Donnerstag, 25. Oktober 2018

Not Your Darling





















Das Konzept von Indie-Darlings, sprich von Künstler*innen, die zwar nicht kommerziell erfolgreich sind, aber in der alternativen Szene eine ziemlich große Anhänger*innenschaft haben, sollte mittlerweile soweit bekannt sein. Acts wie Animal Collective, Courtney Barnett oder Beach House haben diesem Image schon lange einen Ruf gemacht und dass ein solcher in Zeiten den Web 4.0 zum Teil besser ist als tatsächliche Plattenverkäufe, ist mittlerweile auch im Mainstream angekommen. Doch wirft ebendieses Phänomen der Industrialisierung des Indie-Darlings, auch eine ziemlich witzige Nebenwirkung auf: Indie-Künstler, die nie zu Darlings geworden sind, obwohl eigentlich alles gepasst hätte. Leute wie Kevin Morby, Damien Jurado, Baths oder Woods, die schon seit einer Weile Musik machen und damit auch regelmäßig gute Kritiken einfahren, aber trotzdem nie so richtig den Sprung zum Publikum schaffen. Und wenn es so etwas wie den ungekrönten König dieser Leute ist, dann ist das Matthew Houck alias Phosphorescent. Schon seit 2005 taucht dieser regelmäßig auf irgendwelchen Pitchfork-Bestenlisten auf, macht von der Blogosphere auch sonst gefeierte Alben, ist seit acht Jahren beim Nobel-Label Dead Oceans zu Hause und hätte bereits zu mehreren Zeitpunkten den großen Durchbruch in die Hipster-Playlisten schaffen können, was aber nie so richtig passierte. Große Nummern schreibt er nach wie vor nur in der Kritik, während andere Künstler*innen wie the War On Drugs oder Kurt Vile mit einem sehr ähnlichen Sound Karrieren aufbauen. Dabei ist Houcks Sound keine Spur weniger hochwertig: Seit einer ganzen Weile schon vermengt er den Anspruch eines ehrlichen Indie-Songwriters, mit US-amerikanischer Folklore von Dylan bis Springsteen, einer großen Prise Country und ein bisschen New Wave als Bindemittel. Seine Texte sind dabei ziemlich poetisch, wenn auch immer ein bisschen schrullig, aber gerade dadurch eigentlich genau das richtige für die Zielgruppe junger Gitarrenmusikhörer*innen, die auch viele ähnliche Bands ansprechen. Und nachdem schon seine letzte LP Muchacho von 2013 daran nur haarscharf vorbeischrammte, ist es mit C'est La Vie erneut so ein Ding der Unmöglichkeit. Zwar ist die neue Platte klanglich ein bisschen verhaltener und melancholischer als die letzte, aber dennoch ist sie klanglich wahnsinnig ausgefuchst, macht mutige Anspielung an vergessene Helden des Achtziger-Americana und macht lyrisch ebenfalls was her. Rupert Holmes und Mark Knopfler scheinen dabei ebenso große Einflüsse zu sein wie Bob Dylan oder Willie Nelson und von allen bisherigen Phosphorescent-Alben ist dieses hier mit ziemlicher Sicherheit das Country-lastigste. Der größte Teil der Songs könnte auch nachts um drei in einer mit rauchigem Neonlicht beleuchteten Midwestern-Bar laufen, in dem die Kundschaft ausschließlich aus geisterhaften Jack Kerouac-Figuren besteht. Matthew Houck macht diese Musik dabei vollkommen unironisch, mit einer tiefen Empfindsamkeit für die Seele des ganzen, weshalb er auch nur sehr wenig auf Klischees setzt. Sicher, die typischen Hall-Getränkten Slide-Gitarren und Zweivierteltakte finden sich hier überall, aber der Künstler nutzt sie als Stilmittel, nicht als Grundsetting. Dass hin und wieder ein kantiger Synthesizer aufploppt, afrikanische Folk-Percussion eingesetzt wird oder es einen kurzen Funk-Einschlag gibt, macht die Sachlage schon klar. Vor allem sind es aber Houcks Texte, die den größten Unterschied bedeuten: Im Gegensatz zu den meisten Country-Acts sind seine Lyrics ziemlich artsy und weird, was eine ganz klare Abstraktion ausmacht. Wenn man so will, dann ist C'est La Vie so etwas wie das kunstvollste Country-Album, das ich je gehört habe und gerade deshalb auch so gut. Phosphorescent denkt diese Art von Musik nicht als festen Begriff, sondern weiß sehr gut, wie man damit spielt und experimentiert, sodass am Ende etwas dabei rauskommt, was zumindest relativ neu ist. Auf jeden Fall kann ich für mich sagen, dass ich selten so eine uneingeschränkt gute Meinung von einer (unironischen) Country-Platte hatte und dass ich nun endlich auch mal sagen kann, dass ich nicht nur schlechte Sachen aus dieser Nische kenne. Man stelle sich mal vor, sowas würde jemand hierzulande mit Schlagermusik machen, dieser Mensch wäre definitiv ein Visionär. Und ist das nicht noch viel besser als zum zehnten Mal von Pitchfork den Arsch geküsst zu bekommen?






Persönliche Highlights: C'est La Vie 2 / There From Here / Around the Horn / My Beautiful Boy / These Rocks / Black Waves/Silver Moon

Nicht mein Fall: Christmas Down Under

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