Sonntag, 21. Oktober 2018

Flutsch und weg





















Dafür, dass Chan Marshall aka Cat Power eigentlich auch nur eleganten Indiepop mit clever gesetztem Understatement macht, wird sie von der Welt der Kritik nun schon sehr lange ganz schön hofiert. Spätestens seit ihrem "großen Album" the Greatest von 2006 gilt sie als quirlige Koryphäe des modernen Songwriter*innen-Genres, ein Status, der mir persönlich nie so richtig aufgegangen ist. Sicher, auch ich liebe Tracks wie Cross Bones Style und kann ihrem klischeefreien Image durchaus etwas abgewinnen, doch bin ich auch nicht so dumm, mich davon trügen zu lassen. Denn rein musikalisch gab es bei Cat Power ehrlich gesagt nichts, was ich nicht auch bei Feist, Dear Reader oder Emíliana Torrini finde. Zumindest nicht nach dem Jahr 2000. Folglich habe ich auch diesmal lange überlegt, ob ich über diese neue Platte von ihr überhaupt schreiben möchte, denn schon die Vorboten waren in den letzten Wochen und Monaten nicht besonders vielversprechend. Die Promo-Singles waren eine wie die andere nicht weiter erwähnenswert und spätestens als Marshall für den feministisch angehauchten Song Woman ausgerechnet Lana del Rey mit ins Boot holte, kam mir schon mächtig das Grübeln. Dass ich letztendlich doch für die Besprechung entschieden habe, lag eher daran, dass Wanderer beim ersten Reinhören wieder etwas erdiger klang als seine Vorgänger und tatsächlich auch wieder ein bisschen den Stil ihres in meinen Augen besten Albums Moon Pix von 1998 zurückholte. Vielleicht war Cat Power nach so vielen Jahren im Form eines zurückgenommenen Folk-Albums à la Alison Krauss ja doch wieder ein Treffer gelungen. Doch schon kurz danach zeigte sich dieser kurze Hoffnungssreif als grobe Fehleinschätzung: Die neue Platte von Marshall ist ebenso eintönig, pretenziös und übermäßig aufgehübscht wie schon so vieles zuvor und hat auch nicht wirklich ein Statement zu machen. Weder klanglich noch kompositorisch. Wanderer ist Musik, wie sie häufig in Kulturradios läuft: So ein bisschen ab vom Mainstream und classy mit luftigem Piano oder Gitarre vorgetragen, aber so dermaßen stromlinienförmig und abgeschliffen, dass man nicht wirklich dazu motiviert ist, sich dem zu widmen. So gut wie alle der elf Titel auf diesem Album sind vollkommen austauschbar, lediglich ein ganz vorsichtig eingestreuter Autotune-Background oder eine Synth-Line lässt mich mal kurz aufhorchen. Aber selbst diese Elemente sind eher Kosmetik als ernst gemeintes künstlerisches Mittel. Dafür allerdings, dass hier in der Komposition so wenig passiert, ist die Platte fast überall hoffnungslos überproduziert und klinisch mit nachträglichen Effekten bis zur Erstickung versiegelt. Ausnahmen sind drei Songs relativ am Ende, die ein wenig Intimität zulassen und damit ganz sicher die besten auf dieser LP sind, doch auch sie erinnern mich nur daran, wie viel besser diese Dinge eine Emíliana Torrini kann. Denn was all diesen Stücken in ihrem Kern fehlt, ist das Potenzial, mich musikalisch direkt anzusprechen und im Kopf zu verharren. Wanderer ist ein Album, das für mich ungefähr so einprägsam ist wie eine Straßenkarte von Sumatra. Es bleibt nicht hängen, sondern rutscht mit seinen kantenlosen Format-Sounds direkt wieder weiter. Es ist nicht komplett beschissen, nur eben irgendwie ereignislos. Und insgeheim sind das ja eigentlich immer die schlimmsten Platten. Denn sie werden nicht mal ihrer Peinlichkeiten wegen erinnert.






Persönliche Highlights: Wanderer / Black / Robbin Hood / Nothing Really Matters / Wanderer/Exit

Nicht mein Fall: Woman / Me Voy

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