Montag, 8. Oktober 2018

Back to School





















Tim Hecker ist traditionell einer von jenen von der Kritik ungeliebten Künstler*innen, die man unmöglich in eine Schublade packen kann. Man sagt ja immer, das so etwas gut ist, aber in echt ist es das eigentlich überhaupt nicht. Denn wie soll man jetzt jemandem, der diesen Typen noch nie gehört hat, in einfachen Zusammenhängen erklären, was für Musik er macht. Ambient? Dafür ist er zu verwuselt und aufdringlich. Minimal Elektro? Dazu ist er zu abstrakt. Noise? Dafür ist er zu wenig provokativ. Und so muss man sich letztlich damit begnügen, dass Tim Hecker ein Elektro-Künstler ist. Vielleicht noch mit der Zugabe "experimentell". Aber wirklich konkret wird man damit nicht. Wo mich das in der Vergangenheit jedoch immer ziemlich frustrierte, muss ich inzwischen mehr und mehr anerkennen, dass diese Undefinierbarkeit das eigentliche Wesen des Kanadiers ist. Denn wenn er über die letzten Jahre eines klargestellt hat, dann dass er auf jedem seiner Alben ein bisschen ein Anderer ist. In seiner Frühphase dominierten Drone-lastige Platten wie Mirages, später wurde aus ihm auf Ravedeath, 1972 und An Imaginary Country ein kleiner Brian Eno und spätestens mit seinem bisherigen Opus Magnum Virgins im Jahr 2013 war er begrifflich fast nicht mehr zu greifen. Und in den Augen so mancher macht ihn das bereits zum Genie. Klar, Hecker ist wahnsinnig wandelbar und hat auch definitiv ein Händchen für unkonventionelle Sounds, aber weder kann er nach über zehn Jahren einen stringenten Stil aufweisen, noch schafft er es wirklich, mit seinen Tracks Atmosphäre aufzubauen. Seit dem kleinen Reddit-Hype vor fünf Jahren zähle ich mich zu einem der größeren Zweifler, was den Output dieses Mannes angeht und auch wenn ich selbst Platten wie Virgins oder Ravedeath ganz gerne mag, finde ich seine Musik ganz allgemein ein wenig überschätzt. Und gerade im Falle von Konoyo fällt mir das wieder einmal sehr deutlich auf. Dabei ist das hier eigentlich eines seiner besseren Werke in den letzten Jahren. Nach dem fast schon poppigen Love Streams von 2016 geht Hecker hier wieder ein ganzes Stück in die finstere und experimentelle Richtung, die viele damals bei Virgins so mochten und einige vorab veröffentlichte Passagen wie das beklemmende Keyed Out waren absolut genial. Doch ist das fertige Ergebnis in seiner ganzen Bandbreite dann doch eher durchwachsen geworden. Das liegt teilweise daran, dass sich der Künstler an einigen Stellen ein bisschen zu weit ins Territorium der avantgardistischen Ausprägung hinein wagt, mitunter sind es aber auch ziemlich banale Anfängerfehler, die hier die Stimmung versauen. So ist zum Beispiel gleich der Album-Opener This Life mit seinem vielen Gezauder und Gefrickel nicht in der Lage, erstmal ein Gefühl aufzubauen und die Hörendenschaft in der Musik ankommen zu lassen. Eine Aufgabe, die der zweite Track In Death Valley dafür um so besser meistert. Er ist zwar ein ziemlicher Ambient-Standard direkt aus dem Lehrbuch von Brian Eno, aber er funktioniert, weil er sich auf die Basics besinnt. Und das etwas öfter zu tun, hätte Hecker hier vielleicht sehr gut getan. Konoyo will oft hoch hinaus, baut sich aber dafür nicht immer die richtige Substanz auf, weshalb einiges hier auch ein bisschen verloren klingt. Das Saxofon in Is A Rose Petal of the Dying Crimson Light hätte beispielsweise super funktioniert, wäre es die bombastische Sahnehaube auf einem strukturell ausgebauten Song-Fundament. Stattdessen gluckts das Instrument hier ein bisschen im leeren Raum vor sich hin, sodass man fast gar keine Notiz davon nimmt. Zum Glück ergeht es aber nicht allen Ideen auf diesem Album so schmerzhaft. Insbesondere ab dem Mittelteil finden viele der wirklich bedeutenden Motive als Element von längeren, nicht selten auch mehrteiligen Stücken statt, die großzügig die Acht-Minuten-Marke überschreiten. Hier wird diesen Themen dann auch die Zeit gegeben, sich adäquat zu entwickeln und ihre volle Größe langsam zu entfalten. Was letztendlich doch noch dazu führt, dass Konoyo ein paar ziemlich magische Momente wie das Ende von A Sodium Codec Haze oder die Violine in In Mother Earth Phase hat, die tatsächlich das Talent des Kanadiers zeigen. Und unterm Strich ist das hier auch alles andere als ein Reinfall, wie gesagt, es ist eines seiner besseren Alben in letzter Zeit. Nur ist es eben nicht eben so makellos und von Inspiration erfüllt, wie viele seiner Fans stets gerne behaupten. Nur weil es schwierig ist, bei so etwas extraodrinärem wie dem hier die konventionelle Messlatte anzulegen, heißt das noch lange nicht, dass Tim Hecker zu hoch für sowas ist. Das heißt höchstens, dass er zu hoch für einen selber ist.






Persönliche Highlights: In Death Valley / Keyed Out / A Sodium Codec Haze / Across to Anoyo

Nicht mein Fall: This Life

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