Mittwoch, 3. Oktober 2018

I'm Going Through Changes





















Gerade mal acht kurze Monate sind vergangen, seitdem Brockhampton das letzte Saturation-Album veröffentlichten, dennoch ist das Kollektiv aus Texas seitdem nicht mehr dieselbe Band. Die Veränderungen, die bei ihnen zuletzt stattfanden, sind mehr oder weniger gravierend und zum größten Teil nicht einhellig als gut oder schlecht zu bezeichnen. Neben dem Major-Deal bei RCA und der gemeinsamen Umsiedlung nach Kalifornien war es vor allem der Abgang von Ameer Vann, der die Fan-Lager spaltete und auch bei den verbliebenen Mitgliedern ein Vakuum hinterlassen hat. Bereits die erste neue Single Tonya, die bereits im Frühjahr erschien, beschäftigte sich ausführlich mit dem Thema und tendierte dabei zwischen Wut, Kontemplation, Trauer und Sehnsucht. Es war ganz klar, dass für Brockhampton die Zeit nach Saturation keine leichte war, und wenn man sich ihre neue LP anhört, wird das erneut sehr deutlich. Iridescence als erste Ausgabe einer neuen Album-Trilogie mit der letzten Serie zu vergleichen, ist deshalb müßig. Denn nicht nur gibt es viele neue Themen und einen generell sehr viel weniger euphorisch-hedonistischen Ansatz, sondern auch ganz konkrete Sachen wie personelle Umwälzungen, die die Band in wichtigen Punkten neu definieren. Was aber noch viel wichtiger ist: diese Platte klingt nicht, als hätten Brockhampton besonders viel Spaß daran gehabt. Der große Selling Point, der diese Gruppe von Musikern von Anfang an so beliebt machte, war die Tatsache, dass sie mit extrem viel Hunger bei der Sache waren und auch wenn ich vieles von ihnen nicht so sehr mochte wie anscheinend der Rest der Welt, so musste ich doch anerkennen, dass hinter den drei Projekten letztes Jahr jede Menge Leidenschaft steckte. Wie sonst soll man es auch schaffen, drei Longplayer in einem Jahr zu realisieren? Brockhampton waren einfach total auf Steroiden. Wenn man sich Iridescence im Gegensatz dazu anhört, klingt die Band die meiste Zeit ziemlich ausgebrannt, lustlos und formelhaft. Die Gründe, die dafür in Frage kommen, sind sicherlich vielfältig und ich sage nicht, dass diese nicht ihre triftige Berechtigung haben. Doch wenn mit einem Mal so viel auf einen zukommt, man einen Labelwechsel durchläuft und das komplette Projekt strukturell verändert, ist es vielleicht nicht die beste Idee, gleichzeitig nicht nur eines, sondern gleich drei neue Alben einzuspielen. Iridescence hört man einfach an, dass die für viele Mitglieder zum Zeitpunkt der Aufnahmen die Musik wahrscheinlich gerade nicht im Hauptfokus stand. Die Instrumentals wirken hingeschludert, den Performances vieler Rapper fehlt das Feuer, herausragende Songs gibt es noch weniger als auf den Saturation-Platten. Und wo man 2017 stets den Eindruck hatte, dass die komplette Ästhetik von Brockhampton einem ausgeklügelten Masterplan folgt, kommt hier das meiste eher so rüber, als wüsste niemand wirklich, wohin mit der angefangenen Idee. Dieses Album ist weit davon entfernt, eine Katastrophe zu sein und einige tolle Tracks gibt es ja, aber es ist genauso weit davon entfernt, das ausgetüftelte, pickepackevolle, euphorische Projekt zu repräsentieren, dass diese Gruppe zuletzt war. Und es ist vielleicht hart das zu sagen, aber ich fände es besser, wenn diese LP nicht existieren würde. Nicht, weil sie so scheiße ist, sondern weil es einfach eine Band in der Krise zeigt, die besser daran getan hätte, sich nach den vielen Veränderungen erstmal eine Auszeit zu nehmen und die vielen Baustellen freizuschaufeln, die in diesem letzten Jahr entstanden sind. Klar versuchen Brockhampton hier, das geschehene zu verarbeiten, aber ich habe das Gefühl, dass sie dabei nicht am Ende der Talsole sind, sondern noch mittendrin. Und ich bin sicher, nach drei Alben in 12 Monaten hätte ihnen auch niemand eine ausgedehnte Pause krumm genommen. Stattdessen veröffentlichen sie zum ersten Mal ein ziemlich halbfertiges, hektisches und unspektakuläres Produkt, das nicht hätte sein müssen. In Erwartung zwei weiterer Platten von ihnen macht mich das nicht gerade vorfreudig, sondern weckt eher Befürchtungen. Es ist damit zu rechnen, dass die neue Trilogie ähnlich kaputt und zerfasert wird wie dieses Album und ich denke, wir werden 2018 wenig Spaß haben mit Brockhampton. Schon alleine deshalb, weil sie den auch nicht haben werden.






Persönliche Highlights: Weight / District / Loophole

Nicht mein Fall: Honey

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