Sonntag, 3. Dezember 2023

Die Wochenschau (27.11.-03.12.2023): Trippie Redd, Aesop Rock, Beirut, All Diese Gewalt und und und...


 
 
 
 
 
SONNYJIM & LEE SCOTT
Ortolan & Armagnac
WeBuyGold | Blah

SonnyJim & Lee Scott - Ortolan & ArmagnacSonnyJim war mir schon letztes Jahr auf seinem aberwitzigen Mixtape White Girl Wasted mit the Purist positiv aufgefallen, was gut war, denn sonst hätte ich ihn mit diesem Banger womöglich gar nicht auf dem Zettel gehabt. Ortolan & Armagnac ist eine weitere dieser sehr kurzen, jazzrappigen und ziemlich abstrakten Hiphop-Platten, von denen es dieses Jahr besonders viele gute gibt und unter denen es ein weiteres echtes Highlight ist. Prominente Features und viral verwertbare Artworks braucht es dabei diesmal nicht, nur zwei Hände voll durchweg stimmiger und arschcooler Rapmusik. Ergebnis ist das erste Album von SonnyJim, das sich für mich als langfristiges Highlight durchsetzen könnte und seinen Output von einem Aha-Moment zu etwas macht, das ich definitiv weiter verfolgen möchte.

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡🟡🟡 09/11




Beirut - HadselBEIRUT
Hadsel
Pompeii

 
 
 
 
 
 
Es mag unkreativ und musikalisch hängengeblieben erscheinen, wie unbeirrt Zach Condon auch auf seinem inzwischen sechsten Album im siebzehnten Jahr seiner Karriere seinen Stiefel spielt. Das überraschende ist aber, wie stabil er das weiterhin macht. Das war schon auf dem Vorgänger Gallipoli von 2019 die frohe Botschaft, auf Hadsel ist es aber nochmal deutlicher zu spüren. Abgesehen von Kleinigkeiten wie der Tatsache, dass mehrere Songs mit etwas ulkiger Kokomo-Percussion anfangen, ist die Platte ein weiteres Mal die Marke Beirut in der vollendeten Form, wie sie seit 2011 mehr oder weniger durchweg existiert: Melancholische Indie-Perlen mit quirkiger Instrumentierung und der gleichen Nostalgie für das alte Europa, die man auch aus Wes Anderson-Filmen kennt. Und der macht ja auch schon seit Jahren immer das gleiche und erntet dafür Applaus.

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡🟡 08/11






All Diese Gewalt! - Alles ist nur ÜbergangALL DIESE GEWALT
Alles ist nur Übergang
Glitterhouse

 
 
 
 
 
 
 
 
Trotz der großen inhaltlichen Abstraktion, die ein Album von Max Rieger ja immer in sich trägt, fühlt sich Alles ist nur Übergang an wie ein sehr persönliches Werk des Stuttgarters, die aus seiner Hand dann doch recht selten sind. Wobei Songs wie in etwas fehlt oder Ihr seid nicht allein, in denen diese Intimität durchschimmert, ganz klar die stärksten der Platte sind. Ansonsten greift leider mein übliches Problem mit Riegers Solo-Output, dass er oft genau vor dem Moment zu stocken scheint, wo bei den Nerven der monumentale Ausbruch kommt und es erst richtig interessant wird. Somit fehlt auch diesem Album häufig eine gewisse Dynamik, die es durch seine fehlende Greifbarkeit in den Texten auch nicht inhaltlich wettmacht. Luft nach oben ist also weiterhin, auch wenn ich sagen würde, dass ich vieles hier schon spannender finde als auf seinen letzten Platten.

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡 07/11






Aesop Rock - Integrated Tech SolutionsAESOP ROCK
Integrated Tech Solutions
Rhymesayers

Nachdem es mir auf den letzten Alben von Aesop Rock hauptsächlich um die Produzentenrollen darauf ging und das musikalische im Vordergrund stand, habe ich mich auf Integrated Tech Solutions vor allem wieder darüber gefreut, den Rapper erzählen zu hören. Denn obwohl sein lyrischer Stil auch hier wieder sehr komplex ist und manche Songs ziemlich esoterisch, machen den Löwenanteil der 18 Tracks aufregende Storytelling-Passagen aus, die in ihrer Aufbereitung sehr an die Art und Weise erinnern, die ich schon auf the Impossible Kid von 2016 sehr mochte: teils autobiografische, teils berührende und nicht selten aberwitzige Kurzgeschichten, in denen Ian Bavitz diesmal zum Beispiel von einem Treffen mit Mr. T aus seiner Kindheit, einer Begegnung der dritten Art mit einem seltsamen Einbrecher oder auch einfach nur seiner Leidenschaft für Botanik, fließende Gewässer oder Junkfood erzählt. Nicht, dass diese Art des Songwritings auf den Vorgängern zu vermissen gewesen wäre, hier ist sie nur mal wieder ganz besonders präsent und einfach zu genießen.

