Freitag, 19. Oktober 2018

Das Geld muss weg





















Es gibt wohl aktuell kaum eine andere Band auf der Erde, bei der die Schere zwischen den inhaltlichen Aspekten ihrer Musik und dem Erfolg, den sie damit hat, größer klafft als bei Behemoth. Als ziemlich unzweideutig ausgerichteter Black- und Death Metal-Act mit offen okkulter und satanischer Message sind sie seit einer halben Ewigkeit schon die bestverkaufte Marke in ihrer Heimat Polen, einem traditionell erzkatholischen Staat und dort bereits lange so etwas wie Popstars. Sänger Nergal übt neben seiner Haupttätigkeit als Dämonenprediger in dieser Formation das Amt eines Jurors in einer bekannten Castingshow aus und ist auch sonst so ziemlich alles andere als ein Underground-Phänomen. Und nicht zuletzt haben diese mittlerweile auch ihre Spuren im Schaffen von Behemoth hinterlassen. Spätestens seit ihrem letzten Longplayer the Satanist von 2014 ist das Kollektiv aus Danzig nicht nur die vielleicht reichste Black Metal-Band der Welt, sie klingt auch danach. Ihre Platten haben nichts zu tun mit dem schlecht produzierten, auf das wesentliche reduzierte und absichtlich lumpig gehaltenen Getue vieler anderer Acts, denn sie können sich die Großkotzigkeit leisten. Ihr Selbstverständnis im Jahr 2018 besteht in Alben mit mindestens dem Produktionsaufwand von Mariah Carey, Musikvideos auf Hollywood-Niveau und Live-Shows mit Pyrotechnik und aufwendiger Garderobe. Und wo ich diese neue Protzigkeit zunächst doch ein wenig fragwürdig fand, bin ich inzwischen ganz klar zum Fan geworden. Wann hat man schon mal das Glück, die Vertreter einer solch extremen Gattung von Pop mit allen nötigen finanziellen und PR-technischen Mitteln zu sehen, denen noch dazu künstlerisch freie Hand gelassen wird? Solche Fälle sind selten geworden seit den Neunzigern und mit Behemoth hat es eine Band erwischt, die mit dieser Verantwortung umgehen kann. Schon the Satanist war vor vier Jahren zum Bersten voll mit dicken Streicher-Arrangements, Chören, Bläsersätzen und dergleichen. Und mit I Loved You At Your Darkest scheinen die Polen gleich nochmal einen draufzusetzen. Gleich der erste Track Solve steigt mit einem Kinderchor ein und findet damit aus dem Stand das denkbar am meisten makabre Stilmittel für ein okkultes Black Metal-Album. Wenig später geht es in God = Dog nochmal zur Sache, in Sabbath Mater gibt es subtil aufgestellte Fanfaren und in Havohej Pantocrator sogar eine Drum-Machine. Stilistisch sind die neuen Songs dabei sehr nah am Vorgänger angesiedelt, das hier ist ganz klar in mehr als nur einer Hinsicht die Quasi-Fortsetzung von the Satanist. Mit einem Unterschied: Wo vor vier Jahren die vielen kleinen Extras auch als solche dienten und an sich schon gut geschriebene Songs an strategisch günstigen Stellen stützten, scheinen sie hier ein bisschen Mittel zum Zweck zu sein. Denn an der kompositorischen Front zeigen sich Behemoth auf dieser LP zum größten Teil ratlos. Es gibt zwar tolle Momente wie das infernale God = Dog, Rom 5:8 oder das sehr geduldige Intro zu Bartzabel, doch den überwiegenden Teil der Songs holzt die Band hier mehr oder weniger rum. Schon beim letzten Mal hatten sie ein wenig das Problem, dass durch die vielen Spuren und die Super-HiFi-Produktion einige Elemente untergingen und mit dem dazukommenden unfokussierten Songwriting klingen viele Parts dieser Platte dann einfach nur noch chaotisch, vermatscht und ohne jede klangliche Richtung. Dass Nergal noch nie mein liebster Metal-Vokalist war, kommt da erschwerend hinzu. Schlussendlich versuchen Behemoth dann auch noch, die fehlende Ausrichtung durch allerhand Gniedelei zu kaschieren, was alles nur noch verschlimmbessert. Vergleicht man einen Rohrkrepierer wie Wolves Ov Siberia dann mit einem Über-Song wie Blow Your Trumpets Gabriel vom letzten Album, werden schon sehr deutliche Diskrepanzen sichtbar. Ich will I Loved You at Your Darkest eigentlich nicht so in die Waagschale mit seinem Vorgänger legen, doch man merkt in vielen Dingen hier schon sehr deutlich, wie die Band versucht, diese LP stilistisch zu wiederholen. Und da, sorry für die harten Worte, kackt die neue Platte eben ganz schön ab. Da helfen auch all die Bläsersätze, Kinderchöre und teuren Videos nichts. In so einem Fall ist es einfach nur schade um das viele Geld. Aber davon hat man ja eh genug, wenn man mit dem Teufel im Bunde ist. Oder wahlweise auch mit Nuclear Blast.






Persönliche Highlights: God = Dog / Ecclesia Diabolica Catholica / Havohej Pantocrator / Rom 5:8

Nicht mein Fall: Wolves Ov Siberia / Angelvs XIII

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