Montag, 11. Dezember 2023

Die Wochenschau (4.12.-10.12.2023): André 3000, Danny Brown, PinkPantheress, Cat Power und und und...

 
 
 
 
 
PINKPANTHERESS
Heaven Knows
Warner

PinkPantheress - Heaven KnowsVielleicht das letzte große R'n'B-Highlight des Jahres, aber dafür nochmal ein richtig cooles. Nach ihrem umjubelten ersten Mixtape von 2021 ist die Britin PinkPantheress nun beim offiziellen Debüt angelangt und findet darauf mehr und mehr ihren eigenen Weg. Heaven Knows folgt in vielen Punkten dem Trend sehr schlafzimmerpoppiger R'n'B-Musik, ist dafür aber erstaunlich catchy und smooth unterwegs. Die Künstlerin selbst ist dabei so charakterstark, dass die größte Schwäche des Albums oftmals die Features darauf sind, selbst über die kann man sich in den seltensten Fällen (*hust* Ice Spice *hust*) beschweren. Die Bezeichnung "starker Einstand" passt nach dem Hype um das Mixtape zwar hier schon nicht mehr wirklich, für mich ist Heaven Knows das aber schon irgendwie.

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡🟡🟡 09/11





Cat Power - Cat Power Sings Dylan: The 1966 Royal Albert Hall ConcertCAT POWER
Cat Power Sings Dylan: The 1966 Royal Albert Hall Concert
Domino

Es ist schon ein extrem nerdiger Move von Cat Power, ihren Helden Bob Dylan nicht nur im Rahmen eines Coveralbums zu würdigen, das Lieblingssongs von ihm versammelt oder eines seiner Studioalben interpretiert, sondern ein Konzert von ihm nachzuspielen. Zugegeben, die Show 1966 in Manchester, die später fälschlicherweise in die Londoner Royal Albert Hall verortet wurde, gehört zu den wegweisenden des Songwriters und enthält etliche Klassiker, ein besonderes Commitment ist es aber trotzdem. Vor allem auch deshalb, weil Cat Power Dylan hier auf sehr spannende Weise kanalisiert. Ihre Bearbeitung der Songs ahmt den Stil des Folksters auch stimmlich oft nach, klingt aber niemals nachgeäfft. Es ist ein bisschen wie eine der formverändernden Performances, die damals das Dylan-Biopic I'm Not There so spannend machten und etwas erkennbar darstellen, es aber auch entscheidend verfremden. Besonders cool gemacht ist das dabei im ersten, komplett akustischen Teil des Konzerts (für das Cat Power tatsächlich in der Royal Albert Hall gastierte), die zweite klingt dann doch ein bisschen nach Erwachsenenpop. Als starke Performerin mit toller Backingband und vielleicht ultimativer Dylan-Fan zeigt sie sich aber allemal und macht ganz nebenbei ein Livealbum, das nicht den Weg des geringsten Widerstands geht.

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡🟡 08/11





Danny Brown - QuarantaDANNY BROWN
Quaranta
Warp

Wie schon mit XXX vor zwölf Jahren schenkt sich Danny Brown mit Quaranta ein neues Album zum runden Geburtstag und schaut dabei auf die vergangene Dekade zurück. Wobei es in der Natur der Sache liegt, dass beide Platten unterschiedlicher nicht sein könnten. War XXX, damals in seinem 30. Lebensjahr veröffentlicht, noch ein Porträt eines von Drogen und Traumata geplagten Szene-Originals, das ironischerweise das späte Sprungbrett für seine Mainstream-Karriere war, ist die neue Platte die eines geläuterten Mannes mit Erfahrungen. Und damit die erste des Rappers, die ich als wirklich nachdenklich bezeichnen würde. Zwar war schon uknowhatimsayin¿ von 2019 nicht mehr ganz so freaky wie so ziemlich alles davor und auch hier gibt es nach wie vor ein paar der typischen Schieflagen-Banger, die Brown schon immer macht, das allgemeine Bild ist aber ein wesentlich aufgeräumteres und auf Texte fokussierteres. Und wo ich absolut der Meinung bin, dass dieses Album für Danny Brown ein immens wichtiges ist und er es vielleicht sogar irgendwie brauchte, ist diese Stilistik doch ganz eindeutig nicht die, in dem seine Musik zu den besten Ergebnissen kommt. Quaranta ist in keinster Weise langweilig oder monoton, nur über weite Strecken ziemlich richtungslos und ohne festen Kern. Weshalb ich schon irgendwie froh bin, dass es dieses Jahr eben auch noch Scaring the Hoes gab, auf dem Brown - zumindest klanglich - nochmal ganz der alte war.