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡🟡🟡 09/11





Spidergawd - VIISPIDERGAWD
VII
Crispin Glover

 
 
 
 
 
 
 
Als die Musik von Spidergawd Mitte der Zwotausendzehner das erste mal drohte, monoton zu werden, rettete die Band sich mehr oder weniger passiv dadurch, dass mit dem Ausstieg von Bent Sæther plötzlich die Rolle des Hauptsongwriters vakant wurde und Per Borten als dessen Nachfolger die Norweger in Richtung straightem Hardrock umkrämpelte. Seitdem haben sie mit einem Album nach dem anderen über Jahre hinweg eine erstaunliche Standfestigkeit bewiesen und Highlights am Fließband produziert. Auf LP Nummer sieben schleicht sich nun aber doch irgendwie die Ermüdung ein und die acht Songs klingen ein bisschen zu routiniert nach testosteroniger Hardrock-Suppe. An diesem Punkt sind Spidergawd dabei ein bisschen wie AC/DC und machen ihren Job schon irgendwie gut, sind aber auch auf unschöne Weise festgefahren. Und im Gegensatz zu den Australiern nimmt man dieser Band irgendwie nicht so richtig ab, dass sie es nicht eigentlich doch besser weiß.

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡 07/11




Trippie Redd - Saint Michael V2TRIPPIE REDD
Saint Michael V2
1400 Entertainment | TenThousand Projects

Es ist mal wieder eine dieser Trippie Redd-typischen Schnapsideen, Saint Michael erst als viertelstünduge EP zu veröffentlichen und dann kurz danach als V2 mit einer handvoll neuen Songs doch noch ein Album daraus zu machen. Formattechnisch spielt das alles aber eigentlich keine Rolle, da sowohl die kurze als auch die lange Fassung das gleiche Problem haben: Nach einer ganzen Reihe von Exkursen in verschiedene Stilrichtungen (das hier ist sein drittes Album in diesem Jahr!) scheint das hier nun der Versuch zu sein, alles davon in einen Pott zu werfen: Rage, Emotrap, ein bisschen Drake-R'n'B, Hyperpop und sogar K-Pop-Elemente. Bisher mochte ich seine Platten aber ja vor allem deswegen, weil er als einer der wenigen in seinem Metier stilistisch kohärent sein konnte und Sachen auch mal durchzog. Ihn hier so zwischen den Stühlen zu erleben, wirkt da nicht nur chaotisch, sondern mindert auch die Alleinstellungsmerkmale einzelner Tracks. In jeder Hinsicht muss ich also sagen, dass sich mit diesem Projekt verhoben wurde und der Rapper eines seiner bisher schwächsten Alben macht. Und seine schwächste EP gleich noch mit dazu.

🔴🔴🔴🟠⚫⚫⚫⚫ 04/11





PAULINCHEN BRENNT
Mache
Krakenduft

Paulinchen Brennt - MachePaulinchen brennt haben in den letzten Monaten bereits ziemlich viele Lieblingsdinge von mir zusammengebracht: Im Juli hatte ich die Band auf meinem Herzensfestival im Vogtland zum ersten Mal live gesehen, zuletzt waren sie mit Dÿse auf Tour und das Artwork dieser neuen Platte stammt vom großartigen Conny Ochs. Mache ist daher definitiv eines der von mir am sehnlichsten erwarteten Debütalben und erfüllt glücklicherweise auch die meisten meiner Erwartungen. In 24 Minuten rotzt das Trio aus Leipzig und Würzburg hier einen infernalischen Hardcore-meets-Noiserock-Nackenbrecher nach dem anderen raus und macht damit sicherlich kein durchkalkuliertes Meisterwerk oder so, ist aber immens kurzweilig und schafft auf jeden Fall das Kunststück, ihren kantigen Live-Sound wirkungsvoll auf die Konserve zu übertragen.

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡🟡 08/11




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