Spaß machte, Aesop beim erzählen zuzuhören, ist es diesmal besonders packend geworden. Trotz eines grundsätzlich stabilen Katalogs könnte es also eine Weile dauern, bis von ihm wieder so ein Meisterstück erscheint.

Das beste daran: Dass eines der vielen neuen Wörter in Aesops Rap-Vokabular "Schnitzel" ist.
 
 
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07.
TINASHE
BB/ANG3L












 
 
R'n'B |||  
BB/ANG3L ist eines von mehreren Alben in dieser Saison, das sehr davon profitiert, es bei einer ziemlich tighten Spielzeit und gerade mal einer Handvoll Songs zu belassen, die dafür aber komplett die Existenz von Füllertracks eliminiert. Denn obwohl man auch definitiv nicht sagen kann, dass diese Platte voller Hits wäre und Tinashe nach wie vor eine sehr entrückte und vibige R’n’B-Variante spielt, sitzt in diesen 20 Minuten doch absolut alles knackefest am rechten Fleck und trägt kein Milligramm Fett zu viel mit sich rum. Wobei vor allem die schicke Produktion aus diesen sieben tüdeligen Schlafzimmerjams immer wieder schillernde Hochglanz-Nummern zaubert, in die man sich lässig lümmeln kann wie in sündhaft teure Samtbettwäsche. Und die mich Jahre nach ihrem eigentlichen Hype doch noch ganz und gar für Tinashes Musik zu begeistern vermögen.

Das beste daran: Die niedliche kleine Synth-Line in Uh Huh.

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06.
KINLAW 
Weld












 
 
Industrial |||  
Weld als ganzheitliches Album zu beschreiben, ist eine ziemlich undankbare Aufgabe: Stilistisch treibt es in eine handvoll verschiedener Richtungen, seine Texte in etlichen verschiedenen Sprachen lassen an eine lyrische Analyse von vornherein nicht denken und die Anwesenheit von Gastmusiker*innen in jedem Track färbt das Album klanglich ständig neu ein. Zu Teilen scheinen aber alle Beteiligten bei dieser Platte, dass sie auf verzerrten Elektro-Noise-Pamp stehen, der Hiphop zumindest im Hinterkopf hat und der manchmal unwillkürlich an den innovativen Experimental-Techno des Nyege Nyege-Labels erinnert. Wobei es beeindruckend ist, wie Kinlaw als klanglicher Kurator am Ende alle diese losen Enden unter einen Deckel gibt. Weld ist mit dieser exzentrischen Klangästhetik womöglich die am schwersten zugängliche Platte der diesjährigen Top 30, aber wie man sieht auch eine, die ich über die letzten paar Monate sehr ins Herz geschlossen habe.

Das beste daran: Dass es wahrscheinlich auch das mit Abstand internationalste Album des Jahres ist.


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05.
CAPTAIN PLANET
Come On, Cat












 
 
Emorock |||  
Die musikalischen Highlights schienen Captain Planet eh schon seit den Zwotausendern hinter sich zu haben und allein die Tatsache, dass sie die Sache mit der Musik mittlerweile seit fast zehn Jahren nur noch als Hobby betreiben, machte meine Hoffnungen gering, dass sie 2023 nochmal ernsthaft was reißen würden. Mir nichts dir nichts haben sie mit Come On, Cat dann aber doch irgendwie ihr bestes Album seit Ewigkeiten, vielleicht sogar ihr bestes überhaupt gemacht, das mich nach Jahren der Skepsis doch noch vollauf begeistert. Lang ist es dabei nicht und erfindet ihren Sound auch nicht neu, dafür haben sie mehr zu sagen denn je und sägen auch musikalisch tiefer in die Wunde des Zwotausender-Emorock, die offener klafft als man dachte. Eine Platte, die mich Nostalgie für eine Band empfinden lässt, für die ich eigentlich nie Nostalgie hatte.

Das beste daran: „Du triffst keine Entscheidung nur für dich selbst / doch immer erstmal alleine“


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04.
ALL HANDS_MAKE LIGHT
Darling the Dawn












 
 
Experimental |||  
Dass Efrim Menuck mit den Jahren softer wird, merkte man schon auf seinen letzten Soloplatten an gewissen Details, die mitunter drollige Annäherungsversuche an das Medium Pop beinhalteten (oder zumindest Songs, die danach klangen). Mit seiner mehr oder weniger neuen Band All Hands_Make Light hat er jetzt ein ganzes Album gemacht, das dieses seltsame Verhältnis darstellt und dabei schon noch irgendwie im freiförmigen Drone und Post-Post-Postrock hängt, aber eben auch mal klingen kann wie etwas zu schaurig geratener Indiefolk oder krachiger Kammerpop. Von anfänglicher Befremdlichkeit gegenüber dieses Experiments hat sich mein Verhältnis dazu über die Saison hinweg zu echter Bewunderung gewandelt, zumal dieses Album auch erneut eine Facette vom Sound des Kanadiers zeigt, die ich so vorher noch nicht kannte.