🔴🔴🔴🟠🟠🟠⚫⚫⚫⚫ 06/11





LEÏLA MARTIAL & VALENTIN CECCALDI
Le Jardin des Délices
BMC

Leïla Martial & Valentin Ceccaldi - Le jardin des délicesDer gesangliche Style von Leïla Martial erinnert mich an vielen Punkten an die großartige Klô Pelgag, was der anfängliche Grund für mein Interesse an diesem Album war. Musikalisch ist es tatsächlich aber eher im Jazz angesiedelt und auch unabhängig von eventuellen Ähnlichkeiten im Gesang unglaublich spannend. Manchmal ist Les Jardin des Délices kurz davor, eines dieser abgehoben-biederen Kulturradio-Feuilleton-Alben zu werden, rettet sich aber oft dadurch, wie ernsthaft schräg und experimentell es ist. Als anscheinend komplett improvisierte Platte, deren Charakter man vor allem in Martials Gesang oft spürt, driftet es immer ein bisschen zwischen chansonhafter Niedlichkeit und avantgardistischem Hochkultur-Abglanz. Richtig gut ist es dabei in jedem Fall und hat mir kurz vor Jahresende nochmal einen echten Favoriten vor den Latz, mit dem ich überhaupt nicht gerechnet hatte. 

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡🟡🟡 09/11







BLOCKHEAD
The Aux
Backwoodz Studios

Blockhead - The AuxSchon auf Free Sweatpants von 2019 zeigte Hiphop-Untergrundlegende Blockhead, dass die Schnapsidee vieler Produzent*innen, all seine Lieblingskunden mal auf die eigene Platte einzuladen, bei ihm tatsächlich funktionieren konnte. Wesentlicher Grund dafür: Wenn er hinter den Reglern steht, rappen nicht eingekaufte Gäste irgendwelche B-Ware, sondern es kommt eine Community zusammen. Folglich ist es auch nicht verwunderlich, dass the Aux im Endspurt von 2023 nochmal eine der besten Rap-Platten des Jahres geworden ist. Denn nicht nur ist fast jeder Song mit Szene-Prominenz wie Aesop Rock, Danny Brown, Billy Woods, Open Mike Eagle oder Quelle Chris besetzt, die bringen hier auch noch allesamt ihr A-Game und sind wenn man richtig Glück hat auch noch gemeinsam auf den Tracks zu hören. Wobei man natürlich auch nicht den Umstand schmälern sollte, dass Blockhead als Host ihnen mit seinen Beats oft geniale Grundlagen baut, bei denen am Ende auch mit schlechten Rap-Parts gute Songs bei rumgekommen wären. Dass hier aber alles so symbiotisch ineinander greift, macht hier den Unterschied von einer guten zu einer bemerkenswerten Platte aus. Und diese hier ist definitiv letzteres davon.

🔴🔴🔴🟠🟠🟠🟡🟡🟡 09/11





ANDRÉ 3000
New Blue Sun
Epic

Als New Blue Sun Anfang November eine Woche vor Release angekündigt wurde, hatten wir alle ein bisschen unseren Spaß: Da kommt es endlich, das allererste richtige Soloalbum des vielleicht talentiertesten Rappers der letzten 25 Jahre, und ist dann nicht mal ein Rap-Album, sondern eine fast 90-minütige, komplett instrumentale Impro-Session, die hauptsächlich auf Andrés Faible für Flötenmusik basiert. Und dann noch die Songtitel! Das konnte ja nur gut werden. Kurz danach hatten wir das Album dann und wollten es plötzlich doch alle ernst nehmen. Für den Schöpfer selbst ist das ganze nämlich alles andere als ein Witz und tatsächlich ein echtes Leidenschaftsprojekt. Und glaubt mir wenn ich sage, ich habe es auch versucht. Eigentlich war ich ja von der Aussicht, hier ein instrumentales und sehr experimentelles Musikstück zu bekommen, durchaus angetan, weil ich André ein talentierter Songwriter ist und ich ihn durchaus als jemaden sah, der in seiner Musik Leute wie Alice Coltrane, Sun Ra oder John McLaughlin kanalisieren konnte. Das Ergebnis ist aber leider ziemlich zahnloser New Age-Pamp geworden, dem man seinen improvisierten Session-Charakter nicht auf eine gute Weise anhört. Die Instrumentierung ist kitschig, die Performance richtungslos und so gut wie alle Stücke könnten fünf bis zehn Minuten kürzer sein. Das schlimmste ist aber: Niemals hätte ich gedacht, dass ein Solodebüt von jemandem wie ihm so schludrig und skizzenhaft klingt. Deshalb fühlt sich New Blue Sun für mich auch eher wie eine Sessionplatte an, deren Status als offizielles Debüt von André 3000 ich nicht so wirklich anerkennen will. Nicht, dass es unbedingt ein Rap-Album sein müsste, dass mich umdenken ließe, zumindest aber ein etwas ausformulierteres Gesamtergebnis.

🔴🔴🔴🟠🟠⚫⚫⚫⚫ 05/11



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