Das beste daran: Dass Menuck sich mit Ariel Engle endlich mal jemanden in die Band geholt hat, der singen kann.


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03.
ANYMA
Genesys












 
 
Techno |||  
Als einer dieser Massenabfertigungs-EDM-Produzent*innen für Tomorrowland-Klientel, der gerne großspurige Shows für gigantische Megaraves inszeniert, war Anyma durchaus ein Künstler, bei dem es anfangs ein paar Red Flags zu ignorieren galt. Über den Türöffner Grimes und die Leadsingle Welcome tot he Opera kam ich dann aber doch in Berührung mit dem Debütalbum des Wahlberliners und brauchte nicht lange, um alle Zweifel fahren zu lassen. Denn Genesys ist das, was großer EDM im Optimalfall sein kann. Zwischen Proghouse, Minimal, ein paar Wave-Elementen und einer gefährlichen Nähe zu Psytrance und Goa schafft Anyma hier ein kleines Meisterwerk von einem Rave-Album, das genau auf die richtige Weise Eingängigkeit und Verwegenheit ausbalanciert. Und mal ganz unter uns: Live sieht das Ganze den Videos nach zu urteilen auch ziemlich geil aus.

Das beste daran: Immer wenn ein Song die kommende Break schon mit einem dieser ominösen, lauernden Bassmotive ankitzelt.


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02.
THE GO! TEAM
Get Up Sequences Part Two












 
 
Psychedelic Pop |||  
Es ist ein bisschen schade, dass dieses Album 2023 mein später Einstieg in das Ouevre des Go! Team war, denn wo so eine faszinierende Musik herkommt, muss definitiv noch mehr sein. Allerdings bin ich auch echt froh, dass es überhaupt passiert ist, da mir sonst nicht nur eine der besten Platten der Saison durch die Lappen gegangen wäre, sondern vor allem eine, die mir in so vielen Stunden der letzten Monate ein Quell der guten Laune und Euphorie war. Wenige Bands werfen dieser Tage so verschwenderisch und doch so effektiv mit Serotonin um sich und klingen auf so geschmackvolle Weise nach endloser Party. Weshalb dieses Album vielleicht auch irgendwie der beste Punkt ist, um in die Diskografie der Briten einzusteigen, da ich mir bei allem Hype meinerseits kaum vorstellen kann, dass alle ihre Sachen so dermaßen gut sind.

Das beste daran: So ungefähr die ersten 42 Minuten.


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01.
SIGUR RÓS
Átta

















 
Ambient |||  
Átta ist kritisch betrachtet wahrscheinlich keines der wirklich interessanten Alben von Sigur Rós und macht – wenn man mal ehrlich ist – auch nichts anderes, als den klassischen Sound der Isländer aus den Zweitausendern mit ein paar Extraportionen Streicher-Watte einzudecken und mit viel Getöse nochmal aufzuwärmen. Und das alles sind Bedenken, die ich zumindest theoretisch auch beim ersten Hören der Platte hatte. Man darf bei so einer Platzierung aber eines nicht außer Acht lassen: Ich rezipiere dieses Album – so sehr ich das vielleicht auch sollte - ja nicht nur als neutraler Beobachter, sondern durchaus als Fan. Genauer gesagt als Fan, der vor dieser LP zehn Jahre auf neues Material von Sigur Rós gewartet hat, zwischenzeitlich schon fest mit der Auflösung der Band rechnete und Phasen durchlief, in denen es auch nicht leicht war, Fan zu sein. Und sie hier wieder so gestärkt zu erleben und ein Album zu hören, das so eine große Geste ist, macht mich natürlich anfällig für diesen nicht umsonst treffend als „Fanservice“ bezeichneten Sound. Weshalb es am Ende auch sehr früh klar war, das Átta ohne nennenswerte Konkurrenz mein Album des Jahres werden würde. Weil es einen lang gehegten Wunsch auf wunderschöne Weise wahr werden lässt und darüber hinaus noch ein absolut fantastisches Album ist, das so viel über unsere Zeit aussagt

Das beste daran: Dass es mich mittlerweile gar nicht mehr stört, dass Jónsi viel mehr auf Englisch singt